Loki: the fallen Prince - der gefallene Prinz von uk ================================================================================ Kapitel 16: Mord im Palast -------------------------- Runya zermarterte sich den Kopf darüber, was sie tun sollte. Sie konnte – und wollte! – Thor nicht heiraten, doch sie ahnte, dass eine Weigerung ihrerseits mehr als nur den Unmut des blonden Donnergottes nach sich ziehen würde. Sie fürchtete, dass er Vanaheim deshalb wirklich für alle Zeiten jegliche Unterstützung verweigern könnte. Was wiederum zur Folge hätte, dass ihr Volk, das über keine grosse Armee verfügte, jedem Angreifer schutzlos ausgeliefert wäre. Sie kam sich vor wie ein Tier, das hilflos in der Falle sass. Ein Zurück gab es nicht, aber vor sich sah sie nur einen dunklen, endlosen Abgrund. In der Hoffnung, etwas Klarheit in ihre wirren Gedanken zu bringen, huschte sie spätabends noch aus dem Palast. Loki hatte ihr – auf ihren Wunsch hin – gezeigt, wie sie an den Wachen des östlichen Tores vorbeikam, sodass sie jetzt wenigstens ab und zu alleine sein konnte. Sonst war das ja kaum möglich: sobald sie ihr Zimmer verliess, wurde sie stets von Dienerinnen begleitet. Oder natürlich von Loki, über dessen Anwesenheit sie sich zwar freute, der aber, wie sie wusste, so viele andere Arbeiten zu erledigen hatte, dass sie ihn nicht ständig davon abhalten wollte. Vor allem nicht, weil sie jedes Mal um seine Sicherheit fürchtete. Schliesslich wusste sie inzwischen, was mit ihm geschah, wenn er sein Soll nicht rechtzeitig erfüllte! Als sie den Palast verliess und den schmalen Weg beschritt, den Loki ihr gezeigt hatte und der zu den einsameren Stadtteilen führte, hörte sie über sich einen Raben krächzen. Er vollführte drei Kreise direkt über ihrem Kopf, und da winkte sie ihm zu. Ein Zeichen für Correleaus, dass sie ihn gesehen hatte und dass alles in Ordnung war – dass er sie also getrost alleine lassen durfte. Der Rabe krächzte noch einmal und flog dann davon. Correleaus war eine grosse Hilfe gewesen. Nicht nur, dass er Loki von seinen Schmerzen befreit hatte, er hatte es in den vergangenen Tagen auch geschafft, die Prinzessin mehr als einmal aufzuheitern, wenn diese zu verzweifeln drohte. Manchmal dachte sie, dass der Alte direkt in ihre Seele hinein blicken konnte. Sie wünschte sich nur, er hätte in seinem riesigen Arsenal an Zaubertränken auch einen Trank dabei, der sie von Thor befreite. Ob ihr zukünftiger Ehemann wirklich besessen war, wie Correleaus und Loki glaubten? Sie konnte es sich nicht wirklich vorstellen, kannte Thor aber andererseits natürlich nicht gut genug, um das beurteilen zu können. Aber der Alte hatte ihr erzählt, wie Thor früher gewesen war, und sie musste zugeben, dass er sich jetzt völlig anders benahm. Was nichts daran änderte, dass sie ihn nicht ausstehen konnte. Selbst wenn ihn tatsächlich jemand verhext haben sollte, wäre er ihr immer noch zu laut, zu selbstgefällig und zu dominant. Ausserdem schlicht nicht ihr Typ Mann. Sie seufzte. Eigentlich hatte sie sich wenigstens mal für kurze Zeit vom leidigen Thema Thor ablenken wollen, doch ihre Gedanken kreisten immer wieder um die bevorstehende Hochzeit. Was für andere Mädchen die schönsten Wochen in ihrem Leben waren, wurde für sie zusehends zum Alptraum. Bald würden ihre Eltern kommen – und dann würde es nur noch zwei Wochen dauern, bis die Hochzeit gefeiert wurde! Wenn sie daran dachte, wurde ihr beinahe schlecht. Ein lautes Geräusch aus einer der Seitengassen liess sie zusammen zucken. Was war denn das? Es gab keine Räuber oder dergleichen in der Stadt, das hatten ihr Frigga und Odin immer wieder versichert. Und auch wenn Runya so ein wenig ihre Zweifel hegte, ob das wirklich stimmte, hatte sie bisher noch keinen Grund gehabt, vom Gegenteil ausgehen zu müssen. Doch nun versteifte sie sich. War es etwa doch leichtsinnig von ihr gewesen, völlig ohne Begleitung in die Stadt zu gehen? Da hörte sie eine helle, beschwörende Frauenstimme. «Mein Liebling, ich bin so stolz auf dich. Ja, du liebst mich wirklich über alles, nicht wahr! Und wie gerne hätte ich dir das erspart...» Inaja wollte schon weitergehen, weil es da offensichtlich nichts anderes als ein verliebtes Pärchen gab. Aber die nächsten Worte der Frau hielten sie zurück und liessen ihr das Blut in den Adern gefrieren. «Es ging nicht anders, weil der dumme Thor sich geweigert hatte, sie hinrichten zu lassen. Doch du hast nicht gezögert, sie zu töten, obwohl sie deine Frau war. Wirklich, ich bin unendlich stolz auf dich!» 'Stolz auf dich!' Diese Frau sprach von Mord und war auch noch stolz auf den Kerl, der ihn ausgeführt hatte? Und vor allem: was hatte Thor damit zu tun? Wen hätte er hinrichten lassen sollen? Runya hielt unwillkürlich den Atem an und presste sich gegen die Hausmauer, um ja nicht gesehen zu werden. «Elfra, mein Engel, mein alles...» hörte sie da den Mann mit vor Erregung heiserer Stimme antworten. Offensichtlich wollte er die Frau in seine Arme ziehen, doch sie stiess ihn weg. «Nicht jetzt! Wenn uns jemand sieht, wäre das fatal. Hab Geduld, mein Liebster: bald werden wir für immer zusammen sein.» hörte Runya die Frau hastig sagen. Elfra... Der Mann hatte sie Elfra genannt. Wo hatte sie diesen Namen bloss schon einmal gehört? «Hast du die Urkunde?» fragte diese Elfra und unterbrach somit Runyas Gedankengang. «Ja, hier ist sie, mein Liebling.» Der Mann nuschelte in einer Tasche herum und kramte dann wohl ein Schriftstück hervor. Runya konnte nichts sehen, hörte jedoch deutlich das erfreute Auflachen der Frau. «Nun bist du die Besitzerin meines Vermögens. Und sobald die Trauerzeit abgelaufen ist, werden wir heiraten und in Frieden leben können.» «Ja, mein Liebster.» gurrte die Frau. «Doch bis es soweit ist, dürfen wir uns nicht mehr treffen. Das könnte Verdacht erregen.» «Natürlich.» Runya kam es vor, als ob der Mann wie ein braves Hündchen alles tat, was diese Elfra von ihm wollte. Selbst seine Stimme klang ganz unterwürfig. Das Herz der jungen Prinzessin raste wie verrückt. Die Frau hatten den Unbekannten dafür gelobt, dass er seine eigene Ehefrau getötet hatte. Ungeheuerlich! Und nun wollten sie zusammen leben und das Verbrechen – natürlich – vertuschen. Aber irgendwie wurde Runya das seltsame Gefühl nicht los, dass auf den Mann ein böses Erwachen warten könnte. Hatte er nicht sein Vermögen dieser Elfra übertragen? Sie schien den Kerl voll im Griff zu haben... Es war denkbar, dass sie gar nicht daran dachte, ihn zu heiraten, sondern bereits bekommen hatte, was sie wollte. Wenn sie sich bloss daran erinnern könnte, wo sie den Namen Elfra schon mal gehört hatte! «Geh jetzt, wir sehen uns bald wieder!» sagte die Frau mit zuckersüsser Stimme. Runya erschrak: sie musste zusehen, dass sie wegkam, ehe der Kerl, der jetzt eindeutig in ihre Richtung schritt, sie bemerkte. So schnell sie konnte hastete sie zurück in den Palast. Ihr Herz raste wie verrückt. In Gedanken wiederholte sie die Worte der Frau. Sie war gerade Zeugin eines Mordkomplotts geworden und musste das melden. Aber wem? Es wäre natürlich logisch gewesen, Thor zu informieren, aber dazu konnte sich Runya nicht überwinden. Ausserdem zweifelte sie, dass er ihr überhaupt glauben würde. Frigga vielleicht..? Die würde ihr wenigstens zuhören. Aber dann liess sie instinktiv Loki rufen, als sie in ihren Gemächern angekommen war. Während sie auf ihn wartete, tigerte sie unruhig im Raum auf und ab – bis ihr auffiel, dass sie gerade dabei war, eine von Lokis Eigenarten nachzuahmen. Mit einem leisen Lächeln über sich selbst liess sie sich in einen Stuhl fallen und wartete. Loki hörte ihr ernst und schweigend zu, als sie die Begegnung zwischen dem Paar, dessen Gespräch sie zufällig mitangehört hatte, schilderte. Als der Name 'Elfra' fiel, wurde der Schwarzhaarige blass. «Sind Sie sicher, Herrin, dass der Mann sie so genannt hat?» «Ja. Ich zermartere mir schon die ganze Zeit über den Kopf, wo ich den Namen schon mal gehört habe.» «Im Zusammenhang mit Inaja.» erwiderte Loki und erinnerte sie dann daran, dass die Rivalin der unschuldig des Mordes an drei Familienangehörigen Beschuldigten so hiess. Da fiel es der Prinzessin wie Schuppen von den Augen. «Aber dann...» stammelte sie, ebenfalls kreideweiss geworden. «...wurde Inaja umgebracht: von ihrem eigenen Mann.» vollendete Loki den Satz an ihrer Stelle. Seine Stimme zitterte. Runya wollte etwas antworten und merkte, dass sie es nicht konnte. Einen Moment lang starrten sich Loki und die Prinzessin fassungslos und ungläubig an. Und genau in dem Augenblick, in dem sie sich wieder rühren konnten, zerriss lautes Gebrüll vom Gang her die Stille. "Ein Mord!" hörte man die aufgeregten Stimmen von mehreren Wachen. "Mord im Palast!" Man hatte Inajas Leiche gefunden! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)