Loki: the fallen Prince - der gefallene Prinz von uk ================================================================================ Kapitel 15: Unverhoffte Hilfe ----------------------------- «Mein Name ist Correleaus.» erklärte der Alte, während er an Lokis Bett trat und besorgt auf den Mannn hinunterblickte. «Ich bin Prinzessin Runya aus...» «Ich weiss, wer du bist.» Der Greis schmunzelte flüchtig, wandte sich aber gleich wieder Loki zu. Runya verbarg ihre Überraschung und fragte: «Warum wollen sie Loki helfen?» «Loki und ich sind alte Freunde.» gab der Greis zurück, während er dabei war, mehrere Beutel mit Kräutern und zerstampften Beeren auf dem Bett auszubreiten. «Ich bin ein Magier, genau wie er. Früher, als er noch sehr jung war, habe ich ihm eine Menge beigebracht.» Er sah kurz auf und lächelte. «Inzwischen ist es eher so, dass Loki mir eine Menge beibringen könnte.» «Ist er denn so gut?» Ein wenig überraschte sie das. Sie wusste zwar schon, dass der jüngere Prinz Asgards ein sehr talentierter Magier war – aber dieser Alte sah aus, als praktiziere er diese Kunst seit vielen Jahrhunderten. Mit Sicherheit um einiges länger als Loki also. Doch Correleaus nickte ernsthaft bei ihrer Frage. «Oh ja. Loki ist einer der besten seiner Zunft... Wenn nicht sogar der beste überhaupt.» Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: «Nur weiss das fast niemand.» «Und weshalb nicht?» wollte Runya wissen, neugierig geworden. «Weil es ihm niemand zutraut?» «Nein. Sondern weil er selbst dafür gesorgt hat, dass es niemand erfährt.» Die Art und Weise, wie der Alte das sagte, liess Runya ein wenig frösteln. Es hatte fast etwas unheimlich geklungen. Doch die düstere Stimmung verflog gleich wieder, als der Greis sie um Wasser bat. Sie holte es ihm sofort. Er goss die Kräuter und zerstampften Früchte dazu, breitete die Hände über der Schüssel aus und murmelte etwas Unverständliches. Während er sprach, begann Loki unruhig zu werden. Sofort war Runya wieder an seiner Seite und nahm seine Hand. «Ruhig, es ist alles in Ordnung.» flüsterte sie ihm sanft ins Ohr. Sie beobachtete Correleaus, der sich nicht stören liess, und hielt es schliesslich nicht mehr aus. «Was tun sie da?» «Das hier wird ihm die Schmerzen nehmen.» gab der Alte zurück, ohne von der Schüssel aufzusehen. «Tatsächlich?» Die Prinzessin wurde plötzlich misstrauisch. «Frigga sagte, das sei nicht möglich.» «Ja, ich weiss. Aber auch unsere hochgeschätzte Königin weiss nicht alles.» Der Greis sah flüchtig auf. «Das hier ist eine Erkenntnis, die man nur gewinnt, wenn man sich in Bereiche der Magie vorwagt, an die sich... sagen wir mal: nicht jeder herantraut.» «Dunkle Künste?» fragte Runya leise. Der Alte zuckte die Schultern. «Das ist Ansichtssache. Manche nennen es ‘dunkel’... Ich bevorzuge den Begriff ‘erweitert’.» «Und das wird ihm wirklich helfen?» «Ja meine Liebe. Aber jetzt sei bitte einen Moment still, ich muss mich konzentrieren.» Seine Hände ruhten immer noch über der Schüssel und er begann wieder mit seinen Beschwörungen. Einige Minuten lang geschah nichts – bis die Flüssigkeit plötzlich zu brodeln und einer grünlich-blauen Farbe zu leuchten begann. In diesem Moment schlug Loki stöhnend die Augen auf. Verwirrt schaute er um sich und versuchte, sich aufzurichten. Es gelang ihm jedoch nicht: er sank gleich wieder mit einem weiteren Stöhnen zurück. Sein verschwommener Blick traf erst Runya, dann den Alten. Er versuchte zu sprechen, aber es kam nur ein Krächzen heraus. «Schscht.» sagte der Greis und drückte Loki sanft, aber bestimmt aufs Bett zurück. «Beweg dich nicht zuviel, das verursacht dir nur weitere Schmerzen.» «C... Correleaus?» gelang es dem Schwarzhaarigen nun doch zu sagen. Seine Augen schweiften zu Runya. «Und... Sie... Prin... Prinzessin? W... was tun Sie... hier?» «Ungeduldig wie immer!» antwortete der Alte an Runyas Stelle, während er die Schüssel nahm und etwas von dem Trank in ein Glas füllte. «Gleich kannst du Fragen stellen. Aber erst mal trinkst du das hier.» Er half Loki, sich soweit aufzurichten, dass er ihm das Glas an die Lippen setzen konnte. Schon nach den ersten Schlucken entspannte sich das bisher schmerzverzerrte Gesicht des Mannes sichtlich. Als er das Glas ganz geleert hatte, konnte man förmlich sehen, wie jegliche Qual aus seinem Körper wich. Erstaunt und dankbar musterte er den Alten. «Warum tust du das?» «Eine blöde Frage!» erwiderte Correleaus barsch. «Wir sind Freunde, oder etwa nicht?» «Immer noch?» gab Loki leise zurück, wartete jedoch keine Antwort ab. «Und Sie, Prinzessin? Warum sind Sie hier?» «Weshalb wohl?» entgegnete die junge Frau traurig. «Ich bin schuld daran, dass du... dass Thor dich...» «Hören Sie auf, sich ständig für alles was mit mir geschieht die Schuld geben zu wollen.» fiel Loki ihr ins Wort. Er schaffte ein schwaches Lächeln. Die Prinzessin wollte widersprechen, aber der Alte kam ihr zuvor. «Geht’s wieder?» fragte er Loki, wobei er ihn prüfend musterte. «Jetzt ja. Vielen Dank! Der Trank wirkt glücklicherweise immer noch.» Loki verzog ein wenig das Gesicht. «Und schmeckt noch genauso scheusslich wie eh und je.» «Du bist selber schuld, dass sich das noch nicht geändert hat.» meinte Correleaus lachend. «Schliesslich wolltest du ihn doch schon längst mal etwas schmackhafter machen. Aber da du nie Zeit dafür hattest...» Er liess den Rest des Satzes in der Luft hängen. Runya hätte es zwar gerne gesehen, wenn Loki noch ein wenig liegen geblieben wäre, aber sie hatte keine Chance: jetzt, wo die Schmerzen weg waren, hielt den Mann nichts mehr im Bett. Er stand auf, noch etwas mühsam zwar, aber deutlich schmerzfrei. Einen Moment lang musterte er Runya nachdenklich, verwirrt und fragend, ehe er aprubt sagte: «Vielen Dank, Prinzessin. Was Sie da für mich getan haben, hat mir sehr geholfen. Auch wenn ich mich wirklich ernsthaft frage, warum sie es getan haben.» «Für dich getan..?» gab Runya leise zurück. «Ich konnte ja gar nichts tun, ausser da sitzen und deine Hand halten.» Er lächelte warm. «Genau das meinte ich ja.» Einen flüchtigen Moment lang sah er ihr direkt in die Augen – und die Prinzessin merkte, wie ihre Knie weich wurden. Doch dann fügte Loki beinahe energisch hinzu: «Sie sollten jetzt schlafen gehen, Herrin. Sie haben genug Zeit an mich verschwendet.» «Ich habe gar nichts verschwendet.» erwiderte sie leise. «Erst recht keine Zeit.» Wieder traf sie ein sehr langer und forschender Blick aus den blau-grünen Augen des Mannes. Ein Blick, unter dem diesmal nicht nur ihre Knie weich wurden sondern der ihr auch das Blut in die Wangen trieb. Verflixt – es wurde von Mal zu Mal schwerer, Loki anzuschauen, ohne dass gewisse Gefühle in ihr hochkamen, die sie nicht haben durfte! Doch der Zauber verflog, als Correleaus fragte: «Prinzessin, ich würde gerne kurz mit Loki alleine sprechen.» Sie blinzelte verwirrt und schreckte wie aus einem Traum hoch. «Wieso? Haben sie Angst, dass ich tratsche?» Die Worte rutschten ihr heraus, ehe sie sie zurücknehmen konnte. «Entschuldigung. Natürlich können sie...» Correleaus unterbrach sie. In seinen Augen lag ein seltsamer Ausdruck. «Es geht um Thor.» «Wenn das so ist,» erwiderte Runya bestimmt, «dann bleibe ich.» Der Blick des Alten schweifte zwischen ihr und Loki hin und her, doch als der Schwarzhaarige ihm zunickte, zuckte er die Schultern, als wolle er sagen ‘du musst es ja wissen’, und begann: «Dein Bruder macht mir Sorgen. Ich beobachte ihn seit ich zurück bin – seit rund einer Woche also. Und sein Verhalten ist, gelinde ausgedrückt, nicht normal.» Sofort hatte er Lokis ungeteilte Aufmerksamkeit. «Du hast es also auch bemerkt?» «Ja. Mich wundert allerdings, dass wir beide die einzigen zu sein scheinen. Ich meine...» Der Alte räusperte sich kurz. «Schon allein, wie er mit Runya umgeht... Thor war zwar schon immer manchmal etwas ungeschickt, wenn es um Frauen ging – aber niemals derart grobklotzig.» Correleaus warf Runya einen fragenden Blick zu, welchen diese überrascht erwiderte. «Woher wissen Sie denn das?» fragte sie unsicher. Sie kramte in ihrer Erinnerung nach einer Begebenheit, wo der Greis vielleicht in der Nähe gewesen sein könnte, als sie mit Thor zusammen war. Doch ihr fiel keine ein. Der Alte lächelte ein wenig verlegen. «Naja, weisst du, mein Kind, ich war eigentlich die ganze Zeit da. Nur schenkst du einem Raben – verständlicherweise – nicht allzu viel Aufmerksamkeit.» Ehe Runya darauf etwas erwidern konnte, hatte sich Correleaus bereits wieder Loki zugewandt. «Aber vor allem die Art und Weise, wie er dich behandelt! Das ist...» Der Mann zog schaudernd die Schultern hoch. «Schlicht grausam.» Seltsamerweise schien Loki überrascht. «Findest du? In Bezug auf mich kann ich Thors Verhalten eigentlich zumindest nachvollziehen.» «Wie bitte?» Das war Runya. «Er behandelt dich schlimmer als Dreck, foltert dich grausam... und du sagst, du kannst das verstehen?» Loki stiess ein kurzes, zynisches Lachen aus. «Ich habe seine geliebte Erde attackiert, schon vergessen? Kein Wunder, dass er mich nicht mehr besonders liebt.» «Trotzdem: Runya hat absolut Recht! Wie Thor mit dir umspringt, ist genauso wenig normal wie die ganze übrige Art, die er an den Tag legt.» Correleaus Blick ruhte noch immer sehr forschend auf Loki. «Seit wann ist er so?» «Keine Ahnung. Wie du vermutlich weisst, bin ich nach der Attacke auf Midgard erst mal eine Weile lang im Kerker unten gelandet. Als ich dann schliesslich zum Sklaven gemacht wurde, war Thor schon weg.» Der letzte Satz kam nur sehr leise und stockend. War es die Erinnerung an etwas Schreckliches – oder einfach die Angst, offen zu reden? Runya hoffte auf Letzteres. «Er musste die Ordnung in den neun Welten wiederherstellen, ich weiss.» spann Correleaus den Faden weiter. «Aber war er auf Midgard schon so?» Loki dachte einen Moment lang nach. «Nein, zumindest mit Sicherheit nicht am Anfang. Er hat versucht, mich zur Einsicht zu bringen.» Ein unsicherer, beinahe verlegener Blick streifte Runya. Sie lächelte ihm ermutigend zu in der Absicht, ihm zu signalisieren, dass er offen sein konnte. «Doch am Schluss... als man mich besiegt und gefangen hatte, meine ich, da war Thor zornig gewesen. Extrem zornig, um es genau zu sagen. Ich hatte ihn in all den Jahrhunderten zuvor noch nie so gesehen. Trotzdem...» Wieder dachte er einen Moment lang nach, bis er schliesslich entschlossen den Kopf schüttelte. «Nein: diese extreme Wut, die er jetzt mir gegenüber empfindet, hat er damals noch nicht gezeigt. Mal abgesehen davon, dass seine Augen noch normal gewirkt hatten.» «Seine Augen... Ich habe mich eben gefragt, ob dir das auch aufgefallen ist.» Als Runya die zwei Männer verwirrt anschaute, erklärte ihr Loki, dass er seit langem den Eindruck habe, dass Thors Blick seltsam unklar wirkte. «Fast so, als stünde er unter einem fremden Einfluss. Aber ich kann mich natürlich irren.» fügte er rasch hinzu. «Ist ja schliesslich nicht gerade so, dass ich ihm allzu oft in die Augen blicke.» «Doch ich habs getan.» warf Correleaus ein. «Als Rabe hat man da so einige Vorteile. Erstens sieht man sehr weit und dazu noch äusserst scharf und zweitens kann man Zweibeiner völlig unbemerkt beobachten. Daher muss ich dir absolut zustimmen, Loki: Thors Blick ist verwässert wie derjenige eines Mannes, der nicht mehr ganz sich selbst gehört.» «Ist das nur eine Vermutung oder weisst du das sicher?» fragte Loki leise. «Eine Vermutung. Denn falls du es vergessen haben solltest: im Gegensatz zu dir kann ich nicht in andere hineinschauen. Und Flüche auch nicht so leicht erkennen wie du.» «Damit sind wir ja schon zwei.» gab Loki sarkastisch zurück. «Schliesslich ist damit bei mir auch Schluss.» ‘In andere hinein sehen’? Was bedeutete das denn? Doch wieder kam Runya nicht dazu, eine Frage zu stellen, denn der Alte fuhr bereits fort: «Wenn es so wäre – wer könnte Thor unter seinen Bann bringen?» «Nur jemand, der sehr mächtig ist.» Loki zuckte die Schultern. «Und da fällt mir beim besten Willen niemand ein.» «Ausser dir.» Correleaus grinste ihm flüchtig zu und hob abwehrend die Hände, als Loki etwas einwerfen wollte. «Ja, ja, ich weiss schon: du kannst es nicht gewesen sein, weil deine Magie gebunden wurde. Aber ausser dir fällt mir auch niemand ein, der über genügend magisches Können verfügt, um den grossen Thor zu seinem willenlosen Spielzeug zu machen.» «Vielleicht irren wir uns ja doch.» meinte Loki. «Mutter ist der Ansicht, dass ich schuld an Thors wütendem Dauerzustand bin. Und um ehrlich zu sein: so sicher, dass sie damit nicht Recht haben könnte, bin ich nicht.» Er biss sich auf die Lippen und schloss dann tonlos: «Vielleicht hoffe ich auch nur, dass Thor quasi verhext wurde, weil ich dann nicht verantwortlich für seine Veränderung wäre.» «Wieso du?» Correleaus verstand nicht. «Warum solltest du Schuld sein, wenn Thor plötzlich verrückt spielt?» Der Schwarzhaarige lachte düster auf. «Ach komm schon, ich bitte dich, das dürfte doch klar sein, oder? Böser, hinterhältiger Bruder macht Kronprinzen derart sauer, dass er deshalb zum gnadenlosen Rächer wird! Wäre jedenfalls nicht verwunderlich.» «Das ist Blödsinn, Loki.» Correleaus Antwort kam forsch. «Sicher hast du Thor ganz schön zornig gemacht, aber eine derartig komplette Veränderung seines Charakters ist nicht normal. Da kannst du sagen was du willst.» Er stemmte die Hände in die Seiten und setzte hinzu: «Eines kann ich dir jedenfalls versichern: einem solchen König werde ich nicht dienen!» «Ich auch nicht!» Diesmal gelang es Runya, als erste zu antworten. Lokis Augen schweiften verwirrt und ein wenig erschüttert zwischen beiden hin und her. «Was redet ihr denn da?» Da holte die junge Prinzessin tief Luft und sagte: «Wenn du es gerne noch etwas konkreter willst: Einen solchen Mann möchte ich auch nicht heiraten.» «Prinzessin...» «Ich verstehe sie.» Correleaus nickte Runya anerkennend zu. «Danke.» Die junge Frau schenkte dem Alten ein herzliches Lächeln. «Ich habe dieser Heirat zugestimmt, weil meine Eltern es wollten. Und weil ich damit meinem Volk helfen kann, das auf diese Weise weiterhin Asgards Unterstützung erhält. Aber als ich eingewilligt hatte, Thor zu heiraten, da wusste ich noch nicht, was für ein Grobian er ist.» «Herrin, Sie kennen ihn ja noch gar nicht richtig.» Loki, der instinktiv ahnte, dass noch mehr hinter Runyas Worten steckte, als sie offenbarte, erschrak. «Jetzt klingst du wie deine Mutter.» erwiderte sie mit feiner Ironie. «Die bekannterweise eine sehr kluge Frau ist.» «Kann schon sein. Aber eines weiss ich mit Sicherheit.» Runya straffte sich. «Ganz egal, ob dein Bruder nun verhext oder immer so ein Ekelpaket ist: ich werde ihn nie lieben können.» Loki zog es vor, nichts darauf zu erwidern. Doch was er da auf einmal in Runyas Augen las, machte ihn frösteln. Er hoffte von ganzem Herzen, dass er sich irrte. Dass es nur Mitleid war, was die Prinzessin für ihn empfand - und nicht das, was er in ihren Augen entdeckt zu haben meinte. Denn wenn es so wäre, wie sollte er es dann schaffen, sich selbst weiterhin einzureden, dass sie ihm nichts bedeutete? Dass sie nichts weiter war als eine freundliche – und, da sie ihn anständig behandelte, nützliche – junge Frau? Doch vor allem: wie gefährlich würde es werden, wenn Thor das erste Mal diesen Blick an ihr wahrnahm? Er wollte gar nicht erst daran denken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)