Loki: the fallen Prince - der gefallene Prinz von uk ================================================================================ Kapitel 13: Dem Zorn des Donnergottes ausgeliefert -------------------------------------------------- Thors laute Stimme hallte durch die vielen Räume im ersten Untergeschoss und war weithin zu hören. «Wo ist er?» schrie der Blonde immer wieder. «Wo ist diese Ratte?» «Wer, euer Hoheit?» wagte irgendeine Küchenmagd schliesslich zu fragen. Loki, der den Rasenden genauso wie alle anderen hier deutlich gehört hatte, ahnte die Antwort, noch bevor er sie erhielt. «Loki natürlich, wer sonst?» brüllte der Donnergott und machte mit der Lautstärke seiner Stimme seinem Namen alle Ehre. «Wo hat er sich versteckt, dieser elende Hund?» Es war nicht so, dass Loki sich versteckt hielt – auch wenn er es spätestens in diesem Moment gerne getan hätte. Er erstarrte und er fragte sich düster, welche Laus dem Blonden jetzt wieder über die Leber gelaufen war, dass er in solcher Rage hier runterstürzte. Ein zynischer Gedanke… Aber Galgenhumor war ja schliesslich so ungefähr das einzige, das ihm noch geblieben war! «Er ist da drüben, mein Herr.» gab die Küchenmagd mit einem boshaften Lächeln Auskunft. «Wischt grade den Boden.» Sie wies in die hinterste der grossen Küchen im Palast und verneigte sich tief dabei. Ihren schmeichlerischen Blick bekam der Donnergott jedoch nicht mehr mit. Er hatte sich schon umgedreht und war dabei, in den Raum zu stürzen, den die Frau ihm gezeigt hatte. «Oh, oh, Loki, du solltest dir echt mal angewöhnen, deinen Bruder nicht immer so sauer zu machen.» raunte der Chefkoch mit leisem Entsetzen dem Schwarzhaarigen zu, als er den Kronprinzen hereinkommen sah. Er war einer der wenigen, die Loki halbwegs anständig behandelten – was vielleicht daran lag, dass er es als ehemaliger Sklave hier selbst nicht immer leicht gehabt hatte. «Ich tu mein Bestes.» flüsterte Loki ironischer zurück, als ihm zumute war. «Doch wie man sehen kann, lässt der Erfolg eher auf sich warten.» Der dicke Chefkoch wich sofort zurück, als Thor auf seinen Bruder zutrat und diesen am Arm packte. Ohne ein weiteres Wort schleifte er ihn aus dem Raum und durch die Gänge bis zur Treppe, die zu den Kellergewölben hinunterführte. Dort stoppte er einen Moment, um zwei Einherjar zu rufen, damit sie mitkommen sollten. Loki brach der kalte Schweiss aus. Er wusste sofort, was das bedeutete. Mit zitternder Hand stützte er sich an der Mauer ab und versuchte, auf den Beinen zu bleiben. Nicht ganz einfach: diese fühlten sich an wie Gummi. Fast war er dankbar, als Thor ihn wieder packte und nach unten zog. Im harten Griff des blonden Hünen brauchte er sich zumindest nicht aus eigener Kraft auf den Beinen zu halten. Schon wieder ein zynischer Gedanke! Beinahe hätte Loki über sich selbst gelacht… doch nach Lachen war ihm nicht im Mindesten zumute. Thor schleifte ihn wieder in den bereits bestens bekannten Kerkerraum. Mit geschickten Fingern legte er ihn so schnell in Ketten, dass Loki nicht mal zu irgendeiner Form der Gegenwehr gekommen wäre, wenn er etwas Derartiges gewagt hätte. Doch so verrückt war er nicht. Denn mal abgesehen davon, dass er keine Chance gegen den blonden Riesen hatte, hätte er für seinen Widerstand mit nur noch mehr Schlägen büssen müssen. Es würden ihm wohl auch so genug davon bevorstehen! Woran er definitiv keinen Zweifel mehr hegte, als Thor ihn an den Ketten in der Mitte des Raumes hochzog, sodass seine Füsse nur noch knapp den Boden berührten. Als er noch immer schweigend zur magischen Peitsche griff, fuhr sich Loki mit der Zunge über die trockenen Lippen und fragte leise: «Erfahre ich wenigstens, was ich ausgefressen habe?» Der Donnergott, der bereits hinter ihm Aufstellung genommen hatte, stiess ein Schaufen aus, das an das wütende Geräusch eines Stieres erinnerte, und trat um den Gefesselten herum. Er blieb dicht vor ihm stehen und erwiderte so scharf, dass Loki allein ob seiner Stimme zusammenzuckte: «Du wagst es auch noch, dich dumm zu stellen? Womit du also den Versuch unternimmst, mich hier blöd aussehen lassen zu wollen?» Loki schien das Blut in den Adern zu gefrieren. Er wollte antworten… doch ein Blick in Thors Augen sagte ihm, dass es klüger war, jetzt zu schweigen. Der Blonde schien fast ausser sich vor Zorn. Und in diesem Zustand erreichte ihn kein einziges vernünftiges Wort mehr – schon gar nicht eines aus seinem, Lokis, Mund. Doch wieder einmal fiel dem Schwarzhaarigen auf, wie seltsam Thors Augen glühten. Er hatte es in der letzten Zeit schon öfters festgestellt. Eigentlich, wenn er ehrlich sein wollte, noch jedes Mal, wenn der Blonde ihn ansah. Früher hätte Loki die Möglichkeit gehabt, innert Sekunden herausfinden zu können, ob dieses unnatürliche Leuchten wirklich nur von einer übergrossen Wut herrührte, oder ob etwas anderes – Schlimmeres – dahintersteckte. Doch heutzutage wagte er es nicht einmal mehr, Frigga gegenüber eine dies bezügliche Andeutung zu machen. Als Thor wieder hinter ihn trat und mit der Peitsche ausholte, schloss Loki die Augen, biss die Zähne zusammen und wartete auf den Schmerz. Und er kam. Der Donnergott wurde erst nach ungefähr zwei Stunden müde. Zu diesem Zeitpunkt konnte Loki schon längst nicht mal mehr schreien. Er hing wie tot in den Ketten, und wäre nicht das schwere Keuchen und Stöhnen gewesen, das noch aus seinem Mund brach, hätte man ihn wirklich für leblos halten können. Die Ketten schnitten in seine Handgelenke und scheuerten sie wund, sodass Blut darunter hervorsickerte, und da er schon längst in den Fesseln zusammengesunken war, fühlten sich seine Arme an, als würden sie ihm ausgekugelt. Aber das waren Kleinigkeiten im Vergleich zu der Höllenqual, die – mal wieder – durch seinen Körper zuckte. Doch weder Thor noch die beiden Einherjar, die bisher schweigend zugeschaut hatten, rührte dieser Anblick. Der Blonde warf die Peitsche einem der Männer zu und sagte: «Macht weiter. Wechselt euch ab, damit die Schläge gleichbleibend kräftig sind. In vier Stunden werdet ihr abgelöst.» Loki hob den Kopf und starrte seinen Bruder aus schreckgeweiteten Augen an. «Thor…» Die Worte entfuhren ihm, ehe er sie zurücknehmen konnte. «B… bitte… nicht…» Was tat er da? Hatte er den Verstand verloren? Um Gnade zu betteln war nicht nur sinnlos, sondern geradezu wahnsinnig, das wusste er doch. Sein Kopf ging wieder nach unten, und er hoffte inständig, dass der Donnergott seine schwach gestammelten Worte nicht gehört hatte. Die Hoffnung zerschlug sich augenblicklich, als Thor seinen Kopf an den Haaren zurückriss und ihm ins Gesicht spuckte. «Du wagst es, mich mit meinem Namen anzusprechen, Abschaum?» fragte er gefährlich leise. «Und auch noch um Erbarmen zu winseln?» Loki sah voller Entsetzen in die vor Hass und Verachtung funkelnden Augen des anderen und hätte selbst dann, wenn er verrückt genug gewesen wäre, nochmals sprechen zu wollen, keinen Ton mehr rausgebracht. Als Thor seine Haare losliess, ging sein Kopf wie ein Stein wieder nach unten. «Gebt ihm, was er für seine Frechheit verdient.» meinte Thor zu den beiden Einherjar gewandt. Diese nickten eifrig und sagten mit bissigem Lächeln: «Mit dem grössten Vergnügen, Hoheit!» Tränen stiegen Loki in die Augen, als er hörte, wie der eine der beiden die Peitsche nahm und ausholte. Und dann ging es wieder von vorne los… ___________________________________________________________ «Loki!» schrie Runya entsetzt, als sie den Mann auf Friggas grossem Bett erblickte. Auch wenn ihm wie beim letzten Mal keine Spuren von Folter anzusehen waren, so war es doch überdeutlich, dass er schreckliche Schmerzen litt. Er wälzte sich stöhnend hin und her und schien sie, als sie mit Tränen in den Augen neben dem Bett niedersank, kaum wahrzunehmen. Frigga war in der Tür stehen geblieben und schaute betrübt auf die Szene. Sie machte sich heftige Vorwürfe, dass sie Lokis Verschwinden nicht früher bemerkt hatte. Wenigstens einen Tag früher – denn ganz alles, das wusste sie, hätte sie ihm nicht ersparen können. Runyas Finger tasteten nach Lokis Händen. Sie versuchte, ihn zu beruhigen – und da fielen ihr das erste Mal die Armbänder auf, die er an beiden Handgelenken trug. Die Ärmel von Lokis Hemd waren sehr lang, und so waren die Bänder bislang darunter verborgen gewesen. Doch nun schob Runya sein Hemd ein wenig nach hinten, weil sie das getrocknete Blut auf seinen Handrücken sah. Da bemerkte sie die Armbänder. Was war das? Sie waren so dünn und flach, dass man sie kaum sehen konnte. Doch als Runyas Finger eines davon streifte, glühte es plötzlich auf – nur kurz, doch Loki verzog schmerzlich das Gesicht dabei. Die junge Frau zuckte zurück. «Was..?» hauchte sie schreckensbleich. Frigga, die sie beobachtet hatte, seufzte traurig. «Diese Fesseln halten Lokis Magie zurück.» gab sie leise Auskunft. «Nur Odin oder Thor können sie ihm abnehmen. Und ja, es schmerzt, wenn man sie berührt.» Runya starrte sie fassungslos an. «Und das Blut?» «Kommt von den Ketten.» Friggas Stimme war nur noch ein Hauch. In Runyas Kopf wollte sich alles drehen. Mit der letzten Kraft, die sie noch besass, kämpfte sie die drohende Ohnmacht nieder. Loki brauchte sie jetzt, da durfte sie nicht schwach werden. Schliesslich war es ihre Schuld, dass er hatte leiden müssen. Mochte Frigga sagen, was sie wollte: Runya wusste genau, dass nichts davon geschehen wäre, wenn sie nicht auf einer Antwort im Fall Inaja bestanden hätte. Sie allein trug die Verantwortung für Lokis Zustand, und sie würde sich das selbst niemals verzeihen. «Kannst du ihm nicht irgendwie helfen?» fragte sie verzweifelt. «Die Schmerzen lindern?» Die Königin schüttelte kaum merklich den Kopf. Sie musste sich die aufsteigenden Tränen abwischen, ehe sie antworten konnte. «Leider nein. Die magische Peitsche verursacht Qualen, die nichts anderes lindern kann als die Zeit.» Runya hätte am liebsten geschrien. «Und wie lange wird es dauern, bis er nicht mehr… leidet?» Friggas Antwort war kaum zu hören, so tonlos kam sie: «Er wurde drei Tage lang fast ohne Unterbruch gefoltert… Mindestens eine Woche wird es wohl dauern, bis er auch nur halbwegs wieder auf den Beinen ist.» «Ich hasse Thor!» stiess Runya hervor. «Mein Kind… Du bist aufgewühlt, das verstehe ich. Aber…» Runya unterbrach sie. Langsam hob sie den Kopf und schaute der Königin tief in die Augen – und das unheimliche Funkeln im Blick der jungen Prinzessin liess Frigga instinktiv nach Luft schnappen. Was sie darin las, war keine durch die Schrecken des Augenblicks geborene Gefühlsaufwallung, sondern eine dunkle und feste Gewissheit. «Ja, ich bin aufgewühlt. Aber das ändert nichts daran, dass ich genau weiss, was ich empfinde. Und das, was ich meinem zukünftigen Gatten an Emotionen entgegenbringe, ist das pure Gegenteil dessen, was man normalerweise in einer Ehe vorzufinden glaubt.» Die Ruhe, mit der die Worte gesprochen wurden, machten sie noch unheimlicher. Erst recht, als Runya sich jetzt erhob und beinahe feierlich wiederholte: «ICH HASSE THOR!» Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)