Watanabe von einfach_Antonia ================================================================================ Kapitel 3: Offenbarung ---------------------- Tashigi fand Lorenor Zorro im Übungsraum des Hauses. Auch ihn hatte sie in der vergangenen Zeit gemieden; warum sie das getan hatte, konnte sie im Nachhinein gar nicht so genau sagen. Wahrscheinlich war es so eine Mischung aus dem so überraschenden baldigen Wiedersehen und der Tatsache, dass ihre Eltern beschlossen hatten sie zu verheiraten. Aber eigentlich konnte sie über die Wahl ihres Vaters noch froh sein, es hätte sie weitaus schlimmer treffen können. Tashigi stutzte… Wo kam dieser Gedanke auf einmal her? Egal. Sie betrat den Übungsraum und räusperte sich. Der Grünschopf blickte von seinen Gewichten auf und Tashigi könnte schwören, dass er sie kurz fragend ansah, bevor er sie wie gewohnt finster anblickte. „Hey“, sagte sie, nicht sicher wie sie dieses Gespräch beginnen sollte. „Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte er, ohne seine Übung zu unterbrechen. „Ähm… ich habe mit deinem Vater gesprochen.“ Jetzt hielt Zorro doch inne und blickte sie skeptisch an. „Worüber?“ Tashigi konnte das Grinsen auf ihrem Gesicht nicht unterdrücken. „Ach… über dies und jenes“, antwortete sie wage. „Tashigi…“, knurrte er leise und sie blickte ihn überrascht an. Hatte er sie gerade mit ihrem Namen angesprochen? „Worüber habt ihr gesprochen?“, fragte Zorro nach einer Weile, in der sie ihn einfach anstarrte. Tashigi räusperte sich einmal. „Er sagte, dass du mich magst.“ Dieses Mal versuchte er seinen Gesichtsausdruck nicht zu verstecken und blickte sie offen überrascht an. „Was?“ „Dein Vater ist der Meinung, dass ich dir ein bisschen was bedeute.“ Der Schwertkämpfer grunzte kurz und nahm dann seine Übung wieder auf. „Du bist nicht mehr ganz so ätzend wie am Anfang, das stimmt“, sagte er dann, ohne den Blick von der Hantel zu nehmen. In Tashigi breitete sich ein unbekanntes warmes Gefühl aus und sie wusste, dass sie rot wurde. Dann räusperte sie sich mehrmals und schlug sich ein paar Mal mit beiden Händen auf die geröteten Wangen. Lorenors kritische Blicke halfen ihr allerdings nicht gerade dabei sich zu beruhigen. „Ähm…“, begann Tashigi, „Dein Vater hat mir… den ein oder anderen Tipp für unsere aktuelle… Misere gegeben.“ Der Schwertkämpfer legte die Hantel ab und fixierte sie dann durchdringend. „Hat er das?“ Tashigi brauchte eine Weile um den Blick von Lorenors mit schweißbedecktem Oberkörper zu lösen. Warum musste der Kerl auch ohne Oberteil trainieren? Um überhaupt einen klaren Gedanken fassen zu können, drehte sie sich um und blickte an die Wand. „Er sagte, dass du und ich die Einzigen sind, die dieses Problem lösen können.“ „Das sehe ich ein wenig anders.“ Überrascht wandte sie ihm den Blick wieder zu. „Dein Vater hat all das hier eingefädelt, somit liegt es an dir das alles aufzuklären.“ „Und wie soll ich das bitteschön machen?“, fragte sie schnippisch. Lorenor stand auf du trat auf sie zu. Tashigi hasste es, dass er so viel größer war als sie. „Ganz einfach: Rede mit ihm.“ Und damit ließ Lorenor Zorro sie sprachlos und ein klein wenig empört im Übungsraum stehen. Mit ihm reden? Mit ihrem Vater reden? Was glaubte Lorenor eigentlich wer er ist? Mit ihrem Vater konnte man nicht reden! Nicht in tausend Jahren würde sie eine vernünftige Erklärung von Hiroki Watanabe bekommen! Laut stöhnend ließ Tashigi sich auf ihr Bett fallen. Zwei Tage war Lorenors „Rat“ nun her und sie regte sich noch immer darüber auf. Er hatte ihren Vater doch kennen gelernt, wie konnte er da erwarten, dass sie sich einfach so mit ihm unterhalten würde? Im Gegensatz zu Lorenors Vater war ihrer nicht so nett und freundlich. Seufzend starrte Tashigi an die Zimmerdecke. Aber irgendwie… hatte der Idiot sogar recht. Sie WAR die Einzige, die diese Sache irgendwie klären konnte und dafür musste sie mit ihrem Vater sprechen. Frustriert drückte sie ihr Gesicht in ihr Kopfkissen, aber sie wollte nicht mit ihm sprechen. Er würde ihr bestimmt wieder nur erzählen wie sehr sie der Familie mit ihrer Arbeit für die Marine geschadet hatte… oder so etwas ähnliches. Aber sie wollte auch nicht Lorenor Zorro heiraten. Tashigi lüftete das Kissen von ihrem Gesicht und warf einen Blick auf die Uhr; normalerweise würde sie sich jetzt auf den Weg zum Hafen machen, um sich mit Akito zu treffen. Doch das hatte sie schon gestern Abend nicht getan und sie würde es wohl heute Abend auch nicht tun. Ihr war bewusst, dass sie durch die Abende mit ihrem alten Freund das Unvermeidliche nur herausgezögert hatte, bereuen tat sie es jedoch nicht. Mit einem weiteren Seufzer erhob sie sich von ihrem Bett, richtete ihre Brille und machte sich auf den Weg zum Schlafzimmer ihrer Eltern. Alles Jammern und kindisches Verhalten nützten ja doch nichts, es gab Dinge, die geklärt werden mussten und sie würde ihren Vater nicht eher in Frieden lassen bis er ihr Rede und Antwort gestanden hatte. Es war ihre Mutter, die ihr die Tür öffnete und sie überrascht anblickte. „Tashigi… was kann ich für dich tun?“ Tashigi atmete noch einmal tief durch bevor sie antwortete: „Ich würde gerne mit Vater sprechen.“ Ihr entging nicht, dass ihre Mutter einen unsicheren Blick über ihre Schulter hinein ins Zimmer warf. „Es geht ihm heute Abend nicht so gut, wenn du vielleicht Morgen…“ „Lass sie hinein, Hinagiku. Und geh und hol dir einen Tee oder sowas“, unterbracht Hirokis schwache Stimme sie. Ihre Mutter blickte noch einmal in das Zimmer, dann lächelte sie Tashigi liebevoll an, bevor sie wortlos den Flur hinab verschwand. Zeit ihres Lebens hatte Tashigi sich gefragt wie ihre Mutter es in der Ehe mit ihrem Vater aushielt. Sie schob den Gedanken beiseite und betrat das Schlafzimmer ihrer Eltern. Hiroki saß in einem Sessel vor dem Kamin und hatte eine dicke Wolldecke über den Beinen ausgebreitet. Er wirkte in dem Sessel seltsam verloren und noch schmächtiger. „Es wird auch Zeit, dass du dich blicken lässt. Setz dich“, sagte er nachdem sie die Tür geschlossen hatte. Augenblicklich stellten sich ihr vor Wut die Nackenhaare auf und sie überlegte direkt wieder zu gehen. Aber sie blieb und setzte sich gehorsam ihrem Vater gegenüber. „Die Hochzeit findet in zwei Wochen statt und wie ich hörte warst du noch nicht einmal bei der Schneiderin wegen deines Kleides.“ „Ich bin nicht hier, um mir eine Schelte abzuholen“, sagte Tashigi durch zusammengebissene Zähne. „Und doch wirst du eine erhalten. Anstatt dich um deine Hochzeit und deinen Verlobten zu kümmern, verplemperst du deine Zeit mit Trotzerei und Akito.“ „Es war ein Fehler hierherzukommen“, stieß sie aus, stand auf und ging zur Tür. „Tashigi, ich sterbe! Schon sehr bald und das nicht des Alters oder einer Krankheit wegen.“ Die Hand bereits an der Türklinke drehte Tashigi sich geschockt um und starrte ihren Vater an. „Was?“ Wenn sein Zustand nicht an seinem Alter oder einer Krankheit lag, gab es nur eine Erklärung. „Ich wurde vergiftet.“ Ihre Hand fiel von der Klinke; sie war fassungslos. Vergiftet? Ihr Vater wurde vergiftet? „Wie? Wer?“, hauchte sie. Wie in Trance ging sie wieder auf ihren Vater und ließ sich in den zweiten Sessel fallen. „Wie? Ich vermute, dass man es mir unter die Nahrung gemischt hat. Wer? Ich weiß es nicht. Feinde habe ich viele.“ Nachdem Tashigi den ersten… Schock hinter sich gelassen hatte begann ihr Hirn auf Hochtouren zu arbeiten. „Was ist mit deinen Vorkostern? Wieso ist denen das Gift nicht aufgefallen? Hast du eine Liste mit Leuten, die am ehesten dafür in Frage kommen aufgestellt? Und warum erfahre ich erst jetzt davon? Warum haben Taichi und Mutter die Sache mir gegenüber nie erwähnt?“ Tashigi konnte es nicht fassen, sie begriff nicht wie so etwas nur passieren konnte. Wer würde es wagen den mächtigen Hiroki Watanabe zu vergiften? Klar hatte ihr Vater mehr als genug Feinde und auch Neider, die seinen Platz einnehmen wollten, aber sie war immer davon ausgegangen, dass ihr Vater von seinen Leuten bestens beschützt wurde. Sie hörte ihren Vater rasselnd Luft holen und lenkte ihre volle Aufmerksamkeit auf ihn. „Keinem meiner Vorkoster ist es so ergangen wie mir; also wurde entweder einen von ihnen bestochen oder es war jemand, der mir sehr nahestand. Eine Liste mit möglichen Verdächtigen liegt in der ersten Schublade meines Nachttisches, du kannst sie haben, wenn du willst. Dein Bruder und deine Mutter haben deswegen nichts gesagt, weil sie es nicht wissen. Niemand außer dir und mir weiß es.“ Mit großen Augen blickte sie ihn nun an. „Warum?“, hauchte sie. Hiroki schloss für einige Minuten die Augen. „Dein Bruder und deine Mutter stehen mir zu nah, um sachlich in der Angelegenheit forschen zu können. Damit will ich nicht sagen, dass du und ich uns nicht nahestehen. Aber ich hoffe, dass du durch deine lange Abwesenheit den nötigen Abstand hast, um herauszufinden wer mir das angetan hat.“ Natürlich war ihr Vater die Sache absolut logisch angegangen; Tashigi konnte es ihm nicht übelnehmen. „Hast du mich deswegen zurückgeholt?“, fragte sie leiser. Ihr Vater nickte. „Auch. Aber ich möchte wirklich, dass du das Familiengeschäft übernimmst.“ „Was wird mich daran hindern das komplette Geschäft umzukrempeln? Das Morden und Schmuggeln zu beenden.“ Das sanfte Lächeln ihres Vaters warf Tashigi völlig aus der Bahn. „Nichts“, antwortete er, doch Tashigi war noch zu verwirrt, um zu antworten, also sprach Hiroki weiter: „Du kannst mit dem Familiengeschäft tun und lassen was du möchtest. Eigentlich bin ich sogar der Meinung, dass eine Veränderung längst überfällig ist. Behalte jedoch im Kopf, dass du dir mit jeder deiner Entscheidungen Feinde machen wirst.“ Baff ließ Tashigi sich tiefer in den Sessel sinken; sie hatte mit allem gerechnet, jedoch nicht damit, dass ihr Vater ihr praktisch seinen Segen für das Ändern des Familiengeschäftes geben würde. „Natürlich musst du heiraten bevor du deine Pläne in die Tat umsetzt.“ Ah… stimmt, da war ja der Haken an der Sache. „Warum ausgerechnet Lorenor Zorro?“, fragte sie matt. Ihr Vater lachte leise, ein Ton, den Tashigi seit Ewigkeiten nicht mehr gehört hatte. „Ich finde, ihr Beide passt ganz gut zueinander und wenn ihr eure ewigen Zickereien endlich mal beenden würdet, würdet ihr ein gutes Team abgeben. Zudem würde kaum Einer der Ehefrau von Lorenor Zorro ein Haar krümmen.“ „Aber er ist Pirat… und er hat seine eigenen Ziele und Träume“, argumentierte sie. „Es steht nirgendwo geschrieben, dass er den Rest seines Lebens diese Insel nicht mehr verlassen darf. Nach der Hochzeit könnt ihr Beide tun was ihr möchtet; vorausgesetzt du kümmerst dich weiterhin um das Familiengeschäft. Woraus dieses dann auch immer besteht.“ Tashgi hatte, als sie dieses Gespräch gesucht hatte, mit vielen gerechnet; vor allem mit sehr viel Wut und Geschrei. Diese offene und vertrauliche Haltung ihres Vaters war erfrischend. Verwirrte sie jedoch auch zunehmend. Minutenlang starrte sie in die Flammen des im Kamin brennenden Feuers bis ihr Vater wieder das Wort ergriff: „Tashigi, ich weiß nicht wie viel Zeit mir noch bleibt. Ich weiß nicht einmal, ob ich deine Hochzeit erleben werde, aber ich vertraue dir. Du wirst denjenigen finden, der mir das angetan hat. Auch wenn es Jahre dauern sollte. Als Oberhaupt der Familie stehen dir alle Türen offen. Du musst nur den richtigen Leuten vertrauen.“ Eindringlich blickte er sie an und für einen kurzen Moment war er wieder ganz der Alte. Tashigi blinzelte und dann saß wieder ihr schwach gewordener Vater vor ihr. „Nimm dir die Liste aus meinem Nachttisch und dann geh. Ich bin müde.“ Bevor Tashigi diesem… Befehl nach kam drückte sie ihrem Vater einen kurzen Kuss auf die Wange. „Schlaf gut, Vater.“ „Tashigi?“ Hastig wandte sie sich zu der Stimme um. Sie war gerade im Begriff gewesen ihr Zimmer zu betreten als Akito sie aufhielt. „Akito. Was kann ich für dich tun?“, fragte sie. „Ich habe am Hafen auf dich gewartet.“ „Oh ja… ich habe mit meinem Vater gesprochen.“ „Und gestern Abend? Wo warst du da?“ Unter Akitos durchdringendem Blick begann Tashigi sich unwohl zu fühlen und sie wusste auch nicht warum er so gerne wissen wollte wo sie gewesen war. „Ich fühlte mich nicht gut und bin früh ins Bett gegangen“, antwortete sie. Sie fand, dass er nicht recht überzeugt aussah, doch als es schien, dass er etwas erwidern wollte kam Lorenor Zorro den Gang entlang. Tashigi wusste, dass man ihn nur ein paar Zimmer entfernt von ihrem untergebracht hatte, also war es nicht weiter verwunderlich, dass er hier entlang ging. Ihr unfreiwilliger Verlobter und ihr alter Freund blickten sich ernst in die Augen. Sie konnte spüren wie die Spannung zwischen den Beiden immer weiter anstieg und sie nahm erst ab, nachdem Zorro um die Ecke im nächsten Gang verschwunden war. „Ist zwischen euch irgendetwas passiert?“, fragte sie dann. Belustigt sah Akito sie an. „Zwischen dem Piraten und mir? Nein, wir haben noch nicht einmal miteinander gesprochen.“ „Aber warum…“, begann sie wurde jedoch unterbrochen. „Also… gehen wir noch runter zum Hafen? Dann kannst du mir von dem Gespräch mit deinem Vater berichten.“ Tashigi blickte ihn einige Augenblicke an, dann lächelte sie sanft. „Nein. Es ist spät und ich bin müde., aber wir sehen uns Morgen. Gute Nacht, Akito.“ „Gute Nacht, Tashigi.“ Zorro atmete erst aus als er hörte wie sich Tashigis Zimmertür schloss und die Schritte dieses Akitos verklungen waren. Warum er die Luft überhaupt angehalten und das restliche kurze Gespräch zwischen Tashigi und Akito belauscht hatte, konnte er sich selbst nicht erklären. Es beruhigte ihn jedoch, dass Tashigi um diese Uhrzeit nicht mehr das Haus verließ, um am Hafen rumzuhängen. Ihm war mehr als bewusst, dass er kein Recht besaß sich überhaupt darüber Gedanken zu machen was sie mit ihrem Leben anstellte. Aber Gedanken ließen sich nun mal schwer ausstellen. Zorro gefiel es auch nicht, dass sie ständig mit diesem Akito Zeit verbrachte. Irgendetwas an diesem Typen brachte Zorro jedes Mal dazu sich vollkommen anzuspannen, ganz so als müsste er jederzeit mit einem Angriff seitens des anderen Mannes rechnen. Was natürlich völliger Schwachsinn war, wie Akito richtig gesagt hatte, hatten sie Beide noch nicht ein Wort miteinander gewechselt. Aber auch seine Instinkte konnte Zorro nicht ausschalten. Er schüttelte den Kopf und machte sich auf den Weg in sein Zimmer, zumindest hoffte er, dass dies der Weg war. Seitdem er auf dieser Insel war hatte er begonnen sich irrational zu verhalten, zumindest in Bezug auf Tashigi und es nervte ihn ungemein, dass er nicht wusste wieso er sich so verhielt. Seufzend öffnete er eine der vielen Türen und stellte mit Freuden fest, dass er tatsächlich sein Zimmer gefunden hatte. Aber immerhin hatte Tashigi anscheinend mit ihrem Vater gesprochen und vielleicht erfuhr er dann auch bald was genau hier los war. „Also, Tash, wie lief das Gespräch mit Hiroki?“, fragte Akito und sah sie auffordernd an. Es war der nächste Abend und wie verabredet hatte Tashigi sich am Hafen eingefunden. Den Tag hatte sie damit verbracht all die neu erhaltenen Informationen zu verarbeiten und zu überdenken. Sie war noch immer geschockt und irgendwie völlig überfordert. Dass ihr Vater ihr solch brisanten Informationen gab und ihr völlig vertraute war für sie absolutes Neuland. Was jedoch nichts an der Tatsache ändern würde, dass sie ihre ganze Energie in die Ermittlungen stecken würde. Sie hatte sich auch bereits die Liste mit den Verdächtigen angesehen, einige Namen kannte sie aus ihrem Dienst bei der Marine, einige sogar noch aus ihrer Kindheit und einige wiederum kannte sie gar nicht. „Tashigi? Hast du mir überhaupt zugehört?“ Tashigi riss den Blick vom Meer los und lächelte Akito entschuldigend an. „Es war… nervenaufreibend… hitzig. Am Ende haben wir uns nur wieder gestritten“, antwortete sie, wobei der letzte Teil glatt gelogen war. Aber solange Tashigi noch keinen engeren Verdächtigen Kreis hatte, hatte sie beschlossen niemanden in die Sache einzuweihen. Außer vielleicht Taichi und ihre Mutter. Und auch, wenn sie zu neunundneunzig Prozent sicher war Akito vertrauen zu können blieb immer ein Rest von Zweifel. Wenn sie ihre Zeit bei der Marine eines gelehrt hatte, dann, dass man Niemandem blind vertrauen sollte. Nicht mal Freunden oder Kollegen. „Das dachte ich mir“, kommentierte Akito, „Hat er dir denn erklärt was diese ganze Show hier soll?“ Tashigis Blick wanderte wieder zum Meer. „Meinst du, warum ich ausgerechnet Lorenor Zorro heiraten soll?“ Akito brummte zustimmend. „Nein.“ Wieder gelogen. Es war nicht so als würde sie ihm in dieser Sache nicht vertrauen, aber Tashigi selbst hatte so ihre Schwierigkeiten die Argumente ihres Vaters nachvollzuziehen. Sie und Lorenor ein gutes Team? Wahrscheinlich nicht mal, wenn die Hölle zufrieren würde. Aber jetzt, wo ihr Vater ihr gesagt hatte, dass es ihm praktisch egal war was sie aus dem Familiengeschäft machen würde, sah sie all die Möglichkeiten vor sich. All das Gute was sie mit der Reichweite und dem Geld ihrer Familie erreichen könnte. Aber dafür musste sie Lorenor Zorro heiraten und das behagte ihr immer noch nicht so recht. „Du könntest auch immer noch heimlich jemand anderen heiraten“, schlug Akito vor. Tashigi sah ihn amüsiert an. „Und wen?“ Es war jetzt nicht so, dass in jedem Hafen ein Verehrer auf sie wartete oder dass die Männer bei ihr Schlange standen. „Ich weiß nicht… mich zum Beispiel?“ Sie riss die Augen weit auf und starrte ihn an. „Was?“ „Ich würde mich opfern dich zu heiraten“, antwortete der Mann neben ihr. Daraufhin zog Tashigi die Stirn kraus… Opfern. Das klang ziemlich gemein, so als wäre sie nicht fähig selbst einen Mann für sich zu finden. Zugegeben, sie hatte bisher nie einen Gedanken daran verschwendet zu heiraten, aber das bedeutete nicht, dass sie nicht in der Lage dazu war selbst jemand passenden zu finden. „Ich meine, jeder ist besser als dieser Pirat und wir kennen uns ja bereits eine ganze Weile und zusätzlich könntest du deinem Vater so noch einmal eins reinwürgen“, sprach Akito ungerührt weiter. Tashigi hatte ihrem Vater noch nie eins reinwürgen wollen, sie wollte immer nur, dass er sie ihr Leben so führen ließ wie sie es wollte… „Danke, nein Akito. Ich… weiß dein Angebot zu schätzen, aber ich fühle mich nicht wohl dabei den besten Freund meines kleinen Bruders zu heiraten. Ich werde jetzt auch wieder nach Hause gehen. Gute Nacht.“ „Gute Nacht, Tash.“ Sie spürte nicht wie Akito ihr hinterher sah, dafür spürte sie jedoch den Blick einer anderen Person auf sich ruhen; sie hob den Kopf und erblickte Lorenor Zorro, der einige Meter weiter stand und sie zu beobachten schien. Ihr Kopf war zu voll mit all den anderen Dingen, so dass sie einfach zu erschöpft war, um sich auch noch über das seltsame Verhalten des Piraten Gedanken zu machen. Welche Gründe hätte er haben können sie zu beobachten? Also wandte sie sich einfach von ihm ab und machte sich auf den Weg nach Hause. Seit seinem ersten Abend auf dieser Insel und seit dem er Tashigi das erste Mal mit Akito am Hafen gesehen hatte, war Zorro früher oder später ebenfalls dorthin zurückgekehrt. Jeden einzelnen Abend und immer hatte er die Beiden beobachtet. Niemals war er auf Hörweite herangekommen, er wollte gar nicht wissen was die Beiden besprachen. Manchmal hatte er sie Stundenlang beobachtete, manchmal nur wenige Minuten. Je nachdem wie schnell er den Weg zum Hafen gefunden hatte. Warum er die Beiden beobachtete? Er traute diesem Akito einfach nicht und ihm war wohler dabei ein Auge auf Tashigi zu haben. Warum er der Meinung war auf Tashigi aufpassen zu müssen konnte Zorro sich auch nicht erklären, hatte aber schnell gelernt diese Tatsache so hinzunehmen. Heute war jedoch der erste Abend an dem Tashigi ihn dabei erwischt hatte, jedoch anders als erwartet hatte sie so überhaupt nicht auf seine Anwesenheit reagiert; was Zorro mehr als verwirrte. Er hatte mit Geschrei und sogar vielleicht mit einer Herausforderung zum Duell gerechnet, aber nicht damit, dass sie einfach wegging. „Was willst du denn hier?“ Na toll, Akito hatte ihn wohl ebenfalls entdeckt und im Gegensatz zu Tashigi beschlossen ihn anzusprechen. Zorro warf dem Mann einen abfälligen Blick zu. „Ist ne freie Insel, oder?“ „Beobachtest du Tashigi etwa?“, bohrte der Kerl weiter nach. „Und wenn? Was willst du dagegen tun?“ Akito trat einen Schritt näher und Zorro legte instinktiv eine Hand auf eines seiner Schwerter. Der Kerl wollte Stress? Den konnte er haben. „Hör mir mal genau zu, Pirat“, begann Akito, „Mir gefällt es nicht zu wissen, dass du Tashigi beobachtest. Ehrlich gesagt gefällt mir deine komplette Anwesenheit nicht. Tashigi hat jemand besseren verdient als dich.“ „Ja? Dich etwa?“, entgegnete Zorro amüsiert. „Ja, zum Beispiel.“ Nun machte Zorro einen Schritt auf Akito zu und stieß ihm den Finger vor die Brust. „Jetzt hörst du mir mal zu. Ich, an deiner Stelle, würde den Ball mal schön flach halten, denn wenn Tashigi und ich erst einmal verheiratet sind bin ich nämlich dein Boss.“ „Du glaubst wirklich, dass Tashigi dich heiraten wird? Dich? Einen dreckigen Piraten?“ Zorro wusste nicht woher er diese Sicherheit nahm, aber er war sich ziemlich sicher, dass weder Tashigi noch er selbst einen Weg finden würde diese Hochzeit zu umgehen. „Lieber mich als einen dreckigen Meuchelmörder“, antwortete er. Akitos Hand schnellte zu seinem Hosenbund und Zorro war sich sicher, dass der Andere eine Waffe ziehen würde. Sein Schwert bereits halb gezogen wurde Zorro dann von der Stimme seiner Mutter abgelenkt. „Alles in Ordnung bei euch, Jungs?“ Es war beiden Männern ein Rätsel wo auf einmal Lorenor Alejandra herkam, doch Beide ließen die Hände sinken. Akito warf Zorro noch einen letzten abfälligen Blick zu, dann drehte er sich ohne ein weiteres Wort zu sagen um und ging. „Mutter, was machst du hier?“, fragte Zorro und wandte sich zu ihr um. „Man sollte meinen, nun da wir uns auf derselben Insel aufhalten, ist es ein Leichtes dich für ein Gespräch zu finden. Aber nein. Nie treibst du dich dort rum wo man dich erwartet, stattdessen prügelst du dich beinahe mit anderen Jungen am Hafen“, antwortete Alejandra tadelnd. „Ich bin erwachsen, Mutter.“ „Es ist völlig egal wie alt dein Kind ist, Zorro, für dich wird es immer das kleine Bündel sein, welches auf dich angewiesen war. Das wirst du noch früh genug selbst lernen.“ Zorro blickte seine Mutter ausdruckslos an und setzte sich dann auf die Kaimauer. Er war sich sicher, dass seine Mutter noch nicht fertig mit ihm war und er behielt recht. „Also“, sagte sie während sie sich neben ihn setzte, „Die Hochzeit ist in weniger als zwei Wochen.“ „Wenn sie denn überhaupt stattfindet“, warf Zorro ein. „Ach… eben klang das aber noch ganz anders.“ „Das habe ich nur gesagt, weil mir der Kerl auf die Nerven ging und ich ihn nicht leiden kann“, versuchte Zorro sich raus zu reden. „Aber Tashigi kannst du doch leiden, oder?“ Zorro seufzte. „Sie ist okay.“ Für Zorro unverständlicherweise seufzte nun seine Mutter. „Du bist genauso begabt darin deine eigenen Gefühle zu verstehen wie darin dich in deinem eigenen Zimmer zurechtzufinden.“ Zorro blickte seine Mutter von der Seite an; das ging jetzt aber unter die Gürtellinie fand er. Ein mitfühlender Ausdruck trat in die blauen Augen seiner Mutter. „Dein Vater und ich haben dich ein wenig beobachtet und wir sind uns ziemlich sicher, dass du Tashigi mehr als nur okay findest.“ „Ach ja? Ich habe einmal mit ihr gesprochen. Wie wollt ihr euch da sicher sein.“ „Es liegt in deinem Blick, Zorro. Die Art und Weise wie du sie ansiehst und sie nicht aus den Augen lässt bis sie sicher und wohlbehalten den Weg vom Hafen zum Haus hinter sich gebracht hat. Niemand tut so etwas, wenn er denjenigen einfach nur okay findet.“ Er hatte wirklich gehofft, dass sein Verhalten niemanden aufgefallen war, aber anscheinend war das vergebens gewesen. „Ihr meint also, dass ich sie liebe“, sagte er und wagte es nicht seine Mutter anzusehen. „Das hast du gesagt. Ich sagte, dass du sie mehr als okay findest. Ob du sie liebst kannst nur du dir beantworten.“ Zorro schwieg und das für eine ganze Weile. Liebte er Tashigi? Er wusste überhaupt nicht wie sich Liebe anfühlte. Ja, okay. Zorro liebte seine Eltern, seine Freunde und auch Kuina hatte er wohl irgendwie geliebt, aber diese Liebe war etwas völlig anderes gewesen, oder? „Als ich sie zum ersten Mal sah, sah sie aus wie Kuina“, sagte er irgendwann leise. Alejandra legte ihm eine Hand auf den Rücken. „Ich weiß… ihre Mutter zeigte mir alte Bilder von ihr. Es muss ein Schock für dich gewesen sein.“ Der Schwertkämpfer brummte und fand, dass das sogar noch eine Untertreibung war. Aber er hatte schnell gelernt, dass Tashigi und Kuina nicht unterschiedlicher sein konnten und von da an war es für ihn einfacher geworden. Und jetzt hatte Tashigi so gar keine Ähnlichkeit mehr mit seiner Kindheitsfreundin. „Es ist spät. Begleitest du mich zum Haus?“ Ohne ein Wort zu sagen stand Zorro auf und folgte seiner Mutter schweigend. Er wusste, dass sie verstand, dass er mit seinen Gedanken ganz woanders war. „Hey Schwesterlein.“ Tashigi bekam beinahe einen Herzinfarkt als sie die Stimme ihres Bruders vernahm. Sie war gerade ins Bett gegangen und hatte das Licht gelöscht, allem Anschein nach saß er neben ihr auf dem Bett. „Taichi! Wie kommst du hier rein?“ Sie war sich ziemlich sicher, dass sie allein in ihrem Zimmer gewesen war. „Bin durch das Fenster eingestiegen“, antwortete er ihr während sie das Licht wieder anschaltete. „Kannst du nicht wie jeder normale Mensch die Tür benutzen?“ Taichi grinste sie amüsiert an. „Wo bleibt denn da der Spaß?“ Seufzend setzte Tashigi sich auf und lehnte sich etwas an das Kopfende ihres Bettes. „Was kann ich denn für dich tun?“ „Ich wollte einfach nur ein wenig mit dir quatschen. So wie in alten Zeiten.“ So wie in alten Zeiten? Sie musste lächeln als sie an diese Zeiten zurückdachte. Schon als Kind hatte Taichi sich mit Vergnügen in ihr Zimmer geschlichen und sie so immer wieder zu Tode erschreckt, anschließend hatten die Geschwister die Zeit damit verbracht zu spielen oder einfach nur zu reden. Solange bis sie von ihrer Mutter erwischt und wieder in ihre Betten geschickt worden waren. „Also, was läuft da zwischen dir und Akito?“, holte Taichi sie aus ihrer Erinnerung. „Nichts, wir unterhalten uns einfach nur.“ „Aber du verbringst ziemlich viel Zeit mit ihm“, entgegnete ihr Bruder leise. Tashigi blickte ihn fragend an. „Das mag sein, aber da läuft nichts. Er lenkt mich halt von diesem ganzen Chaos ab… obwohl er mir heute Abend wohl so etwas wie einen Antrag gemacht hat.“ Taichis Kopf schnellte zu ihr herum und er sah sie geschockt an. Was für Tashigi ein äußerst seltener Anblick war. „Den hast du aber nicht angenommen, oder?“, sagte er. „Gott, nein. Er ist dein bester Freund. Das wäre als würde ich dich heiraten“, antwortete sie. Ihr Bruder schien erleichtert auszuatmen und sie runzelte die Stirn. „Er war mal mein bester Freund.“ „Was ist passiert?“ Taichi rutschte tiefer in ihrem Bett so, dass er nun mehr lag als saß. Er sah sie nicht an während er ihr antwortete: „Die Zeit ist passiert… Wir haben uns auseinander gelebt kurz nachdem er angefangen hatte für uns zu arbeiten. Er macht einen verdammt guten Job und vor ein paar Tagen habe ich Vater gefragt warum er dich unbedingt mit Zorro verheiraten will, wo Akito doch die logischere Wahl wäre.“ „Was hat er gesagt?“, fragte sie neugierig. Sie kannte zwar die Gründe ihres Vaters Zorro auszuwählen, war aber gespannt ob er Taichi dieselben genannt hatte. Ihr Bruder blickte ihr nun tot ernst in die Augen, was seltsam war, denn Taichi Watanabe hatte sonst immer ein amüsiertes Funkeln in den Augen. „Vater erklärte mir, dass Akito zwar ein hervorragender Mitarbeiter sei, er allerdings schon des Öfteren Menschen aus eigenem Antrieb oder persönlicher Rache beseitigt hat.“ Tashigi starrte ihn eine ganze Weile mit offenem Mund an. „Wenn er Leute ohne Auftrag tötet, wieso beschäftigt Vater ihn noch?“, fragte sie nach einigen Minuten. „So hat er ihn zumindest ein wenig unter Kontrolle. Wer weiß was Akito tun würde, wenn er sich vor Niemanden mehr rechtfertigen müsste?“ Darüber wollte Tashigi gar nicht nachdenken. Es war schon schwer vorstellbar gewesen, dass Akito jetzt überhaupt für ihren Vater arbeitete, aber sich vorzustellen, dass Akito Menschen umbrachte, die ihn vielleicht nur schief angeguckt hatten, vermochte sie nicht. „Deswegen bin ich ganz froh, dass du seinen Antrag abgelehnt hast und Vater sich für Zorro entschied.“ Da war es wieder: das amüsierte Funkeln in Taichis braunen Augen und Tashigi konnte nicht anders als zu lächeln. „Und wie ich heute hörte ist dein Verlobter der Hochzeit gegenüber auch gar nicht mehr so abgeneigt“, sagte er grinsend. Tashigi sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Wo hast du das denn gehört?“ Das war doch völlig absurd. Lorenor Zorro sollte sie freiwillig heiraten wollen? „Ich hab halt so meine Quellen.“ Dafür boxte sie ihrem Bruder einmal kräftig gegen die Schulter, doch er schien davon völlig unbeeindruckt. „Daher weiß ich auch, dass du mit Vater gesprochen hast“, sprach er weiter. „Also dafür braucht man keine Spione oder Quellen. Ich wette Mutter hat dir das erzählt“, antwortete sie. „Worüber habt ihr gesprochen?“ Nun blickte Tashigi ihn ernst an. Für einen kurzen Augenblick überlegte sie Taichi schon ins Vertrauen zu ziehen, verwarf den Gedanken aber wieder. Sie würde sich erst selbst einen Plan machen und selbst Informationen beschaffen. „Wenn ich die Struktur des Familiengeschäftes komplett umkrempeln würde, würden du und die restlichen… Angestellten dann hinter mir stehen?“, antwortete sie stattdessen mit einer Frage. Taichi blickte sie ein wenig überrascht an. „Wie genau meinst du das?“ „Wenn ich das Morden und Schmuggeln einstellen würde und unsere Ressourcen für das Gute nutzen würde. Zum Beispiel um vermisste Personen zu finden oder Verbrecher dingfest zu machen.“ „Deine eigene kleine Marine also.“ So hatte sie das noch gar nicht gesehen, aber er hatte recht. Sie würde sich ihre eigene kleine Marine aufbauen, so wie sie sich die eigentliche Marine immer vorgestellt hatte. Taichi seufzte. „Du würdest dir auf jeden Fall nicht nur Freunde machen, aber was unsere Leute angeht… manche würden sich anpassen, manche würden gehen und manche würden wahrscheinlich versuchen ihr eigenes Geschäft aufzuziehen.“ „Und du? Was würdest du tun?“, fragte sie leise. Er ergriff ihre Hand und sah sie erneut ernst an. „Ich mag nicht immer deiner Meinung sein, aber ich werde jede deiner Entscheidungen respektieren und akzeptieren. Du bist meine Schwester, ich liebe dich und ich werde immer an deiner Seite sein.“ Mit Tränen in den Augen warf sie sich auf ihn und umarmte ihn. „Also hast du dich entschieden Zorro zu heiraten?“, fragte er und sie konnte sein Grinsen geradezu hören. Tashigi antwortete nicht. Vielleicht hatte sie sich dazu entschieden, vielleicht aber auch nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)