Woods von Silberstrich ================================================================================ Kapitel 30: Unter die Haut -------------------------- Ein paar Wochen zuvor.. Pierre betrat das Tattoostudio und ging direkt auf eine Frau mit lilafarbener Rockabilly Frisur zu. Sie umarmte ihn strahlend. "Hey Olly. Lange nicht gesehen!" "Ich hab gehört du bist jetzt Papa?! Herzlichen Glückwunsch!!" "Danke. Hier, meine Mädels..", sagte Pierre stolz und zeigte ihr kurz ein Foto von ihm, Becky & Mia. "Ohhhh wie süß. Achja er ist übrigens auch grade gekommen. Kann also gleich losgehen.", lächelte Olivia. In diesem Moment kam Ian auch schon um die Ecke. Pierre und er gaben sich einen Handschlag und drückten sich kurz. "Cool, dass du extra für mich kommst!", grinste Pierre. "Für dich doch immer.", meinte Ian und begann seinen Platz weiter vorzubereiten. "Ich versteh nicht wieso du's nich' wieder hauptberuflich machst. Du hast echt Skill." "Wer weiß....vielleicht tu ich euch den Gefallen ja noch. Hier schau mal das wäre jetzt dein Stencil." "Perfekt.", sagte Pierre entschlossen. "Wird ziemlich dunkel. Aber das willst du ja. Dass du überhaupt noch Platz hast", lachte Ian, schnappte es und drehte sich auf seinem Stuhl herum. Sie hatten bereits beim Telefonat bis ins letzte Detail besprochen was es werden sollte. Nach all seinen Tattoos die ihm bis unters Kinn reichten wusste Pierre ziemlich genau was ihm gefiel und was nicht und mit Ian war er schon Jahrelang befreundet und hatte in der Vergangenheit 80% seiner Tattoos von ihm machen lassen. Den Rest bei seinem Cousin in Japan. Da müsste er überhaupt mal wieder hin. "Wohnt Louis eigentlich immernoch bei dir?", fragte er beiläufig, setzte sich schon mal und zog sein Shirt über den Kopf. "Ne, der hat seit ein paar Wochen endlich wieder seine eigene Bude. Bin ich auch ganz froh drüber, weil ich den Platz gut gebrauchen kann.", gestand Ian und besah sich die Stelle an die das neue Kunstwerk kommen sollte. "Ben will sich bald verloben." "Nicht dein ernst?!" "Doch." "Mit dieser Jennifer, richtig?" Pierre lachte: "ich hab ganz vergessen wie lange wir uns nicht mehr gesehen haben. Wir müssen uns dringend mal wieder treffen und alles auffrischen." "Klar, machen wir. Mit der Stelle bist du dir sicher oder?", fragte Ian nach, "Das wird weh tun." "Absolut sicher." Ein paar Stunden später war es geschafft, eingecremt und unter schützender Folie. Typisch für Pierre war, dass das neuste Tattoo gerade erst frisch gestochen worden war und er dachte bereits über das nächste nach. "Was sagt Becky eigentlich dazu? Sie hat gar keins oder?" "Ne absolut nicht ihr Fall. Für sie kommt es nie in Frage aber bei mir ist es ihr egal was ich mache ... sie hat nur mal verlangt, dass ich halt möglichst keine Namen und Daten wähle oder mir was direkt ins Gesicht stechen lasse." Ian zog sich grinsend die schwarzen Handschuhe aus. "Wobei warte", erinnerte Pierre sich, "einmal war sie so wütend auf mich, dass sie mich angeschrien hat ich solle mir doch "Vollidiot" auf die Stirn tätowieren lassen." "Becky kann wütend werden?" "Nur bei mir und nur zu Hause und da muss ich sie wirklich auf die Palme bringen." "Gott was hast du angestellt?!", lachte Ian, der Becky nur als höfliche, engelsgleiche, schüchterne Person kannte. "Reden wir nicht drüber.", zwinkerte Pierre ihm zu und stand endlich nach Stunden wieder auf. "Wieso kommt sie eigentlich nie zu deinen Terminen mit? Ich hätte sie gern mal wieder gesehen." "Naja heute muss sie auf unsere Kleine aufpassen aber sie kann es auch so einfach nicht ab. Die würd uns hier umkippen. Weißt du sie schafft es ein Baby auf die Welt zu bringen aber das hier wäre ihr zu viel." Pierre grinste. Eigentlich grinste er fast immer wenn er über sie redete. Ian war manchmal echt neidisch. Die beiden waren einfach das Traumpaar schlechthin. "Mit der Pflege kennst du dich ja bestens aus.", zuckte Ian mit den Schultern und sah nochmal auf sein Werk. Er war ziemlich zufrieden. Pierre auch. Sie passten einfach gut zusammen. Er wusste was Pierre wollte, Pierre wusste sowieso was er wollte und zeichnete häufig sogar seine eigenen Vorlagen. Es klappte einfach. "Mia will was buntes auf mir..." "Olly würd dir da sicher gern mal was Disneymäßiges ...-" "Ne vergiss es.", lachte Pierre. Sofort sah Olivia um die Ecke: "Na komm Pierre. So ne kleine Meerjungfrau auf deinem Fuß?!" Er zeigte ihr den Mittelfinger und sie lachte. "Ich hab dich auch lieb!", kicherte sie und huschte zurück an den Tresen. "Meld dich mal. Ich mach mir Zeit für dich.", bot Ian an und Pierre versprach, dass sie diesmal nicht wieder soviel Zeit verstreichen lassen würden. "Grüße an Ben! Schick mir den mal vorbei!", rief Ian noch, dann war Pierre auch schon draußen. Nachdenklich kam er an einem Fenster vorbei in dem unendliche viele Ringe funkelten. Durch die Geburt ihrer Tochter hatte sich ihr Leben ganz schön auf den Kopf gestellt und in dem ganzen neuen, aber natürlich auch schönen Chaos waren seine eigenen Verlobungspläne irgendwie unter gegangen. Den Ring, den sie bekommen sollte, trug er allerdings immer bei sich. Sie schien nichtmal zu ahnen, dass er es schon ziemlich lange vorhatte. Tausendmal hatte er sich im Kopf ihre Reaktion ausgemalt... Erst Hochzeit dann Kind....so war sein Plan gewesen...jetzt war es anders herum gekommen. Mia könnte Blumen streuen.....oder ihnen die Ringe bringen... Er lächelte. Wann war er so ein idiotisch, peinlicher Romantiker geworden? Sie löste jedes Mal etwas in ihm aus wenn sie zusammen waren und das waren jetzt ja schon einige Jahre. Wie hatte sich sein Leben so wandeln können? Er war früher so kaputt gewesen und jetzt kam ihm sein Leben fast schon kitschig perfekt vor. Er hatte eine gesunde, wunderschöne, fröhliche, lustige Prinezssin von Tochter, die wunderbarste Frau der Welt als seine Königin, liebte seinen Job, hatte endlich nur noch Freunde die ihm gut taten und trotz Mia noch was über um sich um seine Körperkunst zu kümmern. Becky's Prognose war ja, als sie gerade noch hochschwanger war, ursprünglich gewesen, dass er Mia zu Liebe auf weitere Tattoos würde verzichten müssen. Aber selbst das bekamen sie jetzt hin. Und er stellte die beiden immer vor seine eigenen Wünsche. Alles war perfekt. Es fehlte nur noch der Antrag (und vielleicht mal ein Hund?..) Ein paar Wochen später... BEN!!!, rief eine aufgeregte Stimme. Es war Sophie. Er drehte sich irritiert um. Dann rannte er los. Becky war einfach umgefallen. Sie hatte doch eben noch fröhlich da gestanden in ihrem funkelnden Kleid?! Hätte Pierre nicht so schnell reagiert wäre ihr zarter Kopf auf dem harten Boden aufgeschlagen. So stark er auch wirkte und so tough er auch war, sobald es um Becky ging stand er komplett neben sich. Natürlich hatte er sie nicht ran gelassen also hatte Sophie Ben gerufen und der war sofort zur Stelle. Ben stieß Pierre grob zur Seite, weil er nicht lange mit ihm diskutieren wollte. Sie reagierte weder auf direkte Ansprache noch auf seine Berührungen. Schnell kontrollierte er mit pochendem Herzen ihre Atmung. Ja, die war da. Dann brachte er sie in die stabile Seitenlage. "Lukas ruf-", begann Ben. Doch Lukas telefonierte bereits. Der Rettungsdienst lies nicht lange auf sich warten. Pierre wollte gerade dazu steigen. "Ich fahr hinterher.", versprach Ben. "Du bleibst hier...du musst schon in ein paar Stunden zum Flughafen." "Ich lass euch nicht allein." "Du kannst deinen Dienst nicht verweigern. Du bleibst." Sie drückten sich kurz dann wurde Becky ins Krankenhaus gefahren. Alle redeteten wild durcheinander. Sogar Jenny wirkte geschockt. "Was war mit ihr?!", fragte Lukas besorgt. Ben nahm ihn in den Arm: "Das werden wir hoffentlich bald wissen.." Ein par Stunden später lief Pierre mit Mia auf dem Arm zurück in die Eingangshalle des Klinikums. Er hatte sie abholen müssen. Becky's Fehlen merkte man sofort den plötzlich war er nur noch am routieren. Eine Frau im Eingangsbereich reichte ihm einen Flyer, er nahm ihn mit ohne drauf zu sehen. In einem der Gänge oben auf Station sah er schließlich auf das Papier in seiner Hand. Es war Werbung für regelmäßige Treffen der alleinerziehenden Väter.... Pierre drückte Mia fester an sich und lies den Flyer zerknüllt zu Boden fallen während er weiter lief. "Papa? Wo ist Mama?", fragte Mia. "Mama schläft.", sagte er nur knapp und streichelte mit zittriger Hand über ihren Hinterkopf. Treffen Alleinerziehender Väter.. Jeden Mittwoch Nachmittag 16:45.. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)