Woods von Silberstrich ================================================================================ Kapitel 9: Gefangen ------------------- Becky stöhnte leise auf, als sie aus ihrer Ohnmacht erwachte. Als erstes bemerkte sie den Geschmack von Blut in ihrem Mund. Wahrscheinlich hatte sie sich auf die Zunge gebissen. Es war so dunkel, dass sie absolut nichts erkennen konnte. Wie lange war es her, dass sie das Bewusstsein verloren hatte? Was war nochmal passiert? Ängstlich tastete sie um sich herum und stand dann mit wackeligen Beinen auf. Sie hatte die offene Kellertür gesehen...sie war runter geschlichen und.... Langsam kamen die Bilder zurück. "Au....", sie hielt sich die Seite, auf die sie gestürzt war. Es war spannend gewesen sich den Keller anzusehen, denn dort standen Dinge, die wahrscheinlich gar nicht für das Auge von Gästen gedacht waren. Am längsten hatte sie die alten Weckgläser begutachtet und versucht zu erraten was sich jeweils darin befand. Dann war sie gegen das Regal gestoßen, das daraufhin stark ins Schwanken geriet und auf sie zu stürzen drohte. Sie war rückwärts gestolpert und in ein Loch gefallen. Beim Aufprall hatte sie das Bewusstsein verloren und die Luke über ihr war zugefallen. Die Luke! Blind tastete Becky um sich herum. Spinnenweben berührten ihr Gesicht und am liebsten hätte sie sich einfach hingehockt und geweint. Sie fand den Weg nach oben nicht und fühlte sich auf einmal schwindelig und beklemmt hier unten. "HILFE!!", schrie sie so laut sie konnte. In einer Ecke fiepte etwas leise. Eine Ratte? Eiskalte Schauer liefen ihren Rücken herunter und sie wischte sich die nächsten Spinnenweben aus dem Weg: "HILFE!!", schrie sie noch einmal heiser, dann ging ihr Rufen in panisches Schluchzen über. Sie hatte niemandem gesagt, dass sie hier runter gegangen war. Mit zittrigen Fingern zog sie ihr Handy aus der Hosentasche und sah auf das Hintergrundbild auf dem sie Huckepack auf Pierre's Rücken hing wie ein Äffchen, ihre Arme um seinen Hals geschlungen hatte und lachte während er genervt aussah. Sie wusste auch wieso. An dem Tag waren sie auf der Hochzeit ihrer Schwester gewesen und er hatte sich schick machen müssen. Sie hatte den ganzen Tag damit verbracht zu versuchen ihm ein Lächeln abzuringen. In einem weiß-rosa-farbenen Sommerkleid klammerte sie sich auf dem Foto um seinen tätowierten Hals und kitzelte ihn mit ihren brünetten Haaren am Ohr. er trug ein schwarzes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln und eine Krawatte. Man war es süß gewesen ihn heimlich dabei zu beobachten wie er versuchte die um zu binden und zu wissen, dass er das alles nur ihr zu liebe tat und nicht für ihre Schwester oder irgendwen sonst. Sie wollte gerade die Taschenlampe ihres Smartphones anmachen als der Bildschirm schwarz wurde. Der Akku war leer. Sie weinte so heftig, dass ihre Nase zu laufen begann. "Pierre...", flüsterte sie. "PIERRE!" Verzweifelt stolperte sie durch die kleine Kammer und knickte um, woraufhin auch noch ihr Knöchel heftigst zu schmerzen begann. "HILFE!!" Wäre sie noch oben im Keller gewesen hätte man sie sicher auf dem Flur gehört, aber so wurden ihre Schreie auch noch von der unscheinbaren Luke im Boden gedämpft. Sie schrie sich die Seele aus dem Leib bis sie einfach zusammensackte und schluchzte, während es in irgendeiner Ecke wieder leise fiepte. Sophie und Jenny waren irgendwann Arm in Arm erschöpft eingeschlafen. Lukas dagegen wanderte den Flur rauf und runter und wartete auf die Rückkehr der beiden anderen. Als er schließlich endlich die Haustür hörte, rannte er sofort hin. Er hatte Ben noch nie so fertig gesehen. Außer Atem trottete dieser in die Küche und trank eine 1,5 Liter Flasche einfach so leer. Dann nahm er den unteren Teil seines Shirts um sich damit übers Gesicht zu wischen. Dabei entblösste er seinen durchtrainierten Oberkörper. Lukas stand im Türrahmen und betrachtete ihn. Immer wenn er mit ihm allein war beschleunigte sich sein Puls. Dagegen konnte er nichts machen. Ben war einer dieser Typen, die echt heiss waren, aber gar nicht wussten wie gut sie aussahen. Er war ziemlich sportlich und stark...aber einfach genau richtig....nicht zu wenig...nicht zu viel... Er war groß, hatte breite Schultern...die heftigsten Augen... und was ihn dann noch anziehender machte war seine manchmal etwas trockene aber immer hilfsbereite und beschützende Art....und wenn er mal lachte dann so von Herzen.. Lukas seufzte leise. Es war schwer so für einen so guten, langjährigen Freund zu empfinden. Er würde es ihm nie sagen können. Er vertraute Ben aber das konnte er ihm nicht sagen. Gott...er war so eifersüchtig auf Jenny. Manchmal träumte er davon einen Tag lang mal in ihrem Körper zu stecken. Er fantasierte davon, dass Ben ihn wenigstens nur einmal so ansehen würde wie er Jenny ansah ... oder wie er ein Steak ansah. Lukas musste schmunzeln. Ben war dreckig und verschwitzt.....und man ...er konnte das tragen. Lukas begann sich für seine Gedanken zu schämen, da sie sich in so einer scheiß Situation befanden und Becky anscheinend immernoch verschwunden war. Sonst wäre sie jetzt immerhin dabei gewesen. Ben wirkte verzweifelt und Lukas hätte ihn so gern in den Arm genommen. Er wusste dass Ben immer den aller höchsten Anspruch an sich selbst hatte und jetzt Becky nicht finden zu können und langsam die Kraft zu verlieren musste für seine Psyche ein harter Schlag sein. Vorallem weil Pierre eben sein bester Freund war und er ihm versprochen hatte, dass sie sie finden würden. Ben stützte sich mit beiden Händen. Großen...starken Händen....auf der Küchenzeile ab. Lukas malte sich aus wie es wäre wenn Ben ihn mal so packen würe und an sich ziehen und... "Lukas wie lange stehst du da schon?", Ben sah zu ihm rüber. "N-nicht lange. wie siehts aus? Habt ihr sie gefunden?", er verschränkte unsicher die Arme vor der Brust als Ben näher kam. Und dann passierte etwas womit Lukas nie ...nie im Leben gerechnet hätte. Ben umarmte ihn. "Alles ok?", flüsterte Lukas überrumpelt, roch Ben's maskulinen Duft und spürte dessen warmen Körper. "Ich kann nicht mehr...", brummelte Ben unzufrieden und bestätigte damit Lukas' Befürchtungen. "Du tust alles was du tun kannst und noch mehr...es ist nicht deine Schuld...", sagte Lukas leise und erwiederte die Umarmung vorsichtig. Am liebsten hätte er ihm über den Rücken gestreichelt und ihn geküsst. "Ich hab ihm versprochen, dass wir sie finden und ich kann nicht mehr und ich weiß nicht mehr wo ich noch suchen soll..." , gestand Ben und lies Lukas langsam los. Lukas hatte noch nie erlebt, dass Ben mal am Ende war mit seinem Latein. Und irgendwie berührte es ihn, dass er sich in diesem schwachen Moment ihm öffnete und nicht Jenny. Auch wenn das nichts zu bedeuten hatte. Er war einfach gerade da gewesen und Jenny schlief und das war der einzige Grund. "Wo ist Pierre?" Ben sah zum Fenster auch wenn man gerade ohnehin nichts draußen erkennen konnte: "Der sucht noch... ich glaub der sucht bis er umkippt...hab ihn noch nie so erlebt." "Er muss langsam mal reinkommen...", meinte Lukas bedrückt. "Ich weiß...glaub mir ich weiß...und die einzige Lösung ist, dass ich...ihn gleich mit Gewalt rein holen muss.." "Soll ich mit kommen Ben?" "Ich mach das lieber allein, er wird komplett austicken...er wird mich dafür hassen.", murrte Ben. Lukas sah ihn mit seinen grün-braunen Augen zärtlich an: "Er kann sich freuen, dass er dich als besten Freund hat.." "da bin ich mir gerade nicht so sicher...", zweifelte Ben, dann wuschelte er Lukas freundschaftlich durch die blonden Haare und ging an ihm vorbei. "Lass mich mit kommen...ich helfe dir. Du musst das nicht allein machen." "Lukas....ich kenn ihn noch wie er früher war. Diese Seite von ihm willst du gar nicht treffen.", mit diesen Worten machte er sich wieder auf den Weg nach Draußen. Dann sah er nochmal über seine Schulter: "Aber nett von dir." Dann war er verschwunden. Lukas blieb im Flur stehen. Ob er ihm einfach folgen sollte? "Sag mal Lukas....stehst du auf meinen Freund?!" Er hatte Jenny gar nicht kommen hören und bekam beinahe einen Herzinfarkt. "Spinnst du? Nein! Wie kommst du auf so einen Scheiß?!", wehrte er sich schnell. "Das will ich auch hoffen!", zischte sie noch und verschwand wieder aufs Zimmer. Lukas blieb perplex zurück. Sophie hatte doch nichts ausgeplaudert oder?! Zum Glück wusste sie zwar dass er schwul war , aber das mit Ben wusste niemand. Also konnte sie wenigstens das auf keinen Fall verraten haben. Trotzdem....wie kam Jenny da jetzt drauf? Hatte sie sie belauscht? Beobachtet? oder vielleicht nur einen Scherz gemacht? Nein, sie wirkte so ernst. Verflucht....hätte er das mit Sophie bloß einfach sein gelassen. Draußen ertönten laute Stimmen und Schritte. Schnell zog er sich erstmal wieder in die Küche zurück. Als Ben reinkam blutete seine Nase. Er hatte Pierre im Nacken gepackt und drückte ihn grob vor sich her. Der fluchte so derbe, dass Lukas gern seine Ohren zugeklappt hätte. Sophie sah schläfrig auf den Flur: "Gibts was neues?" "Geh wieder schlafen..:", grummelte Ben, dann blieb Pierre auf einmal stehen und unterbrach sein Geschimpfe. "Pierre geh weiter. Wir müssen-", begann Ben. "Ruhe!", befahl Pierre. "Seid mal alle leise..." Seine Laune wandelte sich um 180 Grad. Jetzt war er ruhig und konzentriert und dann hörten sie es auch. Es war wahnsinnig leise aber es klang wie: "Hilfe!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)