Cold wind blows von Dracos-Princess ================================================================================ Kapitel 15: Gute Miene zum bösen Spiel -------------------------------------- - Kapitel fünfzehn -       Unnachgiebig lief Hermine in ihrem Zimmer auf und ab – unzählige Kreise hatte sie bereits gezogen, während sie seit dreißig Minuten auf Akina wartete. Immer wieder kreisten ihre Gedanken um die kleine Elfe und allmählich begann Hermine, sich Sorgen zu machen. Ob es vielleicht doch keine gute Idee gewesen war, ein Geschöpf inmitten nach London zu schicken, das weder die Sitten noch die Angewohnheiten der Muggel kannte? Hinzu kam auch, dass die Möglichkeit bestand, dass Akina erwischt wurde und was dann? Wie sollte sie das vor Malfoy rechtfertigen? Im Nachhinein dachte Hermine auch daran, dass Akina doch gar nicht genau wusste, wonach sie überhaupt suchen sollte – trotz Hermines Erklärungen.   Und die Zeit zog sich wie Kaugummi. Sie verging einfach nicht. Es war zum Verrückt werden. Vermutlich irrte die Elfe ziellos durch das Stadion, auf der Suche nach Tickets, die Hermine in ihrem Wahn des Egoismus unbedingt haben wollte, weil sie hoffte, sich davonstehlen zu können. Zusätzlich hatte es die Muggelstämmige Hexe riskiert, dass Muggel von der Existenz von Elfen erfahren könnten, wodurch Hermine für ein unendliches Chaos verantwortlich wäre. Das Ministerium müsste eine Spezialeinheit von Auroren losschicken, um die Gedächtnisse der Muggel zu löschen... Bei Merlin, mittlerweile empfand sie diese ganze Aktion als unüberlegt und zu vorschnell.   „Ganz ruhig bleiben, Hermine“, bestärkte sie sich selbst. „Akina geht es gut und sie wird alsbald wieder hier sein. Ganz bestimmt.“ Diesen Satz wiederholte sie drei Mal, denn je öfter sie es sagte, umso mehr glaubte Hermine auch daran, dass alles gut werden und Akina wohlbehalten nach Hause kommen würde. Aber trotz ihres Zuspruchs dachte sie darüber nach, ob sie sich nicht sogar vielleicht verlaufen haben könnte? Aber nein, das... das war sicher nicht der Fall. Dennoch war sie so panisch, dass sie anfing, nervös auf ihren Fingernägeln zu kauen. Im Anschluss schlug sie sogar die Hände über ihrem Kopf zusammen, nahm auf einem Stuhl Platz und starrte zur Decke hinauf – sich immer wieder in Gedanken rufend, dass Akina gleich zurückkäme.   Und genau so war es auch. Nach weiteren fünfzehn Minuten erschien die Elfe vor ihr.   Endlich.   Augenblicklich sprang Hermine aus dem Stuhl. „Akina, dem Himmel sei Dank, du bist zurück.“   „Aber natürlich, Miss. Akina hat den Auftrag der Miss gewissenhaft ausgeführt.“ Lächelnd wedelte sie mit ihrer linken Hand, in der zwei silberne Karten funkelten, die sie sogleich Hermine reichte.   „Hab vielen Dank, Akina.“ Behutsam strich Hermine ihr über den Kopf, worauf sie einen zarten Flaum ihrer dünnen Elfenhärchen spüren konnte, ehe sie sich die Karten besah. Auf beiden schimmerten in goldenen Lettern die Worte 'FC Arsenal London gegen Manchester United.' Das Spiel würde am 06.Juni im Emirates Stadium in London stattfinden – einen Tag nach Malfoys Geburtstag. Somit wäre es auch das letzte Spiel der gesamten Saison, wo es sich auch zugleich entscheiden würde, wer englischer Meister wurde. Vielleicht – und Hermine ließ seit langem wieder das Gefühl von Hoffnung zu – würden die Gunners zuhause gewinnen und somit die Meisterschaft der Premier League mit einem Punkt Vorsprung auf Manchester United gewinnen. Ach, was würde sich Hermine für ihren Vater freuen, wenn seine Mannschaft gewann...   Aber zuerst müsste sie sich eine kluge Taktik überlegen, wie sie Malfoy den Besuch in London schmackhaft machen konnte. Sie würde erst einmal nachsehen, wie seine Laune war. Anschließend zog sie sich eine weiße Hose, samt passender Bluse an, bevor sie das Zimmer verließ und die Treppen zur unteren Etage nahm. In einem der vielen Zimmer würde sie bestimmt ein Kuvert finden, in das sie die Karten hübsch verpacken konnte. In wenigen Tagen hätte der Mistkerl nämlich Geburtstag und sie wollte ihm die Karten unbedingt freudestrahlend überreichen. Gute Miene zum bösen Spiel eben und Hermine schwor sich, ihn während des Spiels leiden zu lassen, wenn er umgeben von Muggeln war. In dieser Ausnahmesituation würde er sich benehmen müssen. Malfoy würde sich hüten, einen Zauberstab und somit die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ha, und genau diesen Moment würde Hermine nutzen, um aus dem Stadion zu marschieren. Sie würde ihn stehen lassen und gehen. Denn wie sollte er bitte die Gedächtnisse tausender Muggeln verändern, wenn er zuvor einen Aufstand machen würde? Das ging gar nicht.   Mit deutlich besserer Laune schritt Hermine die Treppen zur riesigen Eingangshalle hinab, und noch immer bewunderte sie insgeheim die Schönheit im Innern des Hauses, das ihr bereits Schaden zugefügt hatte. Aber trotz all dem... hier strotzte alles vor Wohlstand. Schon der Eingangsbereich zeigte jedem, der die Halle zum ersten Mal betrat, dass Luxus an erster Stelle stand und dem Besitzer des Anwesens nichts zu teuer war. Vorsichtig strich ihr Zeigefinger über eine wunderschöne Kommode, auf der eine kleine goldene Standuhr thronte. Ferner dachte Hermine daran zurück, wie oft sie in den letzten Tagen schon hier gewesen war, kurz inne hielt und die Halle betrachtete. Jedes Mal wurde ihr dann wieder vor Augen geführt, wie reich Malfoy eigentlich war – ein Zustand, den Hermine verabscheute. Geld formte schlussendlich immer einen hässlichen Charakter, was man an Malfoy hervorragend sehen konnte. Natürlich, sie wusste keine genauen Zahlen, hinsichtlich seines Vermögens und sie würde es auch nie wissen, aber ihr war sonnenklar, dass Malfoy wohl der reichste Mensch Englands sein musste. Doch etwas anderes zog Hermines Aufmerksamkeit auf sich – leise Stimmen in einem der Salons, woraus sie schließen konnte, dass der Idiot nicht alleine war.   Vorsichtig schlich sie zu den zwei Flügeltoren, die nur angelehnt waren, statt verschlossen. Die Stimmen dahinter wurden deutlicher und lauter. Folglich müsste sie nur noch etwas näher herangehen und sie könnte dem Gespräch -   „Granger!“, ertönte es plötzlich im Innern, woraufhin sich ihr Körper unverzüglich versteifte. „Nett, dass du uns belauschen willst.“   Das... Das konnte nicht sein? Er konnte sie doch unmöglich gehört haben, oder? Sich darüber jedoch Gedanken zu machen, dazu fehlte Hermine schlichtweg die Zeit, da eines der angelehnten Tore aufflog. „Ich... Ich wollte niemanden belauschen.“ Was sollte sie auch sonst sagen? Die Wahrheit? Malfoy noch mehr Gründe liefern, sie zu nerven?   „Das wolltest du nicht?“ Feixend stand Draco auf, um sich ihr anstandslos zu nähern. Ja, in gewisser Weise hatte Blaise recht. Er genoss die Angst in ihren Augen. Er genoss die Furcht, die sich in ihrer Haltung widerspiegelte und nachdem er ihren ängstlichen, ausweichenden Blick bemerkte, musste er unwillkürlich schmunzeln. Es ermutigte den damaligen Slytherin, den Abstand zu ihr zu schließen, bevor er flüsternd weitersprach: „Mittlerweile müsstest du doch wissen, dass du in meinem Haus nichts tun kannst, ohne dass ich Kenntnis darüber erhalte, oder? Das weißt du doch, Granger. Du bist doch ein schlaues Mädchen, nicht?“ Belustigt sah er auf sie hinab, die Hände inzwischen in seinen Hosentaschen verschwunden... Nicht dass er vor Blaise noch auf dumme Gedanken kam und sie... berühren wollte.   „Oh, hallo. Was ist los, Mister? Du schnauzt sie ja gar nicht an – man mag es kaum glauben“, amüsierte sich seine Stimme. „Für diese außerordentliche Leistung“, provozierte sein Innerstes weiter, „sollte man dir ein Denkmal errichten – ein großes Denkmal.“ Indessen blies sich Draco – die Stimme ignorierend – eine Haarsträhne aus dem Gesicht.   „Ich... weiß, Malfoy, und es lag mir fern, dich zu belauschen. Ich... Ich wollte ein wenig... spazieren und -“   „- und bist zufällig hier vorbei gekommen, richtig?“   Entgeistert stand Hermine in der nun offenen Tür. Ihr entging es nicht, dass Malfoy nicht gut gelaunt war und ihr Verhalten missbilligte. Er machte auch keinen Hehl darauf, er verbarg seine Stimmung nicht und zeigte ihr sehr deutlich, dass das Konsequenzen nach sich ziehen würde. „Es war wirklich Zufall, Malfoy. Das... Das versichere ich dir, aber... ich“, fing sie zu stottern an, nachdem sie eine weitere Gestalt wahrnahm, die sie zuvor nicht entdeckt hatte. Umsichtig lugte sie an Malfoy vorbei und erkannte Blaise Zabini, der ihr lächelnd winkte. Aber statt ihre Starre loszuwerden, versteifte sie sich noch mehr.   „Sprich weiter, Granger“, murmelte Draco ungeduldig. Er war fast geneigt, über ihre zitternden Hände zu streicheln, aber das würde sie vermutlich nicht beruhigen.   „I- Ich... werde einfach wieder gehen, ja?“ Eingeschüchtert zeigte sie mehrmals Richtung Treppe.   „Unsinn. Blaise erkundigt sich so offenherzig nach dir.“ Grinsend trat er zur Seite, so dass sie seinen Freund besser erkennen konnte. „Da solltest du doch soviel Anstand haben und ihm deutlich machen, dass du körperlich unversehrt bist.“ Mit einem Arm deutete er ihr an, dass sie vorgehen sollte. Parallel dazu umgriff er mit der anderen Hand ihre Taille, um sie zum Tisch zu begleiten.   Einen besseren Zeitpunkt hätte Draco nicht erwischen können, um Blaise vorzuführen.   „Du willst Blaise vorführen? Nun, mein Lieber, er ignoriert ja auch deine Signale, wenn du ihm versuchst klarzumachen, dass deine Grenzen erreicht sind. Sei dir also nicht so sicher, dass du ihn vorführst – am Ende bist du noch derjenige, der vorgeführt wird“, zischte sein innerer Begleiter hämisch, der sowohl Dracos Gegenwehr, als auch die Signale ignorierte, wenn er die Stimme nicht hören wollte – was, seit Granger hier lebte, immer der Fall war. Der Unterschied zu Blaise war, dass er wenigstens ihn ignorieren konnte, seine innere Stimme allerdings tatenlos ertragen musste.   „Körperlich unversehrt?“, wiederholte Hermine gekränkt. Immerzu behielt sie Malfoy im Auge, dass dieser die Karten nicht entdeckte, während er sie zu Blaise heranführte.   „Sicher. Seelisch wissen wir ja beide, dass das alles nicht ganz ohne Schaden blieb, was?“ Er konnte sich den Seitenhieb nicht verkneifen, aber es geschah ihr ganz recht. Schließlich gehorchte sie ihm nie, nahm seine Warnungen nicht ernst genug und lief somit immerzu Gefahr, in irgendwelche Schwierigkeiten zu geraden, die man eigentlich umgehen könnte. „Andernfalls würdest du meine Worte ernst nehmen, aber“, lachte Draco süffisant auf, „was erzähle ich dir? Du ignorierst es ja so oder so.“   Dieser... Arsch, schrie Hermine innerlich. Wie konnte er nur so taktlos sein? Hastig steckte sie indes die Karten in ihre hintere Hosentasche, bevor sie sich neben Blaise setzte, der sie eindringlich, aber dennoch freundlich ansah. Vielleicht fand sie in ihm einen Verbündeten, wenngleich sie sich für diese Gedanken ohrfeigte. Trotzdem versuchte sie ihm mit Blicken mitzuteilen, dass es ihr alles andere als gut ging, doch sobald sie ihrem Ausdruck mehr Traurigkeit verleihen wollte, hatte Blaise auch schon den Kopf zur Seite geneigt – geradewegs in Malfoys Richtung, der ebenfalls Platz genommen hatte.   „Draco, was soll das werden?“ Sicher, er kannte Draco nicht anders. Lucius' Abkömmling verschloss sich, nachdem er sich einen Spalt weit geöffnet und diesen Fehler bemerkt hatte.   „Was? Du wolltest doch wissen, wie es ihr geht?“, erklärte Draco gut gelaunt. „Nun hast du sogar die Gelegenheit, sie selbst zu fragen. Das ist doch wunderbar, oder?“   „Das... Das stimmt“, räusperte sich Blaise, der das Spiel mitspielen würde, Dracos Intention allerdings nicht nachvollziehen konnte. Womöglich wollte er sich nicht die Blöße vor Granger geben, wenn er inmitten des Gesprächs mit Blaise zugab, dass er Granger vielleicht doch mochte. Aber okay, Blaise bekäme wieder die Gelegenheit, ihm den Zauberstab auf die Brust zu drücken und es wäre ihm das nächste Mal völlig egal, ob Granger alles mit anhören könnte. Sie säßen erst gar nicht hier, wenn Draco offen und ehrlich mit ihm die Probleme besprechen und bewältigen würde. Unlängst hätten sie einen Weg gefunden, wie Draco mit diesem Dilemma zurechtkäme, aber nein. Der werte Herr Malfoy wählte den diffizilen Weg, indem er ein Spiel mit gezinkten Karten spielte. „Nun, dann. Wie geht es dir, Granger?“, wollte der dunkelhäutige junge Mann wissen, wohl wissend, dass Draco ihn genau beobachtete.   „Ich lebe?“, erwiderte sie kühl. Aufgrund dessen, dass sie den Blickkontakt zu Blaise nicht noch einmal herstellen wollte, angesichts der Nervosität, schaute sie stattdessen laut atmend in ihren Schoss – zu ihren Händen, die den jeweils anderen Handrücken kneteten.   „Ähm, ja. In der Tat, daran besteht keinen Zweifel.“ Ihm behagte die Situation nicht, aber Blaise versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. „Wieso sollte es das auch? Oder gibt es Gründe?“ Er sah im Augenwinkel augenblicklich, wie sich Dracos Augenbrauen nach oben zogen und auch Blaise konnte nicht glauben, dass er das sagte. Er bezweifelte, dass Draco ihr jemals erheblichen Schaden zufügen würde, aber sein Anstand gebot ihm nachzufragen.   „Ob es Gründe gibt?“ Hermine sah ihren Sitznachbarn direkt an – schockiert. Sie konnte sich kaum noch an Zabini erinnern, aber sie hatten nie viel miteinander zu tun. Der junge Mann neben ihr war groß, er hatte schwarze, kurz geschorene Haare und dunkle Augen. Sie waren so kräftig, dass man die Pupillen schwer deuten konnte. Auch hatte er nie ein böses Wort in ihrer Gegenwart verloren, was ihn sympathisch machte. Ebenso sah sie in seinem Blick, dass sie ihm gegenüber ehrlich sein konnte. Aber konnte sie das wirklich? Immerhin wäre sie schutzlos, sobald er das Haus verlassen hätte. Hermine wäre wieder mit Malfoy alleine – wie zuvor auch schon. Demzufolge könnte sie ihm endlich einen verbalen Schlag verpassen, da ihr Gehör geschenkt wurde.   „Ich weiß es ja nicht“, erwiderte Blaise ruhig.   „Wie soll es mir schon gehen?“   „Das will ich ja von dir wissen, Granger.“   „Mir geht es beschissen, Zabini“, knurrte Hermine säuerlich. „Wie würdest du dich fühlen, wenn man deinen Vater einsperrt und anschließend wie Abfall aus dem Haus wirft, nachdem du zugestimmt hast, die Strafe abzusitzen, die dein Vater begangen hat?“ Ihre Hände traktierte sie immer mehr, weil sie sich so in Rage sprach. „Die Gelegenheit, dich zu verabschieden, bleibt dir per se auch verwehrt.“ Hermine wollte sicherlich kein Mitleid, aber sie konnte sich endlich den Frust von der Seele reden, der sich seit Tagen in ihr angestaut hatte. Zudem zeigte Blaise wirkliches Interesse an ihrem Wohlbefinden, was das Sprechen erleichterte.   „Mir würde es wohl ähnlich gehen – unter diesen Umständen.“ Blaise kannte diese Situation ebenfalls. Auch sein Vater war ein Gefangener gewesen – jedoch in Askaban. Er verbüßte eine Strafe wegen Veruntreuung, sowie als verurteilter Todesser, der in einer Zelle auf den Kuss eines Dementoren gewartet hatte. Auch ihm wurde keine Möglichkeit eingeräumt, sich von seinem Vater zu verabschieden. Um aber nicht zu viel von sich preiszugeben, nickte er lediglich mit dem Kopf, um ihr zu signalisieren, dass er es immerhin verstand, was sie fühlte.   „Tja, manchen ist das allerdings egal.“ Mit zusammengekniffenen Augen blickte sie zu Malfoy hinüber. Der schien sich aber gar keine Gedanken zu machen. Nein, er saß nur in seinem sündhaft teuren Stuhl und schien sich das Lachen zu verkneifen und selbst dabei gab er sich nicht einmal Mühe. Es schien ihm gar nichts auszumachen, dass sie einem seiner Freunde erzählte, wie es ihr in Wirklichkeit ging. Diesem arroganten Bastard schien das alles an seinem majestätischen Hintern vorbeizugehen. Selbiges betraf ihr Wohlergehen. Kein einziges Mal hatte er sich nach ihr erkundigt. Nicht einmal in den vielen Tagen.   „Und wieso war dein Vater hier?“, fragte er und rieb sich stirnrunzelnd über seine kurzen Haare. Von Granger würde er eine Antwort bekommen. Eine Antwort, die Draco ihm bisher nicht geben wollte.   „Mein Vater war spazieren und muss sich verlaufen haben. Sicher bin ich mir nicht, weil ich mit meinem Vater ja nicht reden konnte.“ Wieder warf sie einen bösen Blick in Malfoys Richtung. „Er ist schlussendlich in diesem Horrorhaus gelandet und wurde eingesperrt – von dir, Malfoy!“ Sie sprach nicht mehr mit Blaise, sondern richtete ihre Worte an ihn. „Du hast aus einer Bagatelle ein Schwerverbrechen gemacht, und das, weil mein Vater sich offensichtlich verlaufen hat. Kannst du dir vorstellen, wie schmerzhaft es war, meinen Vater in dieser Zelle kauern zu sehen?“ Vergessen waren die Gedanken, dass sie Mitgefühl für Malfoy hegte, als sie daran dachte, dass er seinen Vater mit Sicherheit in Askaban besucht hatte. Viel zu wütend war Hermine. „Vermutlich kannst du dir das nicht vorstellen.“ Er zeigte keinerlei Regung. Immer noch saß er gelassen auf seinem Stuhl, die Beine übereinander geschlagen, während seine Hände hinter seinem Kopf verschwanden.   „Ach, du gibst also zu, dass es nicht in Ordnung ist, das Grundstück fremder Leute zu betreten – ohne deren Erlaubnis? Wie fortschrittlich.“ Passend wäre es noch gewesen, wenn er geklatscht hätte, aber es war bereits eine Genugtuung, dass er lediglich auf etwas eingegangen war, das sie unter keinen Umständen hören wollte. Statt einzusehen, dass er zu brutal vorgegangen war, hatte er es einfach ignoriert und sie weiter provoziert. Dass er zudem seine Hände hinter seinem Kopf zusammenschlug, lag daran, dass er es in seinem Innern brodeln spürte – es glich einem Vulkan. Und dadurch, dass er seine Hände beschäftigte, kompensierte er die aggressive Stimmung in sich. Grund dazu hatte er nämlich, angesichts Blaises Verhalten, der mehr Interesse an Granger zeigte, statt an ihm. In seinen Därmen schlängelte ein verfluchter Wurm, der stets größer wurde, je mehr Sätze Granger mit Blaise wechselte.   „Das sind Emotionen. Diese zum Beispiel nennt man Eifersucht“, lachte seine innere Stimme dreckig. Merlin, und es fuchste Draco, dass diese nervige Anhängsel immer seinen Senf zu allem geben musste. Er stellte sich die Stimme wie einen kleinen Jungen vor, der sich lachend den Bauch hielt, weil einem anderen Jungen sein Eis aus der Hand gefallen war. Genau so verhielt sich die Stimme ihm gegenüber – immer.   „Du bist ja ein Witzbold, Malfoy. Wie hätte mein Vater um Erlaubnis bitten -“   „Indem er an das verdammte Tor klopft.“ Frustriert schlug seine Faust auf die Tischplatte. Auch er wurde wütend.   Daraufhin verschränkte Hermine die Arme vor ihrer Brust. Malfoy war ein anstrengender Mensch, der immer die Oberhand behalten wollte. Malfoy wollte stets derjenige sein, der recht hatte. Niemand schien seine Ansichten anzweifeln zu dürfen, was Hermine ebenfalls an einen kleinen Jungen erinnerte. Nur statt des lachenden, schadenfrohen Jungen, sah Hermine in Malfoy ein weinendes Kind, dem man zuvor die Bauklötze weggenommen hatte. Ihm das aber zu sagen, dazu fehlte ihr gerade der Mut, hinsichtlich seiner aufkeimenden Wut, obzwar ihr der Gedanke gefiel – Malfoy weinend in einer Ecke sitzen zu sehen.   „Da fällt dir nichts mehr ein, was?“   „Ich für meinen Teil, finde es jedenfalls schön, dich gesund zu sehen, Granger“, klinkte sich Blaise in den Streit ein – auch, um ihn zu schlichten und die Gemüter zu beruhigen, die inzwischen Blaises Anwesenheit scheinbar vergessen hatten. Und er meinte seine Worte ernst. Den Krieg mussten genügend Menschen mit ihrem Leben bezahlen, weshalb er umso dankbarer war, dass er zu den Lebenden zählte und Granger ihren Teil dazu beigetragen hatte, diesen Horror zu beenden, indem sie gemeinsam mit Weasley und Potter die Welt befreite. Zeitgleich spürte er aber auch die Spannung zwischen sich und Draco, der ihm wüste Blicke zuwarf. Offenbar deshalb, weil er sich mehr mit Hermine Granger befasste und ihren Erzählungen mehr Gehör schenkte, anstatt weiterhin Dracos Halbwahrheiten zu ertragen.   „Was?“, antwortete Draco irritiert, weil er mit Blaises Aussage nicht gerechnet hatte.   Doch statt auf seine Verwirrung einzugehen, sah Blaise über seine Schulter zur Uhr und erhob sich, nachdem er sah, wie spät er bereits dran war. Er wollte seinen Damenbesuch nicht warten lassen, nickte Draco zu und fuhr fort: „Also, ich muss mich leider entschuldigen – ich bin spät dran.“   „Was?“, kam es abermals aus Dracos Mund.   „Du weißt schon... Ich muss jetzt leider los.“ Im Anschluss sah er lächelnd zu Granger. „Machs gut, Hermine, und zu dir, Draco: denk dran, was ich dir gesagt habe.“   Draco verstand gar nichts mehr. War ihm die Situation zu unangenehm geworden? Aber weiter darauf eingehen würde er auch nicht. Stattdessen schüttelte er die Hand seines besten Freundes fester, um ihm zu zeigen, dass hierüber das letzte Wort noch nicht gesprochen war. Zumal er nicht wusste, worüber er nachdenken sollte. Darüber, dass er Granger angeblich um sich haben wollte? Ha, da konnte der feine Herr Saubermann – der, im Gegensatz zu Draco, bestimmt Sex haben würde – aber lange warten.   Unterdessen warf sich Blaise seinen Umhang über, doch bevor er in den Kamin stieg, sah er noch einmal zu Hermine. „Vielleicht sieht man sich ja wieder.“ Anschließend drehte er sich um und klopfte Draco noch einmal aufmunternd auf die Schulter, ehe er beherzt in die Schale mit Flohpulver griff und in den grünen, auflodernden Flammen verschwand.   „Oh, vielleicht sieht man sich ja wieder“, äffte die Stimme den dunkelhäutigen Jungen nach, der bereits weg war. „Zum Glück kannst und wirst du das verhindern, oder Draco?“ Und wie gerne hätte sich Draco just in dem Moment mit beiden Fäusten gegen den Schädel geschlagen, um abschließend laut zu schreien. Aber wenigstens war seine Stimme ebenso wenig begeistert wie er und schien einschlägig auf seiner Seite zu stehen.   Und Hermine? Sie blickte trotzig aus dem Fenster, während sie darüber nachdachte, wie Malfoy innerlich so hässlich, aber äußerlich so schön sein konnte. Selbst seine unsägliche Arroganz sah beneidenswert an ihm aus und Zabini hatte indessen alles wieder aufgewühlt, als er sie nach ihrem Vater befragte. Folglich hingen ihre Schultern schlaff nach unten, nachdem sie wieder an ihre Familie zurückdachte. Wie es wohl ihrem Vater ging? Ging es ihm gut? Hatte er Tante Milas Haus gefunden? Sie bemerkte währenddessen nicht einmal, wie sich Malfoy ihr wieder gegenübersetzte – zu traurig war sie.   Auch ihm entging ihr Blick nicht. Sie schaute wehmütig zum Fenster hinaus und erst jetzt war ihm aufgefallen, dass sie ihre Haare zu einem Zopf gebunden hatte, was ihr eindeutig besser stand als die buschige Löwenmähne, die wild in alle Himmelsrichtungen stand. Wie ein Brett saß sie auf dem Stuhl – in sich gekehrt, von Trauer übermannt. Vorsichtig überschlug er seine Beine wieder, bevor er seine Hände auf den Tisch legte und sie ansah. Es erschreckte ihn, als er ihren glasig leeren Blick wahrnahm. In Hogwarts hatten ihre Augen immer vor Freude geglänzt. Immer, wenn sie ihm entgegenkam – vermutlich um in der Bibliothek zu verschwinden –, strahlte sie pure Lebensfreude aus. Anders als andere Frauen, deren Augen funkelten, wenn man den Sack Galleonen öffnete und diesen bereitwillig zur Verfügung stellte.   „Granger?“, sprach er leise – den Zeigefinger gegen seine Unterlippe tippend. Aber es kam keine Reaktion. Nichts. Daraufhin hob er seine linke Hand, mit der er vor ihrem Gesicht hin und her wedelte und wartete, bis sie mehrmals blinzelte und ihren Blick schlussendlich auf ihn richtete. „Hey, ist alles in Ordnung?“   „Malfoy?“   „Ja?“   „Als... du meinen Vater zur Tür gebracht hast“, begann sie stockend, weil sie nicht sicher war, ob sie ihn das fragen sollte. Nicht weil sie Angst vor ihm hatte, sondern weil sie sich vor der Wahrheit fürchtete. „Ja, als du ihn nach draußen gebracht hast“, fuhr sie fort und schluckte den Kloß in ihrem Hals runter, da er sie abwartend ansah, „hast du ihm bloß die Erinnerung an die Gefangenschaft gelöscht oder... oder sein Gedächtnis komplett verändert?“ Ihre bernsteinfarbenen Augen trafen auf silberne Augen.   „Ist das noch wichtig?“   „Ja“, erwiderte Hermine befangen. „Für mich wäre es sehr wichtig.“   Sie wollte es wirklich wissen, was nun Draco schlucken ließ. Sollte er sie belügen oder bei der Wahrheit bleiben? Sein Gewissen drängte ihn zur Wahrheit, aber egal was er täte, sowohl die Lüge, als auch die Wahrheit würden sie verletzen. Würde er lügen, würde sie mit dem Gedanken leben müssen, dass ihr Vater mit seiner Trauer alleine wäre. Würde er die Wahrheit sagen, würde sie womöglich zusammenbrechen. Seine Logik zog es ebenfalls in Erwägung ehrlich zu sein. Nur der kleine Teufel auf seiner Schulter beharrte darauf, dass es sie nichts mehr anging. Aber war dem so? Ging sie das Schicksal ihres Vaters sie wirklich nichts mehr an?   „Malfoy?“ Hermines Hände klammerten sich in dem Stoff ihrer Hose fest. Zeitgleich biss sie sich auf die Unterlippe.   „Ich habe sein Gedächtnis komplett verändert.“ Die Wahrheit tat immer weh, das musste Draco selbst schon am eigenen Leib erfahren.   „Mein Vater hat -“   „Richtig. Er hat weder eine Erinnerung an dich, noch an deine Mutter.“ Er fühlte sich furchtbar, weil er ihre Zerrissenheit und ihre Trauer mit voller Härte spüren konnte.   „Wie... Wie kannst du das so kalt und herzlos sagen?“, schluchzte Hermine. Unweigerlich flogen ihre Hände vor ihr Gesicht, bevor sie zu weinen anfing.   Draco hingegen wechselte die Position seiner Beine, indem er nun das linke über das reichte Bein legte. Eine Ablenkung die er benötigte, da er Grangers Tränen sah und er einen Grund brauchte, um wegzusehen. „Weil du mich gefragt hast. Die Wahrheit schmerzt, aber ich habe deinem Vater einen Gefallen getan.“   Blitzschnell nahm sie ihre Hände weg von ihrem Gesicht und Draco konnte sehen, dass ihre Augen bereits gerötet waren. Ihre Wangen waren nass und ihre Augen glänzten wie in Hogwarts, aber nicht vor Freude, sondern weil sie weinte – das war ein kleiner, aber feiner Unterschied.   „Einen Gefallen? So nennst du das also, ja?“ Schniefend reckte sie ihr Kinn in die Höhe, doch sah sie davon ab, ihre Tränen wegzuwischen. Wozu auch?   „Ja, so nenne ich das, und weißt du wieso?“   „Wieso?“, wollte sie grimmig wissen und rieb sich nun doch über ihre verweinten Augen.   „Weil dein Vater somit keiner Trauer mehr ausgesetzt ist. Er erinnert sich nicht an deine Mutter und kann ein neues, ein glückliches Leben anfangen.“ Irgendwo war Draco sogar neidisch auf ihren Vater. Er konnte von vorne anfangen – ohne all den Zwang, die Trauer und die Erinnerung.   „Aber... Mein Vater hatte ein glückliches Leben – mit meiner Mum und... und mit mir.“ Das hoffte Hermine jedenfalls. Oder? Väter waren doch glücklich? „Wieso bist du so, Malfoy? So... So kalt?“   Wieso er so war? Wollte sie das wissen? War nicht sie diejenige, die die Meinung vertrat, dass Eltern einen formten, veränderten und beeinflussten konnten? Glaubte sie nicht immer an das Gute im Menschen, obwohl sie genau wusste, wie tiefschwarz sein Innerstes war? Obwohl sie wusste, dass es zwei Zauberer gegeben hatte, die weder Güte noch Gnade kannten – nämlich Grindelwald und Voldemort? Draco wusste selbst nicht einmal genau, wieso er so geworden war. „Ich glaube, ich bin so kalt, weil du mich anders wohl nicht so mögen würdest, oder?“   Überrascht streckte sie ihren Kopf in die Höhe, die Hände noch immer über ihre Augen reibend. „Hast du... Hast du gerade einen Scherz gemacht?“, fragte sie schmunzelnd, wenngleich ihr nicht nach Schmunzeln zumute war, aber... sie konnte nicht anders. Sie schien selbst Malfoy mit ihrem Lächeln anzustecken, da er ebenfalls zaghaft grinste. Abschließend wischte sie noch einmal beherzt über ihre Augen, doch hatte ihr Lachen nicht nachgelassen. Vielleicht meinte Malfoy es wirklich nur gut... Zwar tat ihr der Gedanke unheimlich weh, dass ihr Vater – würde sie vor ihm stehen – sie nicht erkennen würde, aber... er hatte ihrem Vater tatsächlich geholfen. Er würde nicht in Trauer leben und nicht an Hermines Verlust gänzlich zerbrechen und das war doch etwas, das sie auch wollte? Sie durfte nicht so egoistisch sein und an sich denken, indem sie ihren Vater an sich band, ohne wirklich bei ihm zu sein. Am Ende würde er wirklich noch daran zerbrechen.   Ohne auf ihre Frage zu antworten, lächelte er ihr bloß entgegen und befand, dass ihr Lächeln wirklich schön und faszinierend zugleich war. Diese Facette – bezüglich ihrer Güte und ihrer Auffassung – war etwas, das er zuvor nie an ihr bemerkt hatte, während sie gemeinsam nach Hogwarts gingen. Er sah immer nur den Bücherwurm und Streber in ihr, was daran lag, dass er sie vermutlich nie lächeln gesehen hatte, aber dieses Lächeln... dieses eine Lächeln jetzt, das galt ihm – ihm alleine, weil er einen Scherz machte, den sie sogar lustig fand.   „Weißt du, was ich glaube?“ Kurz darauf wirkte sie fast wieder ernst, nachdem sie sich auch die feuchten Wangen mithilfe ihrer Handrücken trocken gerieben hatte.   „Nein, aber du wirst es mir sicher sagen?“   „Ich glaube, du bist einsam, Malfoy.“   „Was?“, lachte er, sichtlich amüsiert, angesichts ihrer Äußerung. Was redete sie da bloß? Er war gewiss nicht einsam. Draco war lediglich genervt von ihr und ihrer hiesigen Anwesenheit, doch es störte ihn nicht mehr so sehr wie zu Anfang. Was ihm vielleicht fehlte, war Sex.   „Und weiß du, was ich glaube?“ Nein, Draco wollte gar nicht wissen, was seine innere Stimme glaubte. Allerdings ignorierte diese sein Flehen und fuhr nahtlos fort: „Ich glaube, Blaise hat mit seiner Vermutung recht und du hast Hermine Granger wirklich gerne in deiner Nähe. Er hat es einfach nur früher erkannt als du, aber du wirst das bestimmt auch noch erkennen.“   Bei Merlin, nein. Blaise hatte nicht recht – mit gar nichts. Allerdings hob er anlässlich ihrer Aussage eine Augenbraue nach oben, legte seinen linken Ellenbogen auf die Tischplatte und war gespannt, was sie ihm auf seine nächste Frage antworten würde. „Was lässt dich denken, ich sei einsam?“   „Na ja“, begann sie munkelnd und ihr Zeigefinger zog wahllos Kreise auf dem edlen Holz des Tisches. „Du bist ja immer hier, richtig? Du gehst nicht aus und... und du hast auch keinen Besuch.“ Keinen weiblichen Besuch, fügte sie in Gedanken hinzu. Hermine dachte wirklich, dass er einsam war. Andernfalls wäre er nicht so verbissen und introvertiert. Sie konnte es ihm jedoch nachfühlen, da sie ebenso einsam war, in diesem großen Haus.   „Du machst dir Sorgen, dass ich einsam sein könnte?“ Nun, das überraschte ihn. Er war so abartig zu ihr und trotzdem war sie besorgt – um ihn?   „Also... nicht direkt. Aber du brauchst doch auch Menschen um dich, selbst wenn es nur darum geht, sie zu schikanieren“, erwiderte sie und ihre Mundwinkel zuckten kurz, als sie diesen Satz aussprach.   Was sollte er davon halten? Wollte sie ihm vor Augen führen, dass sie ebenfalls einsam war, aufgrund der Isolierung? Wollte sie ihm ein schlechtes Gewissen einreden, damit er klein bei gab? „Nun, dafür habe ich ja immer noch dich, nicht?“   „War das etwa wieder ein Scherz?“   „Glaub mir, Granger“, überging er ihre Frage, weil es sich hierbei um keinen Scherz handelte. „Ich bin nicht einsam. Du bekommst es bloß nicht mit, wenn ich außer Haus bin – was mir ganz gelegen kommt.“ Draco streckte sowohl seinen Körper, als auch seine Beine aus, ehedem er es sich in seinem Stuhl gemütlich machte. Ihre forensische Analyse war ja herzallerliebst. Auch ihre geweiteten Augen entzückten ihn. Es zerriss sie vermutlich, zu wissen, dass er ohne Probleme das Haus verlassen konnte, während sie zuhause saß, weil das Haus sie verschlingen würde, sobald sie das Grundstück verließ.   „Wie soll das denn funktionieren, Malfoy, und wo bist du dann, wenn du das Haus verlässt?“   „Sag mal, verfolgst du mich etwa?“   Sie lachte wieder. „Nein, bestimmt nicht“, gestand sie mit erhobenen Händen und schüttelte parallel ihren Kopf.   „Ich werde dir nicht sagen, wohin ich gehe.“ Das wäre auch viel zu intim. Sie musste nicht wissen, dass er ab und zu seine Mutter besucht hatte, bevor sie hier gewesen und wutentbrannt wieder gegangen war. Seit diesem Vorfall hatte er sie nicht mehr gesehen und er würde sich hüten, sie aufzusuchen.   „Wieso nicht?“ Zugleich versuchte sie einen Schmollmund fertig zu bringen, doch alles was sie zustande brachte, war Gelächter, statt Traurigkeit vorzutäuschen.   Bedauerlicherweise erfrischte ihr Lachen Draco. Ihr Lächeln erinnerte ihn an Zeiten, in denen es noch nicht dunkel um ihn herum geworden war. Es erinnerte ihn an die Zeit, als er noch klein war und Dobby, Brisko und Akina mit ihm gespielt hatten. Es erinnerte ihn an Zeiten, als Rassentrennung und Hetze Fremdwörter für ihn waren. Es erinnerte ihn an Zeiten, als... als seine Eltern sich noch liebevoll um ihn gekümmert hatten, aber das lag bereits Jahre zurück.   „Ich bin nachts unterwegs, wenn du schon schläfst und von einer heilen Welt träumst.“ Er klang verbittert, denn wenn er ehrlich war, wusste er, dass Granger ihn abgrundtief hasste. Ihn verabscheute – für alles. Für sein Gedankengut, für seine Herkunft, für seine Beleidigungen, für seine Ideale und für das, was er ihrem Vater angetan hatte. Er vermutete, dass sie wohl auch sein Aussehen bis aufs Blut verteufelte. Und genau das störte ihn. Er wollte nicht, dass sie ihn hasste und schon gar nicht sein Aussehen.   „Und wieso faszinieren dich die dunklen Künste so sehr?“   Ein Thema, das ihm gar nicht lag. „Granger, dir muss immer klar sein, dass eine Medaille zwei Seiten hat und -“ Moment. Inmitten des Satzes fing sich Draco und unterbrach sich. Im letzten Augenblick hatte er geschnallt, dass er kurz davor war, ihr seine innersten Gefühle und seine Betroffenheit, hinsichtlich des Krieges, offen zu legen. Er stand kurz davor sein Gesicht zu verlieren, weil ihm beinahe herausgerutscht wäre, wie schwer es für ihn war, mit all den Qualen und Nachfolgen des Krieges zu leben. Er hätte ihr fast gesagt, dass er seine Familie schützen wollte, weil sein verkommener Vater es nicht auf die Kette gekriegt hatte, sowohl seine Frau, als auch seinen Sohn vor Unheil zu bewahren. Nein, das wollte er ihr nicht anvertrauen.   „- und was, Malfoy?“   „Nichts. Vergiss es.“ Und prompt kam ihm die rettende Idee. Wäre nicht jetzt – nachdem sie sich mal nicht stritten – ein geeigneter Zeitpunkt, ihr die Bibliothek zu zeigen? Außerdem wollte er sie wieder lachen sehen. Er wollte, dass ihre Augen strahlten und das würden sie – im Zusammenhang mit Büchern.   „Aber -“   „Lass gut sein, Granger. Ich würde dir aber trotzdem noch gerne etwas zeigen.“ Langsam schob er seinen Stuhl zurück, doch plapperte sie einfach weiter. „Was genau muss mir klar sein?“, hakte sie nach. Gerne hätte sie gewusst, was er ihr erzählen wollte. Wenn sie ihren Hintern schon nicht vor die Tür bewegen durfte, sollte er gefälligst mit ihr reden. Gerne hätte sie verstanden, welche Intentionen sich hinter Malfoys Verhalten verbargen.   „Granger, es reicht.“   Widerwillig stand sie auf und ging voran. Allerdings warf sie immer wieder einen Blick über ihre Schulter, um sicherzustellen, dass er keinen Unfug hinter ihrem Rücken anstellte. Als sie die Treppen emporstiegen, ging er an ihr vorbei und Hermine wagte einen neuen Versuch. „Wieso willst du es mir nicht erzählen?“   Abrupt drehte er sich zu ihr um, wodurch es ihr nicht gelungen war, rechtzeitig stehen zu bleiben. Stattdessen stieß sie frontal gegen ihn. Innerlich lächelnd, da er ihre Art, ihre Ausdauer, ihre Intelligenz, sowie ihr Durchhaltevermögen zu schätzen anfing. Ob sich Potter und Weasley genauso in ihrer Gegenwart fühlten? Bemerkten sie überhaupt, was sie an Granger hatten? Bestimmt nicht.   „Weil“, fing er gelassen und mit erhobenem Zeigefinger an, nachdem sie taumelnd einen Schritt zurückgetreten war, „es unwichtig ist und du nicht alles wissen musst. Außerdem will ich mich nicht nochmal mit dir streiten – jedenfalls nicht heute, Granger.“ Er war es wirklich leid, sich ständig mit ihr in den Haaren zu haben. Es zerrte an seinem Nervenkostüm. Dabei wollte er doch nur seine Ruhe haben, in Frieden leben und die Ereignisse aus der Vergangenheit loswerden. Hinzu kam, dass er gerade den ersten Schritt wagte, und einem anderen Menschen eine Freude machen wollte.   „In... In Ordnung. Entschuldige.“   Draco wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte, weshalb er sich wortlos umdrehte und sie nebeneinander den weiteren Weg zurücklegten. Stumm durchliefen sie die endlos langen Flure, bis sie schließlich vor einem riesigen Holztor ankamen, das in der Mitte geteilt war.   „Wir sind da.“   „Was befindet sich hinter der Tür?“, wollte Hermine vorsichtig wissen und wagte sich nicht, um ihn herumzugehen.   „Mach vorher die Augen zu.“ Als der Satz ausgesprochen war, hätte er sich gerne die Hand vor den Mund geschlagen. Sagte er wirklich, dass sie die Augen zumachen sollte? Gott, wie peinlich war das denn? Es... Es klang so rührselig und romantisch.   „Du willst, dass sie die Augen schließt, damit du einen Grund hast, ihre Hand zu halten, mein lieber Freund.“ Seine innere Stimme war mal wieder keine große Hilfe – wie so oft.   „Bitte? Wieso das denn?“, entkam es Hermine skeptisch. Verlangte er wirklich von ihr, dass sie ihm vertraute?   „Bitte, Granger. Es ist -“ Ihm stockte der Atem. „Es ist eine Überraschung“, brach es aus ihm heraus, da es für ihn ungewohnt war, einmal im Leben tatsächlich nette Absichten zu haben. Aber sie machte es ihm mit ihrem Verhalten nicht gerade leicht, was in seinen Augen sein Vorhaben noch skurriler und seine Aufforderung noch grotesker wirken ließ. Es hörte sich einfach unecht und primitiv an.   Hermine hingegen war verwirrt. Er meinte es tatsächlich ernst und nachdem sie ihm ins Gesicht blickte, konnte sie ihm beim besten Willen nicht vorwerfen, dass er irgendetwas böses gegen sie plante. Dennoch, sie hob mahnend den Finger. „Malfoy, ich warne dich.“ Doch statt sie anzukeifen, griff er bloß nach ihrer Hand.   Es war süß, dass sie ihm drohte... War sie es doch, die nicht im Besitz eines Zauberstabes war. „Jetzt mach endlich die Augen zu, oder ich überlege es mir nochmal anders.“ Er wollte sich nicht drängen lassen, aber seine Geduld war auch nicht die längste.   Schnaufend schloss sie im Anschluss die Augen, bevor sie ihre Hand mit Malfoys Hand verschloss und gewiss gaben sie in diesem Moment ein verstörendes Bild ab. Sie und Malfoy – Hand in Hand. Niemand würde ihr jemals glauben, was hier gerade geschah. Nicht einmal Ginny. Nein, Ginny würde sie für verrückt erklären lassen und ihr nahelegen, dass sie schleunigst ins St.Mungo sollte. Und im Gegensatz zu ihrer, war Malfoys Hand angenehm warm.   Aber bevor er mit ihr den Saal betreten würde, prüfte er noch einmal, dass sie auch wirklich die Augen verschlossen hatte. Wie ein kleines Kind winkte er vor ihrem Gesicht, aber sie rührte sich nicht.   „Du, Malfoy?“ Sie konnte hören, wie seine freie Hand die Türklinke nach unten drückte. „Wusstest du eigentlich, dass man Spannung in Volt und die Ladung in Coulomb angibt?“ Noch immer waren ihre Augen geschlossen und sie fragte sich, was sie ihm für einen Unsinn erzählte? Als ob Malfoy sich mit Elektrizität jemals auseinander gesetzt hätte. Er war schließlich ein Reinblut, aber sie musste mit ihm sprechen. Sie musste sich ablenken, damit ihr Vertrauen nicht in Misstrauen umschlug und das würde solange aufrecht bleiben, wie sie Malfoy hören und seine Hand fühlen würde.   Grinsend blickte er zu ihr hinab. „Du wirst überrascht sein, aber ja. Das wusste ich“, antwortete er. „Ich halte zwar nichts von Elektrizität, aber ich weiß das.“ Mit seiner freien Hand stieß er eine der beiden Flügel auf, bevor er in die Dunkelheit eintrat. Selten kam er hierher, da er alle Bücher, die ihn interessierten, in seinem Zimmer hatte. Womöglich waren die dicken Wälzer mit einer dicken Staubschicht bedeckt, aber das würde Granger nicht stören. Er hatte seinen Elfen auch niemals aufgetragen die Bibliothek zu entstauben, aber bestimmt taten sie es sowieso.   „Wirklich? Du wusstest das?“ Kichernd stellte sie sich vor, wie es wohl aussähe, wenn Malfoy mittels eines Hammers einen Nagel in die Wand schlagen würde, nur um ein Bild aufzuhängen. Ebenso lustig wäre es, wenn er eine Glühbirne wechseln müsste. Es war schwer vorzustellen, aber sie fand es dennoch amüsant. Malfoy verkörperte nämlich all das, was nichts mit Muggelerfindungen zu tun hatte. Parallel schritt sie vorsichtig hinter ihm her – immer noch seine Hand haltend und sie zuckte kurz zusammen, als eine kühle Brise ihren Körper umspielte, als sie die Tür passiert hatten. Offenbar war der Kamin nicht angezündet worden, weswegen es in dem Raum recht zugig und kalt war.   „Ja, wirklich. Das muss dich zerrütten, was? Ich hoffe allerdings, dass das dein Bild von mir nicht über den Haufen wirft?“, ergänzte er lachend, während er nochmals kontrollierte, ob ihre Augen geschlossen waren. Anschließend führte er sie weiter in die Bibliothek hinein und insgeheim erwartete er tatsächlich, dass sie sich freute. Ja, ein Funken Menschlichkeit besaß er nun mal doch und Granger war die erste Person, die es schaffte, jene Eigenschaft zur Oberfläche zu ziehen. Andere Menschen kitzelten höchstens seine Aggressionen aus ihm heraus. Nachdem er ungefähr die Mitte des Raumes mit ihr erreichte, hielt er inne, atmete einmal ein und ließ ihre Hand los, da er die Gardinen ganz ohne Zauberstab zur Seite ziehen wollte. Aber er wollte auch nicht ihre Hand loslassen. Ihre Haut fühlte sich unglaublich weich an und es war auch das erste Mal, dass er ihre Haut absichtlich und bewusst berührte. Erst jetzt spürte er die Intensität ihrer sanften Haut.   Aber er musste sie loslassen.   „Malfoy?“, entkam es Hermine im Nachhinein hektisch. Sie hatte gerade ihren einzigen Schutz verloren, da Malfoys Hand momentan ihre Augen ersetzt hatten.   „Lass die Augen zu... Bitte“, beharrte er und lief nacheinander zu den acht Fensterbögen, die bis zum Boden reichten. Hastig riss er einen Vorhang nach dem anderen auf, und je mehr Stoff zur Seite geschoben wurde, umso mehr Licht drang in das Innere des Raumes, das gleichzeitig auch Hermines Lider kitzelten. Wie ein hilfloses Rehkitz stand sie da, wie er bemerkte, als er sich wieder zu ihr umdrehte. Orientierungslos und aufgeregt. Ja, das beschrieb ihre Fassung sehr gut.   „Wann... Wann darf ich sie denn aufmachen?“ Sie wurde immer neugieriger. Wo hatte er sie bloß hingeführt? Oder war sie nun an dem Punkt angekommen, wo sie Angst verspüren sollte? Ihr Verstand hätte Alarm schlagen müssen, oder? Standen sie vielleicht auf einer Zinne und Malfoy würde sie gleich in die Tiefe stoßen? Nein, sie waren im Haus, ganz sicher.   Bevor er ihr die Erlaubnis gab, griff er nach ihren Händen und führte sie noch etwas mittiger in den Raum. „Jetzt... kannst du deine Augen öffnen.“ Und da war er. Der vernichtende Satz. Ob sie gleich laut auflachen würde? Würde sie ihn aufziehen? Wenn ja, dann könnte sie aber wirklich den Rest ihres Daseins im Kerker verbringen. Schließlich würden ihr Ausdruck, sowie ihre Meinung einen erheblichen Einfluss auf ihn ausüben. Von ihrer Ausstrahlung und ihrer Mimik hing alles ab, ob es sich überhaupt lohnte, etwas für einen anderen Mensch zu riskieren.   Ganz langsam öffnete sie die Augen. Nachfolgend blinzelte sie mehrmals, bis sie realisierte, wo sie sich befand. Vor ihr türmten sich Regale. Regale, die bis zur Decke reichten. An vielen standen sogar Leiter, damit man die Bücher ganz oben problemlos erreichen konnte. In jedem Regal waren Bücher. So viele Bücher. Kleine Bücher, dünne Bücher, aber auch dicke Wälzer. Sie war so fasziniert von dem Anblick, dass sie sich langsam um die eigene Achse drehte, aber egal wohin sie ihren Blick auch wandern ließ – überall waren Bücherregale. Prall gefüllte Bücherregale. Und je mehr Bücher sie erblickte, umso weiter öffnete sich auch ihr Mund. Grundgütiger, Hermine war überwältigt. Sie hatte zuvor nie so viele Bücher auf einmal gesehen. Nicht einmal in Hogwarts und das, obwohl sie bisher der Annahme war, dass niemand mehr Bücher besaß als die Bibliothek in Hogwarts. Merlin, ihre Euphorie trieb sie dazu, auf eines der Regale zuzulaufen und es zu berühren. Einfach um sich zu vergewissern, dass das hier kein Traum war. Ehrfürchtig strichen ihre Fingerkuppen über die Buchrücken, woraufhin der Geruch von altem Pergament in ihre Nase stieg. Es roch himmlisch.   Draco beobachtete jeden ihrer Schritte. Er sah, wie ihre Finger über die Bücher streiften und er wusste nur zu gut, dass sie am liebsten sofort jedes Buch lesen wollte. Er verwettete sein Vermögen, dass das ihr Lieblingszimmer werden würde und sie noch heute anfing, Bücher zu lesen. Und sie sah so perfekt aus. So anmutig. So hinreißend und wunderschön. Wie sie da stand und sich über etwas so belangloses wie Bücher freute. Gott, zum Glück besaß er Selbstbeherrschung – zumindest in Situationen, in denen es bitter nötig war.   „Malfoy.“ Lächelnd und zugleich überfordert, blickte sie über ihre Schulter – eine Hand noch immer auf den Büchern. „Ich... Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Er hatte ihr wirklich eine Freude bereitet. Er tat etwas, wovon er keinen Nutzen hatte, weil er wusste, dass sie Bücher liebte. Nach all dem Streit und Zank, den sie auf sämtlichen Ebenen ausgetragen hatten, war das etwas, womit sie niemals gerechnet hätte. „Es... Es ist überwältigend. Ich bin sprachlos.“   „Dann hoffe ich, dass deine Sprachlosigkeit ausdrückt, dass dir zumindest diese Halle auf Malfoy Manor gefällt?“ Das hoffte er inständig, aber seit wann gebrauchte er solch übelerregende Sätze? Würde er weiterhin so reden, könnte er sich gleich den Zauberstab gegen die Schläfe richten.   „Ob es mir gefällt?“ Achselzuckend drehte sie sich um, hob die Arme und deutete um sich. „Es ist atemberaubend.“   „Dann... soll dieser Raum dir gehören, Granger.“   „Ehrlich?“, kam es strahlend aus ihre Mund. „Ich wusste nicht, dass du so viele Bücher besitzt.“   „Tja, es gibt vieles, was du nicht von mir weißt“, konterte er gönnerhaft und blickte von oben auf sie herab. Allerdings fand er es schade, dass sie seinen Blick nicht erwiderte und sich stattdessen wieder den Büchern zuwandte.   „So? Was denn zum Beispiel?“, entgegnete sie nonchalant, bevor sie sich mit verschränkten Armen wieder zu ihm drehte.   „Zum Beispiel, wie groß mein Penis ist?“   „Interessant, Malfoy.“ Vorbei war das schöne Gefühl, das sie bis gerade eben noch verspürte. Nun benahm sich Malfoy einmal menschlich und schaffte es doch, binnen Sekunden, diese Atmosphäre mithilfe seiner perfiden und bizarren Art zu zerstören. Seine eigentümliche, sarkastische, kaltschnäuzige und mokante Art kam wieder zum Vorschein.   „Bist du von allen guten Geistern verlassen? Wo ist dein verdammtes Hirn?“, zischte die Stimme panisch. „Du tust nicht nur so, nein. Du bist auch noch wirklich sau dämlich, du Vollidiot. Jetzt überleg mal, wie du da wieder rauskommst.“   „Das war ein Spaß meinerseits, Granger. Vergiss es einfach.“   Vergessen... Na ja, aber sie erinnerte sich an die beiden Fußball-Karten in ihrer hinteren Hosentasche. Eigentlich wollte sie ihm die Karten erst an seinem Geburtstag geben, aber sie wollte sie Stimmung retten, da sie befürchtete, sie könnte kippen, angesichts der Verschwiegenheit der beiden. „Weißt du, ich habe auch etwas für dich.“ Anschließend zog sie eilig die Karten aus der Tasche.   Überrascht griff er nach den Papierfetzen. Es waren zwei rechteckige Formen, worauf Arsenal London, Football Club stand. Skeptisch begutachtete er erst die Karten, danach Granger. „Was soll das sein?“   „Das... Das sind Fußball-Karten.“ Augenblicklich spürte sie den rapiden Temperaturabfall. „Kennst du -“   „Frag nicht, ich kenne Fußball“, unterbrach er sie barsch. „Ich bin nicht so blöd, wie du es glauben magst, aber ich hatte auch Muggelkunde, falls du dich erinnerst?“ Er wollte den Namen seiner damaligen Lehrerin Charity Burbage nicht aussprechen, da ansonsten die Erinnerungen hochkämen. An die Nacht, in der sie vor Dracos Augen getötet und Nagini zum Fraß vorgeworfen wurde.   „Entwickelt da etwa jemand Gefühle?“, wollte seine innere Stimme lauernd wissen. „Dir macht der Tod Angst, ja?“ Was für eine hirnrissige Frage. Natürlich machte der Tod ihm etwas aus. Im sechsten Schuljahr lebte er tagtäglich in Todesangst und mit Verlustängsten. Seine innere Stimme war anscheinend der Annahme, dass er die Emotionen eines Grabsteins hatte.   „Was soll ich damit?“, fragte er kühler als beabsichtigt und streckte ihr die Karten entgegen. Die Erinnerung an Charity Burbage schien ihm die gute Laune aus dem Leib zu saugen. Hermine erschrak über diesen plötzlich Tonwechsel in seiner Stimme. Eben war seine Stimme noch klar und ohne jegliche Arroganz und Bosheit und plötzlich strahlte er genau das wieder aus. „Ich.. ich“, stotterte Hermine, „ich wollte sie dir zu deinem Geburtstag schenken.“ Das warf ihn nun völlig aus der Bahn. Sie wusste, wann er Geburtstag hatte und gleichzeitig fragte er sich, wann sie Geburtstag hatte. Er rief die Schulakten in seinem Gedächtnis auf, doch ihr Geburtstag wollte ihm partout nicht einfallen. Verdammt. Er konnte nicht einmal den Monat sagen. Mist! Er fand es auch erstaunlich, dass sie ihm überhaupt etwas schenkte, nachdem er so grauenhaft und ungesittet zu ihr war. Grinsend steckte er die Karten in die Innentasche seines Blazers zurück, nachdem sie die Karten nicht wieder an sich genommen hatte. Er musste wieder zu seiner Überheblichkeit zurückkehren. „Und du erwartest nun, dass wir beide“, Draco deutete auf Granger und sich selbst, „dahin gehen? In ein Stadion, in dem eine Muggelsportart betrieben wird, die, wenn ich hinzufügen darf, völlig uninteressant und unspektakulär ist?“ „Ja“, antwortete Hermine, doch sobald sie über ihre Antwort nachgedacht hatte, bemerkte sie, dass das gar keine wirkliche Frage von Malfoy war, sondern eine Feststellung. „Außerdem hat es dasselbe Prinzip wie Quidditch. Nur, dass beim Fußball zwanzig Menschen einem Ball hinterher rennen, statt vierzehn Menschen auf ihrem Besen einem Ball nachjagen.“ „Vergiss es. Ich zwänge mich nicht zwischen tausende Muggel. Und nein, es ist nicht dasselbe Prinzip. Im Quidditch geht es um Geschick und Schnelligkeit.“ „Wieso nicht, Malfoy? Es würde dir Spaß machen.“ Im Fußball ging es auch darum, aber diese Diskussion würde sie mit Malfoy nicht beginnen. Sie wollte ihn mit aller Macht überzeugen. Hermine wollte ihrem Gefängnis endlich entfliehen. „Was mir Spaß macht, entscheide immer noch ich!“ Die Stimmung kippte und mit jedem Wort, welches beide weiter miteinander wechseln würden, umso schneller und weiter würde auch die Stimmung kippen. „Glaubst du wirklich, ich erkenne dein Ziel dahinter nicht?“ Zuerst seine Mutter, die ihn nicht für clever genug hielt. Nun reihte sich auch Granger ein. Auch sie hielt ihn für so unterbelichtet. Als ob er ihr Vorhaben nicht durchschaut hätte, denn im Gegensatz zu ihm, erkannte er in ihren Augen alles. Sie erkannte in seinen Augen höchsten den Hass, den er anhand seiner Augen symbolisierten konnte. Draco hatte sie ertappt, er spürte und sah es. Ihre Augen verrieten sie immer wieder. Er erkannte kein Siegeswille mehr darin, sondern sah ihre innerlich Unruhe, die sich durch ihre geweiteten Augen widerspiegelte und genau damit hatte sie sich verraten und ihm bestätigt, dass sie genau das vorhatte - nämlich abzuhauen. Ihr Geburtstagsgeschenk war in keinster Weise ernst gemeint und dabei hätte dieses Schauspiel viel besser zu ihm gepasst, aber er meinte seine Überraschung wenigstens ernst. Nie hätte er Granger diese Abgebrühtheit zugetraut.   „Du willst, dass wir dahin gehen, damit du abhauen kannst, weil du tatsächlich glaubst, ich würde keinen Zauberstab ziehen, um dich daran zu hindern.“ Auch Granger hatte er Schachmatt gesetzt – wie Blaise. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)