Was die Hitze des Sommers nicht alles bewirken kann... von Mondsicheldrache (The Vessel and the Fallen 1) ================================================================================ Kapitel 20: Bedenken -------------------- *~*   *     „Mei?“ „Ja?“, fragte er verhalten. „Vertraust du mir?“ Koumei zögerte und rückte ein wenig von ihm ab. Etwas an Hakurens Stimme gefiel ihm nicht und ließ ihn eigentümlich vorsichtig werden. „Ich denke...“, erwiderte er nach kurzem Stocken. Da war etwas, das er nicht benennen konnte. Sein Prinz lächelte erfreut und streichelte seine Wange. „Sag mein Liebster, hast du zufällig etwas Öl da?“ Koumei starrte ihn verwirrt an. Wie um alles in der Welt kam Hakuren von seinen seltsamen, aufbauenden Sprüchen zum Thema Öl? Hatte er das, was er wollte überhaupt hier im Zimmer? Vermutlich, aber wozu brauchte er denn mitten in der Nacht Öl? Endlich hakte er nach: „W-was? Wie kommst du denn jetzt darauf? Ja, bestimmt habe ich das, in dem Schrank dahinten steht allerlei so unwichtiges Zeug. Vielleicht irre ich mich auch und es ist nur selbstgemachtes Duftwasser von Kougyoku. Das ist eine Zumutung, sie hat mir heute mal wieder eine ihrer Giftmischungen geschenkt. Brauchst du Lampen- oder Körperöl? Ist deine Haut vielleicht rissig geworden, weil du eben durch den kalten Wind geritten bist? Dann würde ich dir lieber eine Salbe empfehlen.“ Wie seltsam seine eigene Stimme klang. Dieser untypische Wortschwall, regelrecht aufgekratzt. Irritiert fingerte er an der Bettdecke herum, wobei er verwirrt überlegte, was Hakuren im Schilde führte. „Oder hast du eher Hunger? Ich könnte dir etwas vom Fest holen, wenn du willst“, schob er hinterher, schließlich gab es da bestimmt etwas, das in Öl eingelegt war. Vielleicht ein paar Pflaumen, die mochte Hakuren recht gerne, aber wollte er die wirklich mitten in der Nacht essen? Ja, was er vorhatte, blieb ihm wirklich ein Rätsel. Besonders bei dieser Antwort: „Hm, so könnte man es auch sagen“, lachte sein Cousin. Er schien sich über irgendetwas königlich zu amüsieren. Hätte Koumei wissen müssen, worum es ging? Eine seltsame Spannung machte sich in seiner Brust breit. „Sag, wie kommst du jetzt darauf und warum fängst du an, so komisch zu grinsen? Was hast du damit vor?“ Er legte nervös den Kopf schief. Irgendwie hatte er ein ungutes Gefühl bei der Sache. Plötzlich schlang Hakuren seine Arme um ihn und vergrub das Gesicht in seinem Haar. Koumei seufzte in Ekstase. Die winzigen Härchen in seinem Nacken richteten sich schlagartig auf. Tiefe Zuneigung durchflutete ihn mit einer Macht, die kaum zu ertragen war. Löste ein seltsames Ziehen in seinem Bauch aus. Sein Herz klopfte immer schneller. Es fühlte sich wirklich noch fremd an, Hakurens bloße Haut auf der seinen zu spüren, aber er mochte es, ihm so nahe zu sein, ohne störende Stoffschichten dazwischen. „Koumei?“, hauchte es an seinem Ohr. Hakurens Stimme klang merkwürdig rau. Der Rothaarige erschauderte. „Mh? Was ist?“, flüsterte er. Fragend blickte er den anderen an und konnte die Antwort beinahe schon in diesem erdrückenden blauen Blick lesen, der ihm den Boden unter den Füßen fortriss, wie eine tosende Welle. „Ich würde gerne mit dir schlafen.“ Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis die Worte zu ihm durchdrangen. Bis ihm ihre Bedeutung bewusst wurde. Dann schoss er in die Höhe. Eine Woge der Erkenntnis brach über ihm zusammen. Dafür also das Öl. Panik erfasste ihn. „D-du willst mit mir – jetzt? Hier?“ All die Wochen. Die ganze Zeit. Und jetzt fällt es ihm ein? Wie kann man nur so dumm sein? Das musste ja so kommen! An diesem verfluchten Abend?!  „Aber ich bin doch keine Frau!“, protestierte er empört. Als ob Hakuren das ernst gemeint hatte! Doch sein alter Kindheitsfreund schnaubte lediglich wegwerfend, während er sich noch enger an ihn schmiegte. Koumei mochte es noch immer, dennoch kam es ihm beinahe aufdringlich vor. „Sag mir nicht, du hast noch nie darüber nachgedacht. Wann sonst? Mir ist vollkommen bewusst, dass du keine Frau bist und ich finde es gut so, denn darauf kommt es ja auch nicht an. Ich liebe dich, das ist die Hauptsache“, murmelte es in seinem Rücken. Eine Antwort blieb aus. Wie Recht er doch hatte. Koumei hatte allerdings kaum jemals daran gedacht, das Bett mit seinem Geliebten zu teilen. Nun wusste er nicht, was er tun sollte, fühlte sich wie gelähmt. Er wollte Ren nahe sein, sehr nahe. Aber so nahe? Allerdings stellte dies hier wahrscheinlich die letzte Möglichkeit dar und er konnte sich nicht vorstellen, jemals mit jemand anderem derart weit zu gehen. Außerdem… wenn Hakuren es so gerne wollte… er würde sich sicherlich freuen. Zögerlich meinte er: „Mhm… na gut? Wenn es sein muss…?“ Sofort lockerte sich der Griff um seine Brust und er blickte in empört blitzende blaue Augen. „Koumei! Was ist mit dir heute nur falsch? Du jammerst die ganze Zeit und legst mich herein. Sag nicht einfach ja, nur weil du denkst, mir einen Gefallen tun zu müssen, denn das ist wirklich schlecht. Überleg es dir gut und sag mir, was du möchtest.“ Koumei blinzelte erstaunt. Hakuren gelang es so selten, ihn zu durchschauen, normalerweise glaubte er ihm beinahe alles, was er so daher sagte. Nun musste er ihm seine Unsicherheit jedoch deutlich angesehen haben. Dabei hatte der Ältere eben noch so dringlich argumentiert. „Aber hast du nicht grade versucht, mich zu überreden?“ Der Prinz lächelte verlegen. „Na ja, vielleicht. Das liegt mir eben im Blut“, gestand er und grinste das strahlende Grinsen, das Koumei so sehr liebte. Oh ja, wenn Hakuren etwas wollte, wurde er wahrhaft charmant. Nun vollkommen verunsichert, zögerte er lange. Er fühlte sich, wie ein vom Jäger in die Ecke getriebenes Tier. Ja, er liebte Hakuren wirklich, da war er sich mittlerweile sicher. Aber mit ihm zu schlafen war noch einmal etwas völlig anderes. Etwas Verbotenes. Nicht, dass ihre Küsse und Berührungen weniger verboten wären, dennoch erschien es ihm zumindest in den Augen seines Vaters als deutlich verwerflicher, noch weiter zu gehen. Er hatte im Gegensatz zu dem älteren Prinzen noch keinerlei Erfahrungen dieser Art gemacht, schließlich war er noch recht jung und hatte sich nie sonderlich für die körperliche Liebe interessiert. Er verspürte einfach kein gesteigertes Verlangen danach. Allein der Gedanke daran, einer Frau näher zu kommen, erfüllte ihn mit irrationaler Furcht und widerte ihn an, das hatte seine Begegnung mit Kali heute einmal mehr gezeigt. Allerdings war Hakuren keine dämonische, gehässige Haremsdame, sondern ein junger, zuvorkommender, fürsorglicher Mann. Letztere Tatsache stimmte ihn allerdings umso nachdenklicher, egal welch begehrenswerte Eigenschaften der Prinz besaß, er gehörte in den kaiserlichen Palast zusammen mit einer Ehefrau und Kindern, nicht zu ihm. Trotzdem konnte Koumei nicht anders, als verträumt in sein vertrautes Gesicht zu schauen und an all die unübertrefflichen Vorzüge seines Geliebten zu denken. Natürlich, der zweite Prinz von Kou besaß ebenso viele schlechte Seiten, war gedankenlos, kindisch und manchmal aufbrausend, damals hatte er Koumei in einem unnötigen Streit einmal grün und blau geschlagen, aber dennoch… er liebte ihn. Sie kannten sich bereits seit frühesten Kindertagen. Der Ältere hatte sich immer herzergreifend um ihn gekümmert, wenn sie beisammen gewesen waren. Sie hatten sich stets gut verstanden. Waren immer vertraut gewesen. Sie teilten gerne ihre Gedanken miteinander, zumindest ließ sich Koumei gerne Hakurens Sorgen und Nöte erzählen. Nun, jetzt teilten sie noch mehr als das. Ob es nicht sogar interessant sein könnte, ihm auch körperlich noch näher zu kommen? Koumei wusste es einfach nicht. Vielleicht machte er sich zu viele Sorgen. Jedoch… er hatte gehört, dass es schmerzhaft wäre, sich einem Mann hinzugeben, als er in der Vergangenheit unfreiwillig einer Unterhaltung von zwei Konkubinen seines Vaters gelauscht hatte. Genau das würde auch er unweigerlich tun müssen, sobald er zustimmte. Vielleicht konnte er sich nicht mit den Frauen vergleichen, das wusste er nicht, aber wenn es eventuell doch keinen Unterschied machte… Er mochte Schmerzen ganz und gar nicht. Zwar war sein Vater ein grober Mann, der sich sicher wenig um das Wohlbefinden seiner vielen Ehefrauen sorgte, wenn er schon Gewalt gegen seine Söhne einsetzte, würde er seine zahlreichen Frauen sicher nicht besser behandeln. Hakuren verhielt sich ganz anders, so liebevoll, aber… Was, wenn er es später bereuen würde? Wenn es jemand herausfände? Schließlich galt Liebe zwischen Männern in ihrem Land nicht grade als selbstverständlich, sicherlich auch als unschicklich, wenn man seinem Vater und nicht Hakuren Glauben schenkte. Ja, es war auch unnatürlich, fand er. Nicht auszudenken. Sein Vater würde sie beide umbringen, sollte ihre Beziehung, die nun von der geduldeten Freundschaft viel weiter entfernt schien, als die Sonne von der Erde, ans Licht kommen. Ein angstvolles Zittern durchlief seinen gesamten Körper. Hakuren schien seine Furcht wahrzunehmen. „Keine Sorge, ich passe auf dich auf“, beteuerte er. „I-Ich weiß doch gar nicht, was ich tun muss!“, erwiderte er scharf. In Hakurens Stimme schwang neben bemerkenswerter Geduld eine beruhigende Wärme mit: „Mei, du musst gar nichts tun. Außerdem bist du hier nicht der einzige, der keine Ahnung hat. Ich habe nur Erfahrungen mit Frauen. Nur mit zweien, um genau zu sein und falls es dich beruhigt. Frauen sind schon toll, ich mochte sie beide wirklich gerne, aber sie sind kein Vergleich zu dir. Mach dir keine Sorgen, so schwer wird es schon nicht sein, wenn auch wesentlich dümmere Menschen als du es geschafft haben. Hey, jetzt schau mich doch nicht so verzweifelt an, alles ist gut.“ Koumei wich seinem brennenden Blick aus. Seine wirren Gedanken eigneten sich nicht sonderlich gut dazu, sie jemandem zu offenbaren. Ja Ren, viel zu viele dumme Menschen haben es geschafft und deshalb wimmelt unsere Welt heute nur so vor Idioten. Wenn du diese Frauen so großartig findest, dann geh doch zu ihnen oder lass sie rufen, sie werden sich sicherlich geehrt fühlen, dass der Sohn des Kaisers Interesse an ihnen bekundet und voller Begeisterung herbeieilen. Warum nimmst du sie nach deiner Hochzeit nicht gleich als Nebenfrauen? Du kannst schließlich alles haben, was du willst, egal was du immer für einen Blödsinn von Wegen ‚Meine Verpflichtungen binden mich‘ faselst! Gar nichts ist gut, du Trottel! Ich habe keine Ahnung, was du mit mir anstellen willst. Ich habe Angst, was du mal wieder für eine Dummheit planst, dabei will ich keine Angst vor dir haben. Und dann willst du morgen einfach wieder verschwinden, als wäre nichts gewesen, das sieht dir ähnlich! Natürlich verließ keines dieser niederträchtigen Worte seinen Mund, er wusste, dass diese Anschuldigungen haltlos und ungerecht waren. Das einzige, was aus ihm heraus platzte war ein ersticktes „Ich kann das nicht.“ Die Worte standen wie eine steinerne Mauer im Raum. Schon von Geburt an besaß er ein Talent dafür, anderen vorzugaukeln, er sei schwächlich, klein und bemitleidenswert. Zu schwach, um irgendetwas anderes zu tun, außer dösend im Bett zu liegen. Allerdings hatte er sich mittlerweile vielleicht sogar selbst von dieser Unwahrheit überzeugt. Hakuren seufzte: „Du musst auch nichts können. Aber du bist nun im besten Alter für ein paar neue Erfahrungen, weder zu jung, noch zu alt, findest du nicht?“ Koumei zögerte unbehaglich. Hakuren versuchte tatsächlich, ihn zu überreden. Mit bedauernswerten Argumenten. Es erinnerte ihn an einen verhängnisvollen Tag vor zehn Jahren, an dem der noch neunjährige Prinz ihn hartnäckig angespornt hatte, mit ihm gemeinsam kostbarste Diamanten aus der Schatzkammer des Kaisers zu stehlen. Nach Stunden der Überredungskunst hatte Koumei trotz arger Bedenken und Widerworte klein beigegeben. Sie hatten einige Diamanten entwendet, man hatte sie sofort entlarvt und Koumei war anschließend von seinem eigenen Vater zu einer demütigenden Entschuldigung beim Kaiser gezwungen und so lange geschlagen worden, bis er besinnungslos auf dem harten Boden des Thronsaals lag und die folgende Woche keinen Schritt mehr tun konnte. Währenddessen war der Prinz mit einer strengen Verwarnung davon gekommen. Koutoku hasste ungehorsame Söhne, während Hakutoku den kindlichen Unsinn lediglich belächelte. Ungerecht. Koumei erschauderte bei dem bloßen Gedanken daran. Andererseits klangen Hakurens Worte paradoxerweise auch so verstörend nach seinem Vater, als er ihn heute Nachmittag bei Seite genommen hatte. Diese Situation war ihm überaus unangenehm. Natürlich, Hakuren hatte ihn damals schon oft zu seinem eigenen Glück überredet, da er von sich aus einsam in seiner Kammer versauert wäre, aber heute schien es ausnahmsweise wieder eine Überredung der gefährlichen Sorte zu sein. Dabei hätte dieser Verrückte sich seine Argumente doch sparen können! Wenn er es unbedingt wollte, wieso hatte er dann nicht einfach Koumeis wankelmütige Entscheidung vorhin angenommen, sondern führte mit ihm diese beschämende Diskussion? Koumei wusste keinen Ausweg. Eigentlich fühlte er sich noch nicht bereit für diesen Schritt. Andererseits würde er wahrscheinlich nie bereit sein. Er liebte Hakuren wirklich und so wie dieser ihn immerzu ansah, konnte es wohl nur auf Gegenseitigkeit beruhen. Auch wenn ihn der neue Ausdruck in dessen Augen verunsicherte. So verhangen und doch intensiv, dass ihn eine Gänsehaut überfiel. Hakuren küsste seine bebende Schulter. „Kann es sein, dass du ein bisschen verklemmt bist, Mei? Du erinnerst mich heute Nacht an zwei ganz bestimmte Personen“,  zog er ihn auf. „Ein bisschen? Das solltest du doch mittlerweile gemerkt haben! Was redest du für einen Mist?“, wehrte er sich, während seine Wangen so sehr brannten, dass es kaum auszuhalten war. „Du benimmst dich wie eine Mischung aus Hakuryuu und Kougyoku“, spöttelte Hakuren. „W-Was? D-das ist doch lächerlich! Ich dachte du hängst regelrecht an deinem kleinen Bruder und nun beleidigst du ihn! Und was bist du? Ein unverschämter Straßenjunge? So einen Quatsch hast du schon lange nicht mehr von dir geben. Du verdammter Dreckskerl!“, zischte Koumei erzürnt. Wie konnte er es nur wagen, ihn mit einem weinerlichen, sechsjährigen Jungen und einer achtjährigen Verrückten zu vergleichen, nur weil er verunsicherte Überlegungen anstellte? Zwischen ihnen bestand ein himmelweiter Unterschied! Der andere feixte: „Na also, da ist ja doch etwas Energie vorhanden. Der Straßenjunge klingt gut. So gefällst du mir schon besser.“ Wütend wollte Koumei sich abwenden und knurrend verkünden, dass er nach dieser Beleidigung ganz sicher nichts mehr mit Hakuren tun würde, ganz egal welcher Art. Doch die harsche Erwiderung blieb ihm im Halse stecken. Ein angetaner Laut entwich ihm. Hakurens Lippen streiften seine Kehle, Koumei liebte es, wenn er diese Stelle berührte. Der Schwarzhaarige wusste das nur zu gut. „Ach Mei, du bist so sü-, ähm, ich meinte anziehend!“, berichtigte er sich schnell, als er einen tödlichen Blick auffing. „Schon gut , schon gut, ich nehme es ja zurück. Ach je, dass du dich auch immer so anstellen musst, nur weil ich dir ein Kompliment machen möchte... Aber Meichen, du solltest dich mal sehen“, hauchte er schwärmerisch. Dieser verrückte Kaiserssohn! Irgendwie bezweifelte der Jüngere, dass er das wollte. Nein, er würde sich wahrscheinlich zu Tode schämen, wenn er beobachten könnte, wie er selbst unbekleidet unter seinem alten Kindheitsfreund lag, unter seinen Berührungen regelrecht  dahinschmolz und jegliche Würde stöhnend fortwarf. Er musste vollkommen weggetreten wirken, zumindest fühlte es sich so an. Hakuren schnurrte genüsslich. Er tastete sich zu Koumeis Schlüsselbeinen vor, dann zu seiner Brust. Ein Prickeln. Seltsames Gefühl. Wie demütigend. Nein, wie angenehm… Hakurens Zunge leckte zärtlich über seine Haut. Spielte auf einmal mit seiner Brustwarze und er merkte, dass es ihm gefiel. Sehr sogar. Dennoch stimmte da etwas nicht mit ihm. Koumei keuchte erschrocken. Plötzlich schoss wieder diese Hitze durch seinen Körper und konzentrierte sich pochend in seinem Unterleib. „Oh, nicht schon wieder!“, stöhnte er peinlich berührt. Der Ältere seufzte: „Warum hast du nur so ein Problem damit, Mei? Du bist jetzt ein Mann und ehrlichgesagt wäre ich enttäuscht, wenn du überhaupt keine Lust empfindest, wenn ich dir so nahe bin.“ „Lust? Nichts läge mir ferner, als Lust zu empfinden!“, stieß er entrüstet hervor. Dieser anstrengende, widerwärtige Dreckskerl! Hakuren schmunzelte wissend. „Was ist es sonst? Sag es mir.“ Koumei schauderte. Tatsächlich konnte er nicht sagen, was dieses Gefühl anderes bedeuten sollte. „Wenn du meinst… es fühlt sich aber so unangenehm an“, ächzte er. Hakuren strich ihm beruhigend über den nackten Rücken. „Gleich nicht mehr, das geht vorüber, Mei.“ „Es wird eher schlimmer“, jammerte dieser, während er unter der Berührung erzitterte. „Ich könnte dir helfen, es loszuwerden“, bot Hakuren ernsthaft an. „Vergiss es!“, fauchte Koumei entgeistert. Dieser dämliche Kerl. Er konnte es einfach nicht lassen. „Schau mich nicht an“, stöhnte er befangen. Am liebsten hätte er die Flucht ergriffen. Hakuren schüttelte ratlos den Kopf. „Ich finde es ein wenig seltsam, dass du dich so sehr darüber aufregst. Du musst dich für nichts hier schämen, niemand wird irgendetwas davon merken.“ „Du schon!“, gab Koumei zurück. Er wollte sich keine weitere Blöße vor Hakuren geben. „Zwangsläufig, ja. Wäre merkwürdig wenn nicht, oder?“ Koumei schwieg. Der Schwarzhaarige hatte vollkommen Recht. Hakuren kümmerte es nicht, ob das, was er tat peinlich oder beschämend war. Er schien es hinzunehmen, vielleicht sogar zu schätzen. Sonst hätte er ihn wohl kaum seiner Kleidung entledigt. Koumei ließ sich wieder in seine tröstliche Umarmung ziehen. Der Geruch nach Leder und leichtem Schweiß drang in seine Nase. Da wurde ihm etwas klar: Hakuren ging es kein bisschen anders, als ihm. Das Flackern in seinen großen Augen verriet ihn. Er musste ebenfalls verunsichert sein, vor allem von Koumeis verrücktem Verhalten, welches ihm zu Beginn dieses Abends solch einen Schrecken eingejagt hatte und ihn nun zu entnervenden Wortgefechten trieb. Frustrierend für sie beide. Dabei verblieben ihnen nur noch ein paar Stunden. Der Mond schien durch die Fenster herein. Er spürte Hakurens erwartungsvollen Blick auf sich ruhen. Seinen unendlich vertrauten, langsamen Herzschlag an seiner Brust. Und plötzlich kümmerte er sich nicht mehr um all die Bedenken, wenn auch nur für einen winzigen Moment. „Hakuren?“, murmelte er, während sein Herz bereits bis zum Halse schlug. Wie eine zappelnde Taube in den Fängen eines Tigers. Der andere schaute ihn überrascht an. Selbst ihm entging der veränderte Unterton nicht. „Mei?“ „Ich glaube ich würde auch gerne mit dir schlafen. Aber nur, wenn du weißt, was du da tust.“ Er klang so dumm. Viel zu jung und unerfahren, nicht im Mindesten erwachsen. Nicht wie sechzehn Sommer, eher wie… zwölf? Er wusste es nicht. Konnte nicht klar denken, wenn er derart aufgewühlt war. Hakuren schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln. Kein sorgloses Grinsen, dass er vielen Menschen zuteilwerden ließ, sondern ein liebevoller Ausdruck, der alleine ihm vorbehalten blieb. Es musste ihn einiges an Beherrschung kosten, wo er ansonsten immer impulsiv und unbedacht handelte, was sich in seiner stets heiteren Mimik wiederspiegelte. Tatsächlich wirkte Hakuren erfreut über sein Vertrauen. „Das ist die Antwort, die ich hören wollte. Du meinst es ernst, oder? Keine Sorge, ich gebe wirklich auf dich Acht.“ Was wollte er hören? Dass ich mit ihm schlafen will, oder dass ich eine klare Meinung nenne? Vielleicht beides? Was immer er auch meinte, Koumei brachte lediglich ein nervöses Nicken zustande. Dabei wünschte er sich bereits, er hätte nichts gesagt. Er konnte einen gewissen Funken der Neugierde nicht leugnen, doch die Furcht vor dem Ungewissen wog stärker. Er hätte es Hakuren verraten können, sagen, dass er es doch nicht wollte, aber seine Kehle war wie zugeschnürt. Der Prinz bemerkte nichts von seinen Zweifeln. Stattdessen drückte er ihn liebevoll. Koumei wand sich innerlich. Plötzlich kamen überaus merkwürdige Worte über seine Lippen: „Ren, irgendwie wäre ich jetzt gerne im Garten. Da ist es sicherer.“ Verdutzt löste der Schwarzhaarige sich von ihm und nahm sein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger. „Unter den Brombeeren? Geht es dir gut? Wahrscheinlich Mei, da kannst du dir die Dornen morgen überall rausziehen.“ „Nun ja… da ist es einfach… vertrauter?“, versuchte er es zu erklären und kam sich dabei so schwächlich vor, dass er am liebsten im Erdboden versunken wäre. Hakuren lächelte gutmütig: „Keine Sorge, hier ist es genauso sicher, dafür dornenfrei und ich bin trotzdem da.“ Wenn er nur begreifen würde, dass in diesem Fall genau er das Problem war! Doch Hakuren kümmerte sich nicht länger um Koumeis seltsame Anwandlungen, welcher sich bereits verzweifelt fragte, wie er diese Dummheit hatte aussprechen können. Der Prinz erhob sich. Unter verräterischem Knarzen tappte er über den Holzboden, bis hin zu dem mächtigen Sandelholzschrank, in welchem die Dienerinnen immer allerhand wichtige Dinge verstauten. Koumei gefiel es nicht, plötzlich alleine, ohne die vertraute Wärme eines anderen Körpers neben sich, einfach herum zu liegen. Unruhig setzte er sich auf. Beobachtete den anderen mit unstetem Atem. Alles an Hakuren wirkte in dem schummrigen Licht so wohlproportioniert, dass es ernüchternd war. Arme und Beine kräftig, aber nicht dick. Die Schultern breit, aber nicht zu mächtig, der Rücken grade, aber nicht angespannt. Dabei musste er innerlich sicherlich genauso mit sich kämpfen wie Koumei. Wie konnte er dennoch so beherrscht und gelassen erscheinen? Welch eine Ungerechtigkeit, Koumei war seine Anspannung am ganzen Leib anzusehen. Weshalb interessierte sich jemand wie Hakuren nur für ihn? Anfangs, vor etlichen Jahren, hatte er sich schon über ihre enge Freundschaft gewundert. Heute konnte er noch immer nicht glauben, dass daraus Liebe geworden war. Es glich einem Wunder, Hakuren hatte keinerlei Grund, jemand so armseligen und lethargischen, wie ihn, zu lieben. Vor allen Dingen, wenn er ihn mal wieder hinters Licht führte. Außerdem war der Schwarzhaarige früher immer den Mädchen hinterher gejagt, als gäbe es nichts spannenderes. Koumei fühlte sich merkwürdig. Unerwartete Kälte biss in seine bloße Haut und ließ ihn schlottern. Die Gänsehaut war nicht zu übersehen. Schnell hüllte er sich in die weiche Decke. Erfolglos. Selbst seine Zähne begannen zu klappern, so eisig war die Luft, doch bald stellte er fest, dass eigentlich recht angenehme Temperaturen in seinem Zimmer herrschten. Trotzdem, das Bibbern wurde immer stärker. Schließlich legte er sich einfach auf den Bauch, die Decke fest um sich geschlungen, und schielte wachsam zu Hakuren hinüber, der unterdessen verwundert an den schwergängigen Schranktüren rüttelte, bis sie aufsprangen. Suchend spähte er hinein, kniete sich hin, zog zwei weiße Handtücher aus einem Regal, reckte sich und fand schließlich die seltsame Sammlung von Tinkturen, Duftwässern und Körperölen, die mit der Zeit in Koumeis Zimmer gelangt waren. Da er sie kaum benutzte, seine Schwestern jedoch der festen Überzeugung waren, dass auch ihre Brüder gepflegt aussehen mussten, wuchs das Durcheinander immer weiter. Es dauerte eine Weile, bis Hakuren einen Überblick über die ganzen Fläschchen bekam. Erstaunt nahm er hin und wieder einen Flakon heraus und rief Dinge wie: „Oh, das Zeug hast du ja schon seit zehn Jahren!“, „Sieh mal dieses glitschige Ding da drin!“ oder „Das sieht nicht aus, als könnte man es gefahrlos benutzen.“ Kurzum, Hakuren war begeistert von den alten Lotionen. Dabei entging ihm, dass er seinen Freund mit diesem Entzücken regelrecht folterte. Ohne sich auch nur nach ihm umzuschauen durchwühlte er die Vorräte an angeblichen Wundermittelchen. Einige hatten bereits Schimmel angesetzt und wurden von ihm begeistert bewundert. Freundlicher Weise stellte er die verdorbenen Substanzen beiseite und ordnete sie nicht wieder in das Chaos ein. Dabei fiel ihm nicht auf, dass Koumei  immer unruhiger wurde. Der Rothaarige grub panisch die Finger in das Bettzeug und zappelte rastlos. Dann presste er sich eng gegen das Laken, aber selbst das brachte seine zuckenden Muskeln nicht zum Erlahmen. Sein ganzer Körper brannte unangenehm. Er war so schrecklich aufgeregt. In ängstlicher Erwartung, was gleich geschehen mochte. Wie es sich anfühlen würde. Ruhelos beobachtete er, wie Hakuren endlich fündig wurde. Das Öl, welches wohl für eine weiche Haut sorgen sollte, hatte er heute erst von einer seiner Schwestern geschenkt bekommen, zumindest sah es genauso aus. Diener mussten es bereits auf sein Zimmer gebracht haben. Schließlich kehrte der Schwarzhaarige zu ihm zurück. Endlich und doch viel zu früh. Hastig atmete er ein und aus. Sein Herz ziepte voller Anspannung. Mit jedem Schritt wuchs seine Unruhe nur noch mehr. Dann war Hakuren wieder neben ihm. Legte das eine Handtuch auf das Bett, das andere auf den Nachttisch mit der flackernden Kerze. Stellte das Öl daneben. Das Geräusch klang hart und kalt in Koumeis Ohren. Entlockte ihm ein Schaudern. „Keine Angst, entspann dich“, meinte die tiefe Stimme. „Mhm…“ Selbst Hakurens Lächeln konnte ihn nicht beruhigen. Vielleicht weil es dessen eigene Unsicherheit verriet. Und etwas Verlangendes, das in benommen machte. „Würdest du ein Stück zur Seite rücken, Mei?“ Er tat wie geheißen, die Decke fiel von seinen Schultern. Ließ ihn klein, frierend und verunsichert zurück, während Hakuren das blütenweiße Handtuch über dem Bettlaken ausbreitete.  „Warum-?“, krächzte der Rothaarige irritiert. Der andere entgegnete sanft: „Weil deine Dienerinnen nicht alles über dich, beziehungsweise uns, wissen müssen. Außerdem kannst du dann gleich sofort schlafen, wenn du möchtest.“ Koumei verstand. Leider. Warum sprach Hakuren die Tatsachen nicht aus? Um ihn nicht noch nervöser zu machen? Damit erreichte er genau das Gegenteil. Obwohl Hakuren ihm selbst vorgehalten hatte, dass er nun erwachsen war, redete der Prinz mit ihm, als wäre er dumm und beschränkt wie ein kleines Kind. Dabei war er das schon lange nicht mehr. Nein, bereits vor seinem Geburtstag hatte er es abgelegt, auch wenn er sich ab und an so fühlte, sie alle hatten zu viele Kriege und Schlachten erlebt, um noch an das Gute in der Welt zu glauben und Kinder zu sein. Wie falsch es war, so von ihm zu denken! Er konnte mit klaren Worten umgehen. Ein paar deutliche, verständliche Erklärungen hätten ihm geholfen. Schließlich verbrachte er sein ganzes Leben damit Erklärungen zu verarbeiten und in seinem Gedächtnis zu speichern. Wahrscheinlich hätten auch in dieser Situation einige Offenbarungen geholfen, sich sicherer zu fühlen. Er hatte keinen blassen Schimmer, wie zwei Männer miteinander schlafen sollten. Gut, er hatte eine leise Ahnung, aber diese war ebenso vage wie verstörend. Zitternd starrte er den Prinzen an. „Möchtest du näher kommen?“, fragte Hakuren behutsam, als wüsste er genau, wie vorsichtig er ihn jetzt behandeln musste. Koumei zögerte. So lange, dass er bemerkte, wie Hakuren ebenfalls unwohl wurde. Dann rutschte er neben ihn auf das Handtuch. Verlegen schaute er zu ihm auf. Mit einem Mal wusste er nicht mehr, wie er sich ihm gegenüber verhalten sollte. Doch Hakuren ließ sich keine Verunsicherung mehr anmerken, sondern zog ihn mit sich hinunter. Es kam überraschend, aber nicht unwillkommen. Fahrig schlang Koumei die Arme um Hakurens nackten Rücken. Dessen Brust hob und senkte sich heftig, als sie einen kurzen Kuss tauschten. Hakurens Blick jagte ihm unzählige Schauer durch die Adern. Er konnte ihrer beider Herzschlag spüren. Viel zu schnell und stotternd. Hörte das Beben in ihren Atemzügen, das ihm verriet, wie sehr diese Nähe sie beide beeinflusste. Aber diese übertriebene Furcht empfand Hakuren ganz sicher nicht. Nein, wohl kaum. Er nahm sich nie die Zeit, viele Zweifel zu zulassen. Fröstelnd presste er sich an ihn. Konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Viel zu viele Emotionen schienen in seinem Geist durcheinander zu wirbeln wie eisiges Flusswasser. Wieder trafen sich ihre Lippen. Das war gut. Etwas, das er kannte. Etwas, das er genoss. Läge da nicht dieses leuchtende Verlangen in Hakurens blauen Augen. Koumei senkte die Lider, um diesem verschlingenden Blick zu entgehen. Gab sich stattdessen dem vertrauten Geschmack nach Heidelbeeren und Hakuren hin. Ihn zu küssen war so angenehm. Die Hände des anderen tasteten sich über seinen Rücken nach unten. Er registrierte es kaum. Diese Küsse waren herrlich. Und eine kluge Ablenkung. Doch schließlich nutzte selbst das nichts mehr. Als Hakuren beinahe zufällig seinen Hintern berührte, zuckte er unweigerlich zusammen. Scham brachte sein Gesicht zum Brennen. Er hatte sich fürchterlich erschrocken. Eigentlich hatte er das nicht gewollt, aber er konnte nicht anders. Er war solch ein Feigling! Verkrampft schaute er zu Hakuren. Ob er ihm jetzt böse war?     *     *~* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)