Fortune Files von Elnaro ================================================================================ Vicco 2: Purpurne Schwingen --------------------------- Für uns alle unerwartet, stellte sich Robert als Vaters Erbe heraus. Unmanipuliert sah David das mit Argwohn, da er diese Ehre seit jeher für sich zu beanspruchen versuchte. Wie Vater jedoch schon früh erkannte, taugte sein Erstgeborener nicht zum Anführer. Ich hingegen war immer schon der Informant und Strippenzieher im Hintergrund, kein Repräsentant der Macht. Hätte Vater Magret in ihrer Jugend nicht diese Abscheulichkeit angetan, wäre sie zur perfekten Sprecherin für unsere Familie avanciert. Meinen Kontakt zu unserer verstoßenen Schwester hatte ich all die Jahre aufrechterhalten. Es verstrich kaum ein Monat, in dem ich mich nicht konspirativ mit ihr ausgetauscht hätte, mit Ausnahme der Zeit um Ellys' Entführung, in der sie nicht ans Telefon zu bekommen war. Sicher konnte man ihr Verhalten durchaus als Verrat bezeichnen, oder aber als Akt der Vernunft. Sie wurde als der perfekte Feind betrachtet, eine immanente Dummheit und verschwendetes Potential. Meine hehren Ziele sahen schon lange eine Versöhnung mit ihr und den Traditionalisten vor und es bot sich so schnell keine bessere Gelegenheit mehr dafür als die Vollversammlung in vier Wochen. Der Wunsch nach einer intakten Familie verzehrte mich. Warum konnte nicht alles so sein, wie es vor Elisabeths Tod war? Nicht zufällig an diesem wichtigen Tag, würde ich der Vampirgesellschaft eine neue Zukunftsvision präsentieren, meinen Bruder Robert in der Rolle des neuen Alleinregenten. Unser verbrauchter Vater stellte schon seit der Einführung der "Triachsial Judikative" vor Jahrzehnten nichts weiter als eine Marionette für uns drei Brüder dar. Geschickt inszeniert sollte der Prozess seiner Absetzung leicht ins Rollen gebracht werden können. Das Vampirvolk wäre milde gestimmt und ebenso ich. Roberts Fokus sollte dann allein auf seinen neuen Pflichten liegen, während mir Ellys Betreuung zukäme. Als großherziger Bruder wäre ich dann selbstverständlich zur Stelle, ihr Herz für ihn zu übernehmen. Einziger Schwachpunkt meines Plans war Roberts zwingend notwendige Zustimmung zu dieser wahnwitzigen Idee. Ohne Rückhalt war es schlicht unmöglich, ihn zum König der Vampire auszurufen. Ich lud meinen jüngeren Bruder und seine wunderbare Frau, die bald schon die meine sein würde, deshalb kurzerhand nach Norwegen ein. Vieles sprach gegen meinen Palast in Manama als Treffpunkt. Die Schar an aufreizenden Dienerinnen sowie meinen Konkubinen, für die ich vielfach kritisiert wurde, war der vorrangige Grund. Damit mich dieser Umstand in Zukunft nicht behindern würde, fasste ich den Entschluss, den Harem vollständig umzukrempeln, ihn eventuell sogar aufzulösen. Diese Aufgabe sollte mich in den nächsten Wochen, neben der Neuplanung der Vollversammlung, noch beschäftigen. Wie so oft, holte ich Robert und Ellys mit einem Porsche am Flughafen ab, diesmal in Trondheim. Von meinem Haus lag dieser Ort zwar fast drei Autostunden entfernt, doch es gab keinen nahegelegenen Flugplatz, dessen Landebahn sich für den Jet eignete. Natürlich konnte ich mir einen bauen lassen, doch wenn ich ehrlich war, dann hasste ich Norwegen für seine abgeschiedenen Orte und diese verdammte Kälte. Ich glaube sogar, meine Bräune lasse schon langsam nach. Meine Auserwählte zu sehen, wirbelte mein Herz immer wieder aufs Neue auf. Sie war bezaubernd wie eh und je, trug wie immer diesen rosigen, gesunden Teint auf ihren Wangen und bewegte ihre Hüfte auf diese erotische Art und Weise, dass ich nicht anders konnte, als sie jede Minute unseres Zusammenseins verführen zu wollen. Sie strahlte bei nahezu jeder Begegnung mit mir eine Aura auf mich aus, die mich willkommen hieß. Wir beide verkörperten die gleiche Farbe, schwangen im gleichen Takt und dennoch lehnte sie mich ab. Sie gab mir die Schuld daran, dass sie mir diese positiven Zeichen sendete, ganz so, als zwinge ich sie dazu. Sicher, ein wenig half ich immer nach, doch tat ich dies bei ihr niemals beabsichtigt. Nun, ich war es inzwischen gewohnt, von Robert Ungewöhnliches zu erleben und doch verblüfften mich seine Streiche immer wieder aufs Neue. Für mich kaum nachvollziehbar, reiste er nämlich nicht nur mit unserer Liebsten an, sondern auch mit seinem lästigen Schatten, diesem schwarz gekleideten Diener, der Ellys nachstellte. Schon auf Schloss Bran und auch in Los Angeles hatte mir dieser Bengel dazwischengefunkt und wenn ich an die Szene in diesem schmuddeligen Motelzimmer dachte, wurde mir übel. Es war doch immer noch etwas anderes, wenn ein adliger Mann mit einer Dienerin schlief, als umgekehrt. Einer Frau sollte es nicht erlaubt sein, sich den Schmutz einen Dieners in ihren Körper impfen zu lassen. Das hatte ich schon versucht, Magret begreiflich zu machen, auch wenn dieser teuflische Akt zur Zeugung Elisabeths geführt hatte. Mein Ekel vor einer solchen Verbindung blieb dennoch indiskutabel. Wenn es um Ellys und ihre vermaledeite Verbindung zu ihrem schmutzigen Liebesdiener ging, entwickelte sich Robert zum Hasenfuß. Er war schlicht zu weich, um ihr Disziplin beizubringen, doch das würde sich ändern, sobald sie die Meine wäre. Bei mir würde sie lernen, wie sie einen Lucard zu behandeln hatte und das würde ihr mit Sicherheit größere Freude bereiten, als das Bett mit zwei unerfahren Männern zu teilen. Auch wenn Robert mein Bruder war und ich ihn hoch schätzte, im Bett konnte er nichts anderes als eine Lusche sein. Wie ließ sich der Bedarf nach diesem jungen Helfer an seiner Seite wohl sonst erklären? Während der Autofahrt unterließ ich es, pikante Themen wie dieses anzusprechen und verschwieg den Grund meiner Einladung vorerst. Typisch für ihn, wenn er nicht wusste, was ihn erwartete, reagierte Robert angespannt. Möglicherweise befürchtete er, ich könnte vor seiner Liebsten etwas über ihn ausplaudern. Geheimnisse besaß er reichlich und viele von ihnen hütete allein ich. Die jungen Vampire auf der Rückbank betrachteten die malerische Landschaft der Fjorde, die langsam an uns vorbeiflog. Robert zog es dagegen vor, den Blick starr auf die Windschutzscheibe zu richten. Dieser Narr! Die Welt stand ihm offen, doch er zog stets seine wehleidige Verbitterung vor. Was für eine Verschwendung! Mein Brüderchen konnte sich glücklich schätzen, dass ich diesem Frevel bald ein Ende setzen würde. Ich lächelte bei dem Gedanken zuversichtlich und sah den zukünftigen Führer der Vampirgesellschaft für mehrere Sekunden lang an. Auf den schwach befahrenen Straßen Norwegens konnte ich mir das leisten. Robert schnaufte und fragte danach verunsichert: „Sag schon, was tust du in diesen Breitengraden? Läufst du schon wieder vor deinen Problemen davon oder lebst du deinen lächerlichen Sonnenfetischismus nun in der Mitternachtssonne aus?“ „Ganz banalen Urlaub, wenn das erlaubt ist, ...“, antwortete ich, wobei mir fast noch ein spöttisches „Eure Majestät“ herausgerutscht wäre, das meine Intension vorzeitig verraten hätte. Er ließ es auf sich beruhen, also plauderte ich über ein paar Rahmenbedingungen dieses Landes, woraufhin er sie mit der Vampirpopulation und seinen aktuellen Verkaufsstatistiken ergänzte. Er schien die Absatzzahlen des UV-Blockers jedes Landes abrufbar im Kopf gespeichert zu haben. Mir derartiges zu merken, würde mir nie in den Sinn kommen. Da befasste ich mich lieber mit schönen Dingen wie Kunst und Architektur. An meinem Haus am See angekommen, begrüßte uns Maria, der ich ein weniger aufreizendes Dress verordnet hatte. Sie wurde von den beiden Jungvampiren recht schnell in ein seichtes Gespräch verwickelt. Ellys trug an diesem Tag ein hübsches Etuikleid, das nur von meinem Bruder ausgesucht worden sein konnte. Zum einen passte es zu seinem Sakko, und zum anderen stammte es unverkennbar aus der Hand seiner bevorzugten Schneiderin Heriette, die seinen Stil maßgeblich prägte. Einige ihrer Kombinationen stufte ich als gewöhnungsbedürftig ein, doch zu einem Exzentriker wie meinem Bruder passten sie recht gut. Als meine Liebste ein unfertiges Gemälde auf der Staffelei im Wohnbereich erblickte, konnte ich in ihrem Gesicht ablesen, dass sie sich geistig von ihrem Smalltalk mit Maria verabschiedet hatte. Aufmerksam betrachtete sie die auf dem hellen Ahornfußboden stehenden Leinwände fertiggestellter Arbeiten. Robert folgte ihr. Er wirkte nicht weniger verblüfft. "Wie schön sie sind", flüsterte sie meinem Bruder zu, der daraufhin zu mir aufsah. "Du malst?" "Seit neuestem, ja. Und zwar besser, als du dichtest", entgegnete ich süffisant. "Abstrakt…" urteilte er und blickte zurück auf mein unfertiges Werk. "Expressionistisch", konkretisierte ich und stellte mich neben Ellys, die ein Bildnis ihrer selbst auf einer der fertigen Malereien betrachtete, sich aber nicht erkannte, deshalb fragte ich: "Was glaubst du, stellt es dar?" "Du benutzt immer wieder die gleichen warmen Farben. Viel Rot, Rosa, Beige und einen Hauch von sattem Blau als kalten Akzent. Ich weiß nicht, wen oder was es darstellen soll, aber ich finde es wunderschön, ehrlich", antwortete sie beiläufig, als sei sie ganz in ihrem Bildnis abgetaucht. Zu ihrem Zustand passend, flüsterte ich ihr die wahre Bedeutung der Bilder ins Ohr. "Dies ist derzeit mein einziger Weg, meine Gefühle für dich adäquat auszudrücken." "Für…-", begann sie perplex, doch Robert unterbrach ihre Rührung. "Technisch gesehen sind sie nicht übel, wenn auch nicht mein Geschmack, aber sei's drum. Ich würde mich nun gern über den eigentlichen Grund unseres Besuches unterhalten, Vicco." "Sehr gern, Brüderchen. Ich schlage vor, Ellys und unsere Diener absolvieren einen Spaziergang entlang des Sees, während wir uns besprechen", empfahl ich, worüber sich meine wunderhübsche Angebetete sogar freute. Was mir übel aufstieß, war, wie sie sich an die Brust ihres Dieners warf, der an der Tür auf sie wartete und nun selbstzufrieden grinste. Ein derart ausgelassenes Benehmen würde ich bei einem wie ihm schwer abstrafen und auch Ellys bedurfte noch eines Feinschliffs. Es spiegelte keineswegs das Verhalten einer Dame ihres Standes wider, selbst dann nicht, wenn sie privat auf Reisen war. Robert sah den drei Jungvampiren noch eine Weile ausdruckslos dabei zu, wie sie am Ufer entlang schlenderten. Unser Ausblick ermöglichte uns, den Gletschersee und somit auch ihre Wegstrecke, kilometerweit einzusehen. „Interessante Haarfarbe, die dein Dienstmädchen da trägt“, bemerkte er dabei spitz, doch auf eine derart primitive Provokation ging ich nicht weiter ein. Wir setzten uns auf Korbstühle, die im Wintergarten zum See hin ausgerichtet standen. Zeitgleich begannen mein Bruder und ich uns gegenseitig mit Fragen zu löchern: „Warum hast du mich herbestellt?“, fragte er verstimmt und ich, in ähnlicher Tonlage: „Was schleppst du diesen schwarzhaarigen Knaben mit dir herum?“ Nun lächelte mein Bruder überheblich und versuchte, mir begreiflich zu machen, was er in dem Jungen sah. „Nun, Vicco. Dies war eine Lektion, die auch ich erst lernen musste. Mit Verlaub, deine Bekanntschaft mit Lyz kann wohl eher als flüchtig bezeichnet werden. Das junge Ding ist nicht ganz einfach, musst du wissen, insbesondere wenn man sie allein lässt. Trennte ich sie von Alexander, stellte sie jedes Mal etwas ausgesprochen Dummes an. Ich verweise hier auf meinen entflohenen Proband Null. Diesen Fehler begehe ich kein weiteres Mal, vor allem dann nicht, wenn wir dich besuchen, mein Lieber.“ „Ach, komm schon, Brüderchen. Was ist das für eine infame Unterstellung?“, beschwichtigte ich ertappt auf sein unechtes Lächeln einstimmend, doch er blieb überheblich. „Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich erinnere mich noch allzu gut an deine Drohung, kurz bevor wir sie in die Familie aufnahmen. Du hast mir versichert, sie dir zurückzuholen. Ich bezweifle, dass sich daran etwas geändert hat. Aber kommen wir zum Wesentlichen. Weshalb bestellst du mich nach Norwegen, wo du doch weißt, dass ich die Zeit sinnvoller in die Vorbereitung der Vollversammlung investiert hätte? Ich warne dich! Wenn es nichts mit der Versammlung zu tun hat, dann übergebe ich dir die stellvertretende Leitung informell noch heute und dann sieh zu, wie du mit unserem stumpfsinnigen Gefolge zurechtkommst!“ „Alles, nur das nicht. Selbstverständlich hat es etwas mit der Versammlung zu tun. Ich will, dass du den Lords und Ladys deine schicken purpurnen Flügel präsentierst“, gab ich zu, worauf sein Gesicht in sich zusammenfiel. Sofort fing er an zu wettern: "Das kann nicht dein Ernst sein! Wenn ich das tue, kann ich das 'Stellvertretend' gleich von der Visitenkarte streichen. Vergiss es, Vicco! Vergiss es, verstanden? Du wirst dort keine Revolution anzetteln! Wenn du etwas Derartiges vorhast, streiche ich dir deine Redezeit.“ „Oh bitte, Robert. Ich kann die Bühne jederzeit betreten, wenn ich Lust und Laune dazu habe. Vergiss nicht, dass es meine Show ist. Ich kann dich nur leider kaum dazu zwingen, die Macht zu übernehmen. Du verstehst also, dass ich auf eine Zusammenarbeit mit dir angewiesen bin“, erklärte ich, während ich seine Reaktion genauestens beobachtete. Ich versuchte, zu erkennen, welche Emotionen sich in Wahrheit in ihm regten und ob ich seinen Stolz insgeheim vielleicht ein wenig kitzelte. Die Abwehrhaltung in seinem Gesicht entsprach jedoch ganz genau dem, was er sagte. „Meine Flügel sind mein Trumpf, den ich jederzeit ziehen kann, und zwar dann, wenn ICH es für richtig halte.“ Jetzt hatte ich ihn. Meiner folgenden Argumentation würde er nichts entgegensetzen können. „Meiner Meinung nach ist jeder Tag, an dem wir so weitermachen, wie bisher, nur ein weiterer Verlust an Stärke. Es ist unumgänglich, dass wir die Gesetze reformieren, die vor hundert Jahren erlassen wurden. Nicht wenige von Rang und Namen halten sich schon seit Jahren im Verborgenen menschliche Sklaven, von denen sie trinken. Wir sollten mindestens Ausnahmegenehmigungen erlassen, denn sonst werden sie sich über Kurz oder Lang den Traditionalisten verschreiben. Unter vorgehaltener Hand werden schon seit einer Weile Absprachen dazu getroffen. Als Söhne der großen Lucard Familie sind wir dazu verpflichtet, auf solche Veränderungen zu reagieren. Das, mein lieber Bruder, ist die wahre Revolution, vor der wir uns fürchten sollten.“ Er war nach vorn gebeugt und hatte seine Unterarme auf den Beinen abgestützt. Robert hielt sich viel zu oft unter Menschen auf, um mitzubekommen, was bei Unseresgleichen passierte, doch genau dort lag meine Stärke. Ich hatte meine Augen und Ohren überall in der Vampir High Society, das wusste er und schätzte es auch an mir. Leider regte sich dennoch weiterhin Widerstand in ihm. „Immer die gleiche Leier von dir. Es ist ermüdend. 'Rang und Namen', dass ich nicht lache. Lass uns mit Abtrünnigen verfahren wie immer. Exekution, wenn es sein muss, auch öffentlich, an ein oder zwei Familienoberhäuptern und schon herrscht wieder Ruhe in den Reihen.“ „Wie immer bist du radikal pragmatisch. Sei kein Narr! Was wir hier brauchen, ist Fingerspitzengefühl“, versuchte ich ihn einzufangen. Ich wusste, dass er diplomatisches Geschick besaß, doch nicht die Muße hatte, es einzusetzen. Ein Manko, das er schnell bereinigen sollte. Tja und wie ich es vermutet hatte, wurde er nun einsichtig. „Du bist zu weich, um dieses Gesinde anzuführen, deshalb willst du mich nach vorn schicken. Vielleicht denke ich über deinen Vorschlag nach, die Führung zu geeigneter Zeit zu übernehmen, aber das wird nicht dieses und auch nicht nächstes Jahr sein. Außerdem bestehe ich darauf, dass du mich berätst. Ein bisschen von deinem Feingefühl direkt nach der Amtseinführung wird hilfreich sein.“ Er lehnte sich nun zurück und sah hinaus auf den See, an dessen Ufer sich uns die Dreiergruppe nun wieder näherte. Beim Blick nach draußen erweichte sich sein harter Gesichtsausdruck und er fügte seiner Aussage nun noch etwas hinzu. „Lyz braucht noch Zeit. Erst wenn sie bereit ist, werde auch ich es sein. Von deiner erzwungenen Proklamation lasse ich mir den Zeitplan sicher nicht diktieren.“ Robert hatte meinen Plan durchschaut und doch würde er ihn nicht durchkreuzen können. Tief im Inneren war er bereit und das war alles, was ich hören wollte. Ich sah ebenfalls nach draußen und runzelte die Stirn, denn ich musste beobachten, wie sich die drei jungen Vampire vergnügt gegenseitig mit Wasser bespritzten. Sogar Maria hatte ihren Spaß, die ich noch nie in einem ähnlich heiteren Gemütszustand erlebt hatte. Der schwarz gekleidete Diener hob Ellys an ihrer zierlichen Taille an und ging mit ihr ein paar Schritte in das eiskalte Wasser des Gletschersees hinein, wo er sie lachend absetzte. Ich sah zu Robert, der ganz entspannt blieb, während er ihnen zuschaute. „Wie hältst du das aus?“, fragte ich schließlich, worauf er seinen Kopf zu mir drehte. Er schmunzelte noch immer ganz zwanglos, ja, sogar liebevoll und gestand: „Um ehrlich zu sein, wünschte ich, ich wäre mit ihnen da draußen. Wie du weißt, habe ich junge Leute immer für ihre Enthemmtheit gehasst, wahrscheinlich, weil ich die Leichtigkeit in meinem Leben verloren oder sie nie besessen habe. Du willst vermutlich wissen, wieso ich Alexander nicht entlasse? Es liegt nicht nur daran, dass Lyz auf ihn als Gefährten besteht, ich selbst habe ihn ins Herz geschlossen. Er ist anders als der Rest meiner Angestellten, anders als jeder, den ich kenne. Dieser Junge steht dem Leben offen gegenüber und begegnet ihm ohne Furcht. Ich wüsste zu gern, wie er das anstellt. Verwende das ruhig gegen mich, Vicco. Ich habe diese Schwäche an mir bereits akzeptiert.“ Meine Augenbrauen hatten sich nur noch weiter zusammengeschoben als er sprach. Der Erbe des Urvampirs empfand Bewunderung für seinen Diener. So weit war er also gesunken. Elisabeth hatte viel von ihm ins Grab mitgerissen, zu viel, dachte ich in diesem Moment. „Wie dem auch sei, Bruder. Ich bitte um eine Gelegenheit, mich ungestört mit Ellys zu unterhalten.“ „Was solltest du mit ihr zu bereden haben?“, fauchte er direkt forsch, doch ich würde wohl kaum mein Herz vor ihm ausschütten, so wie er es tat. „Wenn ich es dir sagte, bräuchte ich keine Unterredung unter vier Augen, mein Lieber.“ Er nickte widerwillig einmal leicht. Direkt stand ich auf und ging hinaus, bevor er es sich anders überlegte. Ich nahm zwei Handtücher, die auf dem Holzgeländer auf der Veranda trockneten und ging damit zu meiner Angebeteten, die nun mit nassen Füßen am sonnigen Ufer stand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)