Amalia von Atina (Auf Anhieb Freunde treffen) ================================================================================ Kapitel 9: Parallelen --------------------- „Du glaubst nicht, wie bescheuert Männer sein können“, fing Amalia das Gespräch mit Julia an. Diese grinste bereits, denn Amalias Män-nergeschichten aus den Corpshäusern amüsierten sie jedes Mal aufs Neue. „Was haben sie nun schon wieder angestellt?“ „Die Montanen haben den Saxonen eine Liste geschickt, weil sie meine Ehre verteidigen wollen.“ „Was bedeutet das – eine Liste?“ „Es ist quasi eine Herausforderung – es stehen etliche Corpsbrüder auf dieser Liste, die fechten wollen gegen die Saxonen. Nimmt man diese Herausforderung nicht an, gilt man als feige. Vincents Corps hat das also nicht auf sich sitzen lassen und angenommen. Wenn man es zusammenfasst, duellieren die sich um mich. Argh!“ „Eigentlich ist es ja niedlich. Ich meine, sie mögen dich alle“, erwi-derte Julia. „Wenn ich nicht so wütend wäre, könnte ich mich vielleicht auch etwas darüber freuen. Ich habe mit meinem Bruder gesprochen und auch mit Vince – keine Seite will sich die Blöße geben.“ „Oh man, wie bist du nur da reingeraten?“ „Wenn ich das nur wüsste…“ Die Musik setzte ein und damit begaben sich die beiden Frauen auf ihre Plätze, um dem Aerobic-Kurs zu beginnen. *** „Bastian, können wir mal reden?“, Alexander steckte seinen Kopf durch den Türspalt zu Bastians Zimmer. „Ja, klar. Komm rein.“ Alexander betrat den Raum und schloss die Tür hinter sich, während Bastian einen Stuhl für seinen Corpsbruder an seinen Schreibtisch zog. „Ich weiß nicht, ob wir richtig gehandelt haben in der Sache mit den Saxonen. Mali war heute verdammt wütend.“ „Oh ja, sie kam mir im Flur entgegen. Wie eine Furie. So habe ich sie noch nie erlebt“, bestätigte Bastian. „Und sie meinte, sie kommt nicht mehr her, wenn wir die PP durchziehen.“ „Ach scheiße. Ich habe es voll versaut. Aber als du mir erzählt hast, dass die beiden Typen dich einfach so beleidigt haben, wollte ich nicht mehr stillhalten, sondern endlich handeln. Weil mich das mit Fischer auch so ankotzt“, meinte Alexander. „Aber magst du Fischer an sich nicht oder magst du sein Corps nicht? Mali hat diese Frage neulich aufgeworfen.“ „Tja, wenn ich das wüsste. Vielleicht beides ein bisschen. Aber ande-rerseits kenne ich ihn auch nicht wirklich. Ich bin die Sache wohl völlig falsch angegangen.“ „Mach dir keine Vorwürfe. Fehler passieren jedem mal“, versuchte Bastian ihn aufzubauen. „Und wie können wir meinen, … unseren Fehler korrigieren? Ich suche schon die letzten Stunden nach einer Lösung, die uns alle Ge-sicht wahrend aus der Sache herausbringt, aber mir fällt nichts ein.“ „Hmm… ich werde auch darüber nachdenken.“ „Danke“, sagte Alexander und seufzte. *** Die nächsten Tage vergingen und alle stürzten sich auf die Aufgaben, die für die Universität anstanden. Vincent erledigte seine Mathema-tikaufgaben gewissenhafter als sonst und fertigte Lernkarten für die Wirtschaftsvorlesung an. Alexander schrieb an seiner Hausarbeit und begann ebenso für die Klausuren zu lernen, die bald beginnen wür-den. Und auch Amalia versuchte sich mit Lernen abzulenken, doch eines der letzten Praktika stand noch an, das sie gemeinsam mit Julia vorbereiten wollte. Die beiden Frauen saßen bei Julia in der Wohnung, jeder vor seinem Teil der Vorüberlegung. „Mali, was ist los mit dir? Du bist gar nicht bei der Sache.“, wollte Julia wissen, als Amalia die einfachsten Reaktionsgleichungen nicht aufstellen konnte. „Ich habe seit einer Woche nichts von Vince gehört. Ich fühle mich so… so verloren. Keine Ahnung.“ Amalia war den Tränen nahe, als sie Julia ihr Herz ausschüttete, wo-raufhin ihre Freundin sie erst einmal in den Arm nahm und zur Be-ruhigung streichelte. „Das wird schon wieder. Denkst du nicht?“ „Ich weiß es nicht. Ich habe zwar gesagt, dass ich das Corpshaus nicht mehr betrete, wenn sie die Sache mit der Liste durchziehen, aber das sollte doch nicht das Ende unserer Beziehung sein.“ „Hast du ihm denn geschrieben?“ „Nein“, antwortete Amalia und schnaubte sich aus. „Warum nicht?“ „Erst dachte ich, Funkstille wäre in Ordnung. Vince würde sich schon melden, wenn er mit seinen Corpsbrüdern gesprochen hat. Und jetzt ist es irgendwie komisch. Ich habe Angst mich zu melden, weil ich Angst vor der Antwort habe. Ich will nicht, dass Schluss zwischen uns ist.“ „Ach Mali, es ist bestimmt nicht Schluss zwischen euch. Ihr seid nur irgendwie in die Mühlen geraten zwischen dem Konflikt der beiden Verbindungen.“ „Ich weiß nicht, was ich machen soll“, sagte sie und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Das kann ich dir leider auch nicht sagen, aber ich denke, dass Kom-munikation der beste Weg ist.“ „Ach, das ist doch alles Mist…“ „Kopf hoch! Das wird schon wieder!“ Julia lächelte ihre Freundin zuversichtlich an. „Und jetzt lenken wir dich ab mit der Vorbereitung des wunderbaren Praktikumsversuchs!“ Der Sarkasmus in Julias Stimme beim Thema Praktikum brachte Amalia schon wieder zum Schmunzeln. „Na dann. Sagen wir diesem Problem erst einmal den Kampf an.“ *** „Hey Alex, kommst du mit in die Stadt? Wir wollen durch die Bars und Clubs ziehen“, fragte Andre. „Eigentlich habe ich keine Lust“, erwiderte Alexander. Er fühlte sich immer noch schlecht wegen der Situation mit seiner Schwester und hatte kein Verlangen nach Party. „Na los, dann kommst du auf andere Gedanken. Bastian und Jan sind auch dabei.“ „Hmm, na gut. Mit Band oder ohne?“ „Wir dachten, mit.“ „Okay. Ich gehe mich schnell umziehen.“ „Alles klar. In einer Viertelstunde ist Abmarsch“, sagte Andre noch, während Alexander bereits das Wohnzimmer verließ. Wie angekündigt ging es fünfzehn Minuten später los Richtung Bus-haltestelle. Die vier jungen Männer trugen dunkle Jeans und Hemden, über der Brust verlief das Band in Corpsfarben. „Wo geht es zuerst hin?“ „Wie wäre es mit dem Shakers? Ein, zwei Cocktails bevor es zu die-sem neuen Club geht?“, schlug Jan vor. „Klingt gut.“ Alle nickten zustimmend, als der Bus an die Haltestelle fuhr. „Habt ihr in den Semesterferien schon was vor?“, wollte Andre von seinen Freunden wissen. „Lass uns doch erstmal die Klausurphase hinter uns bringen.“ „Oh man, darauf habe ich absolut keine Lust. Das Haus wird wieder im Chaos versinken, weil keiner die Zeit hat, aufzuräumen.“ „Aber irgendwie ist es ja auch schon Tradition, dass wir alle zusam-men im Kneipsaal an der langen Tafel sitzen und über unseren Skrip-ten hocken.“ „Dieses Semester müssen wir darauf achten, besser zu lüften. Das war so stickig, wenn man neu in den Raum kam, um nicht zu sagen, es stank.“ Der Bus brachte sie schnell in die Innenstadt und damit zur ge-wünschten Bar. Als sie an einem Tisch Platz genommen und die Be-stellung aufgegeben hatten, kam Bastian zurück auf Andres Frage aus dem Bus. „Sag mal, Andre, warum hast du vorhin nach den Semesterferien gefragt?“ „Naja, ich habe überlegt, ob wir nicht eine Tour zu den DFB-Pokal-Spielen machen könnten. Im August startet die erste Runde und wir könnten eine Art Rundfahrt zu den diversen Spielen machen. Viel-leicht irgendwo bei den Freundschaftscorps übernachten und am nächsten Tag zum nächsten Stadion fahren.“ „Das ist ja eine coole Idee“, meinte Jan. „Danke“, erwiderte Andre und deutete eine Verbeugung an. „Weißt du denn, welche Partien anstehen?“ „Ich habe sie mir schon angesehen, aber nicht gemerkt. Doch dieses Problem lässt sich ja schnell lösen“, meinte Andre und zog sein Smartphone aus der Hosentasche. Schnell waren die Spiele der ersten Runde mit Terminen und Uhrzei-ten gefunden. Die vier Köpfen beugten sich über den kleinen Bild-schirm und versuchten einen Blick darauf zu werfen. „Naja, das würde doch hier passen. Am 14. August spielt nachmittags erst der FC Chemnitz gegen St. Pauli und am Abend können wir Erz-gebirge Aue gegen Gladbach schauen, das ist ja nur ein Katzen-sprung“, sagte Bastian, der mit Andre den besten Blick auf die Spiele hatte. „Am Tag davor könnte man mit Jahn Regensburg gegen Bielefeld starten. Dann geht es nach Sachsen und von dort aus am dritten Tag nach Berlin zu Berlin Ankaraspor gegen Mainz.“ „Sind bis jetzt ja noch nicht so die großen Namen unter den Clubs“, sagte Jan und nahm einen Schluck von seinem Drink. „Das könnte dann am vierten Spieltag kommen – Bayern gegen TSV Germania Windeck.“ „Ja, das klingt doch nach einem Plan. Ab wann gibt es die Karten?“, wollte Alexander wissen. „Einen Moment“, meinte Andre und durchsuchte die Internetseite nach dem Termin. „Ah hier, in drei Wochen.“ „Alles klar. Dann versuchen wir mal Tickets zu bekommen.“ Sie stießen auf ihren Plan an und machten sich kurze Zeit später auf den Weg zu einem Club, der erst vor drei Monaten eröffnet worden war. Er war in dieser Zeit bestens besucht worden und hatte sich ei-nen guten Ruf unter den Studenten erarbeitet. Die Security am Ein-gang sah die Gruppe in Couleurs [Anmerkung: In Couleurs unterwegs sein bedeutet, dass man das Farbenband in der Öf-fentlichkeit über der Brust trägt. Bei Veranstaltungen auf dem Corpshaus ist das Tragen selbstverständlich.] zwar etwas misstrauisch an, ließ sie aber ohne ein Wort passieren. Nachdem sich die Vier mit einem Bier versorgt hatten, standen sie zunächst an einem Stehtisch am Rand der Tanzfläche und betrachte-ten das Clubgeschehen. Die Tanzfläche war gut besucht, ebenso wie die Bar. Auch die Sitzecken waren bereits belegt mit Partygästen, die sich aufgehübscht hatten und den Abend genossen. „Die Kleine da drüben schaut so verführerisch zu mir herüber. Ich glaube, ich geh mal zu ihr“, meinte Jan und lief mit seiner Bierflasche in der Hand zu der jungen Frau hinüber. Bastian, Andre und Alexander sahen ihm hinterher und feixten über ihren Corpsbruder. „Hoffentlich versaut er es nicht.“ „Die Hoffnung stirbt wohl zuletzt. Bis jetzt hat er doch alles in den Sand gefahren“, erwiderte Bastian. „Sei doch nicht so pessimistisch und drücke ihm die Daumen.“ „Dann drücke ich ihm halt die Daumen.“ Im Laufe der Zeit löste sich die Gruppe auf. Andre war zum Rauchen nach draußen gegangen und wollte auf dem Rückweg Nachschub an der vollen Bar holen, während Bastian eine Kommilitonin getroffen hatte, die mit ihm die Tanzfläche gestürmt hatte. Alexander nahm den letzten Schluck aus seinem Bier, als er ange-sprochen wurde. „Was ist das für eine Schärpe, die du trägst?“ Der junge Mann tippte auf das Band auf Alexanders Brust, er hatte dem Alkohol bereits gut zugesprochen. Hinter ihm standen scheinbar seine Freunde. „Das ist ein Band. Es trägt die Farben des Corps, in dem ich aktiv bin.“ „Was ist ein Corps?“ „Eine Studentenverbindung.“ „Was? Du bist in einer Studentenverbindung? Verpiss dich, du rechte Sau!“, pöbelte einer der hinteren Männer Alexander an. „Hau ab und lass dich hier nicht mehr sehen!“, schloss sich ein zwei-ter an. „Entschuldigt bitte, aber ich glaube, ihr versteht etwas falsch. Ich bin kein Burschenschafter, sondern ein Corpsstudent. Ich habe mit einer rechten Gesinnung nichts zu tun“, erwiderte Alexander. „Du kannst uns ja viel erzählen, wenn der Tag lang ist. Mach, dass du hier wegkommst.“ „Ich glaube nicht, dass ihr mir etwas zu sagen habt. Wenn ich hier meine Zeit verbringen möchte, dann werde ich mich davon nicht abhalten lassen.“ Alexander blieb selbstbewusst, doch ganz wohl fühlte er sich in dieser Situation nicht. Fünf junge Männer standen ihm gegenüber und sa-hen ihn nun hasserfüllt an. Seine Corpsbrüder waren weit und breit nicht zu sehen, auf Unterstützung konnte er nicht zählen. „Große Klappe hat der also auch noch.“ „Wir wollen dich hier nicht mehr sehen!“ Als Alexander immer noch keine Anstalten machte zu gehen, stieß einer der Männer mit beiden Händen grob gegen seine Brust. Alexan-der kam ins Straucheln, weil er damit nicht gerechnet hatte, stürzte jedoch nicht. „Spinnst du?!“ Ein weiterer Stoß, dieses Mal gegen den Rücken, folgte, wodurch Alexander gegen einen der fünf fiel. Der stieß ihn gleich wieder von sich. Es kam zu einem Gerangel, bei dem Alexander viele Stöße und Boxhiebe in die Magengegend einstecken musste. Er versuchte aus dem Kreis herauszukommen und dabei keine Gewalt anzuwenden, es war jedoch nicht möglich. Sie hatten ihn eingekesselt und ließen nicht mehr von ihm ab. Der Alkohol, den die Männer bereits konsu-miert hatten, ließ sie übermütig werden. „Ich habe euch nichts getan! Lasst mich gefälligst in Ruhe!“ Doch seine Worte wurden ignoriert. Und als er den ersten Schlag im Gesicht spürte, schlug er zurück. Dies stachelte die Gruppe nur noch mehr an. Alexander versuchte sich zu wehren und gleichzeitig, den Schlägen auszuweichen, was ihm nicht besonders gut gelang. „Fünf gegen einen ist ganz schön feige!“, sagte eine Stimme und einer wurde am Shirt aus der Gruppe herausgezerrt. „Was willst du denn?“ „Für ein ausgeglicheneres Verhältnis sorgen!“, antwortete Vincent und zog einen weiteren Angreifer von Alexander weg. Mit einem Ellbogencheck hielt er ihn sich weiterhin vom Leib. Alexander bekam etwas Aufwind und Rücken an Rücken mit Vincent versuchte er, die Männer so gewaltfrei wie möglich von sich fern zu halten. Der ein oder andere Schlag musste von beiden eingesteckt werden, doch dann tauchte die Security auf und trennte die Gruppe von Alexander und Vincent. „Alles okay bei euch? Sollen wir die Polizei rufen?“, fragte ein Mann des Sicherheitspersonals. „Lass mal gut sein. Die paar Schläge können wir schon ab“, antworte-te Alexander mit einem Blick auf Vincent, der nur nickte. „Alles klar.“ Während das Personal die angetrunkene Gruppe nach draußen beglei-tete, liefen die beiden Corpsstudenten schweigend zu einem der ande-ren Ausgänge. Als sie an der frischen Luft standen, nahm Alexander das Gespräch auf. „Danke, Fischer. Du hättest keine Schläge für mich kassieren müs-sen.“ „Ich weiß. Aber ich konnte dich auch nicht einfach allein lassen. Ich meine, auch wenn wir in unterschiedlichen Corps aktiv sind, sind wir doch irgendwo Corpsbrüder und müssen zusammenhalten.“ „Da hast du wohl recht. Danke!“ Alexander hielt ihm die Hand hin und Vincent griff gern nach ihr. „Du bist doch nicht so verkehrt wie ich dachte. Entschuldige, dass ich dich auf unserem Stifi so blöd angemacht habe.“ „Schon vergessen“, meinte Vincent und winkte ab. „Sag mal, wann hast du Amalia das letzte Mal gesehen?“ „Als sie mich gebeten hat, die Liste zurückzuziehen. Das ist letzte Woche gewesen“, antwortete Alexander. „Ja, da habe ich sie auch das letzte Mal gesehen. Sie war wütend, weil wir die Liste angenommen haben und hat sich mit mir deswegen ge-stritten. Ich habe mich nicht getraut, mich wieder bei ihr zu melden, weil ich Angst habe, dass sie nicht mehr mit mir zusammen sein will.“ Vincent hatte das Gefühl, ehrlich gegenüber Alexander sein zu können, ohne dass sich dieser über ihn lustig machen würde. „Okay, das ist blöd gelaufen. Wir haben Mali weh getan. Sie ist un-glücklich, du bist unglücklich und auch ich fühle mich schlecht mit der Situation. Sie will nicht mehr zu uns kommen, wenn wir das durchziehen.“ „Mhm. Das hat sie mir auch gesagt.“ „Dann lassen wir es“, meinte Alexander daraufhin. „Was meinst du?“ „Wir lassen die PP. Ich war ein Dummkopf, es überhaupt ins Rollen zu bringen. Die ganze letzte Woche zerbreche ich mir bereits den Kopf, wie ich es absagen kann ohne Gesichtsverlust.“ „Aber jetzt ist doch alles schon organisiert. Räumlichkeiten, Paukärzte…“, Vincent wusste nicht so recht, was er von dem Angebot halten sollte. „Wie viele von euch brauchen denn noch Pflichtpartien?“, fragte Ale-xander daraufhin. Vincent überlegte kurz und sagte dann: „Drei.“ „Bei uns müssten es auch drei Mann sein. Lass uns einen normalen Mensurtag daraus machen. Dann haben wir die PP nicht durchgezo-gen und Amalia ist glücklich.“ „Bekommst du das auf eurem CC durch?“ „Wenn ich ihnen die Situation erkläre, bestimmt.“ Alexander klang zuversichtlich. „Und wie bringen wir das Amalia bei?“ Alexanders Blick ging zur Armbanduhr, es war erst kurz vor Mitter-nacht. „Ob sie noch wach ist?“, überlegte er. „Ich glaube, sie hatte letzte Woche davon gesprochen, dass sie heute diesen Koch- und Filmabend in der WG machen wollen. Sie ist bestimmt noch wach.“ Es klingelte Sturm an der Haustür und Amalia und ihre Mitbewohne-rinnen sahen sich an. „Wer wird das denn um diese Uhrzeit noch sein?“ „Keine Ahnung. Ich geh mal nachsehen. Scheint ja wichtig zu sein“, meinte Amalia und stand auf. Nachdem sie durch den Türspion ihren Bruder gesehen hatte, öffnete sie ruckartig die Tür. „Alex, was ist denn passiert?“, fragte sie bestürzt. Das Gesicht ihres Bruders sah lädiert aus und war stellenweise geschwollen. „Mir geht es gut. Keine Sorge.“ Alexander ging einen Schritt nach links und Vincent trat an seine Seite. „Vince!“ Seine Lippe war aufgeplatzt, das heruntergelaufene Blut war inzwischen angetrocknet. Amalia schlug entsetzt die Hände vor Nase und Mund. „Habt ihr euch etwa gegenseitig verprügelt?“, brachte sie hervor und Tränen stiegen ihr in die Augen. Ihren Bruder und ihren Freund verletzt zu sehen, war zu viel für sie. „Lia, wein doch nicht. Uns geht es gut. Es sieht viel schlimmer aus als es ist“, Vincent nahm sie in den Arm und streichelte ihr beruhi-gend über den Rücken. Über seine Schulter hinweg sah sie Alexander zuversichtlich lächeln. „Vincent hat mir aus einer Schlägerei herausgeholfen“, sagte er. „Ei-ne Gruppe Betrunkener hatte mich in die Mangel genommen und er hat sich an meine Seite gestellt. Wir haben versucht, gewaltfrei zu bleiben, weshalb wir leider den einen oder anderen Schlag kassiert haben, bis uns die Security zu Hilfe kam.“ „In was seid ihr da nur hineingeraten?“ „Wir erzählen dir alles drinnen“, meinte Vincent und löste die Um-armung. „Okay. Kommt rein.“ Sie betraten die Wohnung und gingen in Amalias Zimmer, während sie selbst aus dem Tiefkühlschrank Kühlpads holte. Alexander musste sein Gesicht unbedingt kühlen, damit die Schwellungen nicht schlimmer wurden. „Amalia, was ist denn los?“, ihre Mitbewohnerin war aus ihrem Zimmer, in dem sie die DVDs schauten, in die Küche gekommen. „Vince und Alex sind in eine Schlägerei geraten. Ich weiß auch noch nicht mehr. Schaut ruhig ohne mich weiter.“ „Okay. Wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid.“ „Danke“, erwiderte Amalia lächelnd und lief dann zu ihrem Zimmer. Die beiden Männer sahen schrecklich aus. Die Gesichter waren ver-letzt, die Hemden völlig zerknittert durch das Gerangel und teilweise mit Blut bespritzt. Amalia reichte ihrem Bruder das Kühlpad, das er sich sofort an die Wange hielt. „Ach Jungs, was ist denn nur passiert?“ Sie setzte sich neben Vincent auf ihr Bett und sah abwechselnd von ihm zu ihrem Bruder, der auf dem Schreibtischstuhl saß. „Ich war mit den Jungs in Couleurs zur Kneipentour“, begann Ale-xander. „In dem letzten Club waren die anderen nicht mehr bei mir, zur Toilette, draußen rauchen, an der Bar…. ich weiß nicht, wo sie waren. Ich stand da also allein herum und plötzlich quatschen mich diese Typen an. Sie meinten, ich wäre rechts und solle verschwinden. Ich wollte mit ihnen in Ruhe reden, doch sie waren betrunken und ließen nicht mit sich reden, sondern schlugen gleich zu“, Alexander griff an seinen Rumpf und verzog schmerzverzerrt das Gesicht. „Musst du nicht vielleicht ins Krankenhaus?“ „Ich glaube nicht, dass das nötig ist. Ein paar Tage Ruhe, dann geht das schon wieder.“ Amalia vertraute nicht auf diese Aussage, ließ sich aber nicht weiter anmerken, dass sie sich um Alexander sorgte. „Und was hattest du in diesem Club zu suchen?“, wandte sie sich stattdessen an Vincent. „Rene hat seine mündliche Prüfung bestanden und uns auf ein Bier eingeladen. Er wollte unbedingt in diesen Club, weil er meint, dort sind die hübschesten Mädchen. Als ich gesehen habe, dass Alex in Bedrängnis geriet, bin ich ihm zur Hilfe geeilt. Naja, eine besonders gute Hilfe war ich natürlich nicht.“ „Es hat gereicht. Danke nochmal.“ „Sagt mal, ihr seid so nett zueinander. Habe ich da was verpasst?“ „Ach ja, weshalb wir eigentlich da sind – wir blasen die PP ab. Es wird ein normaler Mensurtag. Die anderen Corpsbrüder wissen zwar noch nichts davon, aber wir werden es ihnen schon erklären.“ „Ist das euer Ernst?“ „Ja“, antwortete Alexander. „Wir haben nur unsere Interessen im Kopf gehabt und dich damit unglücklich gemacht. Das tut mir leid.“ „Mir tut es auch leid. Du solltest mir wichtiger als das Corps sein und ab jetzt werde ich mich daran halten. Wenn du denn noch mit mir zusammen sein willst“, meinte Vincent etwas zerknirscht. „Ob ich noch mit dir zusammen sein will? Natürlich! Ich hatte die letzten Tage Angst, dass du mich nicht mehr willst“, gab Amalia zu. „Ihr seid mir schon ein paar Flitzpiepen“, warf Alexander ein. „Da harrt ihr so lange ohne einander aus und seid in Angst, dass eure Be-ziehung vorbei ist, dabei hättet ihr nur miteinander sprechen müs-sen.“ „Das sagt der Richtige! Du hättest ja auch einfach mit mir sprechen können“, erwiderte Amalia. „Dann wäre das hier alles gar nicht so weit gekommen.“ Die Absurdität der Parallelen musste Vincent plötzlich lachen und die Geschwister stimmten mit ein, auch wenn Alexander schnell wieder aufhörte, weil ihm das Gesicht zu sehr schmerzte. „Lasst uns einfach neu anfangen und uns versprechen, offen über alles zu sprechen.“ Alexander hielt ihnen seine Faust hin und sie stießen mit ihren Fäus-ten dagegen. „Einverstanden.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)