Amalia von Atina (Auf Anhieb Freunde treffen) ================================================================================ Kapitel 7: Stiftungsfest ------------------------ Kapitel 7 - Stiftungsfest Das 150. Stiftungsfest war etwas ganz Besonderes, denn zumeist konnte man nur an wenigen runden teilnehmen. Der Ball am Samstag begann um 19 Uhr und wurde in einem großen Ballsaal in der Nähe des Corpshauses veranstaltet. Neben den Aktiven, Inaktiven und Alten Herren mit Damenbegleitung waren auch Vertreter von Freundschaftscorps und ortsansässigen Verbin-dungen eingeladen. „Mali, gib mir deinen Mantel. Ich werde ihn zur Garderobe bringen“, sagte Bastian, der ihr als Tischherr zugeteilt worden war. Sie reichte ihm den beigen Sommermantel und sah sich dann im Foyer des Gebäudes um. Einige Kellnerinnen liefen zwischen den Gruppen umher und reichten Gläser, die mit Sekt und Oran-gensaft gefüllt waren. Amalia bemerkte die angeregten Gesprä-che zwischen den Gästen, viele hatten sich monate- oder gar jahrelang nicht gesehen. Die Aktiven liefen von einer Gruppe zur anderen, begrüßten die Alten Herren und ihre Damen, küm-merten sich noch um die letzten Fragen, die das Personal des Abends hatte. „Wollen wir hineingehen? Langsam füllt sich der Saal“, meinte Bastian, als er von der Garderobe zurück war. „Gern.“ Sie liefen zur großen Eingangstür des Saals, trugen sich in das Gästebuch ein und Amalia bekam als Dame eine rote Rose über-reicht. Als sie den Saal betraten, sah Amalia sich noch einmal um und entdeckte dabei Vincent, der das Foyer in diesem Mo-ment zusammen mit Rene betrat. Ein Lächeln erschien auf ihren Lippen. Sie freute sich, dass sie den Abend mit Vincent verbrin-gen konnte, es waren nur zwei Vertreter seines Corps eingeladen worden. Nach einer Ansprache des Seniors wurde bereits das Abendessen serviert. Im Hintergrund spielte eine Band ruhige Musik, es war eine angenehme Lautstärke, die Gespräche zuließ. „Neulich hatten wir Gäste auf dem Haus, die uns gegenüber un-aufgeschlossen waren“, berichtete Andre, nachdem die Suppen-teller abgeräumt worden waren. „Inwiefern?“, fragte der Alte Herr, der neben ihm saß. „Sie meinten, unsere Farben wären rechts“, antwortete der junge Mann und gab das Gespräch wieder, indem er seine Sätze und die des Gastes in unterschiedlichen Stimmen wiederholte. Gast: „Wir haben uns grad eure Internetseite angesehen und die ist ja mal voll rechts.“ Andre: „Was ist denn daran bitte rechts?“ Gast: „Schon die Farben…“ Andre: „Die Farben schwarz rot weiß wurden 1859 gewählt, da gab es noch kein zweites und kein drittes deutsches Reich.“ Gast: „Aber ihr müsst doch von den Menschen heute ausgehen und die assoziieren mit diesen Farben das schlechte.“ Andre: „Und wir sollen jetzt unsere Farben ändern, die Traditi-on haben? Es gibt Länder wie Ägypten oder den Jemen, die diese Farben in ihrer Flagge haben. Müssen die sie auch ändern?“ Gast: „Nein.“ Andre: „Na siehste.“ Gast: „Aber wenn ihr gegen den zweiten Weltkrieg seid und was da passiert ist, warum schreibt ihr das nicht auf die Internetseite?“ Andre: „Hast du einen Account bei StudiVZ oder Facebook?“ Gast: „Ja.“ Andre: „Hast du da drauf stehen, dass du den zweiten Weltkrieg scheiße fandest?“ Gast: „Nein.“ Andre: „Und warum sollen wir das dann machen?“ Gast: „Ähm, ja… Aber die Farben…“ Andre: „Ja, wir haben vorausschauend 1859 die Farben ge-wählt, weil wir wussten, dass Hitler kommt und wir ja rechts sind.“ „Danach wusste er dann nicht mehr, was er sagen soll.“ „Da hast du gut reagiert“, lobte der Alte Herr. „Auch zu unserer Zeit gab es immer wieder Menschen, die uns in die rechte Schiene drängen wollten. Sie verstehen nicht, dass es einen Un-terschied zwischen den Corps und den Burschenschaften gibt. Es würde ja sicherlich auch niemand auf die Idee kommen, eine Sängerschaft als rechts zu bezeichnen.“ „Leider. Und durch die Tendenzen einiger Parteien und ihrer Anhänger, die in den letzten Jahren aufgekommen sind, wird es nicht besser für uns werden. Wir werden oft zu ihnen gezählt.“ Das Gesprächsthema wechselte daraufhin zur aktuellen Politik und wurde erst durch das Servieren des Hauptganges unterbro-chen. Vor dem Dessert kam man an Amalias Tisch zu positive-ren Themen und erzählte von Reisen, die in der letzten Zeit ge-macht worden waren oder von Zielen, die man gern sehen woll-te. Nach dem Essen wechselte die Band die Musikstücke und er-höhte auch die Lautstärke, sodass sich die Tanzfläche mit immer mehr Paaren füllte. Die Tischordnung löste sich langsam auf, Alte Herren gesellten sich an andere Tische, da dort die Corps-brüder ihrer Generation saßen oder Corpsbrüder, die dieselbe Studienrichtung hatten. „Wo ist denn Mali?“, fragte Alexander. Er war an den Tisch getreten, an dem seine Schwester saß. „Sie wurde zum Tanzen aufgefordert“, antwortete Bastian. Alexander und Bastian sahen auf die gut besuchte Tanzfläche und entdeckten Amalia nach einiger Zeit. „Ist das etwa Fischer?“ „Ja., ich glaube schon“, meinte Bastian. „Wenn sie wieder hier ist, beschäftige dich bitte mit ihr. Ich will nicht, dass sie weiterhin Zeit mit Fischer verbringt.“ „Na klar.“ Alexander setzte seinen Rundgang zum nächsten Tisch fort, blickte aber noch einmal zu seiner Schwester, die glücklich lä-chelnd mit Vincent tanzte. Warum hatte Fischer ausgerechnet Amalia zum Tanzen aufgefordert? Hier waren etliche Altherren-töchter anwesend, die ebenfalls sehr attraktiv waren. „Du siehst heute Abend wunderschön aus.“ „Danke“, sagte Amalia und lächelte ihn an. Sie trug ein grünes, bodenlanges Kleid, das am Oberkörper eng-anliegend war und nach unten hin durch etliche Tüllschichten aufgebauscht wurde. Ihre Haare waren französisch an den Seiten geflochten und am Hinterkopf hochgesteckt, Bänder in Farben des Corps waren in die Zöpfe eingearbeitet. „Darf ich abklatschen?“ Bastian war an die beiden herangetreten, als eine kurze Pause zwischen zwei Liedern entstand. „Ungern“, sagte Vincent, überließ aber Bastian den nächsten Tanz. Er ging zurück zu dem Tisch, an dem die Vertreter der ortsan-sässigen Verbindungen saßen, beobachtete seine Freundin, wie sie mit einem anderen Mann tanzte und fühlte einen Stich im Herzen. Er wollte sie nur für sich. Als die beiden eine halbe Stunde später wieder zusammen gefunden hatten und sich an der Bar unterhielten, trat Bastian erneut zu ihnen. „Mali, Alex sucht dich, kommst du bitte mit.“ Amalia sah Bastian an, dann mit einem entschuldigenden Blick Vincent. „Entschuldige. Wenn mein Bruder ruft, möchte ich wohl folgen.“ Nachdem sie einige Meter neben Bastian hergelaufen war, fragte sie: „Sag mal, soll ich den heutigen Abend allein mit dir ver-bringen?“ „Nein.“ Bastian stellte sich unwissend an, wobei er doch genau wusste, warum sie ihn das fragte. „Und warum tauchst du dauernd auf? Wenn ich tanze, klatschst du ab. Wenn ich mich unterhalte, holst du mich weg“, erwiderte Amalia. „Ach, das bildest du dir ein.“ „Ich mag dich, Bastian, aber ich würde dich trotzdem bitten, mich heute nicht mehr zu stören.“ Als sie bei Alexander angekommen waren, wirkte dieser erst etwas überrumpelt, fing sich aber schnell, nachdem Bastian ihm nonverbal zu verstehen gegeben hatte, dass sie bei Vincent ge-wesen war. „Ach Schwesterchen, ich wollte gern auch mal mit dir tanzen.“ „Dann lass uns das lieber schnell hinter uns bringen, damit mei-ne Füße nicht so sehr leiden müssen.“ „Das war gemein. Warum bist du immer so gemein zu mir?“ „Weil du es verdient hast“, antwortete Amalia grinsend und leg-te dann ihre Hand in seine Hand. Glück auf, Glück auf! Der Steiger kommt, |: und er hat sein helles Licht bei der Nacht, :| |: schon angezünd't. :| Hat's angezünd't! Es wirft seinen Schein, |: und damit so fahren wir - bei der Nacht, :| |: ins Bergwerk ein. :| Ins Bergwerk ein, wo die Bergleut sein, |: die da graben ja das Silber und das Gold - bei der Nacht, :| |: aus Felsenstein. :| Der eine gräbt das Silber, der andre gräbt das Gold. |: Doch dem schwarzbraunen Mägdelein - bei der Nacht, :| |: dem sein sie hold. :| Ade, ade, ade, ade! Herzliebste mein! |: Und da drunten in dem tiefen, finstern Schacht - bei der Nacht, :| |: da denk ich dein. :| Und kehr ich heim, zur liebsten mein, |: dann erschallet des Bergmanns Gruß - bei der Nacht, :| |: Glück auf! Glück auf! :| „Guten Morgen, Corona!“ „Guten Morgen, Senior!“, rief der gesamte Saal Andre entgegen, der als aktueller Senior auf der Bühne stand. Wenige Minuten später begann die Band wieder zu spielen und das Fest ging weiter. Die Tanzfläche füllte sich langsam wieder und die Gespräche flammten erneut auf. Amalia stand an einem der großen Fenster, sah in die Nacht hinaus. „Hey Süße“, sagte eine ihr vertraute Stimme und zwei Arme schlossen sich um ihren Körper. „Hey...“ Sie schmiegte sich an seinen Körper und sah zu dem Himmels-körper hinauf, der mit seinem Licht die dunkle Nacht erhellte. Vincent küsste ihr Haar, lehnte seinen Kopf an ihren und genoss den Moment allein mit seiner Freundin. „Was willst du von meiner Schwester?“ „Amalia?“ „Ja, Amalia. Was willst du von ihr?“ „Ich bin mit ihr zusammen“, antwortete Vincent wahrheitsge-mäß. „Lüg doch nicht!“ „Es ist die Wahrheit. Amalia und ich sind seit drei Monaten ein Paar.“ „Lass die Finger von ihr!“ „Du spinnst doch!“ „Lass die Finger von ihr und verschwinde sofort! Ich will dich hier heute Abend nicht mehr sehen!“, erwiderte Alexander und deutete auf den Ausgang. Vincent sah ihn böse an, doch um ihn nicht noch weiter aufzure-gen und aus Respekt vor der Veranstaltung verließ er den Saal. Rene, der in der Nähe des Ausgangs stand, folgte ihm. „Was ist denn los?“ „Reinbacher hat mich rausgeworfen.“ „Warum?“ „Er will, dass ich mich von Lia fernhalte.“ „Ist er an ihr interessiert?“ „Er ist ihr Bruder.“ „Wo bist du denn?“ Amalia hatte bei Vincent angerufen, nachdem sie den ganzen Saal nach ihm abgesucht hatte. Er hätte ihr doch bescheid ge-sagt, wenn er gegangen wäre? „Rene und ich sind schon los.“ „Aber warum?“ „Dein Bruder hat mich rausgeworfen. … Wusste er denn immer noch nicht, dass wir zusammen sind?“ „Nein. Ich konnte es ihm nicht erzählen.“ „Er will, dass wir uns nicht wiedersehen.“ „Was? … Aber genau deshalb habe ich es ihm nicht erzählt. Es tut mir leid.“ „Lass uns morgen darüber reden.“ „Okay.“ Vincent hatte aufgelegt. „Verdammt…“, dachte sie und stopfte das Handy wütend in ihre Tasche. Was hat sich Alexander nur dabei gedacht? Mit schnel-len Schritten durchschritt sie den Saal in Richtung Garderobe. Sie holte ihren Mantel ab und lief dann Richtung Ausgang. „Mali!“ Sie lief ohne zu reagieren weiter, auch wenn sie Alexander ge-hört hatte. „Mali, warte!“ Sie reagierte immer noch nicht auf das Rufen. Als Alexander sie eingeholt hatte, hielt er sie an der Schulter fest. „Was soll das? Du hast mein Rufen doch gehört.“ Sie blickte ihn finster an. „Was mischst du dich in mein Leben ein?“ „Was?“ „Ich kann ja wohl zusammen sein, mit wem ich will!“, erwiderte sie und lief weiter. „Fischer ist nicht gut für dich.“ „Das muss ich doch wohl selbst entscheiden!“ „Mali, bitte lass uns darüber reden“, sagte Alexander. „Warum sollte ich jetzt mit dir reden? Du hast ja auch nicht mit Vincent geredet, sondern ihn einfach rausgeworfen.“ „Es tut mir leid. Ich habe überreagiert.“ Amalia blieb stehen, sah ihren Bruder jedoch nicht an. „Warum bist du mit ihm zusam-men?“ „Weil ich ihn liebe.“ „Ach Mali… Warum denn ausgerechnet einen Saxonen?“ „Das ist doch vollkommen egal. Es geht um den Menschen! … Du verstehst es einfach nicht.“ Sie sah ihren Bruder an und schüttelte verständnislos den Kopf, dann kehrte sie ihm den Rücken zu und lief weiter. Alexander ging zurück in den Ballsaal und ärgerte sich, über sich selbst, über Amalias Reaktion und vor allem über Vincent. 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