Zukunft und Vergangenheit von Kerstin-san ================================================================================ Kapitel 1: Zukunft und Vergangenheit ------------------------------------ Als River in der ihr so vertrauten Zellentür des Stormcage-Gefängnisses steht und den Doctor vor sich betrachtet, wünscht sie sich, dass sie noch nicht Abschied nehmen müssen. „Sie könnten uns begleiten“, schlägt er passenderweise in diesem Moment vor und scheint das Angebot wirklich ernst zu meinen, was es für River nur umso schwerer macht, es abzulehnen. Aber ihr Platz ist aktuell hier, in dieser spartanisch eingerichteten Zelle. „Ich breche oft genug aus, danke“, meint sie daher nur. „Und es gibt ein Versprechen, das ich erfüllen muss“, setzt sie wider besseren Wissens nach. Es ist nur ein kleines Mosaiksteinchen, nichts mit dem er aktuell etwas anfangen könnte, aber vielleicht wird er sich später zurückerinnen und das winzige Puzzlestückchen richtig einordnen können. Jetzt hebt der Mann vor ihr allerdings nur fragend seine Augenbraue und während River ihm liebevoll seine etwas schief sitzende Fliege zurecht zupft und sein Tweedjackett betrachtet, kann sie nicht verhindern, dass sie etwas wehmütig an ihre gemeinsame Hochzeit zurückdenkt und an die entscheidende Rolle, die dieser Fliege zuteil wurde. Draußen prasselt der Regen, vereinzelte Blitze zucken über den Himmel und tauchen den nur spärlich beleuchteten Gefängniskorridor phasenweise in ein etwas helleres Licht, aber River hat nur Augen für den Time Lord vor ihr. „Sie werden das alles schon früh genug verstehen“, meint sie etwas melancholisch, während der Doctor sie nur neugierig aus seinen ausdrucksstarken, grünen Augen beäugt. Es ist noch so früh in seiner Zeitlinie und sie weiß, wie sehr es ihn frustriert, dass sie noch immer ein Buch mit sieben Siegeln für ihn ist, aber so muss es sein. Ihre Vergangenheit ist seine Zukunft. Er wird schon sehr bald die Wahrheit über sie erfahren. Aber er muss es selbst herausfinden, sie darf ihm vorher nichts verraten. Das war seine eigene Regel. „Okay, ist Ihre Entscheidung“, meint ihr Ehemann, bevor er sich von ihr abwendet und in Richtung seiner TARDIS geht, die nur wenige Meter entfernt geparkt ist. Seine Schritte hallen dabei deutlich von dem feuchten Steinboden wider. „Wir sehen uns“, ruft er im Weggehen. „Rufen Sie mich an.“ River starrt ihm etwas entgeistert nach, ehe sie ihre Sprache wieder findet. „Was? Das war's?“, ruft sie und der Time Lord mit den braunen Haaren dreht sich scheinbar ahnungslos zu ihr herum, was River laut auflachen lässt. „Was ist los mit Ihnen?“, fragt sie provozierend und beobachtet mit funkelnden Augen, wie ihr Ehemann zu ihr zurückgeht und dabei seine Hände fragend ausbreitet. „Hab ich was vergessen?“, fragt er unschuldig und alleine dafür möchte River ihn sofort küssen. Dieser kleine Schlingel! „Ohh, sei still!“, kichert sie nur voller Zuneigung und schüttelt leicht grinsend den Kopf. Eigentlich müsste sie ihn schon alleine deshalb ohne einen Kuss nach Hause schicken, nur um zu sehen, wie verdutzt er dann schauen würde, aber sie bringt es nicht fertig das zu tun. Nicht nach den heutigen Ereignissen. Sie sehnt sich nach seiner vertrauten Nähe und außerdem besteht River auf ihre gewohnten Rituale. Also umfasst sie sanft sein Gesicht und zieht den Doctor näher an sich heran, ehe sie ihre Lippen auf seine legt und ihn in einen intensiven Kuss zieht. Sie unterdrückt nur mühsam ein wohliges Seufzen, als sich seine Lippen langsam teilen und er den Kuss erwidert. Sie kann seine warme Hand an ihrer Schulter fühlen und bemerkt, wie seine Nähe eine nur zu bekannte Gänsehaut in ihr auslöst, während ihre Hände zielstrebig zu seinen Hüften wandern und sie ihn noch näher an sich heranzieht. Sein Griff wandert erst zögerlich zu ihren Locken, dann etwas fahrig über ihre Arme, bevor seine Hände schließlich ganz von ihrem Körper verschwinden. Rivers Lippen verziehen sich zu einem triumphierenden Lächeln. Bestimmt weiß er wieder einmal nicht wohin mit seinen Händen. Sie kann sich geradezu bildlich vorstellen, wie er mit seinen Armen hin und herzappelt, weil er sich nicht entscheiden kann, was er mit ihnen anstellen soll. So ist er früher immer gewesen. Noch so jung und schrecklich unsicher. Wie sie das liebt! Wie sie es liebt, wenn er wegen ihr nicht mehr klar denken kann und sich ihr völlig hingibt.   Mit einem beinahe lautlosen Seufzer löst er sich schließlich von ihr und auf Rivers Lippen bleibt nur ein sachtes Kribbeln zurück. Als sie seinen entgeisterten Gesichtsausdruck sieht, verschwindet die angenehme Wärme, die sich auch in ihrem Magen ausgebreitet hat, jedoch langsam. Mit immer noch leicht nach ihm ausgestreckten Armen steht sie da, während in ihr nun ebenfalls ein Gefühl der Verwirrung aufsteigt. Warum sieht er sie so seltsam an? „In Ordnung“, murmelt der Doctor. „Okay. Das war interessant.“ Er kratzt sich mit einem Mal an seiner Wange und sieht völlig verblüfft aus, während River überhaupt nicht weiß, was sie von dem plötzlichen Stimmungswechsel halten soll. „Was ist?“, fragt sie verdutzt und auch etwas alarmiert. „Du tust so, als hätten wir das nie zuvor getan.“ Was ein kleiner Scherz sein sollte, um die Stimmung ein wenig aufzulockern, erweist sich urplötzlich als Boomerang, denn der Doctor schaut sie nur etwas hilflos an, während draußen die Blitze über den Himmel zucken und passend dazu grollender Donner erklingt. „Haben wir nicht“, bestätigt er und kratzt sich jetzt sichtlich nervös an seinem Kopf. River kann ihn darauf hin nur entgeistert ansehen. „Haben wir nicht?“, stößt sie seltsam erstickt hervor. Ihre Stimme zittert und sie hat das Gefühl, dass ihre beiden Herzen auf einmal viel zu schnell schlagen. Der Time Lord wirft einen raschen Blick auf seine Uhr und weicht ihrem Blick angelegentlich aus. „Oh, schon so spät? Ich muss weg“, murmelt er nervös. „Ähm“, stammelt er. „Aber, es, es war wirklich nett“, stottert er weiter, während River innerlich zusammen zuckt. Es war nett? Ihre Herzen ziehen sich schmerzhaft zusammen und seine Stimme klingt mit einem Mal seltsam fern, während das Blut in Rivers Ohren rauscht. „Es war... Es war gut“, verbessert er sich hektisch, „Äh. Und kam unerwartet“, beendet er seinen Satz schließlich und grinst sie etwas verlegen an, ehe er sich schwungvoll umdreht und zu seiner TARDIS geht. River stützt sich halt suchend an einem Gitterstab ihrer Zelle ab. Was sie jetzt braucht, ist etwas solides, etwas, an dem sie sich fest klammern kann, um diese Nachricht zu verdauen. Mühsam hält sie die Tränen zurück, die in ihre Augen zu steigen drohen, während sich ihre andere Hand zu einer Faust zusammengeballt hat und sich ihre Fingernägel fest in ihre Handinnenfläche bohren. Der scharfe Schmerz hilft ihr etwas, um einen klareren Kopf zu bewahren und ihre Fassade aufrechtzuerhalten. Vielleicht ist es gut, dass sie es seit Jahren gewohnt ist, eine Maske zu tragen. Eine Maske, unter der sie ihre wahren Gefühle verbergen kann. Wenn es etwas gibt, das River hasst, dann ist es, ihre Emotionen und ihre Verletzlichkeit anderen zeigen zu müssen. Also hat der Doctor vielleicht gar nicht bemerkt, was er mit diesen Worten in ihr angerichtet hat. Der Time Lord öffnet die Tür seiner TARDIS und dreht sich noch einmal zu ihr herum. „Wie sagt man noch gleich?“, grübelt er nachdenklich. „Für alles gibt’s ein erstes Mal“, grinst er und hebt zum Abschied grüßend die Hand, bevor er endgültig in seiner blauen Notrufzelle verschwindet. Erneut fährt ein stechender Schmerz durch Rivers Brust. Sie wusste genau, dass dieser Tag kommen würde. Sie wusste, dass es eine Zeit geben würde, in der sie ihm fremd ist. Aber es jetzt so plötzlich am eigenen Leib zu erfahren... Mit einem Mal wünscht sie sich, dass sein erster Kuss mit ihr nicht so überraschend für ihn gekommen wäre und dass auch sie Zeit gehabt hätte, sich auf diesen Moment einzustellen. Ihre beiden Herzen sehen sich nach dem Mann, der er einmal sein wird und den sie schon vor langer Zeit hinter sich gelassen hat und sie weiß, dass sie nie wieder das Privileg besitzen wird, ihm so nahe zu sein. „Und auch ein letztes Mal“, wispert River daher nahezu tonlos, ehe sie mit ansieht, wie die TARDIS vor ihren Augen dematerialisert und dabei ihr vertrautes, dröhnendes Geräusch ausstößt. Die Töne, die normalerweise ein Quell der Freude und Hoffnung sind, klingen in Rivers Ohren auf einmal seltsam trostlos, während sie alleine hinter den kalten Gitterstäben zurückbleibt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)