Out Of The Darkness von YouLi ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Out Of The Darkness     ~~~~~~~   Er stand am Grab seiner Mutter und blickte auf den nüchternen Grabstein herab. Hier lag seine Mutter. Seine Mutter. Die Person, die er über alles geliebt hatte. Und die er nicht zu beschützen vermocht hatte. Sein Herz brach jedes Mal bei diesem Gedanken. „Hallo Mutter“, seine Stimme klang dünn in der traurigen Stille. „Ich weiß nicht, ob ich es ohne dich schaffen kann.“ Selten lag so viel Wahrheit in einem Satz aus Oswald Cobblepots Mund. Er wusste wirklich nicht, ob er es schaffen konnte. Geschweige denn, wie. Niemand hatte je an ihn geglaubt, niemand hat ihn je geliebt. Außer ihr. Und jetzt war sie nicht mehr da. „Mutter“, wisperte er leise und schluckte seine Tränen hinunter. Er war das erste Mal hier. „Tut mir leid, dass ich es erst jetzt geschafft habe. Du hast etwas besseres verdient. Ein besseres Grab. Ein besseres Leben. Einen besseren“, jetzt konnte er eine Träne nicht mehr zurückhalten. „Sohn.“ Sein Herz riss ein weiteres Mal auf. Seine Mutter war nur tot – wegen ihm. Und das könnte und würde er sich nie, nie verzeihen. Nur weil er nach so viel Macht gestrebt hatte, war das letztlich passiert. Wäre er Fisch Moonys Regenschirmjunge geblieben, wäre alles anders gelaufen. „Aber keine Sorge, Mutter. Ich verspreche dir, ich habe mich geändert. Und ich werde es dir zeigen.“ Hoffnung schwang in seiner gebrochenen Stimme mit. „Ich komme zu dir und ich werde dich beschützen, vor allem und jedem.“ Sie war doch so unschuldig und zerbrechlich! Sie brauchte ihn! „Ich liebe dich. Warte auf mich.“ In einer liebevollen Geste legte er die Blumen auf das Grab und beugte sich ein Stück vor, um einen sanften Kuss auf den kalten Grabstein zu drücken. Als er sich abwandte, fühlte er sich so schwer und leicht zugleich. Er hatte nichts mehr, das ihn hier hielt. Entschlossen lief er aus dem Friedhof in Richtung des Flusses. Er hatte abgeschlossen mit seinem erbärmlichen Leben hier auf der Erde. Der Fluss hatte ihn schon einmal fast mitgenommen und diesmal würde er ihn lassen. Vor dem Abgrund blieb er stehen und blickte zum letzten Mal in den wolkenbehangenen Himmel. 'Ich bin der König von Gotham', lachte eine irre Stimme bitter in seinem Kopf und dann ließ er sich fallen. In den kalten, dunklen Tod.       ~~~~~~~     Edward sah in den dunklen Himmel und schloss die Augen. Schon seit Tagen sah Gotham so hoffnungslos aus wie er sich selbst fühlte. Er sah nur verschwommene Grautöne am Himmel. Ed trug seine Brille schon einige Tage nicht mehr. Seit dem Vorfall. Zum einen, weil sie ihn an sie erinnerte. Und zum anderen, weil er es nicht mehr ertrug, die grausame Welt klar zu sehen. Er wollte, dass alles verschwamm - sein Leben, die Realität, das was er getan hatte. Alles sollte verschwimmen und dann irgendwann verschwinden. Die letzten Tage hatte er sich so gehen lassen, dass ihm sogar ein Dreitage-Bart gewachsen war. Seine Haare kämmte er nicht mehr nach hinten. Wozu auch? Er hatte sich beim GCPD frei genommen, mit der Ausrede, dass Ms. Kringel ihn und Gotham verlassen hatte und er jetzt erst mal eine Auszeit bräuchte. Sie hatten ihm sofort geglaubt, immerhin wussten sie, wie lange er ihr schon hinterhergelaufen war. Schweren Herzens hing er seinen trüben Gedanken nach, während er am Ufer des Flusses entlang lief. Wie oft hatte er sich die letzten Tage gewünscht, einfach aus Versehen abzurutschen und allem ein Ende zu machen. Dann wäre er jetzt wenigstens bei ihr und könnte sich entschuldigen. Denn er war sich sicher, dass sie seine unzähligen geweinten und geschrienen Entschuldigungen nicht mehr gehört hatte. Zu dem Zeitpunkt war sie nämlich nur noch eine leblose Leiche in seinen Armen gewesen. Doch egal wie sehr er bei ihr sein wollte, egal wie sehr er sterben wollte – etwas ließ ihn nicht. Eine Macht in ihm. Ein jemand in ihm. Ed konnte nicht flüchten, nicht, wenn er noch in ihm war. Er war schon zurück an seinem Auto, als eine ihm vertraute Person an ihm vorbei lief. Er konnte nicht genau sehen, wer er es war, doch der angenehme Geruch kam ihm bekannt vor. Auch die Gangart. Er wollte den Gedanken abschütteln, doch irgendetwas an der Person hielt ihn gefesselt. Er blickte ihr nach und sah erschüttert zu, wie sie sich den Abgrund hinunterstürzte. Ein innerer Impuls trieb ihn hinterher. Er war sich nicht wirklich sicher, wieso. Wollte er sich der anderen Person anschließen und auch in den Tod stürzen? Oder wollte er sie retten? Er wusste es nicht. Auch die kalten Wassermassen, die über ihn hereinbrachen, konnten ihm keine Antwort darauf geben.     Das nächste, was er wusste, war, dass er unter der heißen Dusche seiner Wohnung stand. Er wusste nicht genau, wie er die Person gerettet hatte, noch wusste er genau, wieso. Was er mittlerweile jedoch wusste, war, dass die Person ein er war. Mister Pinguin um genau zu sein. Er hatte ihn nicht vergessen, diesen kleinen Mann, der lief wie ein zu stolzer Pinguin. Der Mann, der etwas an sich hatte, was ihn schon damals aufmerksam werden ließ. Etwas an ihm war so … anziehend. Zumindest fühlte sich der andere in ihm davon angezogen. Ratlos wusch er sich die Kälte des schmutzigen Flusses vom Körper und blickte den einsamen Wassertropfen hinterher. In dem Moment lag der andere in seinem Bett. In dem Bett, in das er den toten Leichnam von ihr gelegt hatte. Er schlief sowieso nicht mehr in dem Bett, dann konnte er es genauso gut dem anderen überlassen. Sein Gast hatte es viel nötiger als er. Nicht nur, dass er unterkühlt und ohnmächtig war, er hatte sich auch verletzt. Es musste wohl beim Sturz in den Fluss passiert sein, er hatte sich die Schulter wahrscheinlich an den Felsbrocken im Wasser angeschlagen. Er wusste nicht genau, was er von der neuen Situation halten sollte, ein Mann in seinem Bett – noch dazu ein äußerst gefährlicher Mann. Gefährlicher, als die dunkle Seite in ihm. Vielleicht fühlte sich sein anderer Part deswegen so sehr zu ihm hingezogen. Egal, wie skurril das Ganze doch war, zumindest lenkte es ihn ab. Von seinen eigenen düsteren Gedanken. Er hatte jemanden, um den er sich jetzt sorgen musste. Mister Pinguin war nun in seiner Obhut und er konnte nicht in seinem eigenen Leid versinken. Später vielleicht, wenn er seine moralische Pflicht getan und ihn anständig versorgt hätte.   Entspannter und etwas losgelöster stieg er aus der Dusche, trocknete sich ab und zog sich frische Klamotten an. Als er das Bad verließ, spannte sich seine innere Haltung wieder etwas an. Aufmerksam hörte er in die Stille. Mister Pinguin war noch nicht aufgewacht. Dafür war es viel zu leise. Einige Minuten stand er unschlüssig in der Badezimmertür und knetete nervös seine Hände. Als sich nach einer halben Stunde immer noch nichts rührte, wagte er einen vorsichtigen Schritt nach vorne. Und noch einen. Bis er am Bett stand. Er wusste nicht, was ihn hierhin führte, aber als er auf das schlafende Gesicht blickte, spürte er den blutenden Riss in seinem Herzen. In den zerbrechlich wirkenden Gesichtszügen des anderen Mannes erkannte er sich selbst. Etwas an dem Gesicht ließ ihn nicht los. Es sah so schmerzverzerrt aus und doch lag eine gewisse Friedlichkeit auf ihm. Vielleicht, weil er träumte. Vielleicht träumte er, tot zu sein. Deswegen die Friedlichkeit. Etwas wehmütig dachte Ed daran, was passieren würde, wenn der andere aufwachen und merken würde, dass er immer noch lebte. Dass er immer noch in der grausamen Realität gefangen war. Mit einem Kopfschütteln versuchte er den Gedanken beiseite zu schieben. Was dachte er da? Vielleicht wollte Mister Pinguin sich gar nicht umbringen. Vielleicht war es nur ein Unfall gewesen. 'Versuch nicht, dich selbst zu belügen', hörte er eine leise Stimme in seinem Kopf. 'Er ist so wie wir. Verzweifelt. Gebrochen.' Nein! Er wollte die Stimme im Moment nicht hören. Ehrlich gesagt, nie wieder! Dennoch konnte er seinen Blick nicht von dem Gesicht nehmen. Die schwarzen Haare, die ihm im Gesicht klebten. Die spitze Nase, die an einen Schnabel erinnerte. Der kleine, schmale Körper, noch zierlicher als die meisten Frauen, die er kannte. Fast schon einem Kind ähnlich. Er hatte ihn heute umgezogen und sogar ein wenig abgewaschen. Gesehen hatte er dabei nicht viel, da er seine Brille nicht aufhatte. Auch jetzt musste er näher herangehen, um das schlafende Gesicht besser erkennen zu können. Er war jetzt so nah, dass er jede dunkle Wimper erkennen konnte. Er spürte sogar den Atem des anderen auf seinem merkwürdig kribbelnden Gesicht. Stundenlang saß er so auf der Bettkante und konnte sich nicht satt sehen. Mit jeder Minute wurde sein leises Gefühl in ihm immer lauter: Sie beide fühlten das Gleiche. Immer mal wieder hörte er ein leises Wimmern von den blassen Lippen und ein leises Flehen. „Mutter.“ Es zerriss Edward fast das Herz. Wie unschuldig konnte jemand nur sein? Dass er in solch einem erwachsenen Alter noch so sehr an seiner Mutter hing? Mehr als an seinem eigenen Leben? Es rührte ihn zutiefst und bewegte etwas in ihm, was er seit seiner Kindheit schon nicht mehr gespürt hatte. Ein Gefühl von Familie, Geborgenheit. „Ssschhh“, hauchte er jedes Mal, wenn Mister Pinguin wieder panisch wimmerte und nach seiner Mutter flehte. „Schhh, Mister Pinguin. Alles wird gut“, wisperte er mitfühlend und strich die klebenden schwarzen Strähnen aus dem aschfahlen Gesicht. Er wusste nicht genau, wie lange er so dasaß, als sich das Gesicht auf einmal rührte. Schnell stand er auf und griff nach seiner Brille in seiner Kommodenschublade und setzte sich wieder auf das Bett. Bereit zu handeln, falls der andere einen Anfall bekommen würde. Ihm war klar, dass er dem anderen nicht so nah kommen sollte, und doch wollte er keine Regung in dem Gesicht verpassen. Deswegen brauchte er seine Brille. So nah wie die letzten Stunden durfte er ihm nicht kommen, wenn er ihn nicht verschrecken wollte. Er hatte schon seine Instrumente auf einem Beistelltisch zurecht gelegt, unter anderem Medikamente, Betäubungsspritzen und ein Glas Wasser. Egal, was passieren würde, er wollte auf alles gewissenhaft vorbereitet sein.     ~~~~~~~   Orientierungslos öffnete Oswald seine Augen und erschrak, als ihm ein seltsam lächelndes Gesicht immer näher kam. Erschrocken schnappte er nach Luft, als er realisierte, dass das kein Alptraum war. „Hallo Schlafmütze.“, hörte er den anderen und er begann sich abrupt zu bewegen. „Wo bin ich?“, stammelte er fordernd und versuchte panisch zurück zu weichen. „Plötzliches Bewegen und erhöhte Herzfrequenz sind kontraproduktiv für den Heilungsprozess!“, hörte er den seltsamen Vogel herunter beten und plötzlich sah er eine bedrohliche Spritze in dessen Hand. „Nein, nein, töte mich nicht!“, flehte er panisch und wandte sich wild umher, als er schon die kühle Nadel in seiner Haut spürte. „Entschuldigung im Voraus!“, hörte er noch, als um ihn herum alles schwarz wurde. „Ruh dich gut aus, mein gefiederter Freund. Wir haben eine lange Nacht vor uns.“ 'Was zum Teufel?!', waren seine letzten Gedanken, die ihn in die Dunkelheit begleiteten.     ~~~~~~~   Manisch lächelnd rückte sich Edward die Brille auf der Nase zurück, nachdem er die Spritze zurücklegte, und beobachtete 'seinen gefiederten Freund' aufmerksam. Er wusste zwar nicht, was eben passiert war, aber er hatte zum ersten Mal seit langer Zeit wieder seine Brille an und er fühlte sich wieder etwas mehr wie er selbst. Er hatte keine Ahnung, wie der andere es geschafft hatte, aber auf einmal fühlte Ed sich wieder lebendig. Vielleicht, weil das die ersten Worte seit Tagen waren, die er mit einem lebenden Menschen gewechselt hatte. Sein Pulsschlag war seltsam erhöht, als er sich auf die Bettkante setzte und mit einer Hand Pinguins Puls am Hals abtastete. Sein Freund würde jetzt erst mal einige Stunden schlafen. Zu schade, hörte er eine Stimme in seinem Kopf wispern und er konnte diesmal nicht mal wirklich widersprechen. Kapitel 2: ----------- Das nächste Mal, als Mister Pinguin seine Augen öffnete, spürte Ed ein aufgeregtes Rasen seines Pulses. Er hatte stundenlang geduldig gewartet, bis er aufwachen würde - obwohl er es kaum erwarten konnte, sich wieder so lebendig zu fühlen. Und endlich schlug er wieder seine Augen auf. Sie waren eisblau. Und erinnerten ihn an das Wasser, das sie gestern beinahe erbarmungslos verschluckt hatte.   „Wieso bin ich hier?“, war die erste forsche Frage. Perplex blinzelte Ed. Nun, er hatte jetzt nicht direkt mit Dankbarkeit gerechnet, aber die harte Art des Pinguins überraschte ihn dann doch.   „Ich habe dich gerettet“, antwortete er und lächelte aufgeregt. Abrupt hob Oswald eine Hand, um jeden weiteren Satz zu unterbrechen.   „Das ist mir schon bewusst, mein Freund“, meinte er unfreundlich. „Mich interessiert nur, warum!“   Perplex sah Edward dem anderen ins Gesicht. Seine Unfreundlichkeit tat seinem fröhlichen Lächeln keinen Abbruch. In erster Linie freute er sich, dass Mister Pinguin endlich aufgewacht war. Es fühlte sich so an, als ob er einen verwundeten Hund aufgelesen und gesund gepflegt hatte.   „Nun, das macht man doch, wenn jemand am Ertrinken ist, oder nicht?“ Eine Spur Unsicherheit begleitete seine Antwort. Erzürnt funkelten ihn die eisblauen Augen an.   „Ich war aber nicht am Ertrinken!“, rief der kleinere Mann ziemlich aufgeregt.   Natürlich wusste Ed das, aber im Moment wollte er davon nichts hören. Die letzten Stunden hatten seine eigene Dunkelheit weitgehend in die Ecke gedrängt und er genoss dieses neue Gefühl.   „Mister Pinguin, fühlen Sie sich hier wie zu Hause und ruhen Sie sich erst mal aus“, sagte er freundlich. Zornig richtete Oswald seinen Oberkörper auf und griff nach Eds Kragen.   „Ich will gehen! Sofort! Und wo sind überhaupt meine Klamotten?!“ Die Frage klang äußerst aufgebracht und verwirrt.   „Ich habe sie ausgezogen und entsorgt. Der Geruch war nicht mehr tragbar“, antwortete er in hoher Geschwindigkeit und in einer Art, als ob es selbstverständlich wäre, seinen Gast auszuziehen, wenn seine Kleidung roch.   Oswalds Mund stand offen und er blinzelte den anderen fassungslos an.   „Du...hast mich ausgezogen?!“, die Frage hallte schrill von den hohen Wänden des Lofts wider, während Oswald sich nun ganz vom Bett erhob.   „Mister Pinguin“, widersprach Ed nun energischer und zog ihn wieder auf das Bett zurück. „Ich fürchte, Sie können nicht gehen. Sie werden im Moment gesucht und in Ihrem Zustand schaffen Sie es keine drei Blocks weit!“ Lächelnd stand er auf und griff nach dem Tablett mit dem Wasserglas. „Hier, bitte. Das ist Wasser, nur Wasser. Gegen die Dehydration.“ Wie ein trotziges Kleinkind schob Oswald das Tablett von sich. „Was willst du von mir? ?“ Aus verengten Augen musterte er das ihm doch bekannte Gesicht.   „Glauben Sie an Schicksal?“, lächelte Ed aufgeregt und setzte sich auf den Rand des Bettes.   „Ich kenne dich“, sagte Oswald auf einmal überlegend. Glücklicher rückte Ed nun etwas näher und Oswald wich vorsichtshalber etwas zurück.   „Sie erinnern sich“, freute er sich. „Ed. Nygma.“ Er schenkte dem anderen ein breites Lächeln. Als der Name dem anderen nichts zu sagen schien, fügte er lächelnd hinzu: „Wir haben uns einmal getroffen, im GCPD.“   „Also bist du ein Cop?“, fragte Oswald argwöhnisch. Das würde zumindest erklären, wieso er ihn gerettet hatte. „Nein, nein“, lachte Ed amüsiert. „Ich mache die forensische Untersuchung.“ „Aha“, entgegnete Oswald trocken. „Und was will ein Forensiker von mir?“ Er dachte an die Spritze und die Geräte auf dem Beistelltisch. „Willst du an mir herum pfuschen?“, fragte er.   „Nein, nein nein“, lachte Ed wieder und rückte näher. „Ich versichere Ihnen, Mister Pinguin, ich habe keine kranken Absichten.“   Oswald wandte sein Gesicht entschieden ab. Irgendetwas an dem Gesicht des anderen war merkwürdig tröstend. Es fühlte sich fast an wie Vertrauen. Und genau das konnte er jetzt am wenigsten ertragen. Mit einer abrupten Bewegung schlug er die Decke zurück und lief zum Fenster. Tief in seinen melancholischen Gedanken gefangen sah er hinaus in Gothams Nacht. Es fühlte sich an wie Stunden, in denen er so dastand und der andere sich im Hintergrund hielt und ihn beobachtete. Schweigen und Traurigkeit erfüllte die Luft, die Ed nicht wagte zu stören.   „Mein Imperium liegt in Ruinen, ich bin ein gesuchter Mann ohne Freunde. Meine Mutter ist tot. Die einzige Person die ich beschützen wollte, ist nun tot! Wegen meiner Schwäche!“ Jedes Wort, das er aussprach, schmerzte Oswald, sein Gesicht war leidverzerrt. Wieder kehrte Schweigen ein und es war, als ob die beiden im Moment etwas teilten. Zumindest schien es so, als ob Ed Nygma an Oswalds Leid schweigend und mitfühlend teilnahm.   „Mister Pinguin, ich weiß, Sie wollen das jetzt vielleicht nicht hören oder erkennen, aber wir haben mehr gemein, als Sie vermuten.“ Er sprach langsamer als sonst, in dieser seltsamen Stille hörte sich seine Stimme merkwürdig sanft an. Ein leises Schnauben unterbrach die folgende Stille. „Und das wäre?“   „Auch ich habe kürzlich jemanden verloren. Die Liebe meines Lebens. Ich habe sie...umgebracht – versehentlich.“ Das irre Lachen erfüllte die Luft und brachte Oswald dazu, sich langsam umzudrehen. Interessierter betrachtete er nun den Mann vor sich.   „So wie Ihre Mutter ist sie gestorben – durch meine Schwäche.“ Oswald hob eine Augenbraue und wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Der Mann vor ihm wirkte nicht wirklich so, als ob er eine Gefahr für ihn wäre. Aber das Letzte, was er im Moment wollte, war sich mit Problemen anderer Leute herumzuschlagen. Lange betrachtete er den Forensiker, bevor er einen Entschluss fasste.   „Wie auch immer. Gesucht oder nicht, ich werde jetzt gehen.“ Entschlossen reckte Pinguin seine Nase in die Höhe und wollte an seinem Retter vorbei stolzieren. Doch die Kraft verließ ihn, alles drehte sich und dann kippte er um. „Oh weh“, murmelte Ed und blickte auf den kleinen Körper hinab. Es wäre nicht das erste Mal, das er den anderen auf seine Arme nehmen müsste. Und erstaunlicherweise klappte das gut. Wieder hatte er Oswald auf seinen Arme und trug ihn zum Bett.   „Schlafen Sie gut, Mister Pinguin“, wisperte er liebevoll und lächelte mitfühlend. Er würde den anderen schon gesund flicken. Nicht nur körperlich. Er konnte sich selbst nicht erklären wieso, aber ein innerer Drang, den anderen wieder aufzubauen, hatte von ihm Besitz ergriffen. Vielleicht glaubte er, dass ihm das gut tun würde, sich um jemand anderen zu kümmern.     ~~~~~~~   Es vergingen Stunden, Tage. Sein Gast verließ selten das Bett. Er selbst schlief auf der Couch in der Ecke. Sie redeten kaum, aber nur weil der andere keine Anstalten machte, seine Fragen zu beantworten. Stattdessen wickelte er sich wie ein kleines Würmchen in die Decken ein und summte ständig ein Lied. Glücklicherweise kannte Ed das Lied und hatte es sogar auf Schallplatte. Er wollte unbedingt einen Zugang zu Mister Pinguin finden, ihm Trost spenden. Guter Dinge legte er die Platte ein und setzte sich an sein Piano. Zaghaft fing er an zu spielen und sang die wenigen Zeilen mit. Und siehe da. Mister Pinguin rührte sich. Ein warmes Gefühl erfüllte Eds Brust bei diesem Lebenszeichen.   „Wieso spielst du das Lied?“, motzte er alles andere begeistert. Ed ließ sich nicht beirren. „Ich bringe Tränen in deine Augen und erwecke die Toten wieder zum Leben. Ich entstehe sofort und bleibe ein Leben lang. Was bin ich?“ „Eine Erinnerung. Und?“, zischte Oswald unfreundlich. „Du hast es unter den Decken gesummt, deswegen gehe ich davon aus, dass dir das Lied etwas bedeutet.“   Kurz schien es, als ob Oswald nicht mit dieser Antwort gerechnet hatte. Lange Zeit blieb er still. Dann fing er an von seiner Mutter zu erzählen. Langsam und voller Schmerz. Bedächtig erhob sich Ed und setzte sich vorsichtig zu Oswald auf das Bett. Aufmerksam hörte er ihm zu. Als Oswald von seiner Mutter sprach, sah er so verletzt, aber gleichzeitig auch glücklich aus. Dann änderte sich sein Gesichtsausdruck zu leidend. „Erinnerungen, das ist alles was ich jetzt noch habe und sie sind wie Messerstiche in meinem Herzen.“ „Aber nicht für immer“, entgegnete Edward zuversichtlich. Es trat eine lange Pause ein und Oswald sah so aus, als ob er sich wieder unter seine Decken verkriechen und sich so klein wie möglich machen wollte. So klein, dass ihn das Elend der Welt nicht finden würde. Die Stille wirkte etwas bedrückend, besonders weil Edward auch nicht mehr lächelte. Er betrachtete den anderen still und in Gedanken. Dann setzte er seine Brille ab und rieb sich schweigend den Nasenrücken. Als er den Schwarzhaarigen wieder ansah, sah er nur noch verschwommen. Und das sollte so sein. Seine Stimme war vorsichtig und leise, als er sprach.   „Bist du gesprungen?“ Es war die Art, wie er es aussprach. So, als ob er die Antwort schon wusste und eigentlich nur wissen wollte, wieso. Obwohl er das eigentlich auch schon wusste. Aber irgendetwas in seinem Blick verriet Oswald, dass es noch mehr war. Dass die Tatsache, dass er wirklich gesprungen war, den anderen ganz und gar nicht kalt ließ. Oswald konnte den ehrlich mitfühlenden, traurigen Blick nicht länger ertragen und wandte seinen Blick ab. In diesem Moment griff Edward nach seiner Hand und Oswald hörte für einige Sekunden auf zu atmen. Die Berührung war so sanft, so ungewohnt. Er wagte es nicht, den anderen anzublicken, doch er hielt die Hand fest. Sie fühlte sich seltsam tröstend an, so verständnisvoll. Am liebsten hätte er seinen Kopf irgendwo angelehnt, nach Halt suchend. Aber er wollte keine Schwäche zeigen. Die letzten Tage hatte er zu oft Schwäche gezeigt. Er wollte seinem Retter nicht noch mehr das Gefühl geben, dass er ihn brauchte. Er wollte nicht noch jämmerlicher erscheinen als ohnehin schon! Doch etwas war an dem anderen, was ihn seltsam beruhigte.   Er spürte, wie seine Hand losgelassen wurde und dann setzte Edward seine Brille wieder auf. Mit diesem Moment änderte sich sein Gesichtsausdruck wieder. Er wirkte selbstbewusster und lächelte wieder. Der gebrochene, endlos traurige Ausdruck in den Augen war verschwunden, und Entschlossenheit trat an seine Stelle. „Mister Pinguin, du und ich, wir haben beide das Wertvollste in unserem Leben verloren, aber ich glaube, dass uns das stärker machen wird.“ Der plötzliche Wandel irritierte Oswald so sehr, dass er sich vor den Kopf gestoßen fühlte. „Wie soll uns das stärker machen?“, schrie er nun außer sich. „Ich habe sie geliebt! Und sie war die einzige, die mich je geliebt hat! Ich habe dich nicht gebeten, mir zu helfen! Ich wollte sterben!“ Aufgebracht und erzürnt erhob er sich nun vom Bett.   „Geh zur Seite! ED!“, rief er außer sich, nicht wirklich registrierend, dass er den anderen zum ersten Mal mit seinem Vornamen ansprach.   Scheinbar ungerührt von dem Ausbruch holte Edward etwas aus seiner Hosentasche und hielt es Oswald hin. Es war ein Taschenmesser. Perplex blickte Oswald darauf. Was sollte er jetzt bitte damit? „Ich gebe dir die Wahl, Mister Pinguin. Wenn du wirklich sterben möchtest, dann tu es. Ich halte dich nicht auf.“ Oswald war sprachlos. Ihm klappte die Kinnlade herunter. „Was?“, hauchte er bedrohlich. „Du hast die Wahl. Wenn du leben willst, dann entscheide dich dafür. Und gib nicht mir die Schuld dafür, dass du noch lebst.“ „Oder“, zischte Oswald und hielt ihm das Messer bedrohlich an den Hals. „Ich nehme dir auch gleich die Entscheidung nach Leben oder Sterben ab.“ „Ich habe keine Angst, Mister Pinguin.“ „Ach, nein?“, zischte Oswald manischer und drückte das Messer fester gegen die weiße Haut. „Nein.“ Oswalds Augen funkelten voller Mordlust und Ed legte seine Finger vorsichtig auf seine. „Wir sind alleine, Mister Pinguin. Du und ich. Und es liegt in unserer Hand, was wir daraus machen. Deiner Mutter und meiner Freundin bringt es nichts, wenn wir uns selbst zerstören.“ Seine Stimme war eine Spur weicher geworden und Oswald zögerte. Er spürte, wie die andere Hand die seine vorsichtig festhielt und ihm das Messer entnahm. Er ließ alles geschehen, denn auf einmal fühlte er sich müde. Als ob ihm jemand die Energie heraus gesaugt hatte. Er war noch nicht ganz fit und er durfte sich eigentlich gar nicht aufregen. Und ehrlich gesagt, der andere hatte Recht. Obwohl er es nicht hören wollte. Im Moment wollte Oswald nur noch zurück unter diese kuscheligen, warmen Decken mit diesem seltsam beruhigenden Geruch. Dem Geruch des anderen.       Kapitel 3: ----------- Die nächsten Tage versuchte Ed den Vorfall mit dem Messer und seiner sehr forschen, direkten Art wieder gut zu machen. Es lag nicht in seiner Absicht, den anderen zu verletzen, er wollte ihn nur wach rütteln und aus seiner selbstzerstörerischen Depression heraus ziehen. Und er musste sagen, er hatte immer mehr Erfolg damit. Er verzichtete auf harte Worte, spielte stattdessen mehrmals täglich Pinguins Schlaflied und sang es ihm vor dem Schlafengehen vor. Sie redeten wieder lange miteinander, diesmal ohne sich gegenseitig zu bedrohen. Manchmal nahm er seine Brille ab, dann wurden die Gespräche tiefer und einfühlsamer. Doch er hielt es nie lange ohne Brille aus. Denn er musste früher oder später Oswalds Gesicht sehen. Er wollte genau den Ausdruck in den hellblauen Augen betrachten und sein trauriges Lächeln sehen. Aber jedes Mal, wenn er die Brille aufsetzte, veränderte er sich. Dann wurde er selbstbewusster, manchmal sogar etwas zu direkt. Das war die andere Seite in ihm, die allerdings verhältnismäßig zahm war, seitdem Pinguin bei ihnen war.   Auch Oswald waren die Veränderungen aufgefallen. Da es aber nichts war, womit er nicht umgehen konnte, sprach er es nie an. Er verstand es sogar irgendwie. Und er wusste nicht mal, welche Seite er an dem anderen mehr mochte. Mit Ed in seinem Leben fühlte sich alles langsam wieder leichter an. Er war nie alleine, es war so wie damals, als seine Mutter noch lebte. Da war immer jemand, der sich um ihn kümmerte, der ihm immer zuhörte und der ihn tröstete. Jeden Morgen, wenn er aufwachte, hatte der andere schon ein Frühstück zubereitet. Er durfte immer so lange schlafen, wie er wollte. Ed ging schon sehr früh zum GCPD, doch er rief immer etwa um die Uhrzeit an, zu der Oswald aufwachte. Er sagte ihm dann, dass das Frühstück in der Küche für ihn schon bereit war und fragte ihn, wie es ihm ging. Abends nach seiner Arbeit brachte er Essen mit, Chinesisch, Indisch oder Italienisch. Immer wieder versicherte er ihm, dass er sich ganz zu Hause fühlen sollte.   ~~~~~~   Sie schauten oft zusammen auf der Couch alte Mafia-Filme und aßen Popcorn. Einmal beschlich Oswald währenddessen ein Schuldgefühl. „Du bist immer zu Hause. Wegen mir. Langweilst du dich nicht? Du kannst auch mal abends ausgehen, du musst nicht nur wegen mir auf dein Sozialleben verzichten. Sicher fehlt dir das – Restaurantbesuche oder Kinoabende.“ Edward lächelte nur. „Ist das hier denn kein Kinoabend? Wir haben Popcorn“, schmunzelnd deutete er auf die Schüssel zwischen ihnen und Oswald verrollte belustigt die Augen. „Du weißt, was ich meine, Ed.“ „Nein, es fehlt mir nicht. Ich habe kein Sozialleben, oder Freunde, falls du das meinst.“ Obwohl sich das irgendwie traurig anhörte, sah Edward ganz und gar nicht so aus. Er griff nach Oswalds Hand und drückte sie. „Ehrlich gesagt, mit dir in meiner Wohnung fühle ich mich zum ersten Mal so, als ob ich ein Sozialleben hätte.“ Er lachte verlegen auf und ließ dann seine Hand los. Unangenehm berührt, weil er wohl merkte, wie armselig sich das angehört haben musste, sah er schnell auf die andere Seite. „Aber wenn es dir fehlt, Oswald, dann können wir vielleicht irgendwann mal etwas organisieren. Du kannst dich verkleiden und ich fahre uns mit dem Auto in die nächste Stadt.“ Er sprach wieder ganz schnell, sein Gehirn überflutete ihn mit Ideen. Das brachte Oswald zum Lächeln, doch er winkte ab. „Nein, ich bin hier glücklich. Bei dir. Mit dem guten alten Paten.“, er winkte in Richtung des Fernsehers. „Und Popcorn natürlich.“ Er lachte und Ed stimmte glücklich mit ein.   ~~~~~~~   Es wurde immer seltener, dass Oswald von Traurigkeit und Selbsthass geplagt wurde. Manchmal aber wachte er schweißgebadet auf, weil seine sterbende Mutter seine Träume heimsuchte und dann konnte er seine Tränen nicht aufhalten. Jedes Mal kam Edward an seine Seite, brachte ihm ein Glas Wasser, flüsterte ihm beruhigende Wörter zu, summte leise das Schlaflied seiner Mutter oder kniete einfach neben das Bett und strich ihm die schweißnassen Haare aus dem Gesicht. Einmal war es so schlimm, dass Edward befürchtete, der andere würde wieder in die Dunkelheit hinab gleiten. Als keine seiner Bemühungen einen positiven Effekt auf Oswalds Gemütslage hatte, holte er ein Blatt Papier und setzte sich zu dem anderen auf das Bett. Oswald ignorierte ihn und starrte leblos, mit Tränen in den Augen, an die Decke. Als er das Falten von Papier hörte, wurde er jedoch hellhörig und schenkte dem anderen Beachtung. Dieser summte leise das Schlaflied und faltete etwas. Oswald war neugierig, aber gleichzeitig fühlte er sich auch so zerstört, dass ihm alles egal war. Trotzdem riskierte er einen Blick. Er sah ein benutztes, altes Blatt Papier, die Seiten schon eingerissen und so eng beschrieben und bemalt, dass es fast schon schwarz schien.   „Das warst du, Oswald. Ein so dicht beschriebenes Papier, fast schon schwarz. Kein Fleck weiß mehr übrig, kein Platz für Licht. Die meisten Menschen würden es für Abfall halten. Schmutzig, zerrissen, benutzt, nutzlos. “ Oswald sagte nichts dazu. Falls das eine neue Masche von Edward war, ihn wieder aufzumuntern, dann ging sie nicht wirklich auf. Am Rande bemerkte er noch, dass Edward wieder seine Brille aufhatte. Ungewöhnlich, denn sonst kam er in der Nacht immer ohne Brille an sein Bett. Er drehte sich wieder um und verkroch sich leise schniefend unter seine Decke. Nach einer Weile spürte er, wie Ed etwas auf das Kissen legte. Dann öffnete er die Augen. Vor ihm, auf dem Kissen, stand ein kleiner Papierpinguin. Von dem alten, zerrissenen Stück Papier war fast nichts mehr zu sehen. „Und das bist du jetzt. Das ist der Mann, den ich sehe. Trotz aller Hoffnungslosigkeit hast du dich selbst verwandelt. Andere mögen vielleicht den wertlosen Abfall Gothams sehen. Ich sehe einen Mann, der aus sich sich selbst ein Kunstwerk erschaffen hat.“ Sprachlos nahm Oswald den Pinguin in seine Hand und betrachtete ihn voller Bewunderung. „Gute Nacht, mein kleiner Pinguin“, flüsterte Ed leise, während er das Nachtlicht wieder löschte und kurz Oswalds Kopf streichelte. Seitdem stand der Pinguin auf dem Nachttisch. Immer wenn es Oswald wieder schlecht ging, nahm er ihn in die Hand und betrachtete ihn, während er an Edwards Worte dachte.   ~~~~~ In seinen Augen war der andere zu einem richtigen Freund geworden. Zu seinem einzigen Freund. Wahrscheinlich sogar zu seinem ersten Freund in seinem Leben. Mittlerweile waren schon Wochen vergangen. So lange war Oswald jetzt bei seinem Retter. Und obwohl es ihm schon viel besser ging, dachte keiner der beiden daran, etwas an der Situation zu ändern. Ed bestand darauf, dass Oswald so lange bleiben sollte, bis die Luft in Gotham wieder rein war und er nicht mehr der meistgesuchteste Mann Gothams war.   In diesem Moment saß Edward ihm gegenüber, er hatte ihnen Chinesisch mitgebracht, so wie die Tage zuvor auch, und strahlte ihn glücklich an. Verspielt trommelte er auf den Pappkartons herum und fing wieder an zu singen. Lachend stimmte Oswald mit ein. Es war das Schlaflied von seiner Mutter. Losgelöst alberten sie herum und hatten Spaß. Oswald fühlte sich wie im Kindergarten, aber das war etwas gutes. Manchmal vergaß er seine Sorgen, wenn er in die dunkel funkelnden Augen blickte. Aufgeheitert ließ er seinen Blick aus dem Fenster schweifen. Sein Imperium, die Fahndungen nach ihm, das alles war ihm egal. Als er wieder zu Ed blickte, bemerkte er, dass dieser sich die Brille ausgezogen hatte. Ein angenehmes Flattern kribbelte in seinem Magen. Zaghaft lächelte er den anderen an und langte über den Tisch, um seine Hand zu berühren. Ein umwerfendes, schüchternes Lächeln begrüßte ihn und es verschlug Oswald kurz die Sprache. Ohne Brille war Ed viel zugänglicher für Emotionen, er war zart besaitet und einfühlsam. Mit Brille auf der anderen Seite war er charmant, hatte Charisma, Selbstbewusstsein und war lustig.   „Hey, wie geht es dir?“, fragte Oswald sanft, als ob er ihn heute zum ersten Mal sehen würde. Denn theoretisch war es fast so. Er wusste, dass die Antworten auf seine Fragen, je nachdem ob er eine Brille trug oder nicht, variieren würden. „Ganz gut, schätze ich“, antwortete der introvertierte Ed und lächelte schüchtern, so als ob es ihn wunderte, wieso der Pinguin sich auf einmal für sein Wohlbefinden interessierte. „Wirklich?“, fragte Oswald nochmal nach, interessiert und forschend. „Ja, wirklich. Mit dir hier in der Wohnung kommt mir alles nur halb so miserabel vor.“ Oswald lächelte ergriffen und Edward wich seinem Blick verlegen aus. „Ich glaube ohne dich würde ich das nicht durchstehen.“ Lächelnd winkte Oswald ab. „Übrigens, Ed, ich finde du solltest wieder in deinem Bett schlafen. Ich schätze deine Gastfreundschaft natürlich sehr, aber meine Wunden sind schon so gut wie verheilt und ich fühle mich besser. Außerdem bin ich es gewohnt, auf der Couch zu schlafen.“   Es gab selten Momente, in welchen er zuerst an die anderen dachte, noch vor sich. Edwards Gesichtsausdruck änderte sich jedoch zu Horror und Oswald schluckte betroffen. „Habe...habe..ich etwas falsches gesagt?“, fragte er verunsichert, als Ed ihm seine Hand entzog. „Nein...nein, Oswald, ich...“ „Was ist es dann, Ed? Sag es mir“, forderte er vorsichtig. „Ich kann nicht in dem Bett schlafen.“ Verständnislos erwiderte Oswald den panischen Blick. „Wieso? Was - oh.“ Auf einmal leuchtete es ihm ein. Natürlich. Ein bitterer Zug erschien um seine Lippen. Seine Freundin. Wahrscheinlich hatte er sie dort ermordet. Oder sie hatten davor sonst was getrieben. Hastig vertrieb er die Gedanken. Er wollte es gar nicht wissen! Eds zerstörter, aufgelöster Anblick besänftigte ihn wieder und er stand auf. Mit zwei Schritten war er an dessen Seite und ging vor ihm in die Hocke. Trotz seines verletzten Knies bemühte er sich, keine Miene zu verziehen.   „Ich schlafe doch im selben Raum, Ed. Wir können den Schlafplatz tauschen und ich passe auf dich auf, hm? Wenn du es nicht schaffst, dann bin ich in der Nacht sofort bei dir und helfe dir.“ Es gab bis jetzt nur eine Person in seinem Leben, mit der er so aufrichtig geduldig umgehen konnte und das war seine Mutter. Doch im Anbetracht dessen, was Ed die letzten Wochen für ihn getan hatte, war das das Mindeste, das er für ihn tun konnte. Ed schüttelte ängstlich seinen Kopf. „Nein, Oswald, ich schaffe das nicht“, hauchte er zerstört und Oswald griff wieder nach seiner Hand. „Es sei denn...“, murmelte er dann und Oswald war ganz Ohr. „Es sei denn, was?“, fragte er. Als Ed immer noch keine Antwort gab, rieb er sanft mit seinem Daumen über Eds Handrücken. „Sag es mir, Ed. Ich bin dein Freund.“ Pure Aufrichtigkeit lag in seinen Worten. „Es sei denn, du schläfst mit mir in meinem Bett.“   Beinahe hätte sich Oswald an der Luft verschluckt, die er gerade eingeatmet hatte. „Was?“, röchelte er heiser und Edward hatte sein Gesicht wieder abgewandt. „Es war eine blöde Idee“, murmelte er leise und vielleicht gekränkt. Das alarmierte Oswald und er schluckte. „Nein, nein“, beteuerte er leise. „Du hast recht, so bin ich direkt bei dir und du musst keine Angst haben.“ Zuversichtlich lächelte er Edward an, dessen Gesichtszüge sich allmählich erhellten. Innerlich versuchte er jedoch seine Unsicherheit und seinen Schock zu verbergen. Er in einem Bett … mit einem Mann. Aber gut, es war Edward. Und eigentlich fürchtete er sich auch nicht davor, aber...es war so intim! Innerlich aufseufzend redete er sich ruhig Blut zu. Denn er wollte tatsächlich, dass es dem anderen besser ging. Im Moment hatte das Priorität für ihn. Wäre Edward nicht, wäre er jetzt wahrscheinlich tot. Oder todunglücklich. Aber jetzt fühlte er sich.. fast schon normal. Er war sogar wieder fähig, Glück zu empfinden.   Während Ed den Abwasch machte, ging er in die Dusche und diesmal wusch er sich sogar gründlicher als sonst. Immerhin würde er mit Ed in einem Bett liegen, da wollte er schon einen guten Eindruck machen. Auch seine Zähne putzte er sich gleich dreimal hintereinander. Je mehr Zeit verging, desto aufgeregter fühlte er sich. 'Stell dich nicht so an, Oswald. Es ist nur Ed. Er ist wie ein kleiner unschuldiger Junge.' Außerdem vertraute er ihm, da gab es nichts, worüber man nervös sein sollte. Als er zurück im Raum war, schlüpfte er schnell unter die Decke, dort fühlte er sich sicherer und nicht so unbeschützt. Er trug den gleichen dunkelblauen Schlafanzug an wie sonst, Eds Schlafanzug.   „Ich geh kurz duschen, dann bin ich bei dir, mein gefiederter Freund.“, hörte er Eds freundliche Stimme. Er zwang sich zu einem Lächeln und atmete tief aus, als Ed im Bad verschwand. Man konnte das laufende Wasser hören und Oswald krallte seine Finger in die Bettdecke. Warum war er nur so nervös, verdammt? Nach einer kurzen Zeit wurde das Wasser abgestellt und er hielt die Luft an. Ein wohl riechender und in einen Pyjama gekleideter Edward trat heraus.   „Bereit?“, fragte er grinsend und Oswald rutschte das Herz in die Pyjamahose. „Breit wofür?“, fragte er mit einer hohen, zittrigen Stimme. „Für unsere Nacht natürlich“, meinte Edward fröhlich und legte sich zu Oswald unter die Decke. Oswald glaubte einen Unterton herauszuhören. Und hatte Edward ihm gerade ungeniert zugezwinkert? Heiße Schamesröte schoss ihm ins Gesicht und er versuchte es in den Decken zu verbergen. „Es ist dir doch nicht unangenehm, oder Oswald?“ Oswald brachte keinen Ton heraus. Edward rückte näher. „Du musst nicht so verlegen sein, Oswald. Ist bestimmt nicht das erste Mal, dass du mit einem Mann in einem Bett liegst.“ Oswald, mittlerweile feuerrot, krächzte aufgebracht. „Ich bin nicht verlegen!“ Mit einer entschiedenen Bewegung griff er nach Edwards Brille auf dessen Nase. „Oswald?“ „Zieh die Brille ab!“, forderte er ungeduldig, weil er die selbstbewusste, aufreizende Art in diesem intimen Moment nicht aushalten konnte. Während er nach der Brille griff, war er Edward ziemlich nah gekommen. „Oswald“, hauchte dieser. „So stürmisch?“ Er lachte verzückt und Oswald konnte es nicht schnell genug gehen, die Brille abzuziehen. Doch auf einmal hielt Edward seine Brille fest. „Ed, was machst du?“ „Die Brille bleibt an!“ „Wie bitte?“, rief Oswald schrill. „Schläfst du etwa jede Nacht mit Brille?“, rief er entrüstet. „Nein.“ „Dann nimm sie ab!“ „Nein, Oswald!“ „Oh doch Edward!“ „Vergiss es!“ „Edward!“ „Bring mich doch dazu!“ Mittlerweile lachte Edward und Oswald stieg auf ihn, um ihn zu überwältigen. Doch Edward wehrte sich zu stark! Oswald war kurz davor, Eds Taschenmesser zu zücken. Aber da fiel ihm etwas anderes ein. Ohne groß darüber nachzudenken, beugte er sich über Edward und biss ihm schnell und fest in den Hals. „Aah“, schrie Ed gepeinigt auf und fasste sich mit beiden Händen an den Hals. Diesen Moment nutzte Oswald und zog ihm blitzschnell die Brille vom Gesicht. „HA!“, rief er triumphierend aus und verstaute die Brille in der Kommodenschublade neben dem Bett. Edward lag ohne Brille auf dem Bett und sah ziemlich schockiert aus. „Alles in Ordnung, Ed?“, fragte Oswald leise lachend. „Du...hast mich gebissen!“ „Ja. Weil du die Brille nicht abziehen wolltest.“ „Kein Grund mich zu...beißen!“ Oswald lachte amüsiert. Als Ed seine Hände von seinem Hals nahm, blieb ihm das Lachen jäh im Hals stecken. „Was ist, Oswald?“, fragte Ed besorgt und der Schwarzhaarige schluckte. „Nichts“, hauchte er leise und versuchte seinen Blick abzuwenden. Die Bissspuren waren noch deutlich auf Eds Hals zu sehen. Abrupt drehte er dem anderen den Rücken zu. „Gute Nacht“, murmelte er und presste die Augen zusammen. Er hoffte, dass die Nacht schnell vorbei sein würde. Hinter sich hörte er ein Räuspern und er presste die Augen noch enger zusammen. „Oswald“, Eds Stimme klang wieder so sanft, so harmlos. Sofort drehte sich Oswald zu ihm. „Ich bin bei dir“, flüsterte er und legte seine Finger locker an seine Wange. „Schlaf jetzt. Es wird nichts passieren.“ „Okay“, hauchte Ed leise und kuschelte sich näher an ihn. Oswalds Körper versteifte sich. Aber er wollte sich nichts anmerken lassen. Er wollte Edward das geben, was er brauchte. „Gute Nacht, mein gefiederter Freund.“ Oswald ließ ein leises Lachen vernehmen. „Das wünsche ich dir auch, mein verrückter Freund.“ Ihre Körper berührten sich nicht, aber Oswald spürte die Hitze des anderen. Sein Herz schlug relativ schnell und er spürte ein konstantes Kribbeln in der Magengrube.Trotz der anfänglichen Anspannung schliefen sie beide relativ schnell ein. Und der Duft, der Oswald jedes Mal in seinen Schlaf begleitete, war diesmal viel intensiver und sogar noch wohlriechender.       Kapitel 4: ----------- „Nein, nein, nein“, hörte Oswald wie aus weiter Ferne. Es war wie im Traum. Eine leise, aber doch so unglaublich verzweifelte Stimme. „Nein, nein nein...nenn mich nicht so...ich bin kein Psychopath...ich bitte dich...bitte nenn mich nicht so!“ Wo war er? Und wen sollte er wie nicht nennen? Ein kleiner Teil in seinem Bewusstsein erinnerte ihn daran, dass er die Stimme kannte. Oswald brauchte eine Zeit, seine Sinne zusammenzukratzen. Das war Ed.   „Ed?“, fragte er in die Dunkelheit und griff neben sich. Der andere lag neben ihm, im gleichen Bett. Sein Pyjama war durchgeschwitzt und er flehte zusammenhangslose Sätze. Alarmiert drehte Oswald sich nun vollständig zu dem anderen und griff nach seinem Gesicht. Es war nass. Weinte er etwa?   „Ed! Ed, wach auf“, rief er leise. „Ed! Edward! Das ist nur ein Traum!“ Langsam kehrte seine Erinnerung zurück und er wusste wieder, dass sie zusammen in einem Bett schlafen wollten, weil Ed sich fürchtete alleine hier zu schlafen. „Nenn mich nicht so! Ich bin normal! Bitte!“, stammelte er ununterbrochen und wand sich unruhig umher. „Ed!“, rief Oswald wieder und griff erneut nach dessen Gesicht. „Hör mir zu! Es ist okay! Du bist normal! Aber bitte wach auf!“ Sein Bitten war eindringlich, sein Griff um Edwards Gesicht fest. Voller Sorge betrachtete er in der Dunkelheit das verzerrte Gesicht und hoffte, dass er aufwachen würde. Plötzlich rollte sich Ed auf ihn und er bekam kaum Luft. „Bitte nenn mich nicht so!“, rief er wie im Wahn, seine Augen waren aufgerissen und einzelne, warme Tränen tropften auf Oswalds Gesicht. Edward weinte! Er wollte etwas sagen, den anderen trösten, ihn festhalten, aber Schock lähmte ihn und er konnte sich nicht rühren. Der andere lag mit dem ganzen Gewicht auf ihm, nahm ihm den Atem und den Verstand. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen, zu plötzlich war das geschehen und zu merkwürdige Gefühle überfluteten ihn. Hitze strömte brennend durch seine Adern und alles was er wollte, war den anderen zu beschützen. Doch plötzlich legten sich Eds Hände um seine Kehle. Fest und eisern. Verdammt! Oswalds Augen weiteten sich erschrocken. Er hatte kaum Kraft in den Händen, wenn Edward mit dem ganzen Gewicht auf ihm lag. „Ed...rd“, krächzte er und versuchte sich zu wehren. „Eee..dd...ich bin's...Os...wld...“ Edward weinte nur noch hilfloser. „Bitte, ich bitte dich hör auf. Ich habe das für dich getan! Ich liebe dich!“ Oswalds Kehle schnürte sich immer weiter zu, er bekam keine Luft mehr, seine Finger krallten sich verzweifelt in Eds würgende Hände, doch bei dem letzten Satz erstarben seine Wehrversuche. Edward liebte ihn? Plötzlich wusste er nicht mehr, wie man sich bewegte oder wie man um sein Leben kämpfte. „Ich habe das für dich getan, weil ich dich liebe, Kristen.“ Ein Blitz fuhr durch Oswalds Körper und auf einmal jagte ein Stromstoß durch seinen Arm.   „Runter von mir!“, brüllte er aus Leibeskraft und stieß Edward mit einer Wucht, die er nicht von sich kannte, von sich. Haltlos rutschte Ed von der Bettkante und fiel mit einem lauten Poltern auf den Boden. Geschockt griff Oswald sich an die Kehle und hustete sich den Schock von der Leber. „Oswald? Oswald?“, rief eine verschlafene Stimme vom Boden aus und der Attackierte stellte entsetzt fest, dass auch er geweint hatte. Aber nicht aus Angst. 'Weil ich dich liebe, Kristen.' Die Worte schallten laut und hässlich in seinen Ohren wider. „Oswald, oh Gott, oh nein! Was hab ich getan!“ Edward kam hastig auf das Bett und griff nach seinem Freund. „WEG VON MIR!“, schrie dieser heiser und schlug die Hand des anderen entschieden weg. „Oswald“, flüsterte Edward betroffen. „Oh Gott, es tut mir so leid. Was hab ich nur getan? Was hab ich nur getan?“, fragte er dem Wahn nahe und Oswald versuchte einen klaren Kopf zu behalten. In der Dunkelheit erkannte er, dass Edward wie paralysiert auf seine eigenen Hände starrte.   „Was hab ich getan, was hab ich getan? Sie hatte recht, ich bin ein Monster!“ Ungeduldig schnalzte Oswald mit der Zunge. „Du bist kein Monster!“, erwiderte er energisch und zog den anderen wieder zu sich. „Du bist kein Monster“, flüsterte er wieder und hielt Edward fest an sich. Obwohl er selbst geschockt und verletzt war, er brachte es nicht übers Herz den anderen so zu sehen. „Doch!“ , schluchzte Ed. „Kristen hatte recht, ich bin ein Monster.“ Der bekannte Name aus Eds Mund versetzte Oswald einen schmerzvollen Stich, aber er versuchte gefasst zu bleiben. Ed brauchte ihn! Das war in erster Linie der Grund, wieso sie überhaupt zusammen in einem Bett schliefen. „Du bist kein Monster. Ich habe Dinge gemacht, die du dir nicht im Traum vorstellen kannst.“ „Ich bin ein Psycho, ich bin krank!“ „Sieh mich an! Sieh mich an, Ed!“ Oswald musste mehr Kraft anwenden, um Eds Kinn hoch zu drücken, damit dieser ihn ansehen konnte. „Hör mir zu, Edward! Ich habe viel Schlimmeres getan als du. Wenn du ein Psycho bist, dann bin ich ein Monster! Wenn du krank bist, dann bin ich nicht mehr zu retten!“ Kurz hielt Ed inne, er zitterte immer noch wie Espenlaub, doch er schien in der Realität angekommen zu sein. „Aber du hast noch nie jemanden getötet, den du geliebt hast“, wisperte er gebrochen. Da war es wieder, dieses Wort, das Oswald Bauchschmerzen bereitete. Ich liebe dich, Kristen. „Das liegt vermutlich daran, dass ich noch nie jemanden geliebt habe“, meinte er ruhig und hielt den anderen immer noch fest. Urplötzlich wurde Ed still. „Du hast noch nie jemanden geliebt?“, fragte er leise in die Dunkelheit. „Nein.“ Oswald legte nun seine Arme beschützend um ihn, damit er sich beruhigen würde. „Du hast noch nie eine Freundin gehabt?“ „Nein.“ „Und einen Freund?“ „Auch nicht.“ Er wusste nicht, warum er so etwas Privates dem anderen offenbarte, aber zum einen hatte er das Gefühl, dass Edward sich so beruhigen würde. Und zum anderen glaubte er, dass sie wirklich Freunde waren. „Aber deine Mutter, du hast sie geliebt!“ „Natürlich, über alles.“ „Und du würdest sie nie umbringen.“ „Ja...aber im Prinzip habe ich sie umgebracht.“ „Aber nicht mit deinen eigenen Händen! Jemand anders hat sie getötet! Sie ist vielleicht wegen dir gestorben aber nicht durch dich!“ Oswald schluckte und seine Arme, die den anderen beschützend festhielten und sanft wiegten, zitterten. Es schmerzte, über seine Mutter nachzudenken. Wunden rissen wieder auf und er holte tief Luft. „Ja“, sprach er langsam. „Aber ich! Ich hab sie wirklich umgebracht!“ Verzweifelt hob er seine Hände in die Höhe und betrachtete sie, als würde er sich vor ihnen fürchten „Ich bin ein Monster!“     „Edward!“, rief Oswald seiner Ungeduld nun sehr nah. „Jeder von uns hat eine dunkle Seite.“ Seine Stimme wurde wieder etwas sanfter, einfühlsamer. „Ich weiß nicht genau, was passiert ist. Aber ich kann es mir ziemlich gut vorstellen. Sie hat von deiner anderen Seite erfahren, oder sie gesehen – und sie nicht akzeptiert.“ Er spürte, dass der Körper in seinen Armen zitterte und er hielt ihn fester an sich gedrückt. „ Aber Ed, ich würde das nie tun. Ich würde dich nie von mir stoßen, egal wie dunkel oder gefährlich deine Seite auch sein mag. Bei mir musst du keine Angst vor Abweisung haben“, betonte er aufrichtig und drückte seine Lippen vorsichtig auf das braune, verschwitzte Haar. Es blieb lange Zeit still, nur das schwere Atmen der beiden Männer war zu hören. Das Zittern von Eds Körper ließ langsam nach und Oswald schloss beruhigt seine Augen. Es war, als ob endlich Frieden eingekehrt war und er lächelte in die Dunkelheit hinein. Bisher hatte er nur seine Mutter so gehalten, aber er musste zugeben, dass sich Ed gut in seinen Armen anfühlte. Natürlich und so vertraut. „Oh Gott, Oswald! Ich habe dir weh getan!“ Jäh wurde die friedliche Stille unterbrochen. Sofort machte Ed sich von Oswalds Umarmung los und schaltete die Nachtlampe an. Oswald presste zischend seine Augen zusammen, um sich vor dem schmerzenden Licht zu schützen, während sich Ed bestürzt seinen Hals besah. „Nein, nein, nein“, flüsterte er panisch und schlug sich die Hände über den Mund. 'Nicht schon wieder!', dachte Oswald. „Ich hab dir wehgetan, ich hab dich fast umgebracht!“, hauchte der Forensiker bestürzt. Bei diesen Worten lachte Oswald schallend los. Irritiert blickte Edward ihn aus großen, braunen Augen an.   „Mein lieber Ed, ganz ehrlich, nichts gegen dich oder deine körperliche Kraft, aber ich habe in meinem Leben schon weit, weit mehr überlebt als ein wenig Würgen.“ Ed verstummte und streckte nach einer langen Schweigeminute seine zitternde Hand aus. Oswald hatte keine Angst. Er schloss sogar seine Augen.   „Siehst du, Ed? Ich vertraue dir. Du bist nicht krank. Und du kannst mich auch nicht töten.“ Er spürte die zitternden Finger an seinem wunden Hals und schmiegte sich sogar gegen diese zarte Berührung. Er hörte, wie Ed nach Luft schnappte. Ein kurzes Grinsen zuckte über seine Lippen. „D..Darf ich?“, hauchte er so leise, dass man es kaum verstand und Oswald nickte ohne zu zögern. „Mach aber das Licht aus“, verlangte er leise. Seine müden Augen schmerzten von dem Licht und er sehnte sich nach der Intimität vor wenigen Momenten zurück. Ed tat wie ihm befohlen und dann näherten sich seine zitternden Finger wieder seinem Hals. Zärtlich fing er an, Oswalds Hals zu streicheln und eine Gänsehaut jagte dessen Arme hinab. Er hielt die Luft an und versuchte zu verbergen, wie sehr ihn das aufwühlte. Mit Gewalt hatte er kein Problem, er war sie zu einem gewissen Maßen sogar gewöhnt. Aber das hier? Das war er nicht gewohnt. Nicht im Geringsten. Das war ihm ganz neu und auf irgendeine Weise schien es auch unwirklich. Er wurde noch nie so berührt. So zärtlich und fast schon liebevoll. Am liebsten würde er den anderen abweisen, aber er wusste ganz genau, dass Ed dann wieder einen Anfall bekommen und denken würde, dass er krank war. Doch das hier war ganz und gar nicht krank. Das war normal. Mit der Ausnahme, dass sie keine Liebhaber waren. Verzweifelt biss sich Oswald auf die Lippen, als Edward ihn weiter streichelte und dann griff er selbst nach dem Hals des anderen.   Zärtlich fuhren seine Finger die Formen von Eds Hals nach und liebkosten die weiche Haut. Sein Herz schlug nun so, dass er glaubte es würde aus der Brust springen. Aber er konnte jetzt nicht aufhören, Ed war noch nicht stabil. Er hörte dessen stoßweises Atmen, das an ein schwaches Schluchzen erinnerte.   „Darf ich fester?“, fragte er wispernd und Oswald nickte. Verdammt, was machte er hier? Eds Finger schlossen sich nun ganz vorsichtig um seine Kehle und er tat es ihm gleich. Sie saßen sich gegenüber, sahen sich in der Dunkelheit in die Augen und würgten sich gegenseitig. Das war irre. Und doch liebte Oswald jede Sekunde davon. Ein leises Aufzischen erfüllte die Stille und alle Nackenhärchen stellten sich bei Oswald auf. War das.. ein erregter Laut? Vorsichtig übte er mit seiner Hand mehr Druck auf Eds Hals aus und da war es wieder. Das leise Zischen, wie ein Seufzen. Da konnte Oswald selbst einen kleinen Laut nicht zurückhalten. Ed sah das als Zeichen der Bestärkung und drückte noch etwas fester zu. Oh Himmel. Verzweifelt biss sich Oswald nun auf die Lippe, so fest, dass er schon Blut schmeckte. Noch nie im Leben hatte er so etwas erregendes gespürt. Sie mussten aufhören, unbedingt! Aber Ed dachte gar nicht daran. Mit seiner freien Hand zog er Oswald ohne große Mühe auf seinen Schoß, sodass sich ihre Nasenspitzen berührten und sie sich tief in die Augen schauen konnte. Oswalds Herz brannte vor Begierde und langsam, je weniger Luft er bekam, schalteten sich seine Gehirnzellen aus. Edwards heißer Atem brandete gegen seine Lippen und er hielt ein verzweifeltes Grollen zurück. Das Gefühl von Edwards delikatem Hals in seiner Hand und dessen fester, massierender Hand an seiner Kehle trieb ihn an den Rand des Wahnsinns. Es war die purste Form von Vertrauen. Gegenseitigem Vertrauen.   „Oswald“, raunte Edward gegen seine Lippen und Oswalds Hand krallte sich nun mit seinen Fingernägeln in die zarte Haut. „Ed“, stöhnte er leise und Edward schlang seinen freien Arm um Oswalds Taille. Oswalds freier Arm hielt sich an Eds Rücken fest. Er saß nun tiefer in seinem Schoß und ihre Oberkörper pressten sich gegeneinander. Sie atmeten die Luft ein, die der jeweils andere ausatmete. Ihre Lippen kribbelten und die Luft um sie herum war spannungsgeladen. Diese innige Umarmung und das gegenseitig Würgen veränderte sie beide. Bei beiden regte sich etwas und sie spürten es. Oswald saß in Eds Schoß, wie konnte er das nicht spüren? Ein heißer Nebel legte sich auf seine Gedanken und alles was er tun wollte, war den anderen zu küssen. Er wollte seinen Lebensatem mit Ed teilen, zu einem werden, verschmelzen. Gerade in diesem Moment lockerte sich die Hand um seine Kehle und er konnte wieder atmen. Langsam lockerte er auch seine Hand und hielt sich stattdessen mit beiden Armen an Eds Rücken fest. Eds Arme streichelten liebevoll sein Ohr, seinen Rücken und dann hielten sie sich ganz fest umarmt.   „Alles okay?“, hauchte Ed, scheinbar wieder beruhigt in Oswalds Ohr. Seine Stimme klang heiser und auch Oswalds Kehle fühlte sich rau an, weswegen er nur nickte. „Und bei dir, Ed? Geht es dir besser?“, fragte er kurze Zeit später, nachdem er versuchte seine Sinne wieder zusammen zu kratzen. Seine Stimme war kratzig und brüchig, doch er fühlte sich das Gengenteil davon. Er fühlte sich seltsam vollkommen. „Ja, dank dir, Oswald.“ Sie legten sich zurück in die Matratze, ließen sich aber nicht los. Oswald spürte Edwards Herz fest gegen seine Brust schlagen. Flach atmend hörte er auf Eds Atem. „Alles ist gut, Ed. Du tust mir nicht weh“, nuschelte er gegen seinen Hals und musste sich zurück halten, die Stelle nicht zu küssen. „Ich weiß, Oswald. Das würde ich nie.“, nuschelte Ed leise und diese ehrlichen Worte begleiteten ihn in seine Träume.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)