Ein anderer Strang der Zeit von Ruka_S_Orion (Erster Teil - Das Ende einer Ära) ================================================================================ Prolog: -------- „Nein! Ich will ihn nicht sehen! Hast du vergessen, was er getan hat?“ „Aber er war es doch gar nicht. Er nicht. Es war ein anderer Zeitstrang, er hat es nicht getan.“ „Das ist mir egal!“ Ein Lächeln legte sich auf King Endymions Lippen. Manchmal war es noch zu erkennen, das kleine, naive, starrköpfige Mädchen, in das er sich einst so sehr verliebt hatte. Vorsichtig legte er seine Hände auf die Schultern der Königin, die ihren Blick von ihm abwandte. „Sei nicht so stur. Dank dir hat es Wiseman nie gegeben. Death Phantom konnte seine Macht nie entfalten. Nemesis ist leblos, nur ein toter Brocken. Er ist keine Bedrohung. Was soll jetzt noch das Böse in ihm wecken können?“ Neo Queen Serenity schloss seufzend ihre Augen. Ihr Gemahl zog sie in eine Umarmung. Dann flüsterte er: „Er will dir nichts Böses.“ Kapitel 1: ----------- Serenitys Finger trommelten ungeduldig auf den Armlehnen ihres Throns. Sie war angespannt. Letztendlich hatte sie sich doch überreden lassen. Dennoch plagte sie ein seltsames Gefühl, das sich in ihrem Unterbewusstsein eingenistet hatte und ihre Gedanken verschleierte. Sie wusste, Endymion hatte Recht. Black Moon hatte es in seiner finsteren Form nie gegeben. Sie selbst hatte schon vor Jahrhunderten verhindert, dass böse Mächte auf den edlen Prinzen mit weißem Haar Einfluss hätten nehmen können. Und trotzdem war sie nervös. Stimmen erklangen im angrenzenden Korridor. Lauter werdende Schritte kündigten den hohen Besuch endgültig an. Serenity erhob sich. Die Stimmen wurden deutlicher. Wie viele Jahre war es nun schon her? Sie schloss ihre Augen und atmete tief durch. Als das weite Tor des Saals geöffnet wurde, sah sie wieder auf. Ihr Gemahl trat zuerst ein, lächelnd. Aber als er seine Königin sah, wandelten sich seine Gesichtszüge. Fast besorgt blickte er ihr entgegen. Auf ein leichtes Nicken ihrerseits hin, verflüchtigte sich seine Anspannung jedoch sofort. Schließlich trat er zur Seite und bat den Besucher mit einer ausschweifenden Geste herein. „Ich danke Euch.“ Anmutig verbeugte sich Prince Diamond vor Endymion. Dann wandte er sich der Königin zu. Er schluckte. Viel hatte er von der bildschönen Majestät gehört, von ihrer Güte und ihrer Offenheit. Doch irgendetwas in ihrem Blick ließ ihn beinahe zurückschrecken. Langsam schritt er auf sie zu. Einige Meter vor ihr blieb er stehen. Er kniete nieder. Ihre Aura erdrückte ihn fast. Ihr Licht schien ihn zu lähmen. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Ungeduld wollte sich in ihm ausbreiten, als er endlich die erlösenden Worte hörte: „Willkommen, Prince.“ Diamond wagte nicht, ihr in die Augen zu sehen. Trotzdem schaffte er es, zu antworten: „Ich danke Euch für diese Audienz, meine Königin. Verzeiht mir mein unbeholfenes Auftreten, meine… Unsicherheit. Ich hörte von Eurer Ausstrahlung. Jedoch hätte ich mir nie ausmalen können, wie überwältigend sie wirklich ist.“ Serenity legte sich ein seichter Rotschimmer auf ihre Wangen. Abermals sammelte sie sich in einem langen Atemzug. „Ich denke nicht, dass Ihr nur gekommen seid, um mir zu schmeicheln, Prince Diamond. Was führt Euch her?“ „Ich weiß nicht recht, wo ich beginnen soll… Ich will nicht undankbar erscheinen.“ „Das werdet Ihr nicht“, versicherte Endymion von der Seite aus. Der Prinz warf ihm einen flüchtigen Blick zu. Schließlich erklärte er: „Die Provinzen, die meiner Familie zugewiesen wurden… Versteht mich bitte nicht falsch, ich danke Euch für Euer Vertrauen! Es ist mir eine Ehre, dass Ihr Teile Eures Reiches in unsere Hände legtet, aber…“ Er brach ab. Serenity wartete kurz. Dann stieg sie die wenigen Stufen des Emporiums herab. Erneut schöpfte sie Sicherheit aus Endymions Anwesenheit. Ihre Augen visierten erst ihn, dann den Gast an. Mit leicht gehobenen Brauen und einem auffordernden Nicken schenkte sie dem Prinzen Souveränität, sein Anliegen endlich vorzubringen. „Es reicht nicht“, sprach dieser geradeheraus. „Unseren Ländereien fehlt es an Bodenschätzen, unsere Wirtschaft bricht zusammen, die Arbeitsmoral unserer Untertanen lässt mehr als nur zu wünschen übrig. Wie soll unser Volk so zu Wohlstand kommen?“ Auf der Stirn der Königin bildeten sich Sorgenfalten. „Wie kam es dazu, Diamond? Unser Reich ist riesig. Doch die anderen Provinzen scheinen sehr gut zurecht zu kommen. Wo liegt die Ursache für diese Missstände?“ Prince Diamond schluckte bei dem scharfen Tonfall der Majestät. Eindeutig suchte sie die Schuld allein bei ihm. „Unser Land liegt weit von Crystal Tokyo entfernt, meine Königin. Der strahlende Wohlstand der Metropole reicht kaum bis dorthin.“ „Was wollt Ihr damit sagen?“, unterbrach Serenity ihn. „Gebt Ihr mir die Schuld für die Probleme, die Ihr allein nicht zu bewältigen schafft?!“ Der Prinz machte einen Schritt zurück. Obgleich Serenity ein gutes Stück kleiner als er war, konnte ihre Ausstrahlung dennoch einschüchternd wirken. „Verzeiht mir, so habe ich das nicht gemeint“, wehrte er ab. „Ich meinte nur, Eure Macht, die in weiten Teilen Eures Weltreiches den Wohlstand fördert, wirkt sich kaum auf mein Land-“ „Du zweifelst an meiner Macht?“ Erneut brachte Neo Queen Serenity ihren Untertan zum Schweigen. Der Prinz erhob beschwichtigend die Hände, schüttelte seinen Kopf, wich weiter zurück. „Sicher ist es nicht das, was Prince Diamond sagen wollte“, warf Endymion ein. Er trat näher an die Aufgebrachte heran und legte seiner Geliebten eine Hand auf die Schulter. Sein ruhiger Blick fixierte ihren empörten. „Vielleicht wäre es sinnvoller, würde er seine Worte zunächst in Ruhe ordnen. Lassen wir diese Audienz nicht wegen Missverständnissen aus dem Ruder laufen.“ Lächelnd sprach er an den Gast gewandt weiter: „Ihr habt eine lange Reise hinter Euch. Ruht Euch aus. Sammelt Eure Gedanken. Wir suchen morgen nach einer Lösung für die Probleme in Eurem Land.“ Kapitel 2: ----------- „Ich wusste es!“ Endymion seufzte der Tür, die er gerade verschlossen hatte, entgegen. „Unterschiedliche Zeitstränge hin oder her, er ist immer noch derselbe!“ „Findest du nicht, du interpretierst zu viel in seine Worte hinein, Serenity?“ „Aha! Du denkst also, ich übertreibe?“ „Das sagte ich nicht.“ „Wäre es übertrieben, zu sagen, er hätte uns bedroht? Wäre es eine Übertreibung, zu sagen, er habe uns nach dem Leben getrachtet? Er hat deine Tochter entführt, Mamoru! Und all unsere Freundinnen! Und sogar mich! Und er hat…“ Serenity zögerte kurz. „Nur weil er nicht mehr die Macht Nemesis‘ nutzen kann, heißt das noch lange nicht, dass seine Einstellung uns gegenüber eine andere ist.“ Trotzig stapfte die Königin an ihrem Thron vorbei, hin zu den weiten Fenstern, die den Blick in den Palastgarten freigaben. Lächelnd schüttelte Endymion seinen Kopf. In ruhiger Tonlage erklärte er: „Ich meinte nicht, dass er ein gänzlich anderer Mensch ist. Nur weiß er nichts von dem, was er in einer anderen Dimension getan hatte. Du kannst ihn nicht für etwas verantwortlich machen, das er getan hätte, wenn. Genauso gut kannst du einer Katze die Schuld am Tod einer Maus geben, nur weil sie eine Katze ist, auch wenn sie zu faul und zu verwöhnt ist, um je einen Nager gejagt zu haben. Wir lernten eine andere Zukunft kennen, Usa. Alles, was wir davon haben, ist die Chance, aus ihr zu lernen.“ „Ich habe aus ihr gelernt. Ich lernte, dass Prince Diamond und seiner Familie nicht zu trauen ist.“ Damit war das Thema für Neo Queen Serenity beendet. Ohne ihm eines weiteren Blickes zu würdigen, schritt sie an Endymion vorbei, hinaus in die bereits fast verlassenen Korridore des Crystal Palace. Sie war unzufrieden mit dem Verlauf der Audienz, enttäuscht, dass Endymion sie nicht verstand, und gleichzeitig verwirrt, warum sie sich überhaupt so aufregte. Zu lange regierte sie nun schon, um sich so leicht aus dem Takt bringen zu lassen. Zu viel hatte sie erlebt, um Angst vor Hirngespinsten wie dem Prinzen unter dem Einfluss dunkler Mächte zu haben. Wieso also hatten seine Worte sie derart die Fassung verlieren lassen? Ohne es zu bemerken, hatten ihre Schritte Serenity in den Palastgarten geführt. Die Sonne war gerade erst hinter dem Horizont verschwunden. Nur ein paar wenige Sterne schafften es bereits, aus ihrem dämmrigen Licht herauszustechen. Sie reckte ihr Gesicht dem Himmel entgegen. Bald würde der Vollmond aufgehen, der seit ihrer Krönung alle vier Wochen heller noch schien, als in den schönsten Sommernächten ihrer Kindheit. Berührte sein Licht ihre Haut, wurden ihre Sorgen, ganz gleich wie groß, beinahe fortgespült. Genießend sog Serenity die frische Abendluft ein, bevor sie langsam weiterlief. Sie schlug den Weg zum großen Brunnen ein, doch noch bevor sie den erreicht hatte, hörte sie vertraute Stimmen, ein melodisches Lachen. Vielleicht war diese Gesellschaft genau das, was sie jetzt brauchte. „Bist du sicher, dass du nicht willst? Ich würde dich auch hinterher wieder aufwärmen.“ „Ruka, lass das! Hast du vergessen, wo wir sind?“ „Das ist mir egal. Ich bin mir sicher, niemand würde sich daran stören.“ Enger noch schmiegte sich Uranus an den Rücken ihrer Geliebten, während sie ihr zärtlich über den Hals küsste. „War mir klar, dass du dir keine Sorgen machst. Ich werde es nicht tun! Es gehört sich nicht, samt Abendkleid in fremde Brunnen zu springen.“ „Wer sagt, dass du das anbehalten sollst?“ „Ruka!“ „Außer uns ist doch sowieso niemand da.“ „Als einen Niemand würde ich mich nicht gerade bezeichnen“, warf Serenity, die sich dem Paar unbemerkt genähert hatte, plötzlich ein. Hektisch versuchte Michiru, sich aus ihrer Lage zu befreien, aber ihre Partnerin ließ nicht locker. Der Königin zugewandt wünschte diese nur: „Guten Abend, Hoheit. Ganz allein wagt Ihr einen Spaziergang durch den Park, zu so später Stunde? Das ist gefährlich. Ihr solltet Euch wenigstens von Eurer Leibgarde begleiten lassen. Bedenkt nur, Euch lauerten liebestolle Lustmolche auf. Oder verwirrte Frauenjäger.“ „Und als was würdet Ihr Euch dann einordnen, Princess Uranus?“ Serenity gab sich größte Mühe, eine besorgte Miene zu dieser Spielerei aufzusetzen. „Ist das nicht offensichtlich?“ Endlich gab die Kriegerin des Windes ihre Gefangene frei, nachdem sie ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange gehaucht hatte. Dann verbeugte sie sich übertrieben tief vor der Königin, wobei sie ihr direkt in die Augen sah und zwinkerte: „Ich bin schon ganz verrückt vor Tollheit.“ Bei diesem Anblick der Prinzessin des Uranus in ihrer schwarzen kurzen Hose und dem wie üblich nur dürftig zugeknöpften weißem Hemd verlor Serenity doch ihre Fassung. Lachend machte sie einen Knicks. Charmant bot ihr Uranus ihre Hand an und führte die Majestät zu der weißen Bank, wo Neptun schon wartete und sich elegant und förmlich verbeugte. „Ich sagte doch, ihr müsst das nicht machen, Michiru. Ich bin aus keinem offiziellen Grund hier.“ „Trotzdem bist du unsere Königin“, bemerkte Neptun lächelnd. „Und immer noch Usagi“, gab Serenity zurück. Mit dem Rücken zum Brunnen setzte sie sich. Wieder sah sie zum Abendhimmel. Uranus ließ sich ihr gegenüber am Rand des gepflasterten Weges nieder und lehnte sich mit hinter dem Kopf verschränkten Händen gegen einen größeren Stein. „Was bedrückt dich, Mondhäschen?“ Serenitys Mundwinkel zuckten. Wie viel Zeit auch verging, Uranus und Neptun würden sich nie verändern. „Ich bin mir nicht sicher“, murmelte sie zur Antwort. Neptun setzte sich zu ihr auf die Bank. „Sprich es nur aus. Vielleicht können wir dir ja helfen, deine Gedanken zu ordnen.“ „Bin ich denn so offensichtlich zerstreut?“, fragte Serenity verlegen. Sie wartete jedoch keine Antwort ab. Stattdessen fuhr sie fort: „Es ist wegen… Einer meiner Untertanen ersuchte eine Audienz. Natürlich habe ich ihn empfangen. Nicht ganz freiwillig, zugegebenermaßen. Mamoru hatte mehr oder weniger darauf bestanden. Und jetzt… Meine Vergangenheit, die einst Zukunft werden sollte, trifft mich nun in der Gegenwart. Und das… Ich weiß, dass Endymion Recht hat. Was einst Zukunft werden sollte, spielt heute keine Rolle mehr. Dadurch, dass wir früher kämpften, haben wir alles verändert. Trotzdem verunsichern mich die Schatten einer nicht eingetretenen Wirklichkeit.“ „Himmel, ich verstehe kein Wort!“, stöhnte Uranus sich die Haare raufend. „Sprich Klartext, Usagi! Wer hatte eine Audienz bei dir?“ Anstelle der Königin antwortete Neptun nachdenklich: „Diamond…“ Überrascht blinzelnd sah Uranus zu ihrer Partnerin. Neptun antwortete auf den fragenden Blick augenrollend: „Ist doch klar. Die dunkle Zukunft hatten Death Phantom und Black Moon hervorgerufen. Das Phantom wurde aber ausgelöscht. Die Black Moon Familie lebt allerdings wie gehabt, weil sie nicht mit der Vergangenheit verknüpft war. Und da ich nicht glaube, dass Diamond seinen kleinen Bruder zu einer Audienz schickt und Usagi von einem „Er“ gesprochen hat, kann es nur der Prinz selbst gewesen sein.“ „Klar“, nickte Uranus mit gehobenen Brauen. „Und was wollte er?“ „Er sagt, die Ländereien, die ihm und seiner Familie unterliegen, hätten wirtschaftliche Probleme“, sprach Serenity weiter. „Er meint, meine Macht würde sich auf sein Land weniger positiv auswirken, als auf die anderen Regionen unseres Reiches. Er zweifelt an meiner Macht. Dabei ist der Silberkristall mächtig genug, auf der ganzen Erde zu wirken!“ „Wenn du mich fragst, sind die Probleme eines Landes zuerst bei der regionalen Regierung zu suchen“, knurrte Uranus schlicht. „Er kann nicht den Silberkristall dafür verantwortlich machen, dass er seinen Job nicht richtig erledigt.“ „Ich glaube, er ist neidisch. Was, wenn er wieder versucht, meine Macht an sich zu reißen?“ „Das soll er nur wagen!“ Plötzlich stand Uranus wieder auf den Beinen, die Hände bereit zum Kampf zu Fäusten geballt. Doch Neptun besänftigte ihre Freundinnen: „Das wird er schon nicht. Im Gegensatz zu ihm kennen wir die parallele Zukunft. Wir kennen ihn und wissen, wie er tickt. Machen wir das Beste daraus. Lassen wir ihn lieber nicht aus den Augen.“ Kapitel 3: ----------- Seine Gedanken sammeln, solle er! Seine Worte ordnen! Dabei wusste er ganz genau, was sein Anliegen war. Er wusste, woran es lag, dass seine Familie nicht den Wohlstand genoss, der ihr zugestanden hätte. Der Silberkristall war daran schuld. Er schenkte den Provinzen Macht, die in der Gunst der Königin standen. Diese Länder wurden reich. Doch er selbst profitierte nicht von diesem Licht. Darum konnte sein Land nicht mit den übrigen konkurrieren. Wie sollte er da auch nur eine Chance haben, erfolgreich über seine Ländereien zu regieren? Er hatte keine andere Wahl, er musste seine Königin davon überzeugen, ihre Macht mit ihm zu teilen! Die Denkfalten auf Prince Diamonds Stirn traten noch weiter hervor. Wie sollte er das anstellen? Er legte seinen Kopf in den Nacken und starrte an die Decke des ihm zugewiesenen Schlafsaals. Nervös begannen seine Finger damit, auf der Armlehne seines Sessels zu trommeln. Plötzlich hielten sie inne. Was, wenn er keinen Erfolg haben würde? Sollte er unverrichteter Dinge wieder abreisen müssen? Diamonds Gesichtszüge spannten sich an. Dafür war er nicht hergekommen! Vielleicht… Der junge Prinz stand auf, beunruhigt durch seine eigenen Gedanken. Was würde das für Folgen haben? Er trat auf den kleinen Balkon und starrte in die Abenddämmerung. Selbst die Luft hier schien anders, irgendwie gehaltvoller zu sein. Sein Blick streifte über die weiten Gärten. Sie waren fast verlassen, nur am großen Brunnen tummelten sich zwei Gestalten, alberten herum, sorglos und unwissend des Glücks, das ihnen durch die Gunst der Königin geschenkt worden war. Diamonds Hände ballten sich zu Fäusten. Plötzlich wurde er abgelenkt. Eine weitere Figur trat in sein Blickfeld. Strahlend und anmutig. Das Paar am Brunnen wandte sich der Königin zu. Hatte die Monarchin ihre Untertanen so schlecht erzogen, dass sie sich nun solch eine alberne und vollkommen übertriebene Verbeugung gefallen lassen musste? Oder kannten sie sich genauer? Immerhin setzte sich die schöne Majestät zu ihnen und schien sich bereitwillig in ein Gespräch verwickeln zu lassen. Diamond beobachtete die Gestalten neugierig. Schließlich lehnte Serenity ihren Kopf an die Schulter der hübschen Frau im türkisfarbenen Abendkleid. Der leger gekleidete Blondschopf, der zuvor aufgebracht aufgesprungen war, setzte sich zu ihr und schien ihr sogar einen Kuss auf die Wange schenken zu dürfen! Der Prinz stütze sich auf dem Geländer des Balkons ab und lehnte sich weiter vor. So etwas hätte es unter seiner Führung nicht gegeben! Empfanden diese Untertanen gar keine Ehrfurcht? Plötzlich hob er seine Brauen. Oder hatte die Königin ihre eigenen Mätressen?! Verstehen könnte Diamond das. Sicher war Endymion ein gütiger König, der auch in Streitfragen noch einen kühlen Kopf behielt, doch machte er auch einen verweichlichten Eindruck. Ganz offensichtlich stand er unter dem Pantoffel seiner Gemahlin. Und da würde es Diamond nicht verwundern, würde die sich hin und wieder etwas Abwechslung suchen. Dieser Blondschopf dort schien weitaus taffer zu sein. Die Frage, ob dessen Freundin auch in dieses Arrangement passte, trieb dem Prinzen ein Grinsen auf die Lippen. Nur für einen kurzen Moment verweilte das Dreiergespann noch am Brunnen. Dann stand die Königin auf. Sie Umarmte ihre Untertanen, den Blondschopf einige Sekunden länger. Dann wandte sie sich ab und überließ sie wieder ihrer Zweisamkeit. Diamonds Blick folgte ihr, bis sie in Richtung des Palastes verschwunden war. Er atmete tief durch, bevor auch er seinen Posten verließ. Zurück in seinem Schlafsaal sah er sich um. Er war ein Nachtmensch, der nicht viel Schlaf brauchte. Und hier drin würde er noch an seiner Langeweile zu Grunde gehen. Er trat in den Korridor. Ein Spaziergang würde wenigstens die Zeit bis zur nächsten Audienz verkürzen. Nachdem er eine Weile gewandert war, erregte jugendliches Lachen seine Aufmerksamkeit. Er folgte den Stimmen neugierig bis zu einer halboffenstehenden Tür. Dämmriges Licht fiel aus dem Spalt in den Flur. Er trat näher, riskierte einen Blick hinein. Viele gedimmte Lampen tauchten den Raum in eine mystische, wenn auch irgendwie gemütliche Stimmung. Auf dem mit dunklen Stoffen verhangenen Bett lagen zwei Mädchen, die in einem Fotoalbum blätterten. Die Jüngere hatte er sofort erkannt und zum zigsten Male fragte er sich, woher die zukünftige Thronerbin ihre ungewöhnliche Haarfarbe hatte. Ihre Freundin mit dunklem, etwa kinnlangen Haar kannte er nicht. Die sah plötzlich auf. Sie muss ihn gehört haben. Ihre Augen fixierten ihn, schienen ihn zu durchleuchten. Jetzt folgte auch die Prinzessin ihrem Blick. Sofort sprang sie aus dem Bett und machte einen Knicks vor dem ihr Unbekannten. „Guten Abend, mein Herr. Kann ich Ihnen helfen?“ Stutzend hob Prince Diamond seine Brauen. Dennoch trat er ein und verbeugte sich. „Ich wollte nicht stören, Lady Serenity. Die Neugierde trug mich nur her.“ Jetzt stand auch das zweite Mädchen auf. Der Prinz beäugte es genauer. Die junge Dame als Mädchen zu sehen, schien ihm fast etwas unangebracht. Sie hatte zwar eine zierliche Figur, doch sprachen ihre Gesichtszüge und ihre dunklen Augen von Erfahrungen und Reife, die selbst die ältesten Frauen nur selten erlangten. Sie musterte ihn ganz offen von Kopf bis Fuß, während sie sich vor ihre Prinzessin stellte. „Es überrascht mich, Euch hier zu sehen, Prince Diamond.“ „Mich überrascht es, dass Ihr meinen Namen kennt. Sind wir uns bereits begegnet?“ Ihre Augen verengten sich. Sie straffte die Schultern und baute sich vor Small Lady auf, als wollte sie sie vor ihm beschützen. „Nicht direkt. Aber ich kenne Euch. Und ich will Euch versichern, dass ich Euch im Auge behalten werde.“ Diamond lachte kurz auf. „Haltet Ihr das denn für nötig? Neo Queen Serenity empfing mich bereits. Und auch mit King Endymion wechselte ich Worte. Sie wissen von meiner Anwesenheit. Glaubt Ihr, sie würden mich unbeobachtet durch den Palast streifen lassen, wenn von mir eine Gefahr ausginge?“ Die junge Frau machte noch einen Schritt auf ihn zu und schien ihn mit ihrem Blick zu durchbohren. Er schluckte. Es fühlte sich an, als würde sie seine letzten Gedanken genau kennen. Aber das wäre nicht möglich. Er hatte mit Niemandem darüber gesprochen, war sich nicht einmal sicher, ob dieser Plan überhaupt nötig werden würde. „Vermutlich weiß ich mehr über Euch, als Ihr selbst, Prince. Ich warne Euch, diese Familie steht nicht mehr nur unter dem Schutz des Silberkristalls und der inneren Planeten. Auch wir, die Kriegerinnen des Äußeren Kreises behüten sie. Entscheidet Euch für den Richtigen Weg.“ Diamond wich ihrem Blick aus. Wodurch könnte er sich verraten haben? Er schenkte den jungen Damen ein flüchtiges Lächeln und verbeugte sich abermals knapp. „Ich habe nicht vor, einen falschen Weg einzuschlagen. Und ich bin mir sicher, die Königin wird mir dabei helfen, den… „Richtigen“ Pfad zu finden.“ Die verwirrt dreinblickende Small Lady knickste erneut, bevor sich der Fremde zum Gehen abwandte. Wieder im Flur hörte er noch, wie die Prinzessin ihre Freundin auszufragen begann. Er selbst hatte genug gehört. Ihn beschlich ein ungutes Gefühl. Schon die Königin hatte sich ihm gegenüber irgendwie merkwürdig verhalten. Nun diese Drohung… Er setzte seinen Weg fort. Auch er hoffte, in der frischen Abendluft der Palastgärten seine Gedanken besser ordnen zu können. Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Noch immer haderte Neo Queen Serenity mit sich. Irgendwie hätte sie sich für das Gespräch mit Uranus und Neptun einen anderen Verlauf gewünscht. Aber was hatte sie erwartet? Dass Uranus sofort losstürmte, um Diamond aus dem Palast zu jagen? Immerhin hatte sie noch einen guten Ratschlag von der Windkriegerin bekommen. „Wenn du wissen willst, welche Zukunft dich erwartet, sprich mit derjenigen, die jede Zukunft kennt.“ Auf die Idee hätte sie selbst kommen können. Es war lange her, dass sie den verbotenen Ort aufgesucht hatte. Zu lange, bedachte sie, wie lange sie ihre wohl treuste Wächterin nun schon allein gelassen hatte. Endlich erreichte sie das verlassene Tor. Auf der anderen Seite würde sie sicher eine Antwort finden. Doch sie zögerte. Sie war nervös. Was, wenn ihr Pluto voraussagen würde, aus Diamond könne immer noch eine Bedrohung hervorgehen? Und wenn nicht? Schließlich überwandte sich die Königin. Allein darüber nachzudenken, brachte sie ohnehin nicht weiter. Sie stieß die Flügel des Tores langsam auf. Augenblicklich waberte ihr der dichte Nebel entgegen. Sie trat ein und sah sich um. Schnell war die Wächterin über diesen Ort gefunden. „Ihr habt lang gebraucht, den Weg zu mir zu finden, Neo Queen Serenity“, sprach Sailor Pluto, die, der Majestät den Rücken zugewandt, in die dimensionslose Ferne starrte. Langsam drehte sie sich um. Ihr von Einsamkeit getrübter Blick verriet Serenity, wie sehr die Herrin der Zeit unter den unzählbaren Jahren der Verlassenheit gelitten hatte. Dennoch strahlte die Kriegerin unfassbar viel Stolz aus, als sie niederkniete und das Gesicht senkte. „Es tut mir leid, dass ich dich so lang allein gelassen habe, Setsuna“, beteuerte Serenity reumütig. „Ich war nie allein, meine Königin. Ich konnte Euch sehen. Euer Licht schien-“ „Nein, Setsuna!“, unterbrach Serenity sie. „Deine Königin zu sein, ist nur ein Zusatz. In erster Linie bin ich deine Freundin. Und als die habe ich dich nicht gut behandelt.“ Auf Plutos Lippen legte sich ein melancholisches Lächeln, als sie aufstand. „Und doch kommst du nun nicht zu mir, um mir das zu sagen. Sprich aus, weshalb du mich aufgesucht hast.“ Verlegen sah Serenity zu Boden. „Du weißt, was ich wissen will, oder?“ „Ich kann dir nur die Fragen beantworten, die du mir stellst, Princess.“ Serenity schnaubte kopfschüttelnd, bevor sie ihrer Freundin in die Augen sah. „Du bist der einzige Mensch auf Erden, der mich noch so nennt. Es gibt eine neue Prinzessin, Setsuna.“ „Und als Hüterin der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kann ich dir versichern: Zeit ist relativ. Ich erinnere mich daran, als wäre es erst gestern gewesen, als ich dich als kleine Princess zum ersten Mal im Arm hielt. Es kann ein Fluch sein, nie zu vergessen. Aber manchmal ist es ein Segen, sehe ich in dir noch immer die naive, fantastisch verträumte Thronerbin unseres Königreiches. Small Lady, so sehr ich sie auch liebe, hat da mehr von der Vernunft ihres Vaters abbekommen.“ „Und eben die ist es, die mich jetzt zu dir treibt.“ Pluto hob fragend die Brauen. „Seit ich den Thron bestiegen habe, handelte ich immer vernünftig. Und wenn ich mir nicht sicher war, welches die rechte Entscheidung sein sollte, half mir Endymion, sie zu erkennen. Aber jetzt scheinen unsere Meinungen gänzlich auseinander zu gehen. Ich weiß, dass er Recht hat. Warum vertraue ich dann nicht auch jetzt auf seine Worte?“ „Das ist nicht die Frage, die dich hergetrieben hat. Denn du kennst die Antwort darauf. Du lässt dich innerlich zerreißen, weil Verstand und Herz zum ersten Mal seit einer Ewigkeit unterschiedlicher Meinung sind. Rational zu handeln war seit deiner Krönung dein Weg. Und wenn du einmal nicht wusstest, wie du handeln solltest, fragtest du Endymion, der dir den Weg der Vernunft zeigte. Das tut er auch jetzt, aber in diesem Augenblick schreit dein Herz auf. Es will diesen Weg nicht gehen. Es zerreißt dich. Aber das weißt du alles schon, nicht wahr?“ Serenity sah niedergeschlagen zu Boden. Ja, das alles wusste sie. Aber weswegen war sie nun hier? Hatte sie nur nach einem Menschen gesucht, der in ihr Innerstes blicken und sie verstehen konnte? Nein, sie wollte wissen, wie sie handeln sollte. „Welches ist der richtige Weg? Nie haben Vernunft und Herz so gegensätzlich gesprochen. Welcher Weg soll mich in die Zukunft führen?“ Kaum erkennbar schlich sich ein trauriges Lächeln auf Plutos Lippen. Sie trat dicht vor ihre Königin und legte zärtlich eine Hand auf deren Wange. „Hast du dein vergangenes Ich schon vergessen? Vor deiner Krönung waren dein Verstand und dein Herz so oft unterschiedlicher Meinung. Sailor Moon, Usagi Tsukino und Princess Serenity haben dabei nie den Weg der Vernunft als den richtigen angesehen. Du hast immer auf dein Herz gehört. Hast du verlernt, seine Sprache zu verstehen?“ Plutos Blick wanderte von Serenitys Augen zu ihrem Talisman. Auch die Königin sah langsam zu der mystischen Kugel. Zunächst glomm der Garnet Orb nur dunkel. Doch dann begann er zu strahlen und allmählich zeigte sein Inneres verschwommene Nebelgestalten. Die erste, die erkennbar wurde, ähnelte Prince Diamond. Ziellos wandelte er durch weite Gänge. Immer wieder sah er sich um. Ein grelles Licht erschien in seiner Hand. Er hielt es vor seinen Körper. Dann ließ er es frei, doch schon im nächsten Augenblick schien er es wieder einfangen zu wollen. Serenity schüttelte ihren Kopf. „Ich verstehe deine Vision nicht. Ist dieses Licht der Silberkristall? Und wenn ja, hat er ihn wieder freigelassen oder jagt er ihm nun nach?“ Die Nebelgestalt legte sich immer wieder um das Licht, wieder und wieder verschlang sie es, gab es wieder frei, wurde von ihm verbrannt und neu in ihm geschaffen. „Er hat sich noch nicht entschieden“, murmelte Pluto zur Antwort. „Darum gibt es noch keine klare Zukunft.“ Plötzlich hielt das Schauspiel im Garnet Orb an. Inmitten des Nebels entstand ein zarter, goldener Funke. Der Nebel wurde schwarz, verschlang die Lichter, wurde dann selbst in einem roten Funkensturm vertrieben und das Bild erstarb. Stille erfüllte den dimensionslosen Raum. Serenity und Pluto starrten in den schweigenden Talisman; er brachte keine Erklärung vor. „Also…“, begann die Königin nach einer Weile, „wird er Unglück über uns bringen, oder nicht? Dann muss ich ihn verbannen!“ Zunächst zeigte sich Pluto ebenso stumm wie ihr Talisman. Während sie nachdachte, fixierten ihre eigenen tiefroten die entschlossenen blauen Augen ihrer Königin. Sonst erstrahlte dieser klare Ozean voller Hoffnung und Güte. Jetzt wurde er von Verzweiflung getrübt. „Und damit hätten wir nun die Frage gefunden, die dich hergeführt hat. Kannst du jemanden für ein Verbrechen bestrafen, das er noch nicht begangen hat?“ Serenity senkte betrübt den Blick. Pluto trat dicht vor sie, zog sie in ihre Arme und flüsterte: „Ich kann dir diese Entscheidung nicht abnehmen, Princess. Ich bin nicht die Stimme deines Gewissens. Nur eines weiß ich; du wirst die richtige Entscheidung treffen. Und vollkommen egal, wie sie ausfallen wird, wir werden immer hinter dir stehen.“ Sie lehnte sich ein Stück zurück, um Serenity erneut direkt ansehen zu können. „Wie du dich auch entscheiden wirst, dein Licht wird er nicht bekommen, Princess. Das lasse ich nicht zu.“ Kopfschüttelnd schloss die junge Majestät ihre Augen. „Ich werde ihn verbannen. Überleg doch, was er angerichtet hat! Was er den anderen angetan hat. Und Small Lady. Und…“ Sie sah auf. Zunächst starr. Dann schlichen sich Tränen in ihren Blick „Ich darf nicht zulassen, dass… Niemand mehr soll sich seinetwegen opfern! Nicht, solange ich es verhindern kann. Was wäre ich für eine Königin, würde ich nicht auch dich beschützen?“ Jegliches Lächeln war aus Plutos Gesicht gewichen. „Mich im richtigen Moment opfern zu dürfen, ist mein Lohn, ist meine Erlösung. Zu sehen, wie sich die Geschichte wiederholt, immer aufs Neue, ist mein Fluch.“ Plötzlich lehnte sie sich vor, um Serenity einen sanften Kuss zu schenken. „Es gibt unzählige Zeitschleifen. Welche zur Wahrheit wird, kann ich erst unmittelbar vor ihrem Eintreten erkennen. Ich sehe alle möglichen Variationen der Zukunft. In einigen lasse ich mein Leben. Aber immer lebe ich nur für dich. Es ist nicht deine Pflicht, mich zu beschützen. Solange du nur strahlst, haben sowohl das Leben als auch der Tod einen Sinn für mich.“ Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- Noch immer verunsichert wanderte Neo Queen Serenity durch ihren Palast. Sie selbst machte die Gesetze – sie war die Königin. Was sie entschied, sollte auch geschehen. Aber konnte sie mit ihrem Gewissen vereinbaren, einen ihrer Untertanen für ein nicht begangenes Vergehen zu strafen? Sie musste es tun! Zum Schutz ihrer Familie! Als die Königin um die nächste Ecke bog, lief sie genau demjenigen in die Arme, den sie in diesem Moment ganz und gar nicht hatte treffen wollen. Zu vertieft war sie ihren Gedanken nachgegangen, als dass sie seine Schritte hätte hören können. Überrascht sah sie auf. Auf sein Gesicht trat langsam ein schelmisches Grinsen. Dann verschwand es wieder, der Prinz machte einen Schritt zurück und verbeugte sich. „So spät noch unterwegs, Majestät? Und das auch noch vollkommen allein. Was, wenn Euch etwas zustößt?“ Serenity reckte ihr Kinn nach oben. „Dies ist mein eigener Palast, Prince Diamond. Seit Jahrhunderten durchschreite ich seine Gänge, ohne mich um mein Wohlergehen sorgen zu müssen. Sollte sich das ausgerechnet heute verändert haben?“ Der Gesichtsausdruck des Prinzen war nicht zu deuten. Seine Mundwinkel zuckten. „Dafür sehe ich keinen Grund, meine Königin. Und wenn Ihr Euch nicht sorgt, würde es Euch sicher nichts ausmachen, begleitete ich Euch ein Stück?!“ Serenity schluckte. Allein mit dem Prinzen mitten in der Nacht durch die Korridore zu wandern, widerstrebte ihr. Aber sie wusste keine Einwände. Vielleicht war dies nun eine gute Gelegenheit, Beweise zu sammeln, die ihren Entschluss endgültig rechtfertigen könnten. „Nur zu, Prince. Ich war gerade auf dem Weg zu meinem Gemahl“, nickte sie schließlich und setzte ihren Weg fort. „Es wundert mich, Euch ohne ihn anzutreffen“, gab Diamond von sich. „Auch wenn wir in der Öffentlichkeit stets Seite an Seite stehen, gibt es nun mal Zeiten, in denen ich gern mit meinen Gedanken allein bin.“ „Oder einfach in anderer Gesellschaft?“, grinste er von der Seite aus. „Habt Ihr mich beobachtet?“ „Mehr zufällig entdeckt. Wer war dieser… närrische Blondschopf im Palastgarten?“ „Närrischer Blondschopf? Lasst sie das besser nicht hören. Die Prinzessin des Uranus ist ebenso stürmisch und stark wie ihr Planet.“ Überrascht zuckten die Gesichtszüge Diamonds. „Für eine Prinzessin hätte ich sie nun wirklich nicht gehalten.“ „Habt ihr nicht von ihr gehört? Neben ihr gibt es noch sieben weitere. Und ich warne Euch, sie sind meine treusten Beschützerinnen und ausgesprochen mächtig. Mich zu schützen ist ihr Schicksal. Sicher haben sie Euch längst im Visier.“ „Mich? Sehe ich denn verdächtig aus?“ Serenity hob zur Antwort nur vielsagend ihre Brauen. „Ich bin nur ein kleiner Untertan, der die Hilfe seiner Königin ersucht, um seinem Volk zu helfen.“ Sichtbar hart bissen Serenitys Backenzähne aufeinander. „Ich weiß nicht, wie ich Euch helfen kann.“ Vor einer großen Tür blieb sie stehen. Ihr Blick wanderte erst zu dem schweren Holz, dann zu ihrem Begleiter. „Ich kann Euch weder ein größeres Gebiet zusprechen, noch mehr Macht schenken. Was also erhofft Ihr Euch von Eurem Besuch?“ Unergründbar starrten seine Augen in ihre. „Tatsächlich? Nun… Ich dachte, Eure Macht wäre grenzenlos. Unvorstellbar, dass Ihr mir nicht aus meiner misslichen Lage helfen könnt.“ Serenity überkam eine Gänsehaut. Etwas Bedrohliches lag in seiner Stimme. Wie weit war der Prinz schon von dem rechten Weg abgewichen? Kalte Stille legte sich um Königin und Prinz. Plötzlich öffnete sich die Tür zu Serenitys Linken. Endymion trat in den Korridor. Abschätzend sah er zu seiner Gemahlin, dann zu dem königlichen Gast. Als er nach ihrer Hand griff, zuckte sie zusammen. An den Prinzen gewandt fragte der König: „Habt Ihr Eure Worte ordnen und Euren Ersuch nun doch vorbringen können?“ Noch immer starrte Diamond seine Königin an. „Das tat ich. Jetzt ist es an ihr, eine Antwort für mich zu finden.“ Sie wich einen Schritt zur Seite, näher hin zu ihrem Gatten. „Ich weiß nicht, wie ich Euch helfen kann, Diamond. Jede Provinz unseres Reiches wird gleich gut behandelt. Seit Jahrhunderten lebt unser Volk im Wohlstand. Auch die Eurer Familie zugewiesenen Ländereien werden nicht benachteiligt. Darum werde ich Euch keinen Joker zuspielen, Prince.“ Die Enttäuschung über dieses Urteil war dem Prinzen deutlich anzusehen. „Dann sehe ich keinen Grund, Eure Gastfreundschaft noch länger in Anspruch zu nehmen.“ Sein Blick wanderte zu Endymion. „Gleich morgen werde ich in mein Land zurückkehren.“ Damit wandte er sich ab und verschwand in den Weiten der Korridore. Kurz darauf beobachtete Endymion, wie seine Gemahlin im Schlafsaal auf und ab lief. Behutsam fragte er: „Hältst du es für klug, ihn so abzuweisen?“ Er bekam keine Antwort. Darum fragte er nach einer kurzen Pause weiter: „Du kennst sein Gemüt. Glaubst du nicht, diese Antwort könnte ihn endgültig in die falsche Richtung treiben?“ Sie blieb stehen. Aufgebracht platzte aus ihr heraus: „Was hätte ich denn tun sollen? Denkst du, ich würde mir keine Sorgen machen? Was wäre wohl geschehen, hätte ich ihm meine Macht versprochen? Death Phantom hat keine Macht über ihn, ja! Das heißt aber auch, dass wir ihn notfalls besiegen können, sollte er sich gegen uns auflehnen! Was, wenn ich ihm mehr Macht schenken und er dennoch auf den Pfad des Bösen geraten würde? Ich will das nicht noch einmal durchleben müssen, Mamoru! Zu viele Opfer hat es gegeben!“ Sie schloss ihre Augen. In ihrem Kopf erschienen fast vergessene Bilder der Vergangenheit. Ihre leidenden Freundinnen, ihre verwandelte Tochter, ihr besessener Gatte und schließlich… Erschrocken riss Serenity ihre Augen auf. Tränen rannen über ihre Wangen. „Ich darf nicht noch einmal zulassen, dass sich eine von ihnen opfert. Es ist nicht nur ihre Aufgabe, mich zu beschützen. Ich bin ihre Königin. Und ich darf nicht zulassen, dass ihnen etwas zustößt. Nicht noch einmal!“ Mit plötzlich entschlossenem Blick sprach sie weiter: „Ich werde ihn verbannen.“ Endymion zögerte. „Hältst du dieses Vorgehen für richtig?“ „Ich halte dieses Vorgehen für unbedingt notwendig!“, entgegnete sie laut. Bedächtig trat Endymion näher an seine Königin heran. „Warte wenigstens noch bis morgen früh, setz ihn nicht mitten in der Nacht vor die Tür. Wir werden ihn bewachen lassen. Und ich werde noch einmal mit ihm reden. Vielleicht zeigt sich ja doch noch, dass wir uns umsonst sorgen.“ Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- Auf dem Weg zum Schlafsaal seines Gastes, zeigte sich King Endymion angespannt. Er hatte Diamond der Audienz stattgegeben. Vielleicht hätte er stattdessen einfach den weißen Prinzen in dessen Palast besuchen und sich erst einmal ein Bild von seiner Lage verschaffen sollen. Dann hätte er vielleicht nach einer besseren Lösung mit Serenity suchen können. Abrupt blieb Endymion stehen. Sein Blick wanderte nach rechts. Weshalb stand diese Tür offen? Sie sollte verschlossen sein. Immer. Niemand durfte diesen Raum betreten, bis auf die Königsfamilie und deren engste Vertraute. Langsam trat er näher. Er schob die Tür lautlos auf. Sofort war er in Alarmbereitschaft. Nur wenige Meter vom größten Schatz des Mondes entfernt stand der törichte Gast. Bewegungslos. Wie hypnotisiert starrte Diamond auf den Kristall in seiner gläsernen Vitrine. „Es gehört sich nicht für einen Gast, in den Gemächern seines Gastgebers herumzuschnüffeln“, erklang Endymions Stimme hinter ihm. Diamond zeigte keine Regung. Mit einer Hand am Griff seines Schwertes trat Endymion näher. „Ich hätte ihn mir größer vorgestellt“, gab der Prinz plötzlich von sich. „Kaum zu glauben, dass ein so kleiner Stein solch große Macht besitzen soll.“ Direkt neben ihm blieb der König stehen. Aufmerksam musterte er den gierigen Blick, der fest auf dem Heiligtum des Reiches ruhte. „Neo Queen Serenity hat Eure Bitte abgewiesen. Vielleicht solltet Ihr noch heute abreisen.“ Prince Diamond schnaubte. „Ihr schickt Euren Gast mitten in der Nacht davon? Das ist aber nicht sehr edel.“ Endlich sah er von dem Silberkristall ab. Seine kalten Augen fixierten die seines Königs. „Mein Bruder versuchte, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Er sagte, die Königin würde uns helfen. Nur seinetwegen bin ich hier. Nicht, weil ich ihm glaubte, aber weil ich ihr eine Chance geben wollte. Jetzt habe ich den Beweis, dass ich Recht hatte. Der Königin sind die weit entfernten Ländereien ihres Reiches egal. Sie interessiert sich nicht für die Untertanen, die so weit weg von ihrem Palast leben. Es interessiert sie nicht, wie es uns geht.“ Endymion stellte sich zwischen Silberkristall und Prinz. Entschieden sagte er nur: „Geht. Verschwindet noch heute Nacht aus unserem Palast.“ Für einen Augenblick passierte nichts. Dann stieß Diamond seinen König plötzlich zur Seite und hetzte auf den Silberkristall zu. Sofort war Endymion bei ihm und hielt ihn zurück. Dann ging alles zu schnell. Die Tür vom Korridor wurde aufgestoßen. Neo Queen Serenity, Sailor Uranus und Neptun traten ein, ein metallenes Aufblitzen, ein erstickendes Stöhnen, lautes Klirren. Der König sank in sich zusammen. Blut tropfte auf die hellen Fliesen. Wie versteinert sah Serenity mit an, wie sich Diamond langsam über Endymion beugte, den Silberkristall in seiner Hand. „Ich handle nur zum Wohle meiner Familie“, raunte er dem König zu und stieß ihn um. Keuchend krümmte sich Endymion am Boden. Zwischen seinen Fingern, die er gegen seine Brust drückte, drang pulsierend ein heißer Strom seines Blutes hervor. Ein Schrei entglitt der Königin. Dann rannte sie zu ihm, fiel nieder, schlang ihre Arme um ihn. Uranus und Neptun zögerten keinen Augenblick. Als wäre seit ihrem letzten Kampf kein Tag vergangen, jagten sie dem Prinzen ihre Angriffe entgegen. Diamond zeigte sich unbeeindruckt. Den Schutzstein des Reiches in der einen Hand haltend hob er beschwörend seine andere. Der Schatten zu seinen Füßen erzitterte. Er gewann an Schwärze und bäumte sich auf. Die bizarre Kreatur ignorierte die Fesseln der Physik, um sich zwischen ihren Herren und dessen Angreifer zu stellen. Die Senshi schickten ihm ein Stakkato an Energiebällen entgegen. Immer wieder zogen türkisfarbene und goldene Blitze durch den Saal und das schwarze Ungetüm bot in seiner vollen Größe eine hervorragende Angriffsfläche. Für den finalen Angriff hob Uranus ihre Hände. Eine gleißend helle Lichtkugel wuchs zwischen ihren Fingerspitzen. Je weiter sie sich verdichtete, desto heißer wurde ihr Schein. Neptun tat es ihrer Gefährtin gleich. Die Atmosphäre begann zu knistern, als die Senshi ihre Energien zueinander führten und die Kräfte ihrer Schutzplaneten Diamonds Schattengeschöpf entgegenschleuderten. Schwer atmend sahen sie mit an, wie die Kugel auf das Monster traf, wie sich die Kreatur aufbäumte, wie die Schwärze aufriss und in Fetzen auseinanderstob. Blitze zuckten durch die Luft. Das Geschöpf zerbarst in schwarzen Nebel. Uranus warf Neptun einen siegessicheren Blick zu. Dann erstarrte sie. Schlagartig war das Licht der Angriffe erloschen. Mit ihm war jegliche Wärme verschwunden. Als Uranus ausatmete, waberte kalter Dunst empor. Sie sah zu Diamond. Der schüttelte grinsend den Kopf. Er streckte den rechten Arm aus, seine Hand zur Faust geballt. Die Tür des Korridors wurde erneut aufgestoßen. Die Kriegerinnen des Inneren Kreises nahmen hinter Uranus und Neptun ihre Kampfhaltungen ein. Diamond öffnete seine Faust. Augenblicklich schien die Luft einzufrieren. Statt sich aufzulösen wurde der schwarze Nebel dick und schwer. Sailor Merkur erkannte die Gefahr als erste, aber ihr Warnruf kam zu spät. Wie schweres Gas waberte der Schatten um seine Widersacher, vergiftete die Luft um sie herum und zwang sie keuchend nieder. Diamond ließ seine Hand sinken. Der Schattennebel legte sich wie eine dünne Pechschicht auf den Marmorboden und wartete wie ein gezähmtes Raubtier auf das nächste Kommando seines Herren. Langsam schritt Diamond auf Serenity zu, die noch immer den leblosen Körper ihres Königs umklammerte. „Ihr hättet es verhindern können, meine Königin“, höhnte Diamond überlegen. Langsam beugte er sich zu ihr herab. „Abgewiesen habt ihr mich! Es war nie Eure Absicht gewesen, mir zu helfen. Das habe ich in Eurem Blick erkannt. Von Anfang an hattet Ihr mich verurteilt.“ Serenity sah hasserfüllt auf und starrte in die kalten Augen des Prinzen. War das etwa… Die Königin erblasste. Sie spürte, wie ein eisiger Schauer ihren Körper erzittern ließ. Seine Aura – hatte sie sich verändert? In Diamonds Augen glänzte etwas Altbekanntes. Etwas, das sie gehofft hatte, nie wiedersehen zu müssen. Nicht mehr in diesem Leben… Etwas, das einst rotgoldene Iriden getrübt hatte. Ein Vorbote des schwarzen Feindes. Das Brandmal eines Schattens. Schützend schlang Serenity ihre Arme um ihren Gatten. Ihr tränengetränkter Blick legte sich auf den stolzen König. Dessen Augen hatten seine Geliebte fest anvisiert. Serenitys Gesichtszüge verzerrten sich und der salzige Strom fand seinen Weg über ihre Wangen. „Nein!“, flehte sie erstickend. „Ich darf dich nicht verlieren! Geh nicht mit ihm!“ Mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, hob Endymion seine Hand und legte sie an ihre Wange. „Ich bin doch immer bei dir, Usa.“ Seine Atemzüge wurden schwerer und seine Hand fiel. „Geh nicht, Mamo! Nicht noch einmal!“ Serenity verbarg ihr Gesicht in seinem schwarzen Haar. „Du hast es mir doch versprochen!“, flüsterte sie atemlos. Ein Keuchen drang an ihr Ohr. „Nein!“, keifte sie Diamond an, der lächelnd eine Hand auf die blutende Wunde in Endymions Brust gelegt hatte. Sie griff nach Diamonds Arm und schrie hysterisch, als ein strahlendes Licht den König umfing. „Lass ihn hier! Du darfst ihn mir nicht nehmen!“ Tiefes Flehen verbarg sich in ihren verzweifelter werdenden Schreien. „Nicht noch einmal!“ Doch Diamond ließ sich nicht beirren. Mittlerweile hatten seine Augen jeglichen amethystfarbenen Schimmer verloren. Schwärze hatte sich über seine Iriden gelegt. Der Dämon hatte die Kontrolle über seinen Wirt übernommen. Der Prinz erhob sich. Mühelos entzog er dem Sterbenden sein strahlendes Selbst. Ein goldener Schein entstand über Endymions Brust. Schließlich musste der König mitansehen, wie der Kristall seines Herzens seinen Körper verließ. Sein Blick wurde leer. Sein Kopf fiel in Serenitys Schoß. Die Königin schrie auf. Siegessicher grinsend hob Diamond zuerst den Kristall des Erdenkönigs, dann den Silberkristall in die Höhe. „So fühlt es sich also an.“ Er legte seinen Kopf schief. „Die Macht der Erde und des Mondes. Und beide in meinen Händen.“ Seine Zähne blitzen in seinem schief grinsenden Mund auf. „Und anders als Ihr werde ich diese Macht zu nutzen wissen. Doch zuvor…“ Sein Grinsen verschwand. Er nahm beide Steine in eine Hand und hob das am Boden liegende Schwert des Königs auf. Dann deutete er mit dessen Spitze auf die Königin, die, den leblosen Körper ihres Gemahls umklammernd, eine Wiegebewegung aufgenommen hatte. „Zuvor werde ich der Monarchie des Mondreiches ein Ende setzen.“ Sein anvisiertes Ziel war in eine Art Trance gefallen. Die Königin hatte den letzten Herzschlag ihres Königs gespürt. Mit dem letzten Atemzug ihres Geliebten war jeglicher Lebenswille aus ihrem eigenen Leib gewichen. Mit trüben Augen sah sie auf. Sie erkannte das Schwert. Sie sah, wie die Klinge auf sie nieder stieß. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)