Blurred von YukiKano ================================================================================ Kapitel 8: Kapitel 7 -------------------- Ich kann es nur immer wieder sagen: Diese Villa ist ein trostloser, einsamer Ort. Auf dem Bett zu liegen und die Beine in der Luft baumeln zu lassen schien hier irgendwie das spannendste zu sein, was man machen konnte. Ich schätze mal das Kaiba zwar auch so etwas wie einen Fernseher besitzt, aber mich im Wohnzimmer aufzuhalten übersteigt meinen Mut dann doch erheblich. Als blieb mir nichts anderes übrig, als in meinem Zimmer zu versauern. Ich sollte ein Buch schreiben. Meine Memoiren. Wäre zwar nicht sonderlich spannend, weil auf jeder Seite eh nur dasselbe steht, aber dann hätte ich wenigstens für ein paar Minuten am Tag Beschäftigung. Doch meiner Langeweile sollte ein jähes Ende gesetzt werden, als plötzlich Seto Kaiba mein Zimmer stürmte. Ich schüttelte den Kopf und sah dann nochmal genauer hin. Aber da stand ohne jeden Zweifel Seto Kaiba mitten im Raum. »Ähm ...« - mehr brachte mein Hirn nicht zu Stande. Hatte Mokuba nicht heute Morgen gesagt, dass Kaiba erst abends aus der Firma zurückkehren würde?! »Du wurdest für deine Dienste in der Firma mit Anzügen ausgestattet - hängen die im Schrank?« »Äh - Nö«, gluckste ich. Mich befriedigte es zu wissen das die hässlichen Teile die Dinge in meinen gepackten Umzugskartons wärmten. Aber das musste ich Seto ja nicht auf die Nase binden! »Wo sind sie dann? Du brauchst heute Abend einen!« Ich setzte mich auf und runzelte die Stirn. »Dafür kann es nur drei Anlässe geben: Jemand ist gestorben, du hast unsere Hochzeit vorverlegt oder du planst in den nächsten zwei Minuten mal wieder einen zweiwöchigen Koma-Urlaub und willst von mir vertreten werden! Welch schreckliche Veranstaltung muss ich also heute über mich ergehen lassen?« »Es ist bloß eine Firmenfeier!« »Ach so na dann«, sagte ich langgezogen und ließ mich wieder auf die Matratze fallen. »Da muss ich ja nicht mitkommen! Hunde sind da mit Sicherheit nicht erwünscht!« »Leider wirst du mich wohl begleiten müssen, denn diese Firma liefert wichtige Bauteile für meine Produktionsanlagen! Und die Frau des Geschäftsführers besteht darauf dich kennenzulernen, vorher schließt er keine weiteren Verträge mit der Kaiba Corp. ab!« Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man meinen Kaiba stünde am Rande der Verzweiflung. Trotzdem setzte ich mich wieder auf und sah ihn forschend an. Während meiner Arbeitsstunden in der Kaiba Corp. hatte ich mit niemandem über eine Feier gesprochen, geschweige denn eine Einladung dazu angenommen. Das hieß es gab auf diesem Planeten nur zwei andere Menschen die das getan haben konnten und die schienen sich gerade auch gegen mich zu verbünden. »Die kleinen Scheißer«, brabbelte ich wütend vor mich hin. Mokuba und David konnten was erleben, wenn ich sie das nächste Mal in die Finger bekommen sollte! »Ich habe trotzdem keinen Anzug und in Jeans und T-Shirt wirst du mich ja wohl kaum mitnehmen!« Kaiba verzog minimal die Mundwinkel. Schien zu bedeuten das er enttäuscht war. So recht war das nämlich nicht zu erkennen. »Ich lasse dir gleich zwei Anzüge von meinen alten bringen. Einer davon muss passen, notfalls bestelle ich jemanden her, der das ändert! Und dann sei bitte um 18.00 Uhr unten, damit wir pünktlich los können!« Und dann verschwand er einfach ohne meine Zustimmung abzuwarten. Schien für ihn also beschlossene Sache zu sein das ich ihn begleitete. Gefragt hatte er mich nämlich nicht. Der hatte die Höflichkeit auch mit der Gabel gegessen! Ich rechnete die nächste halbe Stunde mit einer von Kaibas Angestellten, die mir zwei Anzüge bringen würde, doch stattdessen betrat ein Regenbogen mein Zimmer. Es war ein Mann der allerhöchstens Mitte zwanzig sein konnte. Und er grinste breit wie ein Honigkuchenpferd als er mich erblickte. Die Klamotten die er trug mussten aus allen Farbtönen bestehen die es gab. Vom hellsten gelb bis zum dunkelsten braun war alles dabei. Hinter ihm tauchte dann die erwartete Angestellte auf. Über dem einem Arm hingen zwei Anzüge und über dem anderen drei Hemden. Der Regenbogen trug auch noch einen überdimensionalen Koffer mit sich. Schien, als würde diese Anprobe länger dauern! »Hallo, mein Name ist Paul. Ich kümmere mich heute um Ihre Einkleidung!« War es ein Klischee, dass er einen starken französischen Akzent aufwies? Ich wusste gar nicht, dass es in Japan so etwas gab... Ich stand vom Bett auf und wollte dem Mann die Hand geben, doch er zog es vor mich gleich in seine Arme zu schließen, als wäre ich ein lang verschollenes Familienmitglied. »Hätte nie gedacht, dass Seto es schaffen würde jemanden davon zu überzeugen längerfristig in sein Bettchen zu steigen!« Ich verzog das Gesicht. Der nächste auf meiner Abschussliste. Bis gerade eben war er mir ja noch ganz sympathisch gewesen, aber jetzt konnte er mich genauso mal gerne haben wie alle anderen hier! Und das ließ ich ihn auch spüren, als er begann an mich mit seinem Maßband auszumessen. Das ganze ließ ich mir auch solange gefallen, bis er von mir verlangte, dass ich mich bis auf die Unterhose auszog. »Alter, nein! Gib mir einfach den Anzug. Er muss ja nicht wie angegossen sitzen, immerhin bin ich nicht der Star des Abends!« Paul schnalzte mit der Zunge. »Man hätte Seto Kaiba nicht zu solch einer Feier eingeladen, wenn es dafür keinen triftigen Grund gäbe!« »Und der Grund dafür soll ich sein? Ein armer junger Köter aus einer Vorstadt von Domino? Ich lach mich tot!« »Es geht dabei wohl eher um den Fakt, dass Seto Kaiba verlobt ist. Die Leute wollen durch ihren Auftritt heute Abend sehen, wer die Person ist, die ihn dazu gebracht hat sesshaft zu werden und das schon in so jungen Jahren!« Ich verdrehte die Augen. »Menschen sind so eklig! Warum können die sich nicht mal um ihren eigenen Scheiß kümmern?« »Das Leben einer Millionärsgattin verliert mit der Zeit an Spaß. Irgendwann reicht teurer Schmuck und teurer Kleidung nicht mehr aus und sie setzen sich am Sonntag zusammen um über das Leben anderer Frauen aus ihrer Gesellschaftsschicht zu lästern. In dieser Woche sind Sie beim Kaffeekränzchen Gesprächsthema Nummer 1 - und ich werde dafür sorgen, dass man zu mindestens über ihr Aussehen kein böses Wort verlieren kann!« »Haben sie zufälligerweise einen Zwillingsbruder der Hundefriseur ist?« Ich schnaubte genervt. Das Taika bei so einer Steilvorlage nicht weit weg sein konnte, war klar wie Kloßbrühe. »Warum sollte jemand so einen Beruf freiwillig ausführen wollen?«, fragte Paul stirnrunzelnd. »Na wenn sie dafür sorgen wollen das diese Töle heute Abend ansehnlich aussieht, brauchen sie auch jemanden der sich um das Nest auf seinem Schädel kümmert!« Paul räusperte sich und ließ das Maßband sinken. »Dann sollten sie sich vielleicht mal in ihrem beschränkten Bekanntenkreis nach so jemandem umhören - ich kenne niemanden und nun verlassen Sie bitte meinen Arbeitsplatz!« Taikas Augen verengten sich zu Schlitzen, aber sie sagte nichts dazu. In einer fließenden Bewegung stellte sie die Schuhe neben dem Türrahmen ab und zog die Tür hinter sich zu. »Sacrebleu, ich hatte ganz vergessen was für eine alte Hexe diese Schnepfe ist!«, murmelte Paul vor sich hin. Während er sprach reichte er mir Anzug und Hemd. »Entweder du ziehst dich hier um oder gehst ins Bad, aber beeil dich, wir haben nicht mehr viel Zeit! Hopp, hopp - Dalli, dalli!« Er war mir wegen dem was er über Taika gesagt hatte bis zu dem Moment sympathisch, in dem er mir beim vorbeigehen einen Klaps auf den Hintern gab. Der Anzug von Kaiba war ein ganz anderer, als die, die man mir gekauft hatte. Der Stoff war viel weicher und sanfter, dass schwarz viel edler als meins. Er schmiegte sich perfekt an die Haut an und wirkte selbst an mir wie maßgeschneidert. Kaiba war ein Stück breiter als ich und hatte längere Beine - Paul hatte also noch ein ganzes Stück Arbeit vor sich. Ich knöpfte die Knopfleiste des Hemdes zu und ging wieder ins Schlafzimmer zurück. Pauls Augen wurden riesig, als er mich erblickte. »Mon Chérie, du siehst bezaubernd aus, wie eine männliche Cinderella!«, sagte er begeistert und ging einmal um mich herum. »Wir kürzen die Beine und schlagen die Enden einmal um. Immerhin bist du jung und musst modern aussehen, nicht wie die ganzen anderen alten Knacker da!« Ich bekam das Gefühl, dass Paul dafür sorgen wollte, dass ich heute Abend im Rampenlicht stehen würde. Nur irgendwie behagte mir die Vorstellung, jeder würde mich anstarren, überhaupt nicht. Um also das schlimmste abzuwenden, räusperte ich mich verlegen. »Kannst du den Anzug nicht einfach so abändern, dass er mir passt? Ich habe wirklich nicht das Bedürfnis, der Star des Abends zu sein!« Paul sah nach meinen Worten sehr gekränkt aus. Ich konnte mir auch vorstellen warum. Er hatte bestimmt seit langer Zeit mal wieder die Chance etwas Aufregendes zu designen und sollte am Ende doch wieder nur einen stinknormalen Anzug aus dem Ärmel zaubern. Weil ich ihn immer noch mehr leiden konnte, als Taika, beschloss ich, dass er dieses Jahr mein Halloweenkostüm entwerfen dürfte. Eigentlich ging ich ja immer als "Flammender Schwertkämpfer“, doch es fühlte sich an, als wäre mal wieder Zeit für etwas Neues. Solange Paul nicht auf die Idee kam mich als Hund oder Einhorn zu verkleiden, sollte ja alles gut gehen. Er drückte mir auch den anderen Anzug in die Arme und schickte mich damit ins Bad zurück. Der zweite Abzug war bordeauxrot mit schwarzem Hemd und schwarzer Fliege. Ich fand er stand mir klasse, stellte mir aber gleichzeitig vor wie Kaiba wohl darin ausgesehen hatte. Immerhin war das ursprünglich ja mal seiner gewesen! Aber vermutlich gehörte das Teil zu einem von Pauls gescheiterten Versuchen. Ich konnte mir nämlich schlecht vorstellen das Kaiba in etwas anderem herumlief als tiefschwarz. Paul war von diesem Anzug auch begeisterter als vom ersten. Er entschied kurzer Hand, dass ich in diesem Anzug zur Veranstaltung gehen würde und schickte die Bedienstete - die immer noch im Raum stand - mit dem anderen Anzug zurück zu Kaiba. »Sie werden heute Abend aussehen wie ein junger König!« Ich verdrehte die Augen. Dieser französische Akzent störte mich immer noch. ׺°”˜`”°º× ☯☯☯ ׺°”˜`”°º× Gefühlte tausend Mal rein raus später, war Paul mit seinem Werk zufrieden. Ich fühlte mich nicht mehr ganz so minderwertig und würde als Einrichtungsgegenstand bestens in diese Villa passen. Paul kamen beinahe die Tränen, als er mich ein letztes Mal dazu aufforderte mich nach links und rechts zu drehen. »Fantastique, du wirst der schönste Mann sein heute Abend!« Ich fuhr mir nervös durch die Haare. So viel Lob zu meinem Outfit hatte ich noch nie bekommen und es war mir auch nach wie vor sehr unangenehm. Paul ging zur Tür und holte die Schuhe, die Taika dort abgestellt hatte. »Italienisches Leder, hochwertig und bequem. Lässt sich lange drinnen tanzen!« »Nur über meine Leiche!«, brummte ich und riss ihm die halbhohen Schuhe quasi aus der Hand. Ich konnte nicht tanzen und ich würde niemals tanzen. Dazu konnten mich keine zehn Pferde bringen. Wenn Kaiba jemanden wollte der mit ihm tanzt, soll er Tea mitnehmen! »Ich sehe Sie dann unten Joey!« Bei dem vornehmen Tonfall fehlte nur noch ein Hofknicks. Und ich denke den hätte er auch gemacht wenn ich ihn nicht so böse angestarrt hätte. Ich warf noch einen letzten Blick in den Spiegel. Das was ich dort sah, sah nicht mehr nach Joey Wheeler aus. Eher wie eine kaibaische Version von mir. Als hätte er mich entführt und mir eine Gehirnwäsche verpasst. Ich fragte mich, ob ich so wirklich für den Rest meines Lebens aussehen wollte. Denn in Jeans und T-Shirt würde Kaiba mich mit Sicherheit nicht mehr aus dem Haus lassen. Doch eine Antwort würde ich darauf heute Abend wohl nicht mehr finden. Ich steckte mein Handy ein und schaltete das Licht aus, dann zog ich die schwere Tür hinter mir ins Schloss und suchte die Treppe. Entweder Seto würde mir ein Navigationsgerät programmieren oder Wegweiser aufhängen, andernfalls würde ich auf eine Küche in meinem Zimmer bestehen. Es kam mir nämlich so vor, als würde sich Treppe von Stunde zu Stunde verschieben. Als ich Treppe nach unten ging, wurde ich im Foyer von einer ganzen Gruppe Menschen in Empfang genommen. »Sieht ja fast aus wie ein Mensch«, hörte ich Taika sagen, bevor sie wieder in Richtung Küche davonging. Ich sollte ihr das Gebiss klauen und im Garten vergraben. Dann wäre sie vielleicht endlich mal still. Mokuba und David sahen mich an, als wäre ich Cinderella im Ballkleid und ich fragte mich, ob ihnen gerade ein paar Sicherungen durch geknallt waren. Paul konnte man ansehen, dass er sich gerade innerlich selbst auf die Schulter klopfte und der Eisklotz in Person ließ mal wieder überhaupt keine Gesichtsregung zu. »Die Farbe steht dir ausgezeichnet«, sagte David mit einem breiten Grinsen und schien damit Mokuba aus der Seele zu sprechen. Der nickte nämlich nur bekräftigend. Kaiba brummte und ging an mir vorbei in Richtung Tür. David und ich folgten unauffällig. Vor der Tür erwartete uns eine Stretch-Limousine, von der ich nicht glaubte, dass sie zu Kaibas persönlichem Fuhrpark gehörte. Und das er sie extra für diesen Anlass gemietet hatte. Roland - das Mädchen für alles - hielt uns bereits die Tür auf. Kaiba wollte schon einsteigen, da hielt David ihn nochmal zurück. »Denkt daran, es wird Fotos von dieser Veranstaltung geben und die Alte vom Jugendamt wird sicherlich welche zu Gesicht bekommen«, begann David seine Ansprache. Irgendwie wusste ich schon worauf das hinauslaufen würde, bevor er überhaupt richtig angefangen hatte. »Ihr müsst versuchen euch wie ein ganz normales Pärchen zu benehmen. Sobald ihr eine Kamera entdeckt, sucht die Nähe zum anderen. Tanzt zusammen, haltet Händchen und schaut euch verliebt an! In der Limo liegen Ausdrucke bereit, die euch veranschaulichen wie so etwas aussieht!« Ich glaube Kaiba und ich waren uns vorher noch nie so einig, wie in diesem Moment. Unser Blick musste ähnlich verstört aussehen. Von Kameras hatte vorher niemand etwas gesagt. Und es war auch etwas ganz anderes, wenn man nur eine Person von seiner Beziehung überzeugen musste, nicht einen ganzen Saal voller Menschen! Panisch sah ich mich um. Wie würde ich aus dieser Situation jetzt wieder herauskommen? Ich konnte unmöglich einen ganzen Abend so tun, als wäre ich unsterblich in Kaiba verliebt. Da kam mir ja schon beim Gedanken daran das Frühstück wieder hoch. »Ich werde dafür sorgen, dass sämtliche Reporter Zutrittsverbot erhalten!«, hörte ich Kaiba sagen. Mein Herzschlag beruhigte sich bei diesen Worten wieder ein wenig, weil ich wusste, dass er die Mittel und Beziehungen hatte, um so eine Anordnung durchzudrücken. David schnipste mit den Fingern. »Wäre das deine Party, könnte niemand etwas dagegen tun, aber du bist heute Abend nicht der Gastgeber! Und da du auf die Verträge wirklich abgewiesen bist, würde ich mich an deiner Stelle zurückhalten. Ihr seid noch minderjährig. Nach 0.00 Uhr kann euch dort eh keiner mehr festhalten!« Sind Ticks wie unkontrolliertes zucken eines Augenwinkels nicht Anzeichen für das Tourette-Syndrom? Wenn ja, dann sollte ich mich testen lassen, wenn das hier so weiter ging! »Wir reden hier von fast fünf fucking Stunden? Wie sollen wir das deiner Meinung nach hinbekommen? Wir sind keine Schauspieler!« »Aber sehr um Mokubas Sorgerecht besorgt, also strengt euch an!« Am liebsten würde ich ihn in den Anzug stecken und ihm die Rolle als Kaibas Verlobter überlassen. Dann hätte ich nämlich viel weniger Probleme! Kaiba brummte irgendetwas und stieg dann als erster in die Limo ein. Ich folgte wenig begeistert. David hatte uns nicht angelogen. Auf unserem Sitz lagen tatsächlich Ausdrucke von verliebten Pärchen, die extra herangezomt wurden um bestimmte Körper Partien betontn. Das Lächeln oder die Augen. Kaum hatte Kaiba sie entdeckt, fegte er sie vom Sitz und kümmerte sich nicht darum, dass er sie mit seinen Schuhen völlig zerstörte. Ich wusste, dass David hinter mir stand und alles genau beobachtete. Und irgendwie hatte ich im Blut, dass er sich dafür rächen würde. Doch weil ich von seiner Idee ähnlich wenig begeistert bin, mache ich es wie Kaiba und ziehe die Tür direkt hinter mir zu, bevor David noch irgendeinen blöden Spruch los lassen kann. Kurze Zeit später setzt sich die Limo in Bewegung. Kaiba und ich starrten schweigend aus dem Fenster. Ich fragte mich, ob das für immer so sein würde. Das wir uns nichts zu sagen hatten, nur für ein paar Stunden das glückliche Paar spielten und danach getrennte Wege gingen. Er mit seinen Betthäschen und ich mit meinen. Die Fahrt dauerte lange und die schwarzen Scheiben verhinderten, dass ich irgendetwas sehen konnte. Schließlich blieb die Limo stehen und Roland kam wenige Sekunden später, um uns die Tür zu öffnen. Wir standen vor einem der zahllosen Hochhäuser der Innenstadt, vor dem heute eine Menge teure Autos geparkt waren. Chauffeure standen neben der Tür versammelt und rauchten eine. Ich fragte mich ob sie die nächsten fünf Stunden nichts anderes tun würden. Kaiba griff nach meiner Hand. Ich wäre beinahe zurückgezuckt, als seine kalten Finger sich mit meinen verhakten. Schockiert sah ich von der Seite an. »Schau mich nicht so an! Das ist alles nur zur Show!« »Ach nein, ehrlich? Ich dachte schon du steckst mir den Verlobungsring heute Abend wirklich an!«, knurrte ich. Am liebsten hätte ich meine Hand wieder aus seiner gezogen, doch glücklicherweise hatte ich es nicht getan. Denn kaum hatten wir die Eingangshalle betreten, empfing uns schon ein Blitzlichtgewitter. Wenn ich mich nicht irre, ist diese Firmenfeier heute Abend die interessanteste Veranstaltung in ganz Domino und hier streunten nur diejenigen herum die auch etwas zu sagen hatten. Dieser Fakt wurde von all den Anwesenden Reportern nur unterstrichen. Die 600 Lokalzeitungen benötigten immerhin eine Story fürs Titelblatt. Und „Feuerwehr rettet Katze vom Baum“ eignete sich wohl kaum dafür. Ich warf Kaiba einen nervösen Block zu, in der Hoffnung ich könnte aus seinem Gesicht ablesen was ich zu tun hatte. So einem direkten Kontakt mit Paparazzi war ich immerhin noch nicht ausgesetzt gewesen. Das eine Foto was von mir in der Domino Square aufgetaucht war, wurde von sehr weit weg aufgenommen. Und das andere stammte aus dem Jahrbuch der Schülerzeitung. Kaiba bemühte sich nicht mal um ein Lächeln. Er sah genauso stur geradeaus wie immer. Wäre ich ein Reporter oder ein Mitarbeiter des Jugendamtes, hätte ich ihm niemals abgekauft das er gerade mit seiner großen Liebe eine Veranstaltung besuchte. Daran änderte auch der Fakt, dass er mit seinen Klauen meine Finger einsperrte, nichts. Irgendwie war mir klar, dass von uns beiden morgen wieder ein Foto in der Zeitung auftauchen würde. Und irgendwie freute es mich zum ersten Mal, dass ich jetzt in der Villa wohnte und nicht mehr bei meinem Vater. Denn auf blaue Flecken folgten meistens Knochenbrüche, wenn er mich zweimal auf dasselbe hinweisen musste. Ein drittes Mal hatte es glücklicherweise noch nie gegeben. Ich wollte mir gar nicht ausmalen was dann passieren würde. Wir schafften es bis zum Fahrstuhl und ich seufzte erleichtert, als sich die Türen schlossen. Kaiba ließ meine Hand los, kaum das dies geschehen war. Hätte er Desinfektionsspray dabei, hätte er sich vermutlich umgehend die Handflächen damit eingerieben. Und irgendwie kränkte es mich, dass man ihm das sofort ansah! »Sind oben auch Reporter?«, fragte ich und steckte die Hände in die Sakkotaschen, weil ich nicht wusste was ich sonst damit anfangen sollte. »Nein, aber genügend Menschen die in einer der Lokalzeitungen Kolumnen schreiben oder auf der Webseite ihrer Firma einen Eintrag zur Feier verfassen. Und ein paar von den Klatschweibern stecken den Reportern mit Sicherheit auch ein paar Details. Außerdem möchte ich in Gegenwart meiner Geschäftspartner nicht den Eindruck erwecken, dass ich unehrlich bin! Lügen sorgen immer für schlechte Presse!«, sagte er monoton und sah dabei durchgehend die Türen des Aufzugs ein. »Eigentlich ist es mir auch egal von wem ich meine Teile beziehe. Lieferanten stehen bei mir Schlange. Aber ich habe im Moment wichtigeres zu tun, als neue Verträge auszuhandeln.« »Ich bin froh, dass ich mich damit nicht mehr befassen muss - deine Firma zu führen ist echt nicht einfach«, antwortete ich, in der Hoffnung eine halbwegs neutrale Stimmung aufzubauen. Ich konnte nämlich nicht halbwegs so gut schauspielern wie er. Und wenn er mich jetzt schon wieder anpisste, konnte ich ihn unmöglich den ganzen Abend so ansehen, als wäre ich unsterblich in ihn verliebt. Dann würde es eher aussehen, als suchte ich nach der passenden Gelegenheit um ihn um die Ecke zu bringen! Kaiba drehte sich und sah mich nun direkt an. »David hat gesagt du hast gute Arbeit in der Kaiba Corp. geleistet!« Ich lachte nervös und sah ausweichend nach links, um diesen bohrenden blauen Augen zu entfliehen. Nervös kratzte ich mich am Hinterkopf. »Eigentlich haben Mokuba und er das meiste gemacht. Ich bin nur ab und zu ans Telefon gegangen und habe ein paar Termine verschoben!« »In meinen Alpträumen hast du das Gebäude in die Luft gejagt, also hast du gute Arbeit geleistet weil es noch steht!« Ich drehte den Kopf wieder zurück, blickte ihm direkt in die Augen. »War das gerade ein Kompliment?«, fragte ich neugierig. Ich konnte es kaum glauben, aber es hörte sich stark danach an. Kaiba zog einen Mundwinkel hoch. »Hunde soll man loben, damit sie einem nicht auf den Teppich pinkeln!« Ich verzog das Gesicht und wandte mich nun endgültig ab. »War ja klar, dass ich von dir nichts erwarten kann, ohne gleich wieder als Hund abgestempelt zu werden! Du solltest echt mal zum Therapeuten ich glaube nämlich das ist eine krank-« Ich wurde ruppig unterbrochen, weil Kaiba mich gegen die Wand des Fahrstuhls presste und im nächsten Moment seine Lippen auf meine legte. Geschockt sah ich ihn aus weit geöffneten Augen an und realisierte erst viel später was er da gerade tat. HATTE DER KERL DEN KNALL NICHT GEHÖRT? Erschrocken schubste ich ihn zurück und wischte mir über den Mund, der jetzt nach Pfefferminz und Rotwein schmeckte. »Sag mal spinnst du? Was denkst du eigentlich wer du bist?« Er richtete seine Krawatte und räusperte sich anschließend. »Ich wollte bloß, dass du den Rand hältst! Und da man bei dir mit einfachen Worten nicht weiterkommt, musste ich mir andere Methoden einfallen lassen!« Ich wollte gegen diese Dreistigkeit protestieren, doch bevor ich den Mund öffnen konnte, öffneten sich die Fahrstuhltüren mit einem lauten Pling. Kaiba spazierte heraus und ließ mich zurück ohne sich noch einmal umzudrehen. Das Herrchen konnte sich immerhin sicher sein, dass der Hund folgte. Und so war es dann auch. Wir waren ganz nach oben gefahren und dieser Teil des Gebäudes schien nicht zur Firma zu gehören, denn direkt vor uns befand sich eine leere Garderobe und hinter dem danebenliegenden Türbogen stand ein pompöser Esstisch über dem ein riesiger Kronleuchter baumelte. Ich konnte nicht fassen, dass es Leute gab, die freiwillig direkt über ihrer Firma wohnten. Jetzt bekam der Satz „Arbeit mit nach Hause nehmen“ eine ganz neue Bedeutung! Kaum hatten wir den Raum betreten kam uns auch schon ein junger Mann im Frack entgegen. »Guten Abend die Herren, darf ich Ihnen die Jacketts abnehmen oder möchten Sie diese noch anbehalten?« Ich überließ Seto das Antworten und befasste mich lieber damit zu erraten, wie alt der Typ mir gegenüber ist. Ich schätzte ihn auf Mitte 20. Sollte ich ihm heute Abend noch einmal über den Weg laufen, würde ich ihn fragen. Er war bestimmt der einzige normale Typ hier! »Wir behalten sie erst mal an, sollten wir sie ablegen wollen, lassen wir dich rufen!« Ich zog die Augenbrauen hoch und sah Seto wütend von der Seite an. Es machte mich unglaublich wütend wie er mit dem Angestellten sprach. Nur weil er sich selbst weit über diesen stellte, musste er nicht so erniedrigend sein. Kaiba ging an ihm vorbei, als wäre er gar nicht da. Ich folgte ihm, bemühte mich um ein Lächeln. »Nehmen Sie es ihm nicht so übel, er hat heute nur einen schlechten Tag erwischt!«, raunte ich dem Jungen zu, als ich an ihm vorbei ging. »Dafür aber einen guten Mann«, antwortete er und lächelte mich an. Ich wurde rot, nickte ihm als Dankeschön zu und holte Kaiba dann schnellen Schrittes ein. Hinter dem Esstisch befand sich ein weiterer Türbogen und dahinter erstreckte sich ein Wohnzimmer das man ganz schnell auch mit einem Ballsaal verwechseln konnte. Es huschten viele gut gekleidete Menschen durch den Raum. Frauen in ausstaffierten Kleidern in den verschiedensten Farben und den teuersten Stoffen und Männer in perfekten Maßgeschneiderten Anzügen, der Kopf bedeckt mit einem Toupet, dass man nur erkannte, wenn das Licht richtig fiel. Als ich an mir selbst hinab sah, glaubte ich nicht mehr, der bestgekleideste Mann des Abends zu sein. Ich zweifelte zwar nicht an Pauls Fähigkeiten, doch hiergegen kam er mit einem abgelegten Anzug von Kaiba nicht an. Wir mussten drei Treppenstufen hinab gehen, um bei den Firmenchefs und deren Gattinnen anzukommen. Drei Stufen, um mich vollends in Kaibas Welt einzuführen. Wenn diese Leute alle mein Gesicht kannten, gab es kein Zurück mehr. Wenn ich dann plötzlich von der Bildfläche verschwand, würde es für Kaiba schwierig werden. Ich atmete tief ein und straffte die Schultern. Ich würde das schon schaffen! Kaiba wandte sich mir zu und hielt mir auffordernd die Hand hin. »Bereit Hündchen?« »Nein«, antwortete ich und überhörte den Spitznamen gekonnt, »Aber schreiend wegrennen wird wohl nicht drinnen sein oder?« Ich ergriff seine Hand. »Nur wenn du möchtest, dass ich dich in eine Psychiatrische einweise!« »Das könnte dir so passen! Aber nein, so leicht wirst du mich nicht los!«, grinste ich. In meinem Kopf tauchten die verschiedensten Bilder davon auf, wie ich Kaiba pisacken und ihm das Leben schwer machen würde. Das sich da immer mal ein Bild davon untermischte wie wir küssend im Bett lagen, tat ich als Hirngespinst ab. Immerhin war ich ein traumatisierter Jugendlicher, der das letzte Mal Liebe erfahren durfte als er fünf Jahre alt war und von seiner Mutter zum Geburtstag umarmt wurde. Da konnte es schon mal passieren, dass einem das Gehirn vorgaukelte, man würde die fehlende Liebe bei seinem größten Erzfeind finden. Kaum hatten wir den teuren Paketboden des eigentlichen Wohnzimmers betreten, wurden wir auch schon von drei älteren Damen in Beschlag genommen. Sie sahen aus wie eine Straßenampel und hatten sich auch in der richtigen Reihenfolge aufgestellt. Alle drei begrüßten Kaiba mit piepsigen Stimmen und angeheitertem Tonfall. Und nachdem sie Kaiba ab gefrühstückt hatten, wandten sie sich mir zu. Damit machten sie den Eindruck, als wären sie Hyänen, die gerade ihre nächste Mahlzeit entdeckt hatten. Kaiba ließ meine Hand los und machte sich aus dem Staub, während ich von Fragen durchlöchert wurde. Das hier würde mit Sicherheit die erste und letzte Firmenfeier für mich sein. Darauf konnte Kaiba Gift nehmen! ׺°”˜`”°º× ☯☯☯ ׺°”˜`”°º× Gefühlte achthundert Stunden später, waren die alten Schrapnellen endlich verschwunden und hatten mich an einem der aufgestellten Tische zurückgelassen. Ich war reichlich angetrunken, denn der Punsch, der mir angedreht wurde, war definitiv nicht alkoholfrei gewesen. Ich hatte noch nie zuvor Alkohol getrunken, dementsprechend schlecht und schwindelig war mir auch. Vielleicht hätte ich nach dem dritten Glas nicht aufhören dürfen mitzuzählen. Ich umklammerte die Lehne des Stuhls wie ein Ertrinkender, weil ich fürchtete sonst über Bord zu gehen. Ich sah aus dem Augenwinkel, dass jemand den Stuhl direkt neben mir zurückzog und sich darauf fallen ließ. Doch das nahm ich kaum für voll, bis die Person sich räusperte und leise „Hi“ sagte. So gut es ging versuchte ich mich umzudrehen und erblickte dann einen Jungen, der allerhöchstens so alt war wie Seto. Er hatte schwarze Haare, grüne Augen und markante Gesichtszüge. In meinem vernebelten Gehirn ging ein Lämpchen auf. Der Typ musste Jacob Harrisson sein. Seto hatte mich auf der Fahrt hierher kurz gebrieft und mir ein paar Namen gesagt, auf die ich besonders aufpassen sollte. Jacob Harrisson war dabei im positiven Sinne gefallen. Er gehörte zu Setos Bekannten und er schien ihm so sehr zu vertrauen, dass Jacob auch über unser Geheimnis Bescheid wusste. Hätte niemals von Kaiba erwartet, dass er einem Außenstehenden private Sachen anvertraute. Jacob lächelte mich an. »Du musst Joey sein oder? Ich hab nur das eine Foto in der Zeitung gesehen und Seto wollte mir nicht sagen wie du aussiehst, aber du bist der einzige andere junge Typ hier, also dachte ich, ich bin bei dir richtig!« Der Typ hatte locker auch schon einen im Tee, so durcheinander, wie er sprach. Aber er war mir irgendwie auf Anhieb sympathisch. Alleine weil er Alkohol auch nicht gut zu vertragen schien. »Und du bist Jacob, richtig? Kaiba hat mir schon gesagt, dass du mich kennenlernen willst!«, antwortete ich enthusiastisch und bemühte mich weiter darum nicht vom Stuhl zu fallen. Jacob grinste. »Du nennst ihn Kaiba? Er hat mir ja schon erzählt das ihr noch die besten Freunde seid, aber das es so schlimm ist hätte ich dann auch nicht erwartet! Warum spielst du dann überhaupt mit?« Ich sah mich verstohlen um, aber niemand der anderen Gäste schien sich für unser Gespräch zu interessieren. Trotzdem passte es mir nicht, dass er das Thema ausgerechnet hier und jetzt ansprechen musste. Wenn die Sakura das spitz kriegt ist Mokuba schneller im Heim, als das Kaiba »Nein« sagen kann. »Ich tue das Mokuba zu liebe und hatte nicht gedacht das es so weit kommt, aber kneifen kann ich jetzt auch nicht mehr. Mitgehangen, mitgefangen!«, antwortete ich schulterzuckend. »Meine jungen Herren?« Kam es arrogant rüber, wenn ich mich davon angesprochen fühlte, in der Anwesenheit dieser ganzen alten Säcke? Jacob und ich wandten synchron die Köpfe und erblickten Kaiba und eine mittelalte Frau, die ein waldgrünes Abendkleid trug. Die Frau lächelte. »Seto und mir kam der Gedanke, dass wir gerne tanzen würden. Und da dachte ich es wäre eine passende Gelegenheit meinen Sohn und seinen Verlobten anzusprechen!« Statt ihr zu antworten, linste ich an ihr vorbei und musste mit Entsetzen feststellen das sich sämtliche anwesenden Gäste in der Mitte des Raumes versammelt hatten und nur darauf zu warten schieben, dass die Musik einsetzte. Mir rutschte das Herz in die Hose. »Ich kann nicht tanzen und das weiß Seto - ich will ihn ja nicht blamieren«, antwortete ich und bekam rote Wangen, weil mir die Situation verdammt peinlich war. Kaiba räusperte sich und trat vor die Dame. »Das ist hier kein Wettbewerb. Außerdem kannst mich gar nicht blamieren - Liebling!«, sagte er mit liebevoller Stimme und streckte mir die Hand hin. Jacob neben mir begann zu kichern und ich fragte mich wie viel Überwindung es Kaiba gekostet hatte, diesen Kosenamen in aller Öffentlichkeit ernst zu sagen. Denn so wie es schien, wusste Jacobs Mutter von nichts, obwohl Kaiba ein inniges Verhältnis zu ihr zu unterhalten schien. Ich sah ihm in die blauen Augen, die komischerweise nicht voller Hass und Gleichgültigkeit waren. Es lag einnehmende Wärme im Eisblau verborgen und mir wurde ganz warm ums Herz. Ich riss mich von den Augen los und warf Jacobs Mutter einen flüchtigen Blick zu. Mich ließ das Gefühl nicht los, dass sie irgendetwas zu Kaiba gesagt hatte, was ihn solche Dinge sagen ließ. Denn ich hielt ihn zwar für einen guten Schauspieler, aber diese Wärme in den Augen konnte niemand spielen - die war echt! Zögerlich ergriff ich die dargebotene Hand und machte mit ihm langsame Schritte auf die Tanzfläche zu. Hier erwartete man sicherlich mehr, als ein bisschen Stehblues und ich kannte nicht mal die Schrittfolge eines Walters, geschweige denn die Richtung in die man sich drehte. Wo meine Hände hingehörten wusste ich aus einem Film, aber das war es dann auch schon wieder mit meinem Wissen über Paartanz. »Stell dich auf meine Füße und halt dich fest, den Rest erledige ich«, flüstere er mir ins Ohr und ich tat wie mir geheißen. Die Musik setzte ein und Kaiba machte den ersten Schritt, presste mich näher an sich. Ich machte ihm gerade die teuren italienischen Lederschuhe kaputt, aber das interessierte ihn gar nicht. Er sah mich an und drehte uns elegant durch den ganzen Raum. Wir rauschten mit einem Millimeterkleinen Abstand an anderen Pärchen vorbei. Ich hielt jedes Mal die Luft an, weil ich einen Zusammenstoß befürchtete und Kaiba wich dann doch wieder elegant aus. Seine Hände waren ausnahmsweise ganz warm und ich verschlang unsere Finger miteinander, weil ich dem Drang einfach nicht wiederstehen konnte. Zum anderen, konnte er mich so aber auch besser festhalten. Ich hatte mich vermutlich das letzte Mal so geborgen gefühlt, als ich noch ein Baby war und ständig von meiner Mutter hin und her gewiegt worden war. Das Lied verklang langsam und leise. Kaiba drehte sich aus und hielt wenige Sekunden später an. Er ließ mich von seinen Füßen steigen und die Menge applaudierte einem kleinen Orchester, dass auf einem sporadischen Podest stand. Als ich man langsam von der Tanzfläche entfernen wollte, kamen der Schwindel und die Übelkeit zurück - allerdings in einem größeren Maße als zu vor. Ich schwankte einmal nach rechts und links, wie eine Boje bei starkem Wellengang und wurde glücklicherweise von Kaiba aufgefangen bevor ich umfallen konnte. »Du solltest etwas essen, bevor du noch umfällst!«, sagte er. Wäre der Schärfe Tonfall nicht, könnte man es beinahe als liebevoll bezeichnen. Aber eigentlich machte er sich nur Sorgen um seinen guten Ruf. Denn, dass ich nicht tanzen konnte, könnte man kaschieren. Aber wenn ich jemandem in den Schoß reiern sollte, war das nicht zu verbergen. Hoffentlich kam das Ampel-Gespann nicht nochmal zu mir, denn dann konnte ich wirklich für nichts mehr garantieren. Jacobs Mutter kam zu uns und sah mich mit besorgter Miene an. »Was ist los?«, fragte sie. »Ich glaube Joey hat etwas zu tief ins Glass geschaut!«, kam es kichernd von Jacob. Seine Mutter begann zu Lächeln. »Dann begleite ich ihn zum Buffet und ihr beide haltet Miss Yuen zurück. Sie wollte schon den ganzen Abend mit ihrem Ehrengast reden und wird langsam etwas ungehalten!« Ich konnte nicht anders, als Jacobs Mutter völlig verdattert anzusehen. Wie konnte sie so nett zu mir sein, obwohl sie mich gar nicht kannte? »Pass bitte auf ihn auf Claudette, wir wollen ja nicht das noch ein Unfall passiert!«, sagte Kaiba ungewohnt ruhig und drängte mich ziemlich sanft in die Arme von Jacobs Mutter. Die schleppte mich auch sofort zum Buffet, während ihr Sohn und mein „Verlobter“ in die entgegengesetzte Richtung davon gingen. Claudette - einer hübscher Name am Rande bemerkt - hakte sich bei mir unter und tätschelte meine Hand. »Es war die Dreier Kombo oder?«, fragte sie, ohne eine Antwort zu erwarten. Dann lachte sie leise. »Die haben mich vor zwanzig Jahren auch abgefüllt, als ich das erste Mal mit Jacobs Vater auf einer dieser Veranstaltungen war.« »Normalerweise könnte ich sie dafür anzeigen, weil ich minderjährig bin«, brachte ich mühevoll über die Lippen. Der Druck auf meine Speiseröhre wurde immer immenser. »Ess‘ ein paar Clubsandwiches, dann wird es dir gleich besser gehen, versprochen. Jacob ging es nach seiner ersten Firmenfeier ähnlich!« Sie klang weder stolz noch enttäuscht, aber irgendetwas sagte mir, dass sie es ihrem Sohn nicht übel nahm, wenn er sich zu solchen Anlässen die Kante gab. Vielleicht nutzte sie ihn ja auch als Ausrede dafür, um möglich schnell die Biege zu machen. Claudette ließ mich nicht selbst aussuchen, was ich essen wollte. Sie nahm einen Teller und häufte ihn einfach wahllos mit Clubsandwiches voll. Ich war mir zwar nicht sicher ob ich was von dem anderen Zeug haben wollte, dass dort herum stand, aber die Wahl hätte ich dann schon gerne noch gehabt. So hilflos war ich nun auch wieder nicht. Als sie mit ihrer Wahl zufrieden war, schob sie mich zu einem Tisch, an dem nur ein älteres Ehepaar saß, was mir vorher noch nicht aufgefallen war. Sie schienen auch nicht zu wissen wer wir waren und generell keine Notiz von dem Trubel um sie herum zu nehmen. Claudette platzierte mich auf einem Stuhl und schob mir den Teller vor die Nase. »Und du stehst hier erst wieder auf, wenn du alles aufgegessen hast!« Ich sagte: »Ja!« Sie war eine Mutter und das kam rein intuitiv, auch wenn sie nicht meine Mutter war. Claudette strich ihr Kleid glatt und setzte sich dann neben mich. »Ich weiß übrigens über dich und Seto Bescheid«, ließ sie beiläufig fallen. Ich brauchte sie nicht fragen von wem, sie würde es mir eh erzählen. So waren Mütter nun einmal, auch wenn ich meine zu wenig kannte um das beurteilen zu können. »Ich kenne Seto schon eine ganze Weile und gut genug, um zu wissen wann er sich komisch verhält«, erklärte sie und lächelte dann sanft. »Und ich weiß, dass ihr beide noch eine ganze Weile zusammenbleiben werdet, auch wenn ihr jetzt noch nicht daran glaubt!« Sie schien weniger zu wissen als sie glaubte, denn sie redete genau so viel Unsinn wie alle anderen. Ich stopfte mir die Clubsandwiches in den Mund, statt etwas zu sagen. Ich hatte keine Lust auf eine Diskussion. Die kostete mich nur Nerven und zog vielleicht ungebetene Gäste an. Als ich das letzte noch nicht ganz heruntergeschluckt hatte, räusperte sich jemand hinter uns. Gebannt drehten wir uns um. Jacob, Kaiba und eine wirklich alte Dame standen direkt hinter uns. Mrs. Yuen, die Frau des Gastgebers und der Grund dafür, dass ich heute in dieser Hölle schmoren musste. Ich sollte ihr einen Punsch andrehen. Vielleicht bekam sie einen Schwips und zog sich mit Migräne in ihre Gemächer zurück. Claudette entschuldigte sich und ihren Sohn höflich und zog ihn dann vom Tisch weg. Aus Jacobs Gesicht konnte ich ablesen, dass er zu gerne zugehört hätte. Mrs. Yuen setzte sich auf den Stuhl, auf dem Claudette eben noch gesessen hatte und Seto setzte sich auf meine andere Seite. Irgendwie war mir diese Frau unheimlich. »Sie sind also Mister Wheeler - mein Mann hat mir schon ein wenig von Ihnen erzählt und Ihr Verlobter hat gerade auch schon unaufhörlich von Ihnen gesprochen!« »Ich bin mir sicher, dass waren alles Lügen«, antwortete ich gespielt und bemühte mich um ein anrüchiges Grinsen. Das Kaiba ihr höchstens Halbwahrheiten erzählt hatte, wusste ich so sicher, wie Pinguine nicht fliegen können. Mrs. Yuens Lächeln glich dem eines Serienmörders, kurz bevor er dich töten würde. »Es ist schon sehr merkwürdig, dass sie das erste Mal öffentlich in Erscheinung treten, als Seto einen verheerenden Autounfall hat - Ihr Verlobter muss sie wirklich gut versteckt haben!« Sie lachte, aber daran war rein gar nichts echt. Mrs. Yuen stellte dieselben Vermutungen an, wie die Alte vom Jugendamt und ich bekam langsam aber sicher das Gefühl, dass die beiden unter einer Decke steckten. Nur leider würde ich sie danach nicht fragen können. Also musste ich mir schnell etwas anderes einfallen lassen, um den Verdacht von uns abzulenken. Unsicher tastete ich nach Kaibas Hand und umschloss sie fest mit meiner. »Ich komme nicht aus ihrer Welt und Paparazzi sind mir ein wenig unheimlich, deswegen habe ich mich im Hintergrund gehalten. Außerdem wusste Seto nicht wie das ganze aufgenommen werden würde, deswegen wollten wir mit einer öffentlichen Bekanntmachung noch eine Weile warten - Aber als dann der Unfall passierte, blieb uns ja nichts anderes übrig«, erzählte ich ihr. Es war in ungefähr die gleiche Geschichte die ich auch Miss Sakura bei ihrem ersten Besuch aufgetischt hatte. Wir wollten ja nicht, dass die beiden Zicken unterschiedliche Protokolle auf dem Tisch zu liegen hatten. »Mister Kaiba kann sich glücklich schätzen Sie zu haben. Gäbe es Sie nicht, gäbe es auch keine Verträge mehr mit der Yuen Inc.« Ich wusste, dass sie mit ihren Worten nicht meine tolle Arbeit in der Kaiba Corp. lobte, sondern ihre Drohung, Seto würde keinen neuen Deal erhalten, ausräumte. Was wiederum hieß, dass sie uns glaubte. Überwältigt drehte ich den Kopf herum und drückte Kaiba einen keuchen Kuss auf die Lippen. Wenn wir die Alte Schnepfe lebend überstanden, würden wir auch die Besuche von Hades-Sakura überleben! Ich ließ erst wieder ab, als ich Mrs. Yuen aus dem Augenwinkel davon watscheln sah. Doch statt ihn einfach loszulassen und so zu tun, als wäre nichts geschehen, wurde ich wieder von dem blau seiner Augen eingenommen. Sie starrten mich mit einer Mischung aus Verwirrung und Schreck an. Ich fand es erfrischend Emotionen in seinen Augen zu sehen. »Das war die Rache für den Kuss im Fahrstuhl vorhin! Wenn du dich beruhigt hast, kannst du ja gerne mit zu Claudette und Jacob kommen! Ich gehe schon mal vor«, sagte ich verschmitzt und ging lässig davon. Klatsch gelassen hatte mich der Kuss nicht und ich hätte ihn, aus welchem Grund auch immer, gerne noch länger geküsst. Doch ihm auf den Schlips treten, gefiel mir immer noch besser, als ihn zu küssen - mal sehen wie lange noch! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)