Blurred von YukiKano ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 0.5 ---------------------- Im Krankenhaus wurde ich nicht nur von Mokuba, sondern auch von einem älteren Mann in Anzug begrüßt. Der kleine Knirps hatte ein ganz verheultes Gesicht und schien etwas zu suchen, dass ihm Halt geben würde. Er wirkte im hektischen Treiben der Notaufnahme ganz verloren. Der Mann im schwarzen Anzug stellte sich mir als Mister Johnson - Anwalt und Berater der Kaiba Corp. - vor und verlangte von mir das ich ihm folgen sollte. Gemeinsam mit Mokuba verschwanden wir in einem kleinen, fensterlosen Personalraum der Krankenschwestern und nahmen am kreisrunden Tisch platz, als wären wir kurz davor einen wichtigen Vertrag abzuschließen. Ich fragte mich, was dieses ganze Theater sollte. Immerhin war ich nur hergekommen, um Mokuba beizustehen und ihn zu trösten. ,,Mister Wheeler, der junge Mister Kaiba hat Sie ja bereits darüber informiert, dass Seto Kaiba im Moment und vermutlich auch für einen längeren Zeitraum nicht ... Nun ja ... Ansprechbar sein wird. Der frühere Vormund von Mister Kaiba wurde bereits vom Jugendamt angerufen und nach einer Person gefragt, die für diesen Zeitraum das Sorgerecht für den jungen Mister Kaiba übernimmt. Sie müssen wissen, dass der Fall Kaiba auf dem örtlichen Jugendamt eine große Aufmerksamkeit genießt und den Beamten dort immer präsent ist. Leider ist der Unfall bereits zur Presse gelangt, deswegen haben wir auch schon die Börsenaufsicht an der Strippe. Ich kann mich leider nicht um beides kümmern und vor allem auf die Schnelle niemanden finden, der als Vormund für Mokuba einspringt. Und dann hatte der junge Mister Kaiba ein brillante Idee, die uns eventuell beide Probleme eine Weile vom Hals hält und uns ein wenig Zeit verschafft!" Mir gefiel der Ton, den dieser Mister Johnson anschlug überhaupt nicht. Und den Blick mit dem er mich bedachte war auch nicht viel besser. Er räusperte sich, nahm aus seiner Aktentasche ein paar Dokumente und drapierte sie ordentlich vor sich auf dem Tisch. Ich beäugte das ganze nur kritisch und versuchte meinen grummelnden Bauch zu verdrängen. Ich hatte ein ganz ungutes Gefühl bei der Sache, ein ganz ganz ungutes! ,,Der junge Mister Kaiba hat vorgeschlagen, dass wir Sie als den Verlobten von Seto Kaiba eine Weile die Firma leiten lassen und natürlich auch die vorübergehende Vormundschaft Ihnen übertragen. So hätten wir immer noch die volle Entscheidungsgewalt über alles und es würde sich nichts ändern. Das verschafft uns eine Menge Zeit, damit wir - für den Fall der Fälle - entsprechende langfristige Lösungen finden können!" Die Worte von dem alten Sack erreichten mein Gehirn nur Silbe für Silbe, deswegen dauerte es eine ganze Weile bis ich verstand, was man da gerade von mir verlangte, aber so viel kann ich dazu sagen: WER HATTE DENEN BITTE INS GEHIRN GESCHISSEN?! Ich sprang vom Stuhl auf. ,,Das können Sie gleich vergessen! Wie stellen Sie sich das überhaupt vor? Ich bin ein pubertierender 16-jähriger, der weder weiß wie man eine 1 Milliarden Yen schwere Firma leitet, geschweige denn was von Kindererziehung weiß! Was soll ich denn ihrer Meinung nach tun? Mich vor die gaffenden Journalisten stellen, weinen und sagen wie unendlich traurig ich bin, damit Sie hinter meinem Rücken die Fäden ziehen können?" Mister Johnson nickte langsam und betont. ,,Genau das wollen wir uns durch Sie ermöglichen." ,,Vergessen Sie das gleich wieder! Und außerdem, wie denken Sie wird das Jugendamt wohl reagieren, wenn Sie mich als Vormund präsentieren? Die werden Sie auslachen und sie fragen, wen sie eigentlich verarschen wollen! Und überhaupt: Warum zieht ihr mich in die Sache überhaupt mit hinein? Warum könnt ihr für Mokubas Bespaßung nicht einfach den früheren Vormund von Kaiba nehmen und dem auch gleich die Firma übertragen? Warum sollte ich das tun? Ich hasse Kaiba - vielleicht ist die Welt ja ein besserer Ort wenn er nicht mehr da ist!" Ich bereute meine Worte gleich nach dem ich sie gesagt hatte, vor allem nachdem ich Mokubas geschocktes Gesicht gesehen hatte. Doch ich wollte mich auch nicht versuchen 'raus zureden, denn das war nun mal mein Standpunkt! Mister Johnson schien von meinen Worten wenig beeindruckt. Ganz der knallharte Geschäftsmann, selbst in solchen Situationen! ,,Es tut mir Leid Joey, dass ich dich gefragt habe! Nur wusste ich nicht, wen ich sonst hätte anrufen sollen. Wir haben nur euch und du bist aus der Gruppe der Erwachsenste. Ich dachte, wenn das alles glaubhaft rüberkommen soll, dann brauchen wir dich!" Die großen kindich, glasigen, verheulten Augen zu der weinerlichen, verzweifelten Stimme. Ach verdammt, der Kleine würde irgendwann mal ein noch bessere Firmenhai sein, als sein großer Bruder! Der gestiefelte Kater aus Schreck ist ein Scheißdreck gegen den kleinen Zottel-Zwerg! ,,Na gut", gab ich seufzend nach und streckte die Hand nach den Papieren von Mister Johnson aus, ,,was muss ich machen?" Erstmal in anderthalb begeisterte Gesichter starren. Das linke halbe Gesicht von Mister Johnson versuchte noch die Freude und Erleichterung zu verbergen. ׺°”˜`”°º× ☯☯☯ ׺°”˜`”°º× Ich war es gewohnt, dass mein Vater und ich Besuch vom Jugendamt bekommen. Aber ich war noch nie auf der Behörde selbst gewesen. Seit einer Woche mimte ich jetzt schon den trauernden Verlobten, konnte aber bisher erfolgreich vor der Presse versteckt werden. Die Börsenaufsicht hatte sich seit dieser Meldung nicht mehr mit uns in Verbindung gesetzt, weil Johnson plötzlich ein "Testament" von Kaiba hervorbrachte, was besagte, dass die Firma in seinem Todesfall automatisch an mich übergehen würde. Ich hoffte, die Dokumentenfälschung würde nicht nachträglich doch noch ans Tageslicht kommen, dann würde man mich mit Sicherheit auch gleich mit einsperren! Das Jugendamt hatte sich zu erst mit Mister Johnson auseinandergesetzt, der den Beamten die Lage so vortrefflich beschrieb, dass man uns die ganze Sache abkaufte. Aber nur insoweit, dass man mich unter ständiger Kontrolle behalten würde. Was an sich nicht schwer war, denn ich machte in der Regel keinen Ärger und Mokuba hatte in der Kaiba-Villa genug Personal das sich um seine persönlichen Belange kümmerte. Ich hatte die erste Hälfte der letzten Woche mit einem Wirtschafts-Crashkurs und einem Kaiba-Corp.--crashkurs verbracht, wovon ich nur die Hälfte behalten hatte und sowieso zu wenig verstand, als das ich davon jetzt noch etwas wiedergeben könnte. Am Mittwoch hatte man mich zu einem Herrenausstatter geschleppt und mir ein paar maßgeschneiderte Anzüge gekauft, die ich erstens potthässlich fand und zweitens für dem Sommer einfach ungeeignet waren. Deswegen zog ich das Jackett auch immer sofort aus, sobald ich mein Büro in der Kaiba Corp. betrat, wo ich mich am Donnerstag, Freitag und Samstag aufgehalten hatte. Den Sonntag ließ man mich in Ruhe, allerdings mit der Hausaufgabe mich im Geschäfts-Jargon zu üben. Keine besonders schwere Aufgabe, immerhin kannte ich die meisten üblichen Wörter schon: Geld, Erpressung, verschwundene Menschen, neuer Inhaber, Androhung von Gewalt - Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Kaiba in anderen Kreisen verkehrte. Heute hatten wir Montag, Woche zwei. Besuch bei Miss Sakura - zuständige Sachbearbeiterin für das Viertel in dem die Kaibas lebten. Außerdem war sie an der Urteilsfällung, die damals dazu geführt hatte, dass man Kaiba das Sorgerecht übertrug, mitbeteiligt. Sie war also bestens im Bilde! Ihr Büro war ziemlich groß und lichtdurchflutete. Sie hatte es zweifelsfrei selbst eingerichtet, was davon zeugte das sie in dieser Behörde mehr zu sagen hatte, als andere. Im Gegensatz zu meiner Sachbearbeiterin war Miss Sakura viel imposanter gekleidet. Mit dem beigen Kostüm und der weißen Bluse könnte man Sie eher für eine von Kaibas Sekretärinnen halten ... Obwohl, nein. Deren Uniform war ja eisblau. Meine Sachbearbeiterin trug meistens ausgefranste T-Shirts und Hemden aus den Neunzigern. Sie sah generell immer aus, als wäre Sie irgendwie in der Zeit stecken geblieben. Miss Sakura hingegen - nun ja ... Wenn ich sie mir so ansah, schien es mir so, als würde sie mehr Zeit in ihre Klamotten investieren, als in ihre Schützlinge. Was aber auch dem Umstand geschuldet sein konnte, dass sie vielleicht kaum einen Schützling hatte. Immerhin konnte man jetzt nicht sagen, dass viele Problemkinder aus Reichensiedlungen kommen! ,,Mister Wheeler, Mister Johnson; nehmen Sie doch bitte Platz!", bat sie uns und zeigte auf die beiden Stühle vor ihrem Schreibtisch. Sie hatte die Akte bereits offen auf ihrem Tisch zu liegen und ich schluckte, als ich daneben meine eigene liegen sah. Hoffentlich würde sie da erst einen Blick hinein werfen, wenn wir schon wieder weg sind. ,,Erst einmal mein aufrichtiges Beileid. Geht es Mister Kaiba denn bereits besser?" Was wie Beileid klingen sollte, hörte sich eher nach einer fauchenden Katze an. Ich nickte anerkennend, so wie man mir das die letzte Woche über eingetrichtert hatte und Mister Johnson übernahm das Sprechen. ,,Mister Kaiba befindet sich nach wie vor in einem schlechten, kritischen Zustand. Es hat bisher noch keine Veränderung stattgefunden!", antwortete Mister Johnson sachlich. ,,Dann wird es seinem kleinen Bruder bestimmt ähnlich schlecht gehen. Der Arme!" Die beiden würden als Paar sicherlich gut funktionieren! Keine kitschigen Liebeserklärungen, keine romantischen Abende zu zweit und einmal in der Woche Sex um noch zur Norm dazuzugehören. Man muss ja immer schön sachlich bleiben! ,,Nun gut, kommen wir zurück zum eigentlichen Thema" - jetzt fixierte sie mich mit ihren dämonisch schwarzen Augen - ,,Sie baten mich Ihnen die Vormundschaft vorübergehend Ihnen zu übertragen. Daran sehe ich in erster Linie kein Problem, immerhin war der Fall Kaiba ja sowieso in allen Angelegenheiten eine Ausnahme. Was mich an der Geschichte nur ein wenig ... Nun ja ... Ulkig vorkommt ist diese ganze Verlobung! Wer verlobt sich denn bereits mit 16 Jahren?" Normale Menschen in der Regel nicht! Seto Kaiba hätte das eventuell sogar wirklich getan - immerhin ließ sich schwer abschätzen wie groß sein Sprung in der Schüssel tatsächlich war - aber mir braucht man mit der ganzen Hochzeitskiste nicht mal in zehn Jahren anzukommen. Ich will von Anzügen, Ringen und Brautkleidern nichts wissen! ,,Wir führen bereits seit ein paar Jahren eine sehr innige und aufrichtige Beziehung!" - den nachfolgenden Text musste ich in der letzten Woche in und auswendig lernen - ,,Wir haben uns dazu entschieden auch diesen Schritt nun schon gehen zu wollen und dann sofort zu heiraten, wenn wir beide volljährig sind." - und vorher werden wir uns leider trennen, weil ich jemand viel besseren finden werde - ,,unsere Beziehung ist sehr stabil und insofern perfekt für eine Ehe geeignet." - wir werden die eingeschlafene Scheidungsrate wieder ankurbeln und unsere polizeilichen Akten ein wenig füllen - ,,Ich liege im Moment sehr viel wach" - nein, eigentlich schlafe ich wie ein frommes Lämmchen - ,,und denke viel über unsere gemeinsame Zeit nach!" - eigentlich überlege ich nur, wie ich aus der ganze Sache wieder 'rauskomme bevor Kaiba aus seinem Schönheitsschlaf erwacht und davon Wind kriegt - ,,Nun bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich meinen Verlobten" - man bringe mir bitte einen Kübel - ,,auch in dieser Hinsicht unterstützen will und ich möchte das er sich vollkommen auf seine Genesung konzentrieren kann!" - am besten wäre es wenn er unter Amnesie leiden würde, dann hätten wir alle viel weniger Probleme! Ich zwang mich nach diesem Monolog zu lächeln und hoffte meine Mimik hatte mich während des Sprechens nicht verraten. Das Pokerface von Miss Sakura war leider zu perfekt, um aus ihren Augen ablesen zu können, was sie von meiner kleinen Darbietung gehalten hatte. Einen Moment schwieg sie, dann hüstelte sie kurz. ,,Nun gut Mister Wheeler! Ich werde dem Antrag zustimmen, allerdings nur unter einer Bedingung: Sie bekommen von mir alle anderthalb bis zwei Wochen einen Besuch abgestattet! Und wenn es auch nur eine einzige Sache gibt, die nicht den Maßstäben entspricht, können Sie und Mister Kaiba sich von Mokuba verabschieden bis er volljährig ist - habe ich mich da klar ausgedrückt?" Ich nickt eingeschüchtert. Sie glaubte mir also allerhöchstens ein Viertel von der Lüge. Aber immerhin kreuzte sie das richtige Kästchen an und setzte ihre Unterschrift auf das Formular, das Mister Johnson entgegen nahm und in seiner Aktentasche verstaute. Dann stand er eilig auf. ,,Vielen Dank Miss Sakura. Wenn Sie uns jetzt bitte entschuldigen: Wir haben noch ein paar wichtige Termine!" Dann drückte er ihr eine Karte in die Hand. ,,Wenn Sie Fragen haben oder einen Termin ausmachen wollen, melden Sie sich bitte bei unserer Sekretärin, diese wird das mit Ihnen absprechen!" Und dann schob man mich einfach aus dem Büro, bevor ich mich bedanken und verabschieden konnte. ,,Wieder eine Sorge weniger", murmelte Johnson auf dem Weg nach draußen. Von Erleichterung in seiner Stimme fehlte allerdings jede Spur! ׺°”˜`”°º× ☯☯☯ ׺°”˜`”°º× Kaibas Sekretärin ist ein ganz zierliches Mädchen mit Haselnussbraunen Haaren und bernsteinfarbenen Augen. Jeden Morgen bringt sie mir pünktlich um 8.30 Uhr einen Tee, die Post und den Wirtschaftsteil der Tageszeitung. Für Mokuba meistens auch das tagesaktuelle Bilderrätsel. Am heutigen Dienstag bekam ich von ihr allerdings nur einen einzigen Brief, den sie mit so viel Ehrfurcht überbrachte, dass man meinen könnte er käme vom Kaiser höchstpersönlich. Auch Mokuba hielt die Luft an und ich fragte mich, ob denen irgendetwas ins Frühstück getan wurde. ,,Warum schaut ihr alle so komisch?", fragte ich verwirrt in die Runde und nahm den Brief entgegen. ,,Seto nennt das Teil die rote Liste!", antwortete Mokuba. Wenn er Salz gehabt hätte, hätte er sicherlich einen Kreis um sich gestreut, in der Hoffnung es würde helfen. ,,Und was steht auf dieser roten Liste?" ,,Eigentlich sind es zwei rote Listen!" Ich verdrehte die Augen. ,,Na gut, was steht auf den zwei roten Listen?" ,,Zum einen die Firmen, die diesen Monat mehr Umsatz und Gewinn gemacht haben als Mister Kaiba!", erwiderte Makoto. ,,Und auf der zweiten, stehen die Menschen, die Seto bisher noch nicht in Duell-Monsters schlagen konnte!" Kaiba bekam an diesem einen Tag im Monat bestimmt immer einen schrecklichen Tobsuchtsanfall. Aber ich begann nur köstlich zu lachen und nahm mir vor, den Brief bei mir zu lassen. Wer wusste, wozu man den eventuell noch gebrauchen könnte. 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