Blurred von YukiKano ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel 2 -------------------- Ich stand angespannt vor dem Spieleladen von Yugis Großvater. Das "Geschlossen"-Schild sprang mir förmlich entgegen und trieb meinen Blick in die Höhe. In der oberen Etage des Gebäudes brannte nur in einem Zimmer, den Fenstern nach zu urteilen, Licht. Yugis Zimmer, wie mir bekannt war. Das hieß meine Freunde hatten sich bereits versammelt und erwarteten mich nun. Und ich würde ihnen unter die Augen treten. In einem maßgeschneiderten Anzug in Königsblau, darunter ein cremefarbenes Hemd und der dazu passende Krawatte. Ich erkannte mich selbst nicht wieder, wenn ich morgens in den Spiegel sah. Mir kam in den Sinn, dass ich mich vielleicht hätte umziehen sollen. Allerdings tat ich das auch als sinnlosen Gedanken ab. Es hätte eh nichts an der gesamten Situation geändert: Mein Gesicht war im Domino Square zu sehen und den Titel "Verlobter von Seto Kaiba" hatte ich mir auch gesichert. Vermutlich würde ich den auch nie wieder los werden. Selbst wenn der Eisklotz irgendwann mal ein hübsches Mädchen abkriegen sollte – was ich stark bezweifelte – würde ich der abservierte Ex-Freund bleiben. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als mich meinen Freunden zu stellen und ihnen die ganze Geschichte zu erzählen. Welchen Strick sie sich daraus drehten, blieb dabei ihnen überlassen. Ändern würde ich es eh nicht können. Aber abfinden musste ich mich damit. Egal ob deren Meinungen nun positiv ausfielen oder nicht. Denn ich tat das Ganze nicht für sie, nicht für mich und erst recht nicht wegen Seto Kaiba. Eigentlich tat ich das alles nur für Mokuba, der ohne meine Hilfe vermutlich schon längst in einem der überfüllten Heime versauern würde. Und jeder Krieger brauchte schließlich einen Grund, für den sich das kämpfen lohnte. Also Joseph Jay Wheeler was stehst du hier eigentlich noch herum? Auf in den Kampf! Ich ging einmal um das Gebäude herum, wo sich der reguläre Eingang zur Wohnung befand, und betätigte die Klingel. Während ich wartete, entfernte ich die Krawatte von meinem Hals. Die hatte da nun wirklich nichts mehr zu suchen. Bereits kurze Zeit später öffnete mir Yugi die Tür und ich beschloss von einer Sekunde auf die andere, dass man mir meine Nervosität nicht anmerken sollte. Denn die sollten bloß nicht auf die Idee kommen, ich hätte etwas zu verbergen. »Na Alter!«, begrüßte ich den Stachelkopf daher lässig und klopfte ihm im Vorbeigehen auf die Schulter. »Sind die anderen schon oben?« Statt einer Antwort bekam ich nur einen komischen Blick zu geworfen, der mich mal eben von oben bis unten abscannte. »Warum trägst du einen Anzug?«, stellte er schließlich die erwartete Gegenfrage. Ich hatte, um ganz ehrlich zu sein, keine Ahnung wie ich die Frage am geschicktesten unbeantwortet abtun konnte. Auf dem Gebiet der Wortgefechte war ich eben noch nie ein Ass gewesen! Deswegen konnte mich Kaiba auch immer so leicht aus der Bahn werfen. Ein-, maximal Zweimal konnte ich kontern, dann gingen mir die Worte aus und mein Gegenüber war mir haushoch überlegen. Deswegen war es auch eine total bescheuerte Idee gewesen, heute hier her zu kommen. Dieser Besuch würde die ganze Sache nur noch schlimmer und unerträglicher machen! »Sind die anderen nun oben?«, fragte ich erneut und ließ seine Frage einfach offen im Raum stehen. Er musterte mich noch einmal komisch, nickte dann aber wortlos. Ich setzte mich gleich darauf in Bewegung. Auch wenn ich viel lieber durch die Tür wieder hinaus gesprintet wäre. Denn wenn mich Yugis vergleichsweise harmlose Frage schon so sehr aus der Bahn schmiss, was sollte das dann hier für ein Besuch werden? In seinem Zimmer erwarteten mich immerhin noch ganz andere Kaliber namens Tristan Taylor. Und wenn ich Pech hatte war der Würfelheini Duke auch nicht weit weg! Kaum hatte ich die Tür zu Yugis Zimmer geöffnet, bereute ich es auch schon wieder. Sofort legten sich vier Augenpaare auf mich. Im ersten Moment sahen sie noch erfreut aus, mich zu sehen, dann wechselte ihr Gesichtsausruck zu Belustigung. Ja, ja lacht ihr nur – Hauptsache ihr habt euren Spaß! »Hi!«, begrüßte ich alle, versuchte dabei so normal zu klingen, wie es mir möglich war. Schien meine Freunde trotzdem nicht zu beeindrucken. Für die schien allein die Tatsache, dass ich einen Anzug trug, schon das achte Weltwunder zu sein. Warum bin ich eigentlich mit solchen Affen befreundet? Ich versuchte mich unauffällig zu Yugis Bett durch zu schlagen, um dort Platz zu nehmen, allerdings machte mir da Tristan einen Strich durch die Rechnung. »Das kannst du vergessen!«, sagte er eindringlich. »Erst mal drehst du dich und zeigst uns was das Ding alles zu bieten hat!« Alle Anwesenden, eingeschlossen Yugi, der gerade neben mir aufgetaucht war, sahen den Brünetten verstört an. »Was Alter?«, brachte Duke schließlich das zur Aussprache, was wir alle dachten. Tristan schien sich seiner Worte allerdings sehr wohl bewusst zu sein. Und sie auch überhaupt nicht merkwürdig zu finden. »Leute«, fing der Brünette an, zeigte auf mich, »wann sehen wir Joey schon mal im Anzug? Dann sollten wir uns das schon mal genauer ansehen!« »Was Alter?«, wiederholte Duke seine Worte nochmal. Auch Tea und Ryou sahen immer noch nicht begeisterter aus. Verständlich. Ich war mir auch nicht sicher ob er noch alle Tassen im Schrank hatte. Wir schwiegen. Ich überlegte was ich tun sollte, entschied dann aber mich einfach neben Ryou aufs Bett zu setzen und nichts zu sagen, solange mich niemand direkt ansprach. Auch Yugi suchte sich einen Platz, zu meiner Verwunderung ziemlich dicht neben Ryou, obwohl auf dem Bett noch ziemlich viel Platz war. Mir kam das schon ziemlich spanisch vor. Klar, ich hatte von meinen Freunden in den letzten drei Wochen nichts gehört, aber Ryou und Yugi hatten nie die Anstalten gemacht, das sie etwas von einander wollten. Oder ich hatte etwas verpasst. Kam ja öfters vor, dass ich nicht alles mitbekam was gerade vor sich ging. »Also dann«, begann Tea plötzlich und starrte mich an, »Erzähl!« »Was soll ich erzählen?«, tat ich verwirrt. Obwohl mir das eigentlich nichts mehr brachte. Ich saß hier in einem maßgeschneiderten Anzug, dessen Material bestimmt teuer war, als alle Kleidungsstücke aus Teas Kleiderschrank zusammen. Aber Kleidung interessierte sie ja eh nicht. Das einzige wofür sie Augen hatte, war ihr verdammtes Tanz-Studium in New York! »Nun ja«, sagte ich, »Das ist ein wenig kompliziert!« »Was ist denn daran kompliziert? Hüpfst du nun mit Kaiba in die Kiste oder nicht?« »Nein!«, rief ich angewidert. Als ob ich mich zu Kaiba ins Bett begeben würde? Soweit kommt es noch! Nur über meine Leiche! »Warum erzählt die Domino Square dann, ihr seid verlobt?« Ich seufzte. »Das ist eine lange Geschichte!« Und dann begann ich zu erzählen. ׺°”˜`”°º× ☯☯☯ ׺°”˜`”°º× »Also eins muss man dem Kleinen lassen«, murmelte Tristan, nachdem ich meine Erzählung der letzten Wochen beendet hatte, »er hat wirklich einen ziemlich ausgeprägten Geschäftssinn!« Eigentlich nicht, aber ich ließ mich ja schnell von allem beeindrucken. »Wem sagst du das«, murmelte ich zustimmend. »Warum hast du dich überhaupt darauf eingelassen? Du hast doch davon gar nichts!«, fragte mich nun Tea. Ich biss mir auf die Unterlippe. Da hatte sie ausnahmsweise mal nicht ganz recht. Denn bevor ich der ganzen Sache zugestimmt hatte, gab es noch einen Deal zwischen mir und Mokuba, den ich bisher verschwiegen hatte. »Nicht ganz!«, sagte ich lächelnd. »Wenn ich ihm helfe, bekommt Serenity ihr Studium bezahlt!« »Das ist nicht dein Ernst!«, bekam ich auch sofort die einstimmige Retourkutsche meiner Freunde. Mir war klar was sie dachten: Der kleine Junge braucht Hilfe und ich nutze das schamlos aus. Aber so war es nicht! Ich hätte seine Notlage niemals ausgenutzt. Er hatte das vorgeschlagen. Und mal ganz ehrlich: Die Kaibas hatten so viel Geld, da würden sie die 2.000.000 Yen nicht umbringen oder dazu zwingen ihre Bonzen-Villa zu verkaufen. »Er hat das vorgeschlagen!«, versuchte ich schnell meinen Ruf zu retten, sprang auf. »Er meinte, dass wäre kein Gefallen mehr und ich sollte etwas dafür bekommen! Hätte er das nicht vorgeschlagen, hätte ich auch nichts verlangt. Immerhin tue ich das weder für mich, noch für Kaiba. Ich tue das für Mokuba!« »Du hättest es trotzdem ausschlagen sollen!«, tadelte mich Yugi kopfschüttelnd. Als ich gerade etwas darauf erwidern wollte, klingelte allerdings mein Handy. Eilig zog ich es aus meiner Hosentasche und drückte den grünen Hörer. »Joey?« »Ja Mokuba, was gibt‘s? Ich hab’ gerade eigentlich gar keine Zeit, weißt du!« »Seto ist aufgewacht!« Und mein Herz blieb gerade stehen. Konnte dieser Tag heute noch schlimmer werden? ׺°”˜`”°º× ☯☯☯ ׺°”˜`”°º× Ich hatte meinen Freunden den Grund für mein schnelles Verschwinden nicht genannt. Es gab wichtigeres. Das Jugendamt zum Beispiel. Die Sozialarbeiterin würde uns nämlich solange nicht von der Hacke gehen, bis sie sich sicher sein konnte das sie in den letzen drei Wochen niemand angelogen hatte. Kauft sie uns das nicht ab, landet Mokuba im Heim und dann klebt auch gleich die Börsenaufsicht an Kaiba dran. Und das sind nicht gerade Sachen, die jemand gebrauchen kann der im Koma gelegen hat und vor fünf Minuten erst das Licht der Welt wieder erblickt hat. Mein Fahrer brachte mich zum Krankenhaus, vor dessen Türe Mokuba zusammen mit Mr. Johnson wartete. Des Kaiba-Spross Gesicht nach zu urteilen hatte er Seto bereits besucht und ihm eine kleine Einführung in sein neues Leben gegeben. Und so wie ich Kaiba kannte war der nicht gerade begeistert von dem, was sein kleiner Bruder und sein Anwalt eingefädelt haben. »Ich hänge an meinem Leben!«, begrüßte ich die beiden, reichte Johnson die Hand. »Machen sie sich keine Sorgen Mister Wheeler! Mister Kaiba wird keine körperliche Gewalt anwenden!«, versuchte der Anwalt mich zu beruhigen. Allerdings funktionierte das nicht so ganz. Mir war nämlich von Anfang an klar gewesen, dass er sich an mir nicht die Hände schmutzig machen würde. Aber seelische Schmerzen würde er mir zu fügen. Und das mindestens bis zum Ende meines Lebens. Wenn nicht sogar danach noch! »Wir sollten hochgehen, nicht das Seto noch das ganze Zimmer zerlegt«, riss mich Mokuba aus meinen Gedanken. Ich nickte abwesend und überlegte, ob ein Selbstmord in irgendeiner Art sinnvoll ist. Wie wär’s wenn ich einen Umweg über das Krankenhausdach nehme und mich mal eben von diesem hinab stürze oder eine der Krankenschwestern bete, mich ins künstliche Koma zu versetzen?! Bereits als wir den Fahrstuhl verließen, hörte man Kaibas lautes Gebrüll durch den ganzen Flur, der – warum auch immer – wie leer gefegt war. Mir wurde mulmig zu mute. Meine Härchen am ganzen Körper stellten sich auf. Wie sollte ich das nur lebend überstehen? Unbewusst blieb ich stehen. Erst, als eine kleine zierliche Hand nach meiner griff, bekam ich das mit. »Mach dir keine Sorgen«, murmelte Mokuba, drückte fest zu. »Er wird dir nichts tun!« »Wehe doch!«, knurrte ich, raffte meinen ganzen Mut zusammen und setzte mich wieder in Bewegung. Der kleine Kaiba ließ meine Hand allerdings nicht los. Mr. Johnson betrat den Raum zuerst, dann Mokuba und schlussendlich ich. Kaiba saß auf seinem Bett, das Telefon am Ohr und Geschäftsunterlagen auf dem Schoß. Er massierte sich die Schläfen, als müsse er massive Kopfschmerzen unterdrücken. Ich hätte bei dem Anblick beinahe mit den Augen gerollt. Der Typ war wirklich nicht mehr zu retten! Vor nicht mal einer Stunde hat er nach drei Wochen zum ersten Mal wieder seine Augen geöffnet und nun hängt er schon wieder vor seinen Geschäftsunterlagen und schüchterte irgendwelche anderen Geldsäcke ein. »Das ist inakzeptabel!«, brüllte er in den kleinen Kasten. »Eine Erpressung werde ich nicht dudeln!« Erpressung? Hatte etwa jemand unser kleines Geheimnis herausgefunden? Hoffentlich, dann hat diese ganze Show endlich ein Ende! »Sie werden noch von mir hören!«, sagte er als nächstes und legte dann einfach auf. Typisch Kaiba eben! Sein Handy pfefferte er auf den Nachttisch, dann notierte er sich noch etwas in seinen Unterlagen und klappte den Ordner schlussendlich zu. »Mister Kaiba, schön dass sie wieder unter den Lebenden weilen!«, begrüßte ihn Mister Johnson, ging auf das Bett zu und reichte dem Brünetten die Hand. Kaiba ging auf die Geste ein und dann erfasste sein Blick mich und Mokuba. Seine Mine verfinsterte sich noch mehr. Okay – wo ist mein Fluchtfahrzeug? Ich musste jetzt dringend aus Japan verschwinden! In einer hastigen Bewegung entzog er seinem Anwalt die Hand und winkte Mokuba und mich zu sich heran. »Du«, knurrte er und fixierte seinen Bruder, »sag mal was fällt dir eigentlich ein? Hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank? Wie kommst du auf die Idee, dir so etwas einfallen zu lassen? Bist du eigentlich nicht mehr ganz richtig unter deiner Schädeldecke?« »Ich wo-« »Halt den Mund!«, unterbrach Kaiba ihn unwirsch und blickte anschließend mich an. Ich bekam sofort eine Gänsehaut und musste schlucken. »Und du«, fing er schließlich an, »ehrlich gesagt habe ich bei deinem untermenschlichen Intelligenzquotient nichts anderes erwartet! Für diese Schmach wirst du gerade stehen müssen!« Er blickte in die Runde. »Dafür werdet ihr alle geradestehen!« Da platzte mir die Hutschnur. »Sag mal spinnst du eigentlich total?«, fuhr ich das kranke Kind vor meinen Augen an. »Wie wäre es mal mit einem Dankeschön? Immerhin haben wir dafür gesorgt, dass Mokuba nicht ins Heim muss und du deine Firma nicht verlierst!« »Sachen die niemals eingetreten wären, selbst wenn ich euch nie wieder mit meiner Anwesenheit beehrt hätte!«, widersprach er mir postwendend. »Wer sagt das? Du?«, fragte ich herablassend, musste dann aber selber lachen. »Du beleidigst ständig meine Intelligenz, scheinst aber selbst nicht wirklich helle da oben zu sein! Auch wenn dein Name Seto Kaiba ist, gelten für dich trotzdem noch Gesetze, die du durch deinen Tod nicht einfach außer Kraft setzen kannst! Und ein Elfjähriges Kind wird wohl kaum eine riesige Firma übernehmen, geschweige denn alleine in einer Villa hausen dürfen. Also streng‘ dein ach so schlaues Köpfchen an und seh' ein, dass Mokuba und ich dir den Arsch gerettet haben. Wäre ich nämlich nicht mal eben als dein Verlobter eingesprungen, wärst du jetzt aufgewacht und hättest gar nichts mehr. Keinen Bruder, keine Firma, kein Haus und auch kein Geld um dir das alles zurück zu kaufen! Also gesteh dir selbst ein, dass du ohne deinen kleinen Bruder und mich ziemlich aufgeschmissen gewesen wärst und bedanke dich ... Zu mindestens bei ihm!« Es vergingen etliche Sekunden, in denen er eigentlich schon längst hätte antworten müssen. Patzig und böse wie er es sonst immer tat. Aber er sagte nichts. Seto Kaiba schien es tatsächlich die Sprache verschlagen zu haben! Den Tag musste ich mir Bunt im Kalender markieren! Schließlich wandte er sich von mir ab und sah seinen Anwalt prüfend an. »Sie haben im Moment den meisten Grips von allen Anwesenden! Wie verfahren wir weiter?« Mr. Johnson, der bis gerade eben still in der Ecke gestanden und sich das Szenario angeschaut hatte, räusperte sich und trat einen Schritt nach vorne. »Am besten ist es, wenn sie die Verlobung noch eine Weile aufrechterhalten. Denn im Moment haben wir das Jugendamt noch im Nacken. Und diese komische Frau wird auch so schnell nicht ruhigzustellen sein. Spielen sie das Spiel noch eine Weile und leiten sie dann die Trennung ein. Dafür ist es allerdings wichtig, dass sie sich mit Mister Wheeler in der Öffentlichkeit zeigen und die Trennung dann langsam auch öffentlich einleiten. Weniger zusammen gesehen werden, Mister Wheeler zieht wieder aus der Villa aus und so weiter und sofort. Heizen die Gerüchteküche an, damit uns die alte Schnepfe im Nachhinein nicht doch noch Betrug unterjubelt!« »Apropos alte Schnepfe«, meldete sich nun auch der kleine Kaiba zu Wort. Er schien die Zurückweisung seines Bruders gut verkraftet zu haben. »Miss Sakura kommt in genau einer halben Stunde vorbei, um sich mit euch beiden zu unterhalten!« Seine Aussage klang schon beinahe wie eine Drohung. Ich sah Kaiba an und er mich. Könnte Blicke töten, würden wir wohl beide gleichzeitig umfallen. Da kam mir ein Gedanke, den ich vorher noch nie hinterfragt hatte. »Müssen wir uns eigentlich küssen?« »Für die Glaubwürdigkeit auf jeden Fall!«, sagte Mr. Johnson entschieden. Und ich glaubte hier bald an gar nichts mehr! ׺°”˜`”°º× ☯☯☯ ׺°”˜`”°º× Die Sozialarbeiterin von Jugendamt sah heute noch strenger aus, als ich sie in Erinnerung hatte. Die Haare zu einem straffen Dutt zusammengebunden. Die beige Bluse faltenlos in den grauen Bleistiftrock gesteckt. Sie bat eine der Krankenschwestern um einen Stuhl, setzte sich drauf und überschlug die Beine. Danach schlug sie die Beine übereinander, öffnete ihre Akte und ließ ihren Kugelschreiber so laut klicken, dass es sich beinahe anhörte, als würde sie ein Gewehr entsichern und laden. »Schön sie zu sehen Mister Kaiba!«, begrüßte sie meinen "Verlobten", wandte sich dann an mich und sah mich prüfend an. Ich hatte geweint ... Oder es zu mindestens versucht. Das Ergebnis ließ sich trotzdem sehen: Knallrote Wangen, rot unterlaufene und aufgequollene Augen. Während sie mich musterte, drückte ich Setos Hand. Es fühlte sich komisch und ungewohnt an. Keines Falls ekelte ich mich aber vor ihm. Seine Hand war eiskalt und steif – etwas anderes hatte ich auch nicht erwartet. Ich musste mehrmals zu drücken, damit er seine Muskeln wenigstens etwas lockerte und das Ganze nicht mehr so verkrampft aussah. Es dauerte qualvolle zwei Minuten, bis sie sich wieder an Seto wandte. »Mister Kaiba, Mister Wheeler hat mir ja bereits ein paar Sachen über ihre Beziehung erzählt. Jetzt würde ich aber auch gerne von Ihnen noch ein paar Sachen hören! Wie haben sie sich denn kennengelernt?« Ich schluckte. Wir hatten in der vergangenen halben Stunde Seto alles Mögliche erzählt, was wir der Frau schon erzählt hatten. Und es war ziemlich schwierig ihn überhaupt dazu zukriegen, uns zu zuhören. Andauernd hatte er mich und Mokuba unterbrochen, seine dummen Kommentare abgegeben und uns erklärt, dass er so niemals handeln würde. Ich musste mich währenddessen stark zusammen reißen, ihm nicht den Hals umzudrehen! Und jetzt hängte Mokubas Zukunft von seiner Aussage ab. »Wir kennen uns schon seit wir Kinder waren!«, begann der Brünette monoton. »Ich denke so ein wirkliches Kennenlernen gab es da nicht!« Am liebsten hätte ich mich selbst geschlagen ... Und ihn! Er sollte jetzt schon mal anfangen sich von Mokuba zu verabschieden! Die Sozialarbeiterin notierte etwas in ihren Unterlagen, wandte sich anschließend wieder an Kaiba. »Sie sind verlobt? Was haben sie sich denn für Mokubas Zukunft gedacht?«, fragte sie ihn nun. Mir wurde die Luft abgeschnürt, hatte ich die Frage doch vorher schon mal gehört, als das Jugendamt meinen Vater auf dem Kicker und ihn zu einem Verhör eingeladen hatte. Ich hätte ihn auf diese Frage vorbereiten müssen! Und hab‘s komplett vergessen. Manchmal bin ich wirklich ein Trottel! Ich hoffte nur, in dem reichen Pinkel schlummerte ein Improvisationstalent, ansonsten waren wir alle geliefert. »Richtig, ich bin verlobt und das hat mit Mokubas Zukunft nicht zu tun. Hätte mein Bruder ein Problem mit der Anwesenheit von«, er stockte, schluckte, »von Joey, dann würden wir mit der Hochzeit warten bis er volljährig und ausgezogen ist. Da die beiden aber kein Problem miteinander haben, wird das nicht nötig sein!« Er endete, blickte mich unsicher an. Ich starrte eindringlich zurück, in der Hoffnung er verstand was ich von ihm wollte. Er hatte nicht beide Fragen beantwortet, er musste noch auf Mokubas Zukunft eingehen. Dazu hat er noch gar nichts gesagt! »Um auch noch auf ihre zweite Frage zu antworten: Mokuba kann seine Zukunft selbst bestimmen! Er bekommt von mir«, er unterbrach sich selbst durch ein Husten, »uns, jede Unterstützung die er braucht, um sich selbst zu entwickeln. Er kann selbst darüber entscheiden ob er später studieren möchte oder ob er in der Firma anfangen will. Wir legen ihm die Welt zu Füßen und er kann machen was er möchte!« Das erleichterte Seufzen musste ich mir verkneifen. Aber Kaiba hatte die Frage nach Jugendamtsmaßstäben zufriedenstellend beantwortet. Hoffentlich sah das die blöde Tussi auch so. Ansonsten mussten wir vielleicht doch von Kaibas „Leichen ungesehen und ungefragt verschwinden lassen“-Programm Gebrauch machen. Die Sozialarbeiterin notierte sich wieder etwas in ihren Unterlagen, klappte ihr Heft dann zu. »Das Sorgerecht für Mokuba Kaiba dürfen sie vorerst behalten, allerdings sind wir noch nicht fertig! Ich werde sie noch eine Weile beobachten und ihnen auch den einen oder anderen Besuch abstatten. Wiegen sie sich also nicht in Sicherheit!«, sagte sie streng und stand auf. Schnellen Schrittes kam die Alte auf uns zu, hielt Seto die Hand hin. »Glückwunsch zur Verlobung. Mister Wheeler ist ein toller Mann. Er hat sich in den letzten Wochen wirklich rührend um ihren Bruder gekümmert. Halten sie ihn fest!«, verabschiedete sie sich von meinem "Verlobten". Irgendwie klangen ihre Worte nur so überhaupt nicht nach einem Kompliment, sondern eher nach einer Drohung. »Ich danke für Ihren Besuch!«, antwortete der Brünette ebenso steif. Dann wandte sich die Sozialarbeiterin in meine Richtung. »Auch Ihnen meine Glückwünsche. Zur Verlobung und natürlich dazu, dass eine Hochzeit jetzt ja doch möglich ist!« Sie nickte und beiden noch mal zu, ging dann Richtung Tür. Nachdem sie diese geöffnet hatte, drehte sie sich noch einmal um. Und bevor ich das richtig realisiert hatte, griff schon jemand nach meinem Kragen, zog mich zu sich und crashte seine Lippen auf meine. Blinzelnd schloss ich die Augen. Warum fühlte es sich so gut an von Seto Kaiba geküsst zu werden? Und warum kribbelte es in mir so sehr? ׺°”˜`”°º× ☯☯☯ ׺°”˜`”°º× Der Kuss dauerte und dauerte. Selbst als die Tussi vom Jugendamt verschwunden war, löste er sich nicht von mir. Stattdessen legte er seine Arme in meinen Nacken, strich mit seiner Zunge über meine Unterlippe. Die Kontrolle über meinen Körper hatte ich bereits vom ersten Moment an verloren, daher verwunderte es mich auch nicht, dass ich den Kuss erwiderte. Ich öffnete meine Lippen, gewährte der fremden Zunge Einlass. Er spielt mit mir, lockte und verwöhnte mich. Es kam mir vor, als gäbe es da jemanden in seinem Leben, den er wirklich liebte. Der sein Herz erweichen tat und ihm mehr als alles andere bedeutete. Ich seufzte wohlwollend auf, vergaß, dass es Kaiba war, den ich da gerade küsste. Er schien auch vergessen zu haben, dass ich es bin, denn er zog mich noch näher zu sich. Der Stuhl stand zu weit weg und ehe ich mich versah, lag ich bei ihm auf dem Krankenbett. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und langsam wurde der Sauerstoff knapp. Wenn ich nicht tot umfallen wollte, musste ich mich langsam mal von ihm lösen. Aber ich wollte nicht. Wann hatte ich das letzte Mal jemanden an meinen Lippen, der so gut küssen konnte? Um ehrlich zu sein: Noch nie! Kaiba war die erste Person die ich küsste. Ich nutzte den letzten Rest meines Atems und löste mich dann von ihm, traute mich nicht die Augen zu öffnen. Ich kannte Kaiba mindestens so gut, um zu wissen, dass er die Situation nicht kommentarlos hinter sich lassen konnte. Zwangsläufig musste er dazu einfach etwas sagen. Etwas anderes ließ sein übergroßes Mundwerk einfach nicht zu! »Dein Dankeschön!« »Mein was?«, fragte ich nochmal nach, blinzelte und öffnete die Augen schließlich ganz. »Das war dein Dankeschön für die letzten Wochen und jetzt kannst du nach Hause fahren. Mein Anwalt meldet sich bei dir, bezüglich weiterer Schritte!« Ungläubig schaute ich ihn an, schüttelte dann den Kopf. »Unhöflich wie eh und je!«, murmelte ich, machte mich auf den Weg Richtung Tür. »Gute Nacht!« Dann verließ ich den Raum. Mein Herz gab immer noch keine Ruhe. Und ich fragte mich ungewollt, wie es sein würde von ihm geliebt zu werden. Also so richtig. Wie war es ihn zu spüren? Wie war es, von ihm im Arm gehalten zu werden? War er dann auch so leidenschaftlich und selbstlos, wie gerade eben? Ich holte tief Luft. Die Gedanken haben nichts in meinem Kopf verloren! Seto Kaiba und Joey Wheeler gehörten nicht gepaart. Da konnte nie und nimmer etwas akzeptables bei rauskommen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)