Insanity Love von mairio (I love you. Today. Tonight. Tomorrow. Forever.) ================================================================================ Chapter 22: The Castle ---------------------- Chapter 22: The Castle   „Wo sind sie? Sag bloß nicht, der Neue hat sie schon getötet?“, sprach eine weibliche Stimme in einem herablassenden Ton. „Würde ich ihm nicht zutrauen“, sagte eine männliche Stimme. Zwei verhüllte Figuren standen wenige Meter von den beiden Kaitos entfernt. Beide trugen weite, schwarze Umhänge mit übergezogener Kapuze. Bei der kleineren von beiden lugten lange, blonde Haare unter ihrer Kapuze hervor. Jeanne versuchte ihre Gesichter auszumachen, doch aufgrund dessen dass die beiden zusätzlich noch Masken trugen, die ihre unteren Gesichtshälften verdeckten, konnte sie nichts erkennen. Sie blickte zu Sindbad neben ihr auf, der die beiden genauestens beobachtete. Sein Gesichtsausdruck wirkte so normal, wie als wäre vor wenigen Momenten nichts gewesen. Jeanne wusste ihren eigenen Gesichtsausdruck nicht einzuschätzen, doch sie wusste wie sie sich fühlte: als hätte man ihr ein Loch durch ihr Inneres geschlagen. „Die beiden sind Dämonenritter“, hörte sie Sindbad leise wispern. Jeanne nahm das mit einem Nicken zur Kenntnis und spähte vorsichtig zu ihnen rüber. Noch immer waren sie miteinander am Reden. „Wir haben den ganzen Wald nach diesem dämlichen Verräter und seiner Kamikaze-Diebin abgesucht, Ecadus!“, murrte die Dämonenritterin. „Was ist, wenn wir unsere Zeit hier verschwenden und die beiden schon auf dem Weg zum Palast sind?“ „Als ob sie lebend dort ankommen, ohne vorher von den anderen entdeckt zu werden, Avea“, entgegnete Ecadus. „Ich wette, dass sie sich noch immer hier irgendwo aufhalten.“ Avea stöhnte genervt auf und stieß einige unverständliche Flüche aus. Jeanne sah, wie sie ihnen den Rücken zukehrten und dabei waren zu gehen. Zögernd tauschte sie mit Sindbad einen stummen Blick aus, der auf einmal einen Dolch in seiner Hand hielt. „Was hast du vor?“, flüsterte sie. „Ich habe eine Idee“, antwortete er ihr, „Folge mir.“ Im nächsten Moment lief er lautlos auf die Dämonenritter zu und schlug Ecadus mit dem Griff seiner Waffe auf dem Hinterkopf. Dieser schwankte auf die Knie. Avea drehte sich zu dem Dieb um. „Sindbad!“, zischte sie. Bevor sie einen Angriff machen konnte, hatte Jeanne sie mit ihrem Band gefesselt. „Und jetzt? Wir töten sie jetzt aber nicht, oder?“, fragte die Kamikaze-Diebin argwöhnisch. Sindbad schlug seinen Gegner mit einem weiteren Schlag zu Boden. „Es reicht, wenn sie bewusstlos sind.“ Etwas erleichtert atmete sie aus und schlug anschließend die Dämonenritterin nieder. „Schnapp dir ihren Umhang und die Maske. Wir geben uns als die beiden aus und Mischung uns damit unauffällig unters Volk,“ sagte Sindbad und entfernte von Ecadus die besagten Kleidungsstücke. Jeanne tat dasselbe bei Avea. Kurz musterte sie die beiden. Ecadus war ein jung aussehender Mann mit kurzen, dunkelgrauen Haaren sowie harten Gesichtszüge. Avea erschien wie eine zierliche junge Frau mit schmalem Gesicht und spitzem Kinn. „Und du denkst, das funktioniert?“ Jeanne beäugte die Sachen kritisch. „Bisher sind wir noch nicht vielen Dämonen begegnet. Allerdings wird es in der Nähe des Palasts bestimmt von ihnen wimmeln, weshalb wir uns so gut wie möglich tarnen müssen. Mich kennt man hier und du bist auch nicht unbekannt in dieser Welt. Aber mit den Kapuzen und den Masken sind unsere Gesichter sicher verdeckt“, erklärte er und zog sich Ecadus’ Umhang über. „Bei dir und ihr stimmen die blonden Haare. Versuch außerdem deine weißen Sachen so gut es geht zu verbergen.“ Sie nickte verstehend und tat wie ihr geheißen. Die weißen Handschuhe zog sie sich aus und steckte sie sich weg. „Übrigens-“ Jeanne ging auf Sindbad zu und schlug ihm mit ihrer Handfläche kräftig über das Gesicht. „Das ist für vorhin“, sagte sie in einem bitteren Unterton. Dann zog sie sich die schwarze Maske an sowie die Kapuze tief über den Kopf. Sindbad sah ihr etwas überrascht dabei zu und tat es ihr anschließend nach. Kurz darauf machten sie sich auf den Weg in Richtung des Palastes.   Jeanne wusste nicht, wie lange sie liefen. Der Pfad zum Palast erschien länger, als es der Anschein machte. Dennoch wusste sie, dass sie sich ihn mit jedem Schritt allmählich näherten. Denn sie konnte Details erkennen, die sie bisher aus der Ferne nicht gesehen hatte. Wie zum Beispiel die massive Mauer aus Ranken und Dornen, die sich um das dunkle Gebäude befand und dessen scharfen Spitzen sie selbst aus mehreren Kilometern erkennen konnte. Unwillkürlich musste Jeanne an ein altes Märchen denken, in der eine schlafende Prinzessin in einem Schloss eingesperrt war, welches von einer Mauer aus Dornen geschützt war. Sie spürte, wie die Temperaturen ihrer Umgebung immer weiter sanken und sie sogar ihren Atem durch die Maske sehen konnte. Leicht zitternd rieb Jeanne sich ihre Arme unter dem Umhang. „Denkst du, wir kommen in dieser Verkleidung auch in den Palast rein?“, fragte sie Sindbad. „Wäre vom Vorteil, wenn wir es können“, antwortete er ihr. Einige Zeit später hatten beide den Palast erreicht. Sie waren umgeben von Ruinen, die Überreste einer Stadt. Dämonen und Dämonenrittern schwirrten an ihnen vorbei, schenkten ihnen allerdings kaum Beachtung. Tote Körper lagen alle paar Meter um sie herum. Jeanne spürte, wie sich ihr Magen drehte. Sie fühlte sich wie als würde sie mitten in eines ihrer Albträume befinden. Die Hecke aus Dornen, welches das große Gebäude umgab, sah in keinem Fall aus als bestände es aus einfachen Rosenbüschen. Von dem was Jeanne erkennen konnte, hatten die Dornen die Farbe aus Metall und waren locker bis zu vierzig Zentimeter lang. Gelegentlich waren weiße große Blumen zu erkennen. Die Wände des Palastes waren in einem schwarz-grauen Ton gefärbt und mit nur wenigen Fenstern versehen. Jeanne lief ein Schauder über den Rücken. Sie zog sich den Umhang enger um. Sindbad stand regungslos neben ihr, seine Kapuze verdeckten seine Augen. Die Diebin sah sich weiter um. Ein Tor war in der dornigen Hecke zu erkennen, welches sich ab und an öffnete. Wachen standen davor und hielten jeden an, der durch das Tor passieren wollte. Sie konnte beobachten, wie ein Dämonenritter seine Maske abnahm und die Kapuze von seinem Kopf entfernte, bevor er in das Gebäude rein konnte. Jeanne wandte sich leicht zu Sindbad um. „Ich glaube, wir müssen uns erkenntlich machen, wenn wir dadurch wollen“, wisperte sie ihm zu. „Wir können unmöglich unsere Gesichter zeigen“, murmelte er. „Irgendwelche Ideen, wie wir die Wachen umgehen können?“ „Im Moment nicht.“ Mit Gewalt da durchkommen, wäre zu riskant..., überlegte sie. Plötzlich erklang eine fremde Stimme hinter ihnen. „Ecadus! Avea!“ Jeanne versuchte nicht zusammenzuzucken und blickte panisch zu Sindbad rüber, der gefasst blieb und sich zu dem Fremden umdrehte. „Silk“, sagte er. Jeanne fühlte sich wie, als hätte Eis ihre Venen besetzt, dennoch zwang sie sich ebenfalls umzudrehen. Vor ihnen stand ein Junge, der aussah als wäre er ein Teenager. Nur das Horn auf seiner Stirn verriet ihr, dass er kein Mensch war. „Was macht ihr beide hier? Solltet ihr nicht mit unserem Neuling auf Mission sein?“, fragte Silk. „Wir wollten gerade aufbrechen“, antwortete Sindbad ihm, „Was den Neuen angeht, so wollten wir ihm einen Vorsprung geben.“ Silk zog skeptisch seine Augenbrauen zusammen. Jeanne spürte, wie sich ihr Körper anspannte. „Du hältst uns gerade auf“, sprach Sindbad weiter, die Stimme kalt und ohne Emotionen, „Schließlich sollten wir unserem Herrn die Köpfe der beiden Diebe überbringen.“ Silk schmunzelte sadistisch vergnügt. „Wie gern ich mit euch tauschen würde.“ Jeanne war mehr als erstaunt darüber, dass er ihm so leicht glaubte. Auf einmal blickte Silk sie mit hochgezogener Augenbraue an. „Warst du eigentlich schon immer so still?“ Verdammt..., dachte sie sich, Unsere Tarnung darf nicht auffliegen! Sie richtete sich gerade und setzte einen ausdruckslosen Blick auf. „Ich bevorzuge es zu töten, statt zu reden“, erwiderte Jeanne so kalt wie sie konnte. Silk lachte belustigt auf. „Ach, wirklich? Wie du meinst, Blondie-“ Mit einer blitzschnellen Bewegung hatte Jeanne Silk auf dem Boden fixiert und dessen Arme auf seinen Rücken verrenkt. „Niemand nennt mich Blondie und behält seine beiden Kniescheiben!“, fauchte sie ihn an. „Zum Teufel! Reg dich ab, Avea!“, ächzte er, „Okay, ich nenn dich nie wieder Blondie! Alles klar?“ „Gut! Ansonsten sorg ich dafür, dass wir unserem Herrn noch deinen Kopf überreichen.“ Jeanne ließ Silk los und wandte sich an Sindbad. „Komm, Edacus, der Idiot hat uns lange genug aufgehalten.“ Damit entfernten die Diebe sich gezwungenermaßen vom Palast.   Außer Sichtweite von den Dämonen hielten sie sich anschließend hinter einer zerfallenen Gebäudewand versteckt. Noch immer befanden sie sich in der Stadt, allerdings am äußersten Rande. Jeanne atmete tief ein und wieder aus. Sie überlegte fieberhaft, was sie tun konnten. Schließlich kam ihr eine Idee. Mit einem Kopfnicken gab sie Sindbad zu verstehen, ihr zu folgen. Mit schnellen Schritten und dennoch vorsichtig, versuchten sie sich wieder dem Palast zu nähern. Dabei liefen sie außerhalb der Stadt entlang und vermieden es von den Dämonen gesehen zu werden. Schließlich befanden sie sich auf der hinteren Seite des massiven Gebäudes, in der sich glücklicherweise niemand befand. Atemlos sah Jeanne Sindbad an. „Nicht schlecht“, sagte er. Jeanne konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Wir Diebe brauchen keine Türen, um irgendwo reinzukommen“, sagte sie und sah zum Palast auf. Ein einziges, glasloses Fenster war in den Gemäuern zu sehen. Sindbad nahm seine Maske ab und schob sich die Kapuze runter. Seine Wangen waren von der kalten Luft gerötet. Sie schätzte, dass ihre Tarnung nicht mehr von Bedeutung war. Wie als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte er: „Wir brauchen die Tarnung hier nicht mehr.“ Sie nickte, nahm ihre Maske ebenfalls ab und entfernte die Kapuze von ihrem Kopf. Beide liefen auf die hohe Hecke zu, welches das Gebäude umkreiste. Ein engverwebtes Gewirr von Ranken ragte meterhoch über ihnen empor. Vom nahen sah die Hecke aus, als wäre sie aus Stahl gemacht. Lange, spitze Dornen stachen aus allen Winkeln heraus. Manche waren so lang wie Schwerter. Was Jeanne für weiße Blumen gehalten hatte, waren letztlich Skelete, die zwischen den Ranken hingen. Sie zog nervös Luft ein. „Das ist unmöglich da durchzukommen“, sagte Sindbad, als er aufschaute. „Wir könnten warten. Und versuchen uns durch das Tor einzuschleichen.“ „Wir können nicht mehr länger warten“, entgegnete Jeanne ernst und umfasste ihr Kreuz, welches sich im nächsten Moment zu ihrem Schwert transformierte. Sie legte die Kante an eines der Dornen an und schnitt durch sie hindurch. Sie hatte einen gewissen Widerstand erwartet, doch es gab keinen. Der Dorn ließ sich einfach abschneiden, hinterließ dabei einen Stumpf, aus dem ein gräulicher Saft heraustropfte. „Ugh“, entkam es ihr angeekelt, während sie den abgefallenen Dorn wegkickte. Ein seltsamer Geruch entkam aus der beschädigten Stelle. Jeanne nahm tief Luft, versuchte ihre innere Unsicherheit zu mindern. „Okay. Ich versuche mir meinen Weg durchzuschneiden“, sagte sie. „Ich kann schon den Palast durch die Ranken sehen“, fügte sie hinzu, wies dabei auf die Lücken zwischen den Ranken hin, die groß genug waren, um einen Menschen durchzubekommen. „Maron—“ Sindbad schien als wollte er nach ihr reichen, ließ seine Hand jedoch wieder fallen. „Mir gefällt das nicht. Wir sind nicht die ersten, die versucht haben durch diese Hecke hindurchzukommen“, sagte er und deutete mit seinem Kinn in Richtung der Skelete über ihnen und um sie herum. „Aber wir werden die ersten sein, die auf die andere Seite kommen“, sagte Jeanne mit einem Wagemut, den sie sich selbst vormachte. Sie ging mit einem weiteren Schwerthieb auf die Hecke zu. Dornen prasselten wie leichter Regen auf sie herab. Je weiter sie in die Hecke vor drang, desto dunkler wurde es um sie herum. Das Gestrüpp war so breit wie eine Autobahnspur und die Ranken über ihr waren so dick ineinander verwebt, dass sie eine dichte Decke über den Himmel bildeten. Jeanne hörte, wie Sindbad nach ihr rief. Doch, wieso war seine Stimme so dumpf? Sie blickte verwundert nach hinten— und erstarrte. Entsetzen breitete sich in ihrem Gesicht aus. Die Hecke hatte sich hinter sie verschlossen. Sie war gefangen. Umgeben von einer dicken grau-grünen Wand, übersät mit tödlichen Dornen. Sie versuchte sich weiter durchzuschneiden, doch ihr Schwert prallte mit einem Klirren am nächstgelegenen Dorn ab, wie als wäre es wirklich aus Stahl gemacht. Ein scharfer Schmerz traf ihre Brust. Die Ranken bewegten sich, drangen langsam zu Jeanne heran. Die scharfe Spitze einer Ranke stach sie über ihr Herz, ein weiterer durchstach ihr Handgelenk. Sie zuckte zusammen und ließ ihr Schwert fallen. Mit einem kurzen Lichtfunken verwandelte es sich in ihr Kreuz zurück, welches wieder an ihrer Brust hing. In der Position, in der sie eingeengt wurde, war es unmöglich wieder nach ihrer Waffe zu greifen. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, während sich die Ranken ihr mit jeder Sekunde näherten. Sie konnte die Skelete sehen, die sich mit den Ranken bewegten. Die Überbleibsel derer, die ebenfalls in dieser Hecke eingekerkert waren - und nicht überlebt hatten. Die Spitze eines Dorns schnitt ihr über die Wange und warmes Blut rannte ihr das Gesicht herunter. Jeanne wich zurück und weitere Dornen stachen ihr in Rücken und Schultern rein. Ich werde sterben...!, ging es ihr verzweifelt durch den Kopf, Todesangst schwärzte ihre Gedanken. Aber sie war eine Gesandte Gottes, die Kamikaze-Diebin Jeanne. Sie war stark. Sie sollte keine Angst haben. Und dennoch- Jeanne schloss ihre Augen und dachte an Chiaki, ihre Eltern, ihre Freunde. Bat sie alle um Vergebung. Sie dachte immer, wenn sie eines Tages sterben sollte, dann höchstens in einem heldenhaften Kampf. Und nicht allein, zerquetscht von tausenden von Klingen. Etwas stach ihr in den Hals. Gott, bitte hilf mir..., flehte sie innerlich. Noch immer hörte sie Sindbad ihren Namen rufen— Plötzlich spürte sie etwas in ihrer Hand. Ihrer Finger schlossen sich reflexartig um diesen Gegenstand. Bevor Jeanne es selbst realisierte, wusste ihr Körper schon, dass es ein Schwert war. Sie öffnete ihre Augen und sah ein prachtvolles Schwert mit einer goldenen Klinge. Es war nicht ihr Schwert. Es sah edler aus, wie als wurde es aus Engelshänden erschaffen. Für Fragen gab es keine Zeit. Sie schwang ihren Arm hoch. Kein Widerstand. Das neue Schwert schnitt durch die Dornen und Ranken problemlos hindurch. Saft spritze heraus, brannte auf Jeanne’s offenen Wunden, aber sie ignorierte den Schmerz. Wieder und immer wieder schnitt sie alles in ihrer unmittelbaren Nähe ab, die Ranken fielen in sich zusammen. Die Hecke regte und krümmte sich, wie als hätte sie Schmerzen und die Ranken zogen sich zurück, als hätten sie Angst vor dem Schwert. Vor ihr sowie hinter ihr öffnete sich ein Durchgang. Jeanne rief nach Sindbad, um ihr zu folgen. Anschließend rannte sie in Richtung des Palastes. Außerhalb der Hecke fiel sie auf die Knie, hielt das goldene Schwert noch immer fest umklammert. An ihren Händen klebte ihr Blut sowie der Saft der Ranken. Sie atmete schwer, rang nach Luft. Blut lief ihr noch aus den Wunden. Ein Schatten breitete sich im nächsten Moment über ihr aus. Es war Sindbad. Er kniete sich gegenüber von ihr hin, sein Gesicht leichenblass. Er fing sie an den Schultern auf und Jeanne verkniff es sich vor Schmerz zusammenzuzucken. Dass er sie hielt, war ihr der Schmerz wert sowie auch sein Ausdruck im Gesicht. „Maron“, sagte er, „Das war unglaublich. Wie—?“ Sie hielt das Schwert hoch. „Gott hatte mir geholfen“, sagte sie dankbar und ehrfürchtig zugleich. Blut tropfte auf die Klinge herab, bevor es zu schimmern begann und verschwand. In dem Moment hielt sie nichts als leere Luft, ihre Finger hielt sie immer noch an den Stellen gekrümmt, wo sich der Griff befunden hatte. Sindbad ließ ihre Schultern los, riss ein Stück Stoff von seinem Umhang ab und strich damit mit einer überraschenden Sanftheit über ihre Wange. Auch wenn ihre Wunden zu heilen begannen, so wischte er ihr dennoch fürsorglich das Blut weg. Die Freude, die Jeanne verspürte, ließ alle Horrormomente der letzten Minuten für einen Augenblick vergessen. Sie wusste, dass er sie nicht lieben konnte, doch in dem Moment fühlte es sich so an, als würde er es tun. *** Nachdem Jeanne und Sindbad sich durch das Fenster Zugang verschafft hatten, stand ihnen die nächste Hürde bevor: die Engel zu finden. Das Innere des Palastes war mit unzähligen Gängen, Korridoren, Treppen und Räumen versehen. Die beiden Diebe hatten wieder ihre Kapuzen aufgesetzt und hielten sich im Schatten bedeckt. Mit Vorsicht inspizierten sie jedes einzelne Zimmer, welches sie passierten. Gerade als sie wieder in einen Durchgang abbiegen wollten, hörten sie Stimmen. Eine Stimme erkannte Jeanne sogar. Sie blickte um die Ecke – und sah Noyn. Sindbad neben ihr zog scharf Luft ein. In seiner Hand hielt er eine Waffe. Seine Augen waren fixiert auf Noyn. Sein Körper versteifte sich, jeder einzelne Muskel war angespannt. Er will ihn töten…! Jeanne erkannte sofort, was in ihm losging. Sie zerrte an ihm, zwang ihn sie anzuschauen. „Nicht.“ Sie sprach in einem harschen Flüstern. „Nicht jetzt.“ Sindbad atmete schwer, wie als hätte er einen Sprint hinter sich. „Lass mich los, Maron.“ „Wenn er uns sieht, sind wir dran“, zischte sie. „Er muss für das was er getan hatte sterben.“ Er sah sie mit kalten, blauen Augen an. „Lass mich ihn töten—“ „Wir werden beide hier sterben, wenn du es versuchst! Denk an deine Familie, an Minami. Du wirst niemand einen Gefallen tun, wenn du stirbst!“ Sindbad schwieg, die Finger seiner freien Hand schlossen und öffneten sich. Im nächsten Augenblick ließ er seine Waffe verschwinden und blickte ungläubig zu Boden. Jeanne konnte sehen, dass Noyn hinter einer Ecke verschwunden war. Erleichtert atmete sie aus. Sie war sich nicht sicher, ob sie Sindbad mit der Erwähnung seiner Familie wirklich besänfigten konnte, doch solange sie ihn davon abhalten konnte sich Hals über Kopf in den Selbstmord zu stürzen, war es ihr egal. Jeanne nahm Sindbad’s Hand und gemeinsam liefen sie den Gang entlang sowie die nächste Treppe runter. Dass sie am ganzen Körper zitterte, ignorierte sie. Sie spürte, wie Sindbad ihre Hand leicht drückte. Unter der steinernen Treppe hielten die beiden kurz an. Sindbad lehnte sich mit dem Rücken an der Wand an und ließ sich auf dem Boden runterrutschen. Seine Augen waren nach unten gesenkt. „Du hättest mich ihn töten lassen sollen.“ Seine Stimme war wie aus Eis. „Nein, Chiaki.“ Jeanne saß ihm gegenüber auf dem Boden und rieb sich die Schläfen; ihr Kopf schmerzte. „Du wärst definitiv getötet worden, hättest du es versucht.“ „Maron—“ „Nein!“ Sie ließ ihre Hände fallen. „Ich hasse ihn auch für das was er dir angetan hat. Aber es gibt gerade wichtigere Dinge als Rache. Unsere Mission ist unsere Engel zu retten. Mehr nicht!“ Jeanne atmete tief durch. „Außerdem wird dir Rache keinen Frieden geben“, sprach sie in einem ruhigeren Ton weiter, „Keine Befriedigung. Es wird dir gar nichts bringen, außer ein leeres, kaltes Gefühl.“ Lange war es still. Sindbad fuhr sich mit den Fingern durch die weißen Haare. Jeanne wollte auf ihn zukriechen und ihn anflehen, wieder der Chiaki zu sein, der er war. Doch das war wahrscheinlich unmöglich. „Also, was willst du damit sagen?“, fragte er letztendlich. „Niemand würde es dir übel nehmen Noyn zu töten“, antwortete sie ihm, „Doch dafür sind wir nicht hier.“ Sindbad sah zu ihr auf. „Wenn wir Fin und Access hier rausholen und es kommt doch zu einem Kampf, dann werde ich ihn töten.“ Jeanne musste schwer schlucken. „Wenn es die Situation zulässt…“ „Die Situation wird es zulassen. Und ich werde es schaffen. Ich bin ein besserer Kaito, als ich es vorher war.“ Er setzte sich auf und ging ein paar Schritte in den dunklen Korridor vor ihm rein. „Kommst du?“, fragte er. Sie nickte und stand auf. „Ich bin bei dir.“ Um dich vor dir selbst zu beschützen…, dachte sie sich innerlich.   Ein einziges Zimmer befand sich am Ende des Korridors. Als Jeanne die Türen öffnete, konnte sie nichts sehen bis auf schwarze Dunkelheit. „Wieder ni-“ „Maron!“ Die Angesprochene fuhr bei der Stimme zusammen. Sie ließ ihre Augen in alle Richtungen wandern bis sie zwei schwache Lichter aufleuchten sah. Grün und Lila. „Sie sind hier“, sagte Sindbad. „Sindbad?“ Jeanne rannte auf die Lichter zu und sah, wie die Engel vor ihr auftauchten. Eine magische Barriere umgab sie. „Gott sei Dank! Ihr seid endlich da“, rief Fin erleichtert aus.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)