Insanity Love von mairio (I love you. Today. Tonight. Tomorrow. Forever.) ================================================================================ Chapter 20: Gone ---------------- Hallo meine Lieben!   Kleine Info für die, die es interessiert: Privat habe ich derzeit seeehr viel zu tun, weshalb ich kaum zum Schreiben komme… Daher kann ich auch nicht sagen, wann und wie regelmäßig die nächsten Kapitel kommen werden. :/ Hoffe ihr bleibt trotzdem weiterhin dabei und seid geduldig. :]   Viel Spaß beim Lesen!   Liebe Grüße Mairio   ----------------------------------------------- Chapter 20: Gone   Als Maron aufwachte, fühlte sie sich desorientiert. Alles um sie herum war in einem hellen Weiß gefärbt, was ihre Augen teilweise blendete. Sie blinzelte einige Male bis sie sich an die Helligkeit gewöhnt hatte. Langsam sah sie sich um und stellte sofort fest, dass sie sich in einem Krankenzimmer befand. „Maron?“ Miyako’s erleichtertes Gesicht tauchte vor ihr auf. „Miyako? Wa-Was ist passiert?“, fragte sie verwirrt.    „Kannst du dich nicht erinnern? Du bist gestern umgekippt.“ Maron hob träge eine Hand, rieb sich die Schläfe und überlegte scharf. Im nächsten Moment kamen die Erinnerungen wieder und spielten sich wie ein Film vor ihrem inneren Auge ab. Sie erinnerte sich, wie sie in Chiaki’s Armen in Ohnmacht fiel. Genauso erinnerte sie sich, dass sie für einen Moment wieder wach wurde und in seine verzweifelt blickenden Augen sah. „Oh mein Gott...!“, wisperte sie und setzte sich erschrocken auf. Es war also kein Traum?, ging es ihr verwirrt durch den Kopf. Sie hatte durchaus von Blut und tiefster Dunkelheit geträumt. Aber womöglich spielte ihr Gedächtnis ihr nur die Erinnerungen von letzter Nacht unbewusst ab. Maron blickte Miyako mit großen Augen an. „Was ist alles passiert, nachdem ich das Bewusstsein verlor?“ „Du musstest operiert werden, da du sehr viel Blut verloren hattest.“ Maron betastete den Verband unter ihren Krankenhauskittel.   Verwundert stellte sie fest, dass sie keine Schmerzen verspürte. Überhaupt fühlte sie sich gesund und voller Energie. „Ich glaube, die Wunde ist verheilt“, sagte sie leise. Miyako zog irritiert die Stirn in Falten. „Wirklich?“ Maron nickte perplex und räusperte sich. „W-Wie spät ist es? I-Ich meine, wie lange habe ich geschlafen? Wo sind meine Klamotten?“, fragte sie, als sie Anstalten machen wollte aufzustehen. „Und wo ist Chiaki?“ Miyako hielt ihr stoppend eine Hand entgegen. „Beruhig dich kurz. Hier - trink und ess erstmal was“, sagte sie und reichte ihr eine Tasse Tee sowie ein Essenstablett mit einigen Kleinigkeiten, die Miyako eigentlich für sich geholt hatte. Maron nahm alles dankend an. Während sie trank und aß, beantwortete Miyako ihre soeben gestellten Fragen: „Es ist kurz nach ein Uhr, dass heißt du hast seit der OP um die fünfzehn Stunden durchgeschlafen. Deine Klamotten gebe ich dir gleich. Meine Mutter hatte dir ein paar neue Sachen aus deiner Wohnung gebracht, da die von gestern voller Blut waren. Yamato und mein Vater waren auch kurz hier. Oh, und deinen Eltern haben wir übrigens nichts gesagt.“ „Gut“, entgegnete Maron knapp und nippte an ihrer Tasse. Sie wollte nicht, dass ihre Eltern sich im entfernten Deutschland unnötige Sorgen um sie machen. Kurz hielt Miyako inne, sah beschämt zur Seite und dann wieder zu Maron. „Ehrlich gesagt, habe ich Chiaki seit gestern Nacht nicht mehr gesehen. Womöglich habe ich ihn etwas zu sehr unter Druck gesetzt… Touya sollte nach ihm suchen, aber den habe ich auch seit einer Weile ni-“ „Ich habe meinen Namen gehört?“ Überrascht drehten die beiden Freundinnen sich zu Touya um, der in der Tür stand. „Hey, ladies.“ „Hey“, begrüßte Maron ihn lächelnd. „Wo warst du denn die ganze Zeit?“, fragte Miyako. Ohne auf ihre Frage einzugehen, drehte Touya seinen Kopf kurz weg und nieste stark. „Gesundheit“, kam es von den Mädels gleichzeitig. Touya bedankte sich, rieb sich dabei mit dem Handrücken schniefend die Nase.   „Eh… Hast du dir eine Erkältung eingefangen?“, fragte Maron leicht besorgt. „Wahrscheinlich…scheiß Regen“, murmelte er, winkte unbekümmert ab und ging auf sie zu, „Aber wie es mir geht, ist Nebensache. Wichtiger ist wohl wie es dir geht, M?“ Kurz wog sie ihre Antwort ab. „Ganz gut, schätze ich. Obwohl…“ Maron hielt für einen Moment inne. Aus irgendeinem Grund überkam sie ein merkwürdiges Gefühl, doch sie konnte nicht zuordnen was es war. „Obwohl?“, hörte sie Touya fragen. „Ach, nichts“, schüttelte Maron den Kopf und lächelte unbesorgt, „Mir geht es gut.“ „Gut. Da bin ich froh.“ Touya musste drei weitere Male hintereinander niesen. „Ich glaube, du solltest besser nach Hause gehen”, merkte Miyako an, die etwas von ihm zurückgewichen war. „Glaub ich auch“, erwiderte er und fügte an Maron gerichtet hinzu, „Ich wollte nur sehen, ob du wieder heil bist.“ „Heil bin ich auf jeden Fall“, entgegnete sie grinsend. „Gut.“ Er erwiderte das Grinsen mit einem Blick in den Augen, den sie nicht deuten konnte. „Nun denn… Bis später.“ Touya wollte gerade auf dem Absatz kehrt machen, als Maron ihn noch stoppte: „W-Warte! Miyako sagte, du hattest gestern noch nach Chiaki gesucht… Hattest du ihn gefunden?“ Ihr Kommilitone drehte sich zögerlich zu ihr um, biss sich mit einem unschlüssigen Ausdruck auf die Lippe. „Ja, hatte ich. Er ist gerade auf der Intensivstation. Bei Minami.“ „Oh…Ok. Wie geht es ihm dabei?“ „Ehm...“ Unbeholfen fuhr er sich durch die Haare und sah weg. „Das fragst du ihn lieber selbst“, sagte Touya schließlich bevor er verschwand. Leicht verwundert legte Maron ihren Kopf schief, nickte jedoch zustimmend. Miyako verzog skeptisch das Gesicht. „Findest du nicht, dass er sich merkwürdig benahm? Wie als hätte er irgendwas ausgefressen.“ Maron zuckte mit den Schultern. Ohne weiter über ihren Kommilitonen nachzudenken, entfernte sie achtlos alle Kabel von sich, stand vom Bett auf und ging mit ihren Klamotten in den Händen ins Bad. „Sag mal-“ Miyako sah prüfend nach draußen und dann wieder zu ihrer besten Freundin, die nach wenigen Minuten fertig angezogen wieder rauskam. „Wie kommt es, dass du dich wieder heilen kannst?“ Wieder zuckte Maron ratlos mit den Schultern, schob ihre Blouse etwas hoch und sah auf die verheilte Stelle herab. Den Verband hatte sie entfernt und entsorgt. „Keine Ahnung. Daher muss ich jetzt hier raus und zu Chiaki.“ Sie musste ihm wissen lassen, dass es ihr gut ging. Ebenso wollte sie sich vergewissern, dass es ihm gut ging. Schließlich war er schon wegen Minami ziemlich fertig gewesen. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie er sich in den letzten Stunden gefühlt haben muss. Seufzend hielt Maron sich eine Hand über die Brust. Noch immer spürte sie dieses merkwürdige Gefühl in ihrem Inneren. Wie als würde etwas in ihr fehlen – als würde ihr Herz sich nicht vollständig anfühlen. Chiaki…, ging es ihr betrübt durch den Kopf. Er fehlte ihr. Sie wollte bei ihm sein, die Arme um ihn schließen und für einen Moment -sei der noch so klein und kurz- all die Probleme um sie herum vergessen. Sie wusste, dass er sie brauchte – genauso wie sie ihn. „Ich begleite dich zur Intensivstation“, hörte sie Miyako sagen. Maron sah zu ihr auf und nickte mit einem dankbaren Lächeln. Im nächsten Moment verließen die Freundinnen das Krankenzimmer.   Es dauerte nicht lange bis sie in der besagten Station ankamen, jedoch direkt von einer Krankenschwester -eine Dame mittleren Alters mit vereinzelt grauen Strähnen in ihren schwarzen, zusammengebundenen Haaren- angehalten wurden. „Entschuldigen Sie, darf ich fragen zu wen Sie wollen?“, fragte sie die Studentinnen. „Ehm... zu Minami Nagoya“, antwortete Maron. „Gehören Sie zur Familie?“ „N-Nein, aber-“ „Dann tut es mir leid. Es dürfen nur Angehörige der Patientin, spricht die Familienmitglieder, rein. Abgesehen davon, ist die Besuchszeit für die Station gleich vorbei.“ „Können Sie nicht nachfragen, ob meine Freundin kurz rein darf?“, wendete Miyako ein, „Ihr Freund ist schließlich der Bruder der Patientin.“ Die Dame warf beiden einen strengen, dennoch empathischen Blick zu und seufzte. „Warten Sie für einen Moment“, sagte sie ihnen und verschwand hinter der Tür. Maron sah der Krankenschwester durch das kleine Guckfenster nach und beobachtete, wie sie in eines der Zimmer rein ging. Auf einmal spürte sie, wie ihr Miyako von hinten auf dem Oberarm einige Male schlug, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. „Shit, der Arzt kommt auf uns zu“, zischte Miyako ihr leise zu. „Welcher Arzt?“, flüsterte Maron irritiert zurück. „Der, der gestern für dich zuständig war! Miyazawa heißt er!“ Als Dr. Miyazawa schließlich vor ihnen stand, setzten Maron sowie Miyako ein unschuldiges Lächeln auf. „Miss Kusakabe! Was machen Sie hier? Und wieso sind Sie überhaupt schon auf den Beinen?“, fragte er entsetzt. „E-Ehm, ich habe mir die Beine vertreten und festgestellt, dass es mir ziemlich gut geht“, entgegnete die Angesprochene verlegen. Der Arzt blickte sie konfus an. „Ich würde Sie darum bitten in Ihr Zimmer zurückzukehren. Ihr Körper braucht Ruhe.“ Schnell schüttelte Maron den Kopf. „Ich schwöre, mir geht es prächtig. Lieber möchte gerne nach Hause.“ „Es ist aus gesundheitlicher und medizinischer Sicht nicht ratsam Sie jetzt zu entlassen.“ „Ich bitte Sie, Dr. Miyazawa. Wenn ich Schmerzen verspüre, dann geben Sie mir einfach ein paar Tabletten mit.“ „Miss Kusakabe-“ Plötzlich öffnete sich die Tür der Intensivstation und die Krankenschwester sowie ein Mann mit blauen Haaren kamen zum Vorschein. Für eine Sekunde dachte Maron es wäre Chiaki, doch letztlich handelte es sich um sein Vater Kaiki. „Ich übernehme hier, Herr Kollege“, sagte er in einem ruhigen, sachlichen Ton, „Kümmern Sie sich doch bitte um die anderen Patienten.“ Dr. Miyazawa sah den Krankenhausdirektor überrascht an, folgte jedoch seinen Anweisungen und ging. Die Krankenschwester verschwand nach einem kurzen Nicken von Kaiki ebenfalls, wodurch er sich schließlich den beiden jungen Frauen zuwandte. „Hallo Maron“, begrüßte er die Braunhaarige mit einem erschöpften Lächeln. Dunkle Schatten waren unter seinen Augen zu sehen. „Hallo“, erwiderte sie schüchtern zurück. „Oh - das ist übrigens Miyako Toudaiji“, stellte sie ihre beste Freundin unbeholfen vor. Diese schüttelte Kaiki freundlich die Hand. Dann wandte er sich wieder Maron zu. „Ich hab gehört, dass du gestern wegen einer Stichverletzung hier eingeliefert wurdest. Auch wenn es komplett gegen meine Prinzipien verstößt und ich Dr. Miyazawa eigentlich Recht gebe, so werde ich dich trotzdem vorzeitig entlassen. Okay?“, sprach er in einem leisen Ton, „Ich werde dir Schmerztabletten verschreiben und du versprichst mir, dass du dich zu Hause ausruhst und keine körperlichen Anstrengungen betätigst.“ Maron nickte einige Male brav und biss sich zögernd auf die Lippe. „Uhm… wie geht es Ihnen?“, fragte sie vorsichtig.   Kaiki fuhr sich erschöpft eine Hand über das Gesicht und seufzte schwer. „Den Umständen entsprechend“, antwortete er. Verständnisvoll sah sie ihn an. „I-Ich wollte fragen, ob ich Minami kurz besuchen darf? Ich- Ich weiß, ich gehöre nicht zur Familie und wir kannten uns ehrlich gesagt auch nicht so gut, aber-“, stammelte Maron und stoppte sich, als sie Kaiki leicht Lächeln ansah. „Ist schon okay. Die Besuchszeit da drin endet in weniger als zehn Minuten und da denke ich, dass man für dich eine Ausnahme machen kann. Schon die zweite Ausnahme, die ich die erlaube, wenn ich das anmerken darf“, sagte er augenzwinkernd.   „Oh, eh, danke. Wirklich vielen Dank“, kam es von Maron erleichtert. „Ich warte hier draußen“, meldete Miyako sich zu Wort, worauf die Braunhaarige zustimmend nickte. Danach folgte sie Kaiki in die Intensivstation. *** „War ich eine schlechte Mutter oder was für Gründe hätte sie haben sollen so was Furchtbares zu machen?“, sprach Nanako fassungslos zu sich selbst. Chiaki warf seiner Stiefmutter einen stummen Seitenblick zu und sah kurz zu Minami herab, die reglos vor ihnen im Krankenbett lag. Das Piepen der Maschinen war um sie herum war zu hören sowie das gelegentliche Schluchzen von Nanako. Spuren von Tränen glitzerten auf ihrem Gesicht. Sie saß auf einem Stuhl und streichelte fürsorglich Minami’s Wange, strich ihrer Tochter gleichzeitig ein paar Strähnen aus dem Gesicht. Chiaki stand unterdessen neben ihr, die Hände in den Hosentaschen vergraben. „Anstatt sinnlos zu spekulieren, solltest du froh sein, dass sie noch lebt“, sagte er. Sie sah ihn mit großen Augen perplex an. „Du hast Recht“, stimmte sie ihm kleinlaut zu.   Dann wurde es wieder still zwischen ihnen. Kurz schloss Chiaki die Augen. Alles fühlte sich distanziert und dumpf an, wie als wäre er oder die Welt in Wattepolster eingewickelt. Dann sah er wieder zu Minami herab. Gewöhnlicher hätte er sich ein Stuhl geschnappt, sich zu ihr ans Bett gesetzt, ihre Hand genommen und sanft zu ihr gesprochen. Sein vorheriges, altes Ich hätte so etwas getan. Sein Jetziges nicht. Regungslos stand er da, drehte sich auch nicht um, als er merkte, dass sein Vater wieder ins Zimmer reinkam. Er wusste, dass er nicht alleine zurückgekehrt war. „Hallo Maron“, kam es von Nanako mit einem freundlichen, gleichzeitig gequälten Lächeln. „Hallo“, erwiderte die Braunhaarige zurück, „Es tut mir furchtbar leid, was Minami passiert ist.“ „Ach was, dir braucht doch nichts leid zu tun.“ Maron presste sich daraufhin beschämt auf die Lippen zusammen. Anschließend gesellte sie sich zu Chiaki. „Hi“, sagte sie zu ihm. „Hey“, entgegnete er, ohne sie anzuschauen. Etwas bestürzt sah sie ihn an, eine Hand wenige Zentimeter über seinen Oberarm haltend. Resigniert zog Maron ihre Hand wieder zurück und ließ sie neben sich sinken. Sie räusperte sich kurz und blickte traurig zu Minami herab. „Ist deine Wunde verheilt?“, fragte Chiaki kaum hörbar, den Blick weiterhin auf seine Schwester geheftet. „Ja“, antwortete Maron, warf ihm dabei einen flüchtigen, leicht erstaunten Seitenblick zu. „Dein Vater entlässt mich heute auch.“ „Gut“, erwiderte er nur. Währenddessen redeten seine Eltern angeregt miteinander und bekamen von dem Gespräch nichts mit. Im nächsten Augenblick hörte er seinen Vater sagen, dass die Besuchszeit vorbei sei. „Können wir nicht noch eine Stunde länger bleiben?“, warf Nanako ein. Seufzend fuhr Kaiki sich über das Gesicht. „Du weißt wie die Regeln sind“, sagte er zu ihr. Nach einigen Sekunden nickte sie niedergeschlagen und drehte sich ein letztes Mal zu ihrer Tochter um. Chiaki konnte den Schmerz in Nanako’s Gesichtsausdruck sehen, die Betroffenheit in die seines Vaters, die Reue und Schuldgefühle in Maron’s. Er versuchte nachzuempfinden, was sie fühlten, doch er konnte nicht. Er fühlte gar nichts mehr. *** „Ist alles in Ordnung? Mit Chiaki, mein ich“, hörte Maron Miyako flüsternd fragen, während sie ihn und seinen Eltern ins Erdgeschoss folgten. „Bin mir nicht sicher…“, antwortete sie ihr, „Er ist so distanziert... Das macht mir Sorgen.“ Die ganze Zeit über hatte er ihr nicht in die Augen geblickt. Mied er aus Schuldgefühlen ihren Blickkontakt? Auch diese Eintönigkeit seiner Stimme machte sie stutzig. Ebenso verspürte Maron immer noch dieses unvollständige Gefühl in ihren Herzen. Was ist das nur?, fragte sie sich irritiert. „Bestimmt liegt es an der ganzen Anspannung der letzten Stunden. Wahrscheinlich legt sich das wieder sobald ihr unter euch seid, oder so“, sagte Miyako. Maron nickte geistesabwesend. Im nächsten Moment klingelte Miyako’s Handy. „Oh… meine Mom“, merkte sie an, „Bin gleich wieder da.“ Damit entfernte die Kurzhaarige sich einige Meter. Unterdessen gesellte Maron sich zu den Nagoyas dazu und sah zu, wie sich Nanako von ihr und den Männern verabschiedete. „Willst du nicht lieber noch paar Minuten warten bis Kagura dich und die Kinder nach Hause fährt?“, wendete Kaiki besorgt ein. „Nein, ich nehme ein Taxi“, sagte Nanako und seufzte. „Außerdem würde Kagura einen unnötigen Umweg fahren, wenn er uns alle fährt.“ „Okay, wie du meinst“, ging Kaiki resigniert auf seine Frau ein. Die beiden gaben sich einen flüchtigen Kuss zum Abschied, ehe Nanako sich zum Ausgang begab und in ein vorbeifahrendes Taxi einstieg. „Ich frage mich, wie lange du noch vorhast dir und ihr was vorzuspielen“, sagte Chiaki plötzlich. Sein Vater schnellte perplex den Kopf in seine Richtung. „Was redest du da?“ „Du weißt ganz genau, dass sie nicht die Frau ersetzen kann, die du in deinem Inneren eigentlich liebst.“ Schockiert, sprachlos und teilweise sogar wütend sah Kaiki ihn an. Sein sonst so sympathischer Blick verfinsterte sich. Auch Maron sah Chiaki mit einem erschrockenen Gesichtsausdruck an. Der Arzt nahm tief Luft, presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, seine Schultern gespannten sich an. „Ich ignoriere alles Gesagte erstmal, weil wir alle schwere Stunden hinter uns hatten, gestresst und angespannt sind, und daher Sachen sagen, die wir nicht so meinen.“ Chiaki nahm das mit einem gleichgültigen Blick schweigend zur Kenntnis. „Das heißt allerdings nicht, dass ich nicht noch ein Wörtchen mit dir darüber zu Reden hätte“, fügte Kaiki in einem strengen Unterton hinzu und atmete tief durch. „Ihr könnt schonmal draußen auf Kagura warten. Er kommt gleich mit dem Wagen.“ Damit ging er schließlich. Chiaki fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und begab sich nach draußen. Maron sah ihm mit einem kritischen Blick hinter. Was zum Teufel ist nur los mit dir?, dachte sie sich. Irgendwas stimmte nicht. Chiaki würde nie sowas derartiges seinem Vater ins Gesicht sagen. Zumindestens nicht so taktlos wie gerade eben. Maron blickte in die Richtung in der Kaiki soeben verschwunden war und dachte unwillkürlich an ihr Versprechen, was sie ihm indirekt gab, als sie ihn zum ersten Mal traf. Dass sie auf sein Sohn acht geben würde. Sie wusste, dass sie dieses Versprechen nicht einhalten konnte. Denn in den letzten Stunden ihrer Abwesenheit war etwas passiert, wodurch sich Chiaki drastisch verändert hatte. Alles in ihm war so kalt - seine Augen, sein Gesichtsausdruck, seine Stimme. Sie versuchte in ihm den Jungen wiederzuerkennen, den er gestern noch war, doch dieser war nirgends mehr zu finden. Etwas ging in Chiaki vor und sie konnte sich nicht erklären, was es war. Diese Ungewissheit verunsicherte sie, machte ihr Angst. Am Abend, wenn er und sie alleine unter sich waren, würde sie letztlich erfahren, was es war.   „Maron.“ Miyako’s Stimme riss die Braunhaarige aus den Gedanken. „Hey. Was hat deine Mom gesagt?“, erkundigte Maron sich bei ihr. „Sie wollte nur wissen, wann ich nach Hause komme.“ „Ach so… Naja, Chiaki und ich werden gleich von Kagura, dem Sekretär, nach Hause gefahren.“ „Ah okay“, nickte Miyako, „Dann mache ich mich auch gleich auf dem Heimweg.“ „Hm“, nickte Maron nur. Einige Sekunden sagte niemand mehr war, bis Miyako auf einmal sagte: „Morgen ist euer großer Tag?“ Verwirrt blinzelte Maron sie an. „Was?“ „Eure überdimensionale Rettungsmission“, ergänzte Miyako leise. „Oh… Stimmt. Morgen wollten wir aufbrechen…“ Seufzend strich Maron sich durch die Haare. So viel war in innerhalb von kürzester Zeit passiert. Und es gab keinen Moment Ruhe zum Aufatmen. Ob wir wirklich bereit sind?, fragte sie sich und blickte durch die Glastür zu Chiaki nach draußen, Aber wir können nicht mehr länger warten... „Ich würde von dir verlangen, dass du mir versprichst, dass du auf dich aufpasst“, kam es von Miyako leicht ironisch, „Aber so wie ich dich kenne, würdest du irgendwie mal wieder dein Leben aufs Spiel setzen und dem Tod flüchtig ‚Hallo‘ winken.“ Maron konnte sich darauf ein Schmunzeln nicht verkneifen und rollte mit den Augen. Miyako’s Blick wurde ernster. „Versprich mir wenigstens, dass du nach Hause kommst? Selbst wenn dir ein Arm am Ende fehlt, oder so... Was ich natürlich nicht hoffe!“ „Versprochen“, lächelte Maron ihre Freundin an und umarmte sie innig. „Tut mir leid, dass ich dir immer solche Sorgen bereite.“ „Ich hoffe, das hat bald ein Ende“, murmelte Miyako. Maron seufzte schwer. „Hoffe ich auch…“ *** Die Fahrt zu Chiaki’s Wohnkomplex wurde hauptsachlich von beklemmenden Schweigen dominiert. Beide saßen hinten im Rücksitz und blickten wortlos aus den Fenstern. Auch die Fahrt im Aufzug verlief im Stillen ab, vorwiegend weil noch drei weitere Leute mit ihnen hochfuhren. Schließlich kamen sie in Chiaki’s Wohnung an und waren endlich unter sich allein. Maron sah, wie er ohne ein Wort die Treppen zum Obergeschoss hochgehen wollte. „Chiaki“, sagte sie, „Wir müssen-... Ich muss mit dir reden.“ Er blieb auf der Treppe stehen, drehte sich nicht zu ihr um. „Ist das nicht ein wenig Cliché, der Satz?“, entgegnete er, „Wir müssen reden?“ „Ja, deswegen änderte ich es auch zu ‚Ich muss mit dir reden‘ um. Und es ist Fakt, dass wir einiges zu bereden haben“, erwiderte Maron, „Insbesondere wegen unserer Mission morgen.“ „Aber eigentlich willst du nicht über unsere Mission reden.“ Er wandte sich endlich zu ihr um. „Oder etwa doch?“ „Nein“, antwortete Maron. Für einen Moment fragte sie sich, ob Chiaki sich weigern würde, diese Konversation zu führen, doch er zuckte gleichgültig mit der Schulter und führte sie wortlos nach oben. In seinem Schlafzimmer angekommen, schloss sie hinter sich die Tür. Chiaki drehte sich zu ihr um, seine braunen Augen blickten ausdruckslos in ihre. Sie näherte sich ihm, musterte sein Gesicht, versuchte seine Züge zu lesen. Normalerweise sah er sie immer mit so viel Gefühl und Liebe an, welche ihr eine angenehme Wärme bereitete. Doch nun bereitete sein Blick ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken. Sie konnte nichts in seinen Augen, in seinem Gesicht erkennen. Er wirkte wie ein Buch, welches in einer unlesbaren Sprache geschrieben und zusätzlich mit einem Schloss versiegelt wurde. „Was ist nur los mit dir?“, fragte Maron und durchbrach die Stille zwischen ihnen. Chiaki setzte sich auf die Bettkante hin. „Ich verstehe nicht, was du meinst“, sagte er, „Ich versuche einen klaren Kopf zu bewahren, nach allem was passiert ist. Ist das nicht offensichtlich?“ „Nein“, schüttelte Maron den Kopf, „Denn irgendwas stimmt hier nicht… Und es macht mir mehr Angst als alles andere jemals zuvor.“ Chiaki sagte für einige lange Sekunden nichts. „Komm mal bitte her“, sagte er plötzlich. Maron ging auf ihn zu, sodass sie keine Armlänge voneinander entfernt waren und stellte sich zwischen seine Beine. Er legte seine Hände auf ihre Hüfte, zog sie näher an sich heran. Sie umfasste sanft seine Wangen, strich ihm mit dem Daumen über die Haut. Er schloss dabei seine Augen, lehnte seinen Kopf gegen sie. Sie konnte seinen warmen Atem durch den dünnen Stoff ihrer Blouse spüren, was ein leichtes Kribbeln auf ihrer Haut verursachte. Dies waren alles kleine, vertraute Gesten, die beide oft genug getan hatten. Doch wieso verspürte Maron keine Geborgenheit in ihnen wie sonst? Sie bekam dieses beunruhigende Gefühl in ihrem Inneren einfach nicht los. Sie spürte, wie er sich etwas aufrichtete, seinen Kopf drehte und ihr einen sanften Kuss auf die Handinnenfläche drückte. Ein eiskalter Schauer überkam sie dabei, ebenso als er wieder zu ihr aufblickte. Seine braunen Augen strahlten einen gewissen Triumph aus. „Ich denke, ich habe unser Problem gelöst“, sagte er. Sie musste schlucken. „Was meinst du?“ Als Chiaki weitersprach, war seine Stimme beängstigend ruhig. „Der Fluch“, sagte er, „Gestern wollte ich dich vor Noyn beschützen und es ging auf erbärmliche Weise nach hinten los. Du wärst fast verblutet, hast gerade so die OP überstanden und überlebt. Ich musste etwas tun, damit sich sowas nicht nochmal wiederholt.“ Auch wenn sie es nicht wissen wollte, so fragte Maron trotzdem: „Was hast du getan?“ „Erinnerst du dich, als wir vor ein paar Tagen über den Wunsch diskutiert haben?“, kam es von Chiaki als Gegenfrage. Ihre Augen weiteten sich und sie ging einen Schritt zurück. Seine Hände fielen ihm zur Seite runter. „Was hast du dir gewünscht?“ „Dass sie weg sind“, antwortete Chiaki ihr, „Meine Gefühle zu dir.“ „I-Ich verstehe nicht...“, stammelte sie. Maron hatte sich schon immer gefragt, wieso Leute diesen Satz sagen, obwohl sie alles klar und deutlich verstanden hatten. Sie verstand es nun: Es ist, weil sie nicht verstehen wollten. Weil sie das gesagte nicht wahrhaben wollten. „Es sind nicht unsere Handlungen, die ihn ausmachen, sondern unsere Gefühle“, sprach er weiter, „Und wenn unsere Gefühle nicht auf Gegenseitigkeit beruhen, wird der Fluch auch nicht länger auf uns lasten. Die Verbindung zwischen uns ist gekappt.“ „Mag sein.“ Maron nahm tief Luft. Alles in ihr zitterte. „Aber es geht nicht nur darum, wie du für mich empfindest. Du bist anders. Wie ein anderer Mensch. Du sagst Dinge, die du normalerweise nicht sagen würdest. Wie heute bei deinem Vater.“ Er wirkte leicht überrascht. „Da magst du eventuell Recht haben“, sagte er. Chiaki stand auf, reichte eine Hand nach ihr, doch Maron wich entschieden zurück. Er ließ seinen Arm wieder fallen. „Touya hatte mir einen ziemlich umfangreichen Psychologie-Vortrag gehalten, wieso ich nicht mit meinen Emotionen spielen sollte. Dass es Probleme geben würde.“ „Warte-... Touya wusste davon?!“ „Ja.“ Chiaki ignorierte ihren geschockten Gesichtsausdruck, als er weitersprach, „Er sagte, dass Gefühle nicht singulär seien. All unsere menschlichen Emotionen sind mit den anderen Emotionen miteinander verbunden, sind mit unseren Gedanken verknüpft und mit dem, was unsere Persönlichkeit ausmacht. Ich hatte mich darauf konzentriert, nur einen bestimmten Teil meiner Gefühle zu beeinflussen. Der Liebe. Den romantischen, leidenschaftlichen Teil der Liebe. Er sagte allerdings, dass ich damit rechnen sollte, dass alles andere was ich fühle ebenfalls beeinflusst werden könnte.“ „Und ist dem so?“, fragte Maron ernst. Chiaki runzelte die Stirn, neigte den Kopf schief, sah sie irritiert an. Ein kleine Emotion flackerte in seiner Mimik auf: ob es sich um Frustration oder Verwunderung handelte, konnte sie nicht einschätzen. Ihn so zu beobachten, zerrte an ihr Herz. „Sagen wir es so: Ich fühle mich wie, als wäre ich hinter einer Glaswand“, setzte er an, „Und alle anderen befindet sich auf der andere Seite. Ich sehe, was andere Menschen fühlen, aber in mir fühlt sich alles so betäubend leer an. Was allerdings sehr prägnant ist, ist meine Wut. Das ist sehr einfach zu empfinden. Ansonsten mache ich jegliche Handlungen aus Instinkt heraus.“ Kurz ließ er seinen Blick aus dem Fenster schweifen. „Ich empfinde immer noch Schuldgefühle gegenüber Minami, aber sie sind ertragbar. Es nicht mehr so, als würden sie mich ersticken. Der Schmerz, den ich empfand ist abgestumpft.“ Chiaki sah wieder zu Maron rüber. „Und was dich betrifft-“ „Was uns betrifft“, sagte sie ernst. „Ich sehe dich an und weiß, dass du mich liebst. Und ich weiß, dass ich dich geliebt habe“, sagte er, „Aber ich kann es nicht mehr empfinden, nicht mehr spüren und fühlen.“ Ein erstickter Laut entkam ihr. Geliebt haben. Er sagte, er hatte sie geliebt. Die Benutzung der Vergangenheitsform fühlte sich wie ein Schlag in die Magengrube an. Maron nahm einen Schritt nach hinten Richtung Tür. Sie musste hier raus. „Du hast mir gestern noch versprochen, mich nicht zu verlassen“, sagte sie, nach der Türklinke reichend, „Aber du hast mich verlassen…“, ihre Stimme brach, „Du hast mich verlassen, Chiaki.“ „Maron, stop“, sagte er, „Letzte Nacht -als du umkipptest- der Fluch hatte dir deine Heilkräfte genommen. Du hättest sterben können. Ich habe es gespürt. Dieses kalte Gefühl vom Tod... Ich weiß, dass ich es mir niemals hätte verzeihen können, wenn du wegen mir gestorben wärst. Und dasselbe wollte ich dir auch ersparen. Das war die einzige Möglichkei-” „Hast du eigentlich darüber nachgedacht, ob sich dieser Bann beheben lassen kann?“, unterbrach Maron ihn aufgebracht, „Ob er vergeht, wenn wir Satan besiegt haben oder ob es am Ende ein Dauerzustand sein wird? Hast du daran mal gedacht, Chiaki?“ Daraufhin -so bildete sie es sich ein- wich Chiaki etwas überrascht zurück. „Maron-“ „Ich will nichts mehr hören“, sagte sie und floh aus dem Raum.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)