Rondo von kaltes ================================================================================ Kapitel 15: || Phiole || ------------------------ Georgina neigte leicht ihren dunklen Schopf. Sie hatte ihr Kinn, ganz undamenhaft, in der Handfläche platziert und betrachtete interessiert die kleine Glasphiole, die Count Carrington übern den Tisch zu ihr hinüber schob. „Dies ist das Geheimnis des Zimmers. Es ist intensiver als Opium und ebenso rasch einzunehmen wie Morphium. Ich kann Euch nicht sagen, woher es stammte. Doch ist dieses Bordell der einzige Ort, an welchem man es erwerben kann.“ „Und konsumieren?“ „Nein. Madame erlaubt nur Opium in diesem Zimmer. Die Freier sind dann gewillter einen höheren Preis für ihren Besuch zu zahlen.“ „Weil sie völlig benommen sind.“, angewidert richtete Georgina sich zu ihrer vollen Größe auf. Sie hatte den Count zu sich aufs Zimmer gelassen, um ungestört über jenes Geheimnis sprechen zu können. Enttäuschend, fielen die Informationen aus, dennoch hatte die Baroness etwas vorzuweisen. Rasch griff sie nach der Phiole und ließ jene in ihrer Rocktasche verschwinden. Bei Gelegenheit würde sie sich aus dem Haus schleichen. Noch, während sie über die weiteren Schritte nachdachte, wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder zu Count Carrington. „Ich danke Euch.“ „Ihr seid dran, Euern Teil zu erfüllen. Warum dieses Interesse?“ „Neugier.“, ein Lächeln zierte ihre Lippen. Obwohl der Kerzenschein in dem kleinen Zimmer kaum ausreichte um es gänzlich zu erhellen, bemerkte der Adelige welch Schönheit Georgina umgab. Weshalb veranstaltete Baroness Clifford solch ein Schauspiel und gab sich als Freudenmädchen? Er ließ den Blick unauffällig über ihre Gestalt schweifen. Natürlich wusste er, wen er vor sich hatte. Sie mochte ihn nicht kennen, doch ihm war sie bereits auf dem Debütantinnenball aufgefallen. Er hatte seine Nichte an diesem Abend die Ehre erwiesen. Maxwell erinnerte sich, wie die betuchten Damen überrascht die Fächer zückten, als die Bastardtochter des Duke Devonshire den Saal betreten hatte. Es war allgemein angenommen worden, dass Baroness Clifford niemals offiziell in die adelige Gesellschaft eingeführt werden würde. Zwar hatte Devonshire das Mädchen als seine Tochter anerkannt, doch war Georgina schlicht das Produkt einer verfänglichen Liebschaft mit einem Kammermädchen. Ein öffentliches Auftreten könnte einen Schatten auf den Erben, Jonathan Cavendish, werfen. Würde der junge Lord eine passende Gemahlin erwählen können, wenn dieses Weibsbild offiziell dem Hause Cavendish angehörte? Und welch Mann würde diesen Bastard ehelichen? Eine passende Partie würde Baroness Clifford nicht finden, dessen waren sich die Herrschaften sicher. Maxwell Carrington konnte sich dieser Meinung nicht anschließen. Die Baroness war bereits ein anerkannter Teil des Cavendish Blutes. Es war nur eine logische Folge das Mädchen in die Gesellschaft einzuführen. Sie war anmutig und gebildet, wusste sich in der Adelsgesellschaft zu bewegen und ansehnlichen Schönheit. Sicher, eine Lady Welsh war durchaus gesegneter, besaß sie doch prächtiges, hellblondes Haar, eine schmale Taille und blaue Augen so klar wie Quellwasser. Doch war sie ebenso hochnäsig wie berauschend. Solch eine Frau würde nur Probleme verursachen. Eine gute Frau sollte bescheiden sein, ihren Platz kennen und zugleich eine starke Persönlichkeit besitzen. In Maxwells Augen, vermochten nur starke Frauen, starke Erbe heranzuziehen. Georgina Cavendish war eine passende Partie für jeden hochrangigen Adelsmann. Ein Räuspern riss Count Carrington aus seinen euphorischen Gedanken. Etwas verlegen, ließ er seinen Blick von Georgina. „Verzeiht. Ich wollte Euch nicht so unverhohlen anstarren.“ „Oh. Ihr müsst nicht beschämt sein. Ich erkenne dies durchaus als Kompliment an.“ Sie machte sich über ihn lustig. Er sollte gekränkt sein, doch dies machte Baroness nur liebenswerter. Er war Witwer und so schickte es sich, den jüngeren Junggesellen den Vortritt zu lassen. Dennoch konnte er sich der Fantasie nicht erwehren, um ihre Gunst zu buhlen. „Ich wollte Euch nicht kränken.“, erneut ergriff sie das Wort. „Habt Ihr nicht.“, abwehrend hob Maxwell die Hände. Sie lachte leise auf, beließ es jedoch bei seiner Aussage. „Ihr solltet gehen, sonst kassiert Madame ein weiteres Mal.“ Wenige Stunden später schlug Georgina gegen die hölzerne Türe des Dienstboteneingangs. Während Schritte von drinnen hallten, schlug die junge Frau die Kapuze ihres Umhanges zurück. Albern sah sie aus, einem Gaukler vergangener Tage gleich. Wer in solch Kleidung sich traute, der verbarg so manch dunkles Geheimnis. Doch kein Mantel war weit genug gewesen, dieses obszöne Kleid zu verbergen, welches nun seit Tagen ihren Leid schmückte. Sebastian hatte es versäumt ihr passende Kleidung für eventuelle Unternehmungen beizulegen. Sie vermochte sich des Verdachtes nicht erwehren, dass dies keinem Versehen verschuldet war. Ärgerlich schlug sie den Umhang enger um den fröstelnden Körper als endlich die Türe geöffnet wurde und ein verkohltes Gesicht ihr entgegen blickte. War der Butler in den Kamin gestiegen? Rasch räusperte sie sich um ein schallendes Gelächter zu unterbinden. Um eine ausdruckslose Mimik bemüht, nickte sie Sebastian grüßend zu. „Ich habe eine Sache erworben, welche Earl Phantomhive interessieren könnte.“, dabei glitt ihre Hand unter dem Stoff hervor und präsentierte dem teuflischen Butler die Phiole. „Ich werde meinem Herr berichten. Solange bitte ich Euch hier zu warten.“ Mit diesen Worten wollte er die Türe schließen, doch Georgina stemmte einen Fuß dazwischen. Keinesfalls würde sie in dieser Kälte darauf warten, dass Earl Phantomhive gewogen war sie zu empfangen. Sie sah zwar aus wie eine Dirne, doch ließ sie sich nicht wie eine behandeln. Sie war immer noch eine Baroness Clifford. „Ich warte drinnen.“, entschieden zwängte sie sich durch den Türspalt ins Innere. Sebastian, resigniert seufzend, schloss die Türe vollends hinter Baroness und bedeutete der jungen Frau ihm zu folgen. „Wartet in meinem Zimmer. In der Küche ist es durchaus warm, doch ich fürchte dort kann ich nicht für Euer körperliches Wohl garantieren.“ Georgina fragte nicht weiter und so fand sie sich wenige Zeit später erneut auf Sebastians Bettkante wieder, diesmal jedoch war sie gänzlich allein. Allein und unsicher. Wie es üblich war, besaß die Dienstbotenräumlichkeit kein Fenster. Für Licht sorgte eine einzelne Kerze, deren Docht bereits zur Hälfe niedergebrannt war. Bis auf jenen Lichtkegel blieb es dunkel im Raum. Sie atmete tief ein, versuchte die aufkeimende Furcht zu bekämpfen. Dennoch begannen ihre Finger unkontrolliert zu Zittern. Kalter Schweiß befeuchtete ihre Handflächen und Schläfen. Leichter Schwindel überkam sie. Bitterer Magensaft drängte sich ihre Speiseröhre hinauf, ließ einen schwammigen Geschmack der Übelkeit in ihrer Mundhöhle zurück. Georgina schloss die Augen. Über ihr wölbte sich kalter Stein - rechts von ihr, links von ihr - nichts als dunkler, kalter Stein. „Sei nicht närrisch.“, schallte sie sich stumm. Es war nur ein einfacher Raum, kein Vergleich zu dem stinkenden Loch. Sie hatte es überstanden. Hatte überlebt. Warum schnürte sich dann dieses Band durch ihre Eingeweide? Warum musste sie um jeden Atemzug erbittert kämpfen? Wieso gehorchte ihr Körper ihr nicht? Salzige Tränen der Verbitterung und Angst liefen der jungen Frau über die Wangen, während sie sich ihre Augen langsam öffneten. Schweigend lauschte Georgina ihrem wild pochenden Herzen und den Geräuschen in dem großen fremden Haus, welche wie leise Stimmen huschender Gespenster durch das Gemäuer hallten. Plötzlich waren Schritte zu hören. Hastig fuhr sie sich mit den Handrücken über die Wangen und Schläfen. In solch einer Verfassung sollte man sie nicht sehen. Sie trocknete sich gerade ihre Handflächen an dem Stoff ihres Umhanges, als Sebastian ins Zimmer trat und sich leicht verneigte. War ihm nun eingefallen, dass er eine Adelige vor sich hatte? Fragend hob die Dunkelhaarige eine Augenbraue. „Mein junger Herr wünscht Euch beim Dinner zu empfangen.“ „Bitte, was?“, es kam über ihre Lippen noch ehe sie sich ihrer Worte gewahr wurde. Der Earl konnte nicht erwarten, dass sich eine Frau ihres Ranges in solch einem unsittlichen Gewand einem Essen beiwohnte. Hatte dieser Butler seinem Herren nicht die Umstände erläutert? Sebastian schien ihre Gedanken zu erahnen, als er besänftigend die Hände hob: „Er übertrug mir die Aufgabe Euch für das Dinner passabel herzurichten.“ „Wollt Ihr mir wirklich erzählen, es befände sich ein passendes Kleid in diesem Hause?“ Georgina schüttelte den Kopf. Sie mochte es nicht glauben. Über des Butlers Lippen hingegen, legte sich ein verschwörerisches Schmunzeln. „Mir ist aufgefallen, dass ihr von kleiner Statur seid. Nun nicht so schmal wie ein Kind, dennoch dürfte Euch jenes Kleid ausgezeichnet zur Gesicht stehen.“ Immer noch zweifelnd, erhob Baroness sich auf seine Bitte hin und folgte ihm hinauf in die Herrschaftsgemächer. Nun, gänzlich leugnen vermochte sie die Freude nicht, schließlich würde sie diese Hurenkleidern ablegen, wenn auch nur für diesen einen Abend - vorerst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)