Rondo von kaltes ================================================================================ Kapitel 8: || Akt 02 || Aufbrausen || ------------------------------------- „Ich danke Euch.“, Jonathan Cavendish verneigte sich höflich vor dem jungen Earl Phantomhive. Baroness Georgina hatte zur alter Fassung zurück gefunden, stand abseits hinter ihrem Bruder den Blick zur Kutsche gewandt. Sie wollte dieses Anwesen verlassen, in der Hoffnung damit auch den Wachhund der Königin schlussendlich aus ihrer kurzen Begegnung zu entlassen. Als Jonathan sich abwandte, schritt Georgina voran zur Kutsche und drehte sich am Verschlag zu ihrem Bruder herum, welcher seine Worte an sie richtete. „Von wem habt Ihr diese Lilie erhalten?“, ein kleiner eifersüchtiger Ton schwang in seiner Frage mit. Sie lächelte milde über seine brüderliche Sorge und antwortete: „Es ist nur eine Lilie, Jonathan.“, ehe sie im Inneren der Droschke verschwand. Wenig später folgte der Rotblonde ihrem Beispiel, nahm ihr gegenüber platz und klopfte gegen das Kabinendach woraufhin die Kutsche sich langsam aber holprig in Bewegung setzte. Je weiter sie sich vom Phantomhive Anwesen entfernten, desto ruhiger wurde der Sturm in Georginas Gemüt. Sie lehnte den Kopf seitlich und blickte aus dem kleinen Verschlagfenster, während sie die dunklen Locken über die Schultern warf. Dabei ließ sie einen offenen Blick auf ihren Hals und die darauf befindlichen Würgemalen zu. Prompt erklang Jonathans Einspruch: „Dein Hals, Georgina, wollt Ihr ihn nicht bedecken?“ Die Angesprochene schielte kopfschüttelnd zu ihrem Bruder: „Man hat versucht mich zu töten und ich habe überlebt.“ Sie blickte wieder zum Fenster hinaus. „Das muss ich nicht verstecken.“ ....... …. .. „Marian, sag, warum lässt Lord Devonshire die alte Kastanie fällen?“ Georginas Augen beobachteten missmutig die jungen Burschen, welche sich mit einer Säge am Stamm des Baumes abmühten. Immer wieder mussten sie sich unter einem Kastanienhagel hinweg ducken. Kaum fielen die grünen Kugeln zu Erde, sprangen sie auf und die rotbraune Frucht rollte über den Boden, sehr zum Entzücken der Dienstbotenkinder. Mit freudigen Gelächter sammelten sie die Kastanien in ihren Taschen und Schürzen. Zwei der Buben bewarfen sich laut rufend mit ihren Errungenschaften. Leise Seufzend drehte Georgina sich vom Fenster ab und betrachtete gedankenverloren Marian, welche frische Kleidung in Schubladen verstaute. „Der alte Baum wird Ihre Herrschaft gestört haben, Baroness.“ „Er stand doch gut. Niemand beanstandetet ihn. Ich werde sein Schattenkleid an heißen Sommertagen missen.“, sie schloss die Augen. Ihr war fade. Seit den Aufregungen um ihre Person war es ruhig in ihrem Leben geworden. Zu ruhig. Nur Jonathan leistete ihr Gesellschaft, sofern er nicht gerade um die Gunst einer bestimmten Dame buhlte. Einladungen zur Gesellschaften schlug sie bereits aus ohne die Umschläge geöffnete zu haben. Sie war nun wirklich nicht an Brautschau und etikettiere Konversation interessiert. Sie war dem Tod geradeso entronnen, doch die Alpträume blieben. Sie wagte es kaum mehr das Licht des Nachts zu löschen und zuckte heftig zusammen, näherte sich jemand von hinten. Des Tages quälten Kopfschmerzen, ständige drehte sie sich in ihren eigenen Gemächern herum und sah unentwegt in all die dunklen Ecken des Anwesens. Niemals würde sie vor Marian oder gar Jonathan diese Angst zugeben. Stets war sie bemüht gewesen, stark und unabhängig zu wirken. Schwäche machte Menschen verletzbar. Und sie wollte kein Opfer mehr sein. Wenn es Earl Phantomhive nicht möglich gewesen wäre sie ausfindig zu machen, würden nun die Ratten an ihren toten Knochen nagen. Auf ihrem Sekretär lag eine gläserne Lilie. In diesen einem Schaufenster war sie ihr ins Auge gestochen. Wie gesteuert, war Georgina in den Laden getreten und hatte das Stück käuflich erworben. Eine Friedhofsblume, und doch soviel mehr. „Weshalb betrübt Ihr Euch? Ihr nahmt stets einen Schirm, Baroness.“ Marians Stimme durchdrang die Stille. „Ist dem so?“, murmelnd blickte sie erneut aus dem Fenster. „Ich habe Euch das Buch, welches Ihr wolltet aus der Stadt mitgebracht.“ Die Zofe deutete auf ein weißes Päckchen, welches am Bettende lag. „Seit wann interessiert Ihr Euch für Okkultismus?“ „Tu ich nicht.“, antwortete Georgina schlicht und schritt vom Fenster hinüber zu ihrem Bett. Sebastian glättete gerade des Earls Gehrock als das dumpfe Pochen der Eingangstüre durch die Hallen drang. An jenem Tage erwartete das Hause Phantomhive keine Gäste, umso mehr verwunderte es den Butler das Klopfen zu vernehmen. Da die anderen Bediensteten sich beim Erledigen ihrer Pflichten befanden, war es an ihm die Türen zu öffnen. Die beiden Männer, welche ihn kurz darauf höflich grüßten, ließen nichts Gutes erahnen. Schließlich kamen die Butler der Königin niemals ohne direkten Befehl ans Anwesen. „Ist Earl Phantomhive zu gegen?“, ergriff sodann Charles Phipps das Wort, während sein Partner bereits Anstalten machte, das Haus ohne weitere Erklärung zu betreten. „Der junge Herr befindet sich in seinem Arbeitszimmer. Ich werde Euch ankündigen.“ Der Teufel trat einen Schritt zur Seite, ließ die Boten eintreten und schritt die Treppen hinauf, während sich die Türen hinter ihnen schlossen. Schweigend gelangten sie in die obere Etage, schritten den matt beleuchtenden Flur entlang, ehe Sebastian vor einer Türe inne hielt, die Hand zum Anklopfen erhoben. Währenddessen blickte Ciel Phantomhive stumm seufzend von der Gewinnbilanz des Familienunternehmens auf. Seine Produkte verkauften sich gut, doch seit einigen Wochen ließ das Interesse der Käufer sichtbar nach. „Ein neues Produkt, also?“, in seinen imaginären Bart nuschelnd, schob der junge Adelige die Firmendokumente von sich. Lästig, sich um solche banalen Dinge wie Marktforschung zu kümmern. Wozu hatte er seine Leute vor Ort in den Fabriken? Das Klopfen seines Butlers riss den jungen Phantomhive aus seinen Gedanken. Die Bilanz war vergessen. „Tritt ein.“ Schon trat Sebastian in leicht gebeugter Haltung ins Zimmer, die Türe nur einen Spalt geöffnet. „Die Herren Grey und Phipps,  junger Herr.“ „Sie sollen eintreten.“, noch während er sprach erhob sich Ciel hinter seinem Schreibtisch, um Earl Grey sowie Lord Phipps in Empfang zu nehmen. Kurz darauf betraten besagte Herren den Raum. Kurze Zeit später saßen sie im Gespräch vertieft bei süßem Gebäck und schwarzen Tee. „Nun. Euch ist sicher bewusst, dass Ihrer Majestät sehr daran gelegen ist diesen Vorfall als erledigt zu betrachten.“ Charles Grey ließ die Kuchengabel zwischen den Lippen wippen, das Zeichen für Phipps den Satz zu vollenden. „Der Fall wurde offiziell vor drei Monaten geschlossen. Doch nun nutzt dieser Zeitungsreporter eben diese Ermittlungen für seine haltlosen Ansichten.“, seine Finger tippten auf besagten Zeitungsartikel, „Queen Victoria respektiert die öffentliche Meinung, jedoch duldet sie nicht, dass man ein Mitglied der königlichen Familie in solch einen Verruf bringt.“ Neben ihm schob sein Partner den leeren Teller mittig des Tisches: „Der Schreiberling war klug genug keine Namen zu nennen, doch lassen seine Beschreibungen nur den Schluss zu es handle sich um den Enkel Ihrer Majestät.“ „Welch ein heilloses Durcheinander, nun, da Scotland Yard gezwungen ist, den Fall neu zu beleuchten.“, ergriff Ciel das Wort. Er hatte bisher schweigend den Erklärungen der Double Charles gelauscht. Diesmal schien es Queen Victoria ein besonderes Anliegen zu sein, nicht einmal einen Brief hatte sie verfassen können. Dieser Auftrag versprach eine Herausforderung zu werden. Schließlich war der Enkel kein ungeschriebenes Blatt und erweckte seit Jahren das öffentliche Interesse. Es war keine große Kunst nötig um die Briten glauben zu lassen, dass selbst vor dem englischen Hofe der gesellschaftliche Zerfall nicht haltmachte. Also oblag es dem Wachhund nicht nur einen Namen reinzuwaschen, sondern auch das Ansehen der Königin im Volke zu stärken. „Zuerst muss ich wissen, was an diesen Gerüchten nun der Wahrheit entspricht.“, sein Blick huschte zu Sebastian hinüber. Zur gleichen Zeit an einem anderen Ort … „Sebastien Michaelis.“, ihre Finger ruhten wie ein Mahnmal auf den goldenen Lettern des Autorennamens auf dem Einband. Unter ihnen stand in französischer Sprache geschrieben: ``Klassifizierung der Dämonen`` Georgina schluckte und riss sich von dem Buch los. Es war sicher Zufall, dass sie den selben Namen trugen - so war Sebastian ein beliebter Vorname im britischen Empire. Sie glaubte verrückt werden, zu denken, es gäbe diese Wesen tatsächlich. Doch anderes konnte die Baroness es sich nicht erklären, sich erklären was sie gesehen hatte. Und dann dieser kalte Blick seiner Augen, wie eine Raubkatze ihre Beute taxierte ehe sie lautlos zuschlug. Nun sie konnte sich dies alles auch nur einbilden - ein Trugbild ihres aufgewühlten Nervenkleides. Sie sollte Marian bitten dieses Buch, ein Zeugnis der Inquisition, zu entsorgen. Die einzigen Dämonen, welche existierten waren schließlich die Sünden der Menschen. „Herrin.“, aufgeregt rufend stürmte Marian ins Zimmer, japste wie ein Fisch an Land, „Scotland Yard .. sie wollen Adam .. Adam mitnehmen.“ Georgina trat, verwirrt über diese Worte, an ihr Kammermädchen heran: „Was soll das heißen, sie nehmen Adam mit. Was in Gottesnamen ist denn passiert?“ „Ich weiß es nicht, Baroness, bitte kommt schnell.“ Marian blickte ihrer Herrin hilflos entgegen. Um das arme Ding nicht noch mehr zu ängstigen, hob Georgina ihren Rock an und eilte die Treppen hinab auf den Hof hinaus. Adam, der Stalljunge, stand stotternd bei zwei fremden Männern, das Gesicht kreidebleich. Ohne ihren Rock sinken zu lassen, trat Baroness Georgina an die kleine Gruppe heran. „Welchen Anlass verdanke ich den Besuch von Scotland Yard?“, während sie sprach, schob die Adelige sich zwischen Adam und den Beamten. Marian, die ihr gefolgt war, stand regungslos an der Eingangstüre, klammerte sich in den hölzernen Rahmen. „Wir haben Annahme, dass Euer Stallbursche mit einem Fall in Zusammenhang steht.“ Eine leichte Verwirrung zeichnete sich in ihre Miene: „Weshalb verdächtigt Yard meinen Bediensteten?“ „Ein Zeuge bestätigt Euren Stalljungen am Tatort gesehen zu haben.“, mischte sich nun der augenscheinlich Jüngere ein. Adam japste nach Luft. Seine Herrin hingegen stampfte erzürnt mit dem Fuße auf und zog scharf Luft durch die Nüstern. „Seine Eltern standen bereits im Dienst meiner Familie. Er arbeitet tüchtig, hat Kleidung, Unterkunft und Nahrung. Ihr Zeuge will meinen Stallknecht in Missgunst bringen.“ „Wenn dem so sei, wird die Aussage niemand bestätigen können und Ihr Adam ist bald wieder auf freien Fuß.“ Mit diesen Worten wollte der Mann an Georgina vorbei nach Adam greifen, doch diese schlug den Arm beiseite. Ungeachtet der Höflichkeit reckte die Baroness das Kinn empor: „Da er das Mannesalter noch nicht erreicht hat und seine Eltern nicht anwesend, steht er unter meinem Vormund.“ Erneut drängte die Schwarzhaarige den Gesetzeshüter zurück: „Das Grundstück meiner Familie. Ich brauche den Jungen hier. Solange er nicht schuldig gesprochen wurde, kann ich ihn am Anwesen belassen, sofern ich für ihn bürge, nicht wahr Inspektor?“ „So sagt es das Gesetz Ihrer Majestät.“ „Nun, dann darf ich die Herren bitten zu gehen.“, sie drehte sich herum, packte Adam am Ellenbogen und schob ihn auf Marian zu. Murrend, jedoch ohne weiteren Ärger, verließen die beiden Männer das Stadtanwesen der Familie Cavendish. „Beende deine Pflichten. Ich erwarte dich in der Bibliothek.“ Sie ließ von Adam ab. Die Baroness blickte dem Burschen kurz nach, dann schritt sie zu Marian hinauf, welche sich inzwischen vom Türrahmen gelöst hatte. Sie würde nicht schweigend zusehen, wie man einen ihrer Dienstboten zu Unrecht bezichtigte. Adam war ein aufrichtiger junger Mann. Es musste sich hier schlicht um einen bösen Irrtum handeln. Dennoch so misslich die Lage auch war, sie bot nun die Chance für etwas Abwechslung. Wenn auch nur für begrenzte Zeit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)