TMNT - Es liegt in deiner Hand von Pamuya_ ================================================================================ Kapitel 6: Auf der Lauer ------------------------ Aus Raphaels Sicht: Fast jede Nacht, an dem ich Bernadette besuche, sitze ich an ihrem Bett und sehe sie an. In einer flüsternden Stimme spreche ich zu ihr und versuche die ganze Zeit zu ihr durchzudringen. Doch bis jetzt hat sich bei ihr kaum eine Veränderung gezeigt. Weder meine Stimme, noch meine Berührungen scheinen irgendetwas zu bewirken. Sie liegt einfach da, während die Maschinen um sie herum dafür sorgen, dass ihr Herz nicht aufhört zu schlagen. Das Einzige, was sich verändert hat, ist, dass die Verbände an ihrem Körper mit Zeit weniger geworden sind, sie selbst aber sieht nun etwas magerer und auch blasser aus. Mit jedem darauffolgenden Besuch kommt es mir vor, als ob ich das nun deutlicher erkennen würde und das bereitet mir große Sorgen. Nun sind bereits sechs Wochen vergangen und ich frage mich wirklich, wie es nun weitergehen wird. Meine größte Sorge ist, dass das so bleiben wird und dass ihre Familie vielleicht sogar irgendwann einknicken wird. Wenn das passiert, dann werden sämtliche Geräte abgestellt. Das wird Bernadette nicht überleben! Sie braucht immer noch das Beatmungsgerät! Ohne ihn ist sie aufgeschmissen und solange ihr Bewusstsein nicht ein Stück in die Realität zurückkommt, wird das auch so bleiben. Donnie meinte, dass meine Sorge darüber unbegründet wäre. Bernadettes Familie würde diese Entscheidung niemals in so „kurzer“ Zeit treffen und sie alle würden sie nicht so schnell aufgeben. Ich hoffe, er hat Recht. Dennoch wünsche ich mir, dass mein Engel so schnell wie möglich erwacht. Hätte dieses verdammte Miststück Bernadette nur in Ruhe gelassen. Dann hätte mein Engel so manches nicht durchmachen müssen und sie würde auch nicht hier liegen. Wenn ich nur an diese feige Göre denke, kommt mir schon die Galle hoch. Dass sie an jener Nacht solch eine Furcht vor meinen Brüdern und mir hatte, ist nichts im Vergleich dazu, was ich noch mit ihr vorhaben werde. Heute bin ich schon etwas eher an der Oberfläche unterwegs. Den ganzen Tag über war es bereits stark bewölkt gewesen und ständig zeigten sich einige Regenschauer, wodurch es im Allgemeinen nicht besonders hell, sondern sogar eher düster war. So war es mir möglich, bereits am Nachmittag die Kanalisation zu verlassen und Bernadette aufzusuchen. Doch besuchen kann ich sie diesmal nicht. Denn kaum, dass ich inmitten des Regengusses das Fenster erreicht habe, muss ich schon in Deckung gehen. Es befindet sich bereits wer darin und diesmal sehe ich keinen Arzt, sondern ihre Tante. Doch nicht nur sie ist hier. Auch ihre Mutter ist an wesend, welche an Bernadettes Bett sitzt und deren rechte Hand hält. Zum ersten Mal weiß ich nun, wie ihre Mom aussieht und sie hat starke Ähnlichkeiten mit ihrer Tochter. Allein ihre Augen und die natürliche Haarfarbe sprechen für sich. Anstatt aber lange Haare zu tragen, hat diese eine kurze Frisur. Doch nicht nur die beiden Frauen sind in diesem Raum. Zwei junger Männer, die vermutlich zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt sind, sehen bedrückt zu meinem Engel. Ob das Bernadettes Brüder sind? Ein paar Ähnlichkeiten wären zumindest da. Sowohl beim Gesicht, wie auch bei den Haaren gibt es so manche Gemeinsamkeiten. Der Ältere wirkt stämmiger und nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, könnte man bei ihm meinen, dass er eher in den Keller lachen gehen würde. Dabei glaube ich nicht, dass dies allein mit dieser Situation zusammenhängt, denn der andere, ein schmächtigerer Kerl wirkt auf mich, als würde er mehr Gefühle zulassen. Eine Weile beobachte ich sie und warte ab, was passiert. Der Ältere der beiden seufzt schließlich und fragt in der Runde: „… Weiß man eigentlich schon etwas? Hat die Polizei schon irgendwas herausgefunden?“ Angesprochen fühlt sich darauf seine Mutter, welche sogleich den Kopf schüttelt und erwidert: „Nein Paul, bis auf die Blutspuren bei den Docks und ein paar wenige, alte Spraydosen, die man in diesem Schutt auftreiben konnte, konnte man noch keine weiteren Anhaltspunkte feststellen. Man kann nicht einmal zu hundert Prozent sagen, wie es überhaupt so weit kommen konnte, dass dieser Lagerraum explodierte. … Mich würde es allerdings nicht wundern, wenn man dort überhaupt etwas findet. Angeblich soll die Explosion mögliche Beweise und Hinweise vernichtet haben, die uns vielleicht hätten weiterhelfen können.“ „Was hatte unsere Schwester da überhaupt zu suchen? Wie ist sie da überhaupt hingekommen?“, mischt sich nun der Zweite ein, doch auch hier hat keiner eine Antwort. Die meisten schweigen sogar. Nur die Tante versucht darauf einzugehen, bis auch sie selbst am Ende schweigt: „Das kann wohl nur Bernadettchen selbst beantworten, jedoch …“ Sie sieht zu meiner Freundin hinüber und umklammert umso fester ihre Arme, die sie die ganze Zeit verschränkt hält. Das Ganze gleicht einem Trauerspiel und wüsste ich es nicht besser, so könnte man sogar glauben, dass diese Menschen vor einer Verstorbenen stehen und um diese trauern. Wenn sie alle nur wüssten, wer eigentlich dahintersteckt und was mein Engel die ganze Zeit durchmachten musste. Dann könnten sie verstehen, warum meine Freundin hier liegen muss. Um ehrlich zu sein, haben sie alle nur ein Bruchteil einer Ahnung davon und ich kann es ihnen nicht einmal erzählen, weil ich mich ihnen nicht zeigen darf. Nicht nur, dass keiner aus Bernadettes Familie weiß, dass sie einen festen Freund hat, ich bin kein Mensch und kann daher nicht einfach ins Zimmer hineinspazieren und sie aufklären. Obwohl ich es am liebsten tun würde, verharre ich weiterhin an der Außenmauer und beobachte vorsichtig das Geschehen. Ich möchte mir nicht einmal ausmalen, wie sie alle reagieren würden, würde ich einfach hineinspazieren, aber selbst, wenn ich ein Mensch wäre und sie wegen Bernadette aufklären würde, würde es sie vermutlich kaum weiterbringen. Um Lucinda etwas anzuhängen, braucht man Beweise und was ich da eben gehört habe, wird es wohl kaum welche geben. Selbst wenn man etwas finden würde, ist die Wahrscheinlichkeit eher gering, dass man dies mit diesem Miststück in Verbindung bringen könnte. Davon bin ich überzeugt. Trotzdem hoffe ich, dass dieser Fall noch weiter untersucht wird, damit irgendetwas und sei es nur ein kleiner Hinweis gefunden werden kann. Betrübt und zornig zugleich beobachte ich diese Familie. Bernadettes Mom kann gerade nichts weiter tun, als mühselig die Tränen zu unterdrücken und den Schmerz irgendwie herunterzuschlucken. Vergeblich versucht sie nicht zu weinen und trotzdem erkenne ich bei ihr glasige Augen. „Dorian, geh doch bitte Mal mit deinem Bruder nach draußen. Ich muss mal kurz mit eurer Mutter reden.“, bittet Bernadettes Tante schließlich die beiden. Vermutlich will sie verhindern, dass die Brüder ihre Mutter weinen sehen, weswegen diese nun rausgeschickt werden. Während der Ältere auf dieser Forderung stur nickt und schon zur Tür schreitet, bleibt der Angesprochene noch kurz auf derselben Stelle stehen, bis auch er den Raum seufzend verlässt. Vermutlich hätte er etwas erwidern wollen, aber nach einem ernsten Kopfschütteln seitens der Tante, ist er der Aufforderung gefolgt. Schließlich wendet sich die Frau ihrer Schwester zu, die ihre Tränen einfach nicht mehr zurückhalten kann, kaum dass die Tür wieder geschlossen ist: „Anika, bitte beruhige dich doch.“ „Wie soll ich das Tina? Meine Jüngste liegt hier im Krankenhaus und ich habe keine Ahnung, ob sie je wieder aufwachen wird. … Nach alldem, was passiert ist, wollte ich endlich was ändern … sie besser verstehen … ihr beistehen … und jetzt …“, schluchzt sie und dreht ihren Kopf zu ihrer Tochter. Sanft, aber auch zitternd streicht sie über ihr Gesicht, während Bernadettes Tante ihren Blick leicht zu Boden senkt. „Ich verstehe dich ja, oder glaubst du etwa, dass ich mir etwa nicht die ganze Zeit für Vorwürfe mache? … Mein Gott, ich hätte viel früher begreifen müssen, dass sie auf ihre Schule gemobbt wurde und dass es ihr so schlecht ging. Ich war so blind und jetzt wo ich geglaubt habe, wir würden uns nun wieder etwas annähern, musste ausgerechnet das passieren?“, spricht diese kurzer Zeit weiter, wobei ihre Stimme nun mehr gebrochen klingt, als hätte sie sich vorhin die ganze Zeit zusammengerissen, um für alle Anwesenden die Starke zu spielen. Nun scheint ihr Kartenhaus aber allmählich zusammenzufallen und so sehr ich Bernadettes Tante zustimme, den eigentlichen Vorwurf hat immer noch Lucinda verdient. Denn die ist es, die einfach nicht aufgehört hat, meinen Engel zu terrorisieren und nun leidet nicht nur Bernadette selbst, sondern auch ihre ganze Familie. Wütend balle ich meine linke Hand zu einer Faust. Mir reicht es nun endgültig! Ich will verdammt noch mal etwas tun und ich meine nicht, dass ich nur an Bernadettes Bett sitze und versuche sie irgendwie zurück ins Leben zu holen. Ich will mir endlich dieses Miststück vorknöpfen! Schon viel zu lange ist Lucinda davor verschont worden und ich sehe keinen Grund, dies noch länger hinauszuzögern. Wohlwissend, was ich nun zu tun habe, klettere ich auf das Dach und zücke sogleich mein Handy aus der Tasche, mit dem ich Donnie anrufe. Kaum dass dieser abgehoben hat, kommt von mir schon die erste Ansage: „Hey du Genie, ich brauch mal deine Fachkenntnisse.“ „Äh na gut, aber sag, ist alles ok bei dir? Du klingst so genervt.“, antwortet dieser leicht überrumpelt. Der hat keine Ahnung, aber ich habe jetzt keine Zeit dafür, was ich mit etwas Sarkasmus verdeutliche: „Wie kommst du darauf? „Bei mir ist alles palletti.“ – Natürlich bin ich genervt, was dachtest du denn?!“ „Schon gut, reg dich ab. Du musst ja nicht gleich wieder an die Decke gehen. Also, was kann ich für dich tun?“, versucht mein Bruder mit der lila Maske und der Brille mich wieder zu entspannen. Na wenigstens kommen wir gleich einmal zum eigentlichen Thema und so fordere ich ihn auf, Folgendes für mich tun: „Check mal, wo diese Lucinda wohnt. Ich muss da mal was erledigen.“ Kaum dass ich diesen Namen ausgesprochen habe, wird Donnie schon nervös. Ohne sofort meiner Bitte nachzugehen, will er wissen, was ich vorhabe: „Was hast du vor Raphi? Mach ja keinen Blödsinn. Das ist die nicht wert.“ Natürlich befürchtet er bei mir immer das Schlimmste. Zwar könnte ich ihm das nicht einmal verübeln, aber ich habe nicht vor, bei dieser Zicke Blut fließen zu lassen. Mir schwebt da etwas völlig anderes vor, aber das ist meine Sache. Um meinen Bruder aber zu beruhigen, verklickere ich ihm mal die Tatsachen: „Hey, ich bring sie schon nicht um, auch wenn ich ihr am liebsten den Hals umdrehen würde! … Es gibt immerhin auch andere Wege, um ans Ziel zu gelangen und nur damit du es weißt: Ich werde ihr nur einen Besuch abstatten.“ Wie zu erwarten, stoße ich da wieder auf Widerstand. Dass ich mal wieder nicht verstanden werde, ist ja schon Normalität. „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist, wenn du einfach, wie aus dem Nichts, bei ihr auftauchst. Was erhoffst du dir damit überhaupt?! Sie wird dir wohl kaum irgendetwas geben können, was hilfreich sein könnte. … Außerdem, warum jetzt auf einmal? Was ist passiert? Ist Bernadettes Zustand etwa schlechter geworden, dass du so drauf bist?“, hakt er besorgt nach und ja, es ist etwas „passiert“. Alles steht auf Stillstand, keiner weiß, wie es nun weitergehen wird und da ich mich Bernadettes Familie nicht einmal zeigen und ihnen den eigentlichen Grund für Bernadettes Zustand erklären kann, werde ich die Sache nun höchst persönlich in die Hand nehmen. Auch wenn ich dazu nur einen kleinen Beitrag leisten kann, ich werde nicht mehr tatenlos rumstehen. Das kann ich Donnie nur nicht sagen, weil ich genau weiß, dass er die anderen benachrichtigen wird. Meine Brüder werden dann das Schlimmste befürchten und mich sofort von meinem Vorhaben abhalten. So bleibt mir nichts Anderes übrig, als dafür zu sorgen, dass ich das alleine machen kann und fordere Donnie daher auf, mich nicht weiter damit zu nerven: „Lass das mal meine Sorge sein und sag ja Leo nichts davon! Das will ich alleine regeln, verstanden?!“ „Wenn du mir nicht sagst, was du vorhast, dann kannst du das gleich wieder vergessen!“, höre ich nun überraschender Weise seine Überzeugung. Er klingt sogar, als könnte er sofort aus dem Gerät herausspringen, wenn er das nur wollen würde. Noch dazu bin ich überrascht, wie stark er sich mir in den Weg stellt, nur damit ich weitere Informationen rüberwachsen lasse. Eigentlich dachte ich immer, dass das gerade bei ihm leichter sein würde. Er ist immerhin nicht so störrisch wie Leo und wenn man ihn sonst um etwas bittet, dann tüftelt er sofort an seiner Gerätschaft herum, ohne viele Fragen zu stellen. Die kommen meistens zwischendurch, oder danach. Doch diesmal ist es anders. Ich habe aber weder die Nerven, noch die Zeit dafür, um noch mehr ins Detail zu gehen. Was genau ich außerdem mache, sehe ich erst dann, wenn ich vor dieser Göre stehe und selbst bis dahin ist noch genügend Zeit, um mir irgendetwas einfallen zu lassen. Damit wird sich mein Bruder aber sicherlich nicht zufriedengeben, davon bin ich überzeugt. „Ich will nur sichergehen, dass diese Pute nicht noch mehr Schaden anrichtet. Bernadettes Familie sitzt jetzt schon auf heißen Kohlen, kapier das mal!“, erkläre ich ihm, wobei ich dabei eher wieder schroff klinge, aber ich will jetzt endlich was tun und meine Geduld wird eh schon genug strapaziert. Außerdem muss das jetzt als Information reichen. Mehr braucht er nicht zu wissen und dass Bernadettes Familie wirklich leidet, muss für ihn Grund genug sein, um mir zu helfen. Von der anderen Leitung höre ich nur ein tiefes Seufzen, bis mein Bruder meint: „Ich seh‘ mal, was ich tun kann, aber wehe du stellst etwas an, was die ganze Angelegenheit nur noch verschlimmert. Das bringt nämlich überhaupt nichts. … Warte kurz, ich melde mich dann gleich wieder.“ Schon legt er auf. Vermutlich checkt er jetzt einmal das Internet und bevor er mich in der „Warteschleife“ hängen lässt, sieht sich die Sache wohl erst in „Ruhe“ an. Allerdings glaube ich kaum, dass wirklich lange warten muss. So wie ich diese Göre einschätze, wird sie als „Modepüppchen“ eher leicht zu finden sein. Solche Menschen tun ja alles dafür, damit sie im Vordergrund stehen können und da ist es egal ob dies virtuell oder im realen Leben geschieht. Meistens sind diese beiden Dinge sogar eng miteinander verbunden und mich würde es stark wundern, dies diese Lucinda nicht ständig irgendetwas postet. Seien es nun Selfies, oder andere Bilder. Nach gefühlten zehn Minuten meldet sich Donnie bei mir wieder. Na endlich, ich dachte schon, ich müsste das auf eigener Faust irgendwie hinkriegen. Dabei dachte ich, dass Donnie sich schneller melden würde. Anstatt aber herumzunörgeln, höre ich mir erst einmal an, was er zu sagen hat. Kurz und knapp erzählt er mir, an welchen Orten ich diese Göre noch am ehesten erwischen kann und das sind leider nicht gerade wenige. Lucinda scheint noch mehr herumzukommen, als was ich mir gedacht habe. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich sie nicht finden werde. Irgendwo wird sie schon stecken und wenn ich sie erst einmal habe, wird sie sich wünschen, meiner Freundin niemals begegnet zu sein. Das versichere ich ihr! „Also, ich habe dir alles gesagt, was ich weiß. Ich hoffe aber, dass dir klar, ist, dass ich damit kein bisschen einverstanden bin. Mach also ja keine Dummheiten! Es bringt sich nichts, wenn es durch unbedachtes Handeln nur noch schlimmer wird.“ „Werde ich nicht, aber sag weder Leo, noch sonst irgendwem was. Ich hoffe, ich kann mich darauf verlassen.“, grummle ich und verabschiede mich dann mit einem schellen und kurzen Danke, bevor er auch nur irgendetwas dagegen erwidern kann. Ich habe jetzt keine Zeit zu verlieren, denn ich muss einige Orte aufsuchen, die Donnie mir aufgelistet und auf meiner Karte markiert hat. Hoffentlich finde ich sie auch dort und wenn es soweit ist, kann sie sich schon mal warm anziehen. Zunächst widme ich mich jenen Standpunkten, die sich eher in meiner Nähe befinden. Dazu zählen teure Kosmetikshops und Läden für überteuerte Markenkleidung oder Schuhe. Hat die auch noch andere Interessen außer Shopping, oder gehört sie doch zu diesen typischen Weibern, die man normalerweise eher aus billigen Filmen kennt: zickig, oberflächig, und so weiter. Warum frage ich mich das eigentlich überhaupt? Die Antwort liegt doch wohl klar auf der Hand! Kopfschüttelnd verstecke ich mich schließlich hinter der nächsten Reklametafel und beobachte von meinem Versteck aus das menschliche Treiben. Trotz dass immer noch regnet, hält es die New Yorker nicht auf, ihren Tagesablauf weiterhin zu verfolgen. Mit Schirmen und Regenjacken ausgestattet bahnen sie sich ihren Weg und bei diesen vermummten Gesichtern ist es gar nicht mal so einfach, diese Tussi aus der Menge ausfindig zu machen. Von meiner Perspektive aus kann ich meist nur die Köpfe, oder die bunten, aufgespannten Regenschirme erkennen. Das wird wohl schwieriger werden, als was ich zunächst geglaubt habe. Lucinda wird mir aber nicht entkommen und wenn ich sie bis zum nächsten Morgengrauen suchen muss, ich werde sie finden. Wie es aber aussieht, bleibt mir wohl keine andere Wahl, als näher heranzugehen. So verlasse ich mein Versteck und klettere die nächste Mauer hinunter, bis ich mich schließlich in der nächsten Gasse befinde. Verborgen im Schatten nehme ich jedes einzelne Gesicht unter die Lupe und achte stets darauf nicht entdeckt zu werden. Ich riskiere auch den einen oder anderen Blick ins Innere eines Gebäudes. Doch bis jetzt konnte ich dieses Miststück noch nicht ausfindig machen. Wo steckt Lucinda nur? Sie wird wohl kaum untergetaucht sein. Nein, das glaube ich nicht. Dafür ist sie viel zu hochnäsig und zu eingebildet, als dass sie sich verstecken würde. Vermutlich bin ich einfach nur an der falschen Adresse. Ich muss woanders mein Glück versuchen. Seufzend und verärgert mache ich mich schließlich wieder auf dem Weg. Ich werde mit Sicherheit nicht aufgeben, darauf kann sie Gift nehmen! Nachdem ich wieder einige Straßen und Wohnblöcke hinter mir gelassen habe, bleibe ich schließlich auf dem gegenüberliegenden Dach von einem Restaurant stehen. Etwas hat mich im Augenwinkel stutzig gemacht und das war ihr Gesicht. Nie und nimmer werde ich das je vergessen können, als sie mich und meine Brüder so angsterfüllt angestarrt hatte und nun kann ich sie von weitem sehen. Ganz nah am Fenster sitzt dieses Miststück an einem runden Tisch und scheint unbekümmert ihre Mahlzeit zu genießen. Ihr gegenüber sitzen ein paar Mädchen und reden gerade mit ihr über etwas. Zumindest vermute ich das. Schließlich kann ich nur sehen, wie sich ihre Münder bewegen. Wie Schnattergänse amüsieren sie sich und das Oberhaupt ist Lucinda höchst persönlich. Für mich aber heißt es jetzt abwarten. Wer weiß, wie lange dieses Geschnatter noch weitergehen wird, bis die „Madame“ endlich ihren Arsch aus dem Laden schwingt. Wie ich es hasse zu warten, aber ich habe wohl keine andere Wahl. Zumindest habe ich Lucinda gefunden und so leicht kommt sie mir nicht davon. Es vergeht ca. eine Stunde, bis sich schließlich etwas tut. Zunächst sind es die Begleiterinnen, von denen sich eine nach der anderen erhebt und sich von Lucinda verabschiedet. Wie bei einer Audienz bei der Königin selbst, machen sie kleine „unscheinbare“ Gesten, die klar und deutlich zeigen, was für Schoßhündchen sie alle miteinander sind und ich spüre schon, wie mir das Essen wieder hochkommt. Reiß dich zusammen Raphi, es geht gleich los! Mit dieser strengen Ermahnung an mich selbst gehe ich nun in Stellung. In der Nähe des Restaurants verstecke ich mich im Schatten. Von der Ecke aus, habe ich einen guten Blick und kann von der Dunkelheit aus gut beobachten, wann dieses Miststück sich endlich mal in Bewegung setzt. Noch muss ich mich etwas gedulden, bis ich schließlich einen lila Regenschirm entdecke, unter dem sich Lucinda vor dem Regen schützt. Im richtigen Augenblick packe ich sie und ziehe sie mit einem schnellen Ruck zu mir in die Gasse. So schnell hat die Schnepfe nicht reagieren können, schon liegt sie auf dem nassen Boden. Den Regenschirm wegen der schnellen und ruppigen Aktion verloren, schnappt die Blondine zunächst nach Luft, ehe sie schließlich ihren Kopf ängstlich hin und her reißt, damit sie sehen kann, was hier eigentlich vor sich geht. Die Gasse, in der wir uns befinden ist nur spärlich beleuchtet, weswegen ich mich gut im Schatten verstecken kann, während sie ängstlich auf dem Boden kauert. Jeder andere hätte vermutlich jetzt Mitleid mit ihr, aber nur wer sie nicht kennt, würde dies auch tun. Ich aber weiß genau, was sie für eine Art Mensch ist, weswegen mich ihre Angst völlig kalt lässt. Stattdessen schreite ich nun mit erhobenem Haupt auf sie zu und lasse aus meiner Kehle ein bedrohliches Knurren ertönen. Von mir aus soll sie sich ruhig fürchten, denn diesen Tag wird sie mit Sicherheit nicht mehr vergessen. Ihre Augen weiten sich, als Lucinda mich aus der schützenden Dunkelheit schreiten sieht, und ich merke sogar, dass sie mich in diesem Augenblick wiedererkennt. Sie erinnert sich an mich, als meine Brüder und ich an jener Nacht Bernadette zu Hilfe geeilt waren und das ist für mich nur ein Vorteil. „Ddddu! …“, stottert sie, kann aber vor Angst nichts weiter herausbringen. Stattdessen rutscht sie von mir weg und versucht dabei aufzustehen. Als könnte sie vor mir fliehen, wie lächerlich. „Kkkomm mir nnnicht zu nahe! Iiiich warne ddich, du Monster, ich schreie uuund dann wwwirst du es bitterlich bereuen!“, droht sie mir, aber diese „Drohung“ geht bei mir völlig ins Leere. Dafür gehe ich noch weiter langsam auf sie zu und entgegne ihr in einem knurrenden Unterton: „Wag es und ich werde in den nächsten Sekunden meinen Sai durch deine Kehle bohren, wodurch du nie wieder ein Ton von dir geben werden wirst!“ Ihr stockt der Atem. Der Satz hat gesessen und nach der ganzen Sorge um Bernadette habe ich mich schon lange nicht mehr so mächtig gefühlt, wie in diesem Augenblick. Wimmernd und bibbernd hält Lucinda nun ihre Arme schützend vor ihr Gesicht und fleht mich schließlich an: „Bbbitte, lllass mich gehen!“ Wo sie doch vorhin so große Töne gespuckt hat, ist sie nun kleinlaut geworden. Doch ich kenne keine Gnade. Ich bäume ich vor ihr auf, sodass ich noch bedrohlicher wirke, als was ich eh schon tue. „Warum sollte ich das tun?! Deinetwegen liegt Bernadette im Koma und niemand weiß, ob sie das je überleben wird! … Es ist deine schuld! Du hast sie die ganze Zeit schikaniert, bedroht, verletzt und am Ende sogar die Purple Dragons auf sie angesetzt! Dafür wirst du büßen!“, schreie ich die Ängstliche an. Meine ganze Wut auf Lucinda kommt mit einem Male raus und zu meinem Glück ist der Regen stärker geworden. Somit ist das laute Prasseln neben den sonstigen Geräuschen auf den Straßen ein Segen für mich und überdeckt meine Drohung, wodurch kein Außenstehender etwas mitbekommt. Meine Worte sind auch nur für sie allein bestimmt und während Lucinda wie ein Häufchen Elend zusammengekauert dahockt und um ihr Leben bangt, stehe ich noch immer vor ihr da. Am liebsten würde ich sie packen, sie schütteln und ihr schließlich eine Tracht Prügel verpassen. Doch so sehr ich auch diesen Wunsch verspüre, etwas hält mich davon ab. Vielleicht liegt es einfach an der Tatsache, dass sie trotz ihres verabscheuungswürdigen Wesens ein wehrloses Mädchen ist. Ohne jegliche Erfahrung, sich körperlich zu wehren, zeigt sie mir nur, wie schwach sie in Wirklichkeit ist. Das ist sie sowohl vom Körper, als auch vom Charakter her. Das Einzige, was sie gut kann, ist andere zu manipulieren. Doch bei mir beißt sie auf Granit und diesem Augenblick bin ich sogar froh und stolz darauf, ein Mutant zu sein. Denn bei mir traut sie sich nun nicht und das gibt mir den entscheidenden Vorteil. Niemand ist hier, der sie nun aus dieser Sache herausboxt, oder der ihr irgendwie Stärke verleiht. Lucinda ist ganz allein und ich hoffe für sie, dass ihr ihre Angst nun eine Lehre ist. Denn beim nächsten Mal werde ich mit Sicherheit nicht so gnädig sein. So beuge ich mich schließlich zu ihr runter und packe sie am Saum ihrer Jacke. Ganz nah ziehe ich sie zu mir, während sie mich angsterfüllt anstarrt und es kaum wagt, zu atmen. „Du hast Glück, dass ich es mir für heute noch anders überlege, aber nimm das ja nicht auf die leichte Schulter! Und ich warne dich: Solltest du noch einmal gegen Bernadette eine Intrige spinnen, so werde ich dir auflauern und dir dann das Leben zur Hölle machen! Ich werde dir keine Gnade mehr gewähren, hast du das verstanden?!“ Anstatt eine direkte Antwort zu bekommen, ernte ich nur ein zitterndes Nicken, aber das sollte auch genügen. Wenn nicht, werde ich ernst machen und mich nicht mehr zurückhalten. Soviel steht fest. Mit diesen Worten schleudere ich sie mit einem Ruck wieder von mir weg, sodass sie ein weiteres Mal unsanft auf dem nassen Asphalt landet. Zitternd bleibt sie so und wagt es auch nicht, mich anzusehen. Ich jedoch drehe mich schließlich von dieser erbärmlichen Gestalt weg und klettere die nächste Wand hoch. Dieses Mal hatte sie noch ein verdammtes Glück gehabt. Ich hätte sonst noch was mit ihr anstellen können. So sehr sie es aber auch verdient hätte, sie ist nichts weiter als ein erbärmliches Häufchen Elend. Nur wenn sie andere fertigmachen kann, ist sie stark, aber das glaubt sie nur. Ich hoffe nur, dass ich mich richtig entschieden habe und dass ich das nicht bereuen werde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)