TMNT - Es liegt in deiner Hand von Pamuya_ ================================================================================ Kapitel 5: An deiner Seite -------------------------- Aus Raphaels Sicht: Nichts hält mich heute auf, meine Verletzung ist verheilt und ich werde den Teufel tun, um noch länger hier unten zu verharren. Darauf können meine Brüder Gift nehmen! Es ist ein befreiendes und trotzdem auch irgendwie ein seltsames Gefühl, wieder auf eigenen Beinen zu stehen und das meine ich wortwörtlich. Nicht nur, dass ich jetzt nicht mehr auf andere angewiesen bin, um mich zu bewegen, ich bin endlich dieses lästige Ding losgeworden, welches mich fast buchstäblich ans Bett gefesselt hat. Mikey hat ganz schön Augen gemacht, als er mich aus meinen Zimmer hat rausgehen sehen. Ich weiß zwar nicht, was bei ihm wieder einmal durch den Schädel gegangen ist, aber er hat es nicht lassen können, er musste wieder einmal ein Kommentar abgeben. Er glaubt wirklich, dass er witzig ist. Doch seine Witze findet meistens nur er lustig. Besonders, wenn er darauf besteht, irgendwelche Wortwitze zu machen, würde ich ihm am liebsten sein Mund zutackern. Diesmal kann er froh sein, dass meine Laune diesmal nicht so leicht reizbar ist. Nicht nur, dass ich heute keine Lust habe, mich mit ihm zu streiten, mein Verstand ist hauptsächlich auf eine Sache fixiert und zwar auf Bernadette. Ich will sie unbedingt wiedersehen. Ich habe es ihr versprochen und allein die Tatsache, dass sie im Koma liegt, hat nur bewirkt, dass mein Wille umso stärker geworden ist. Es ist daher gerade zu lästig, dass ich mich noch etwas gedulden muss, ehe ich den Untergrund verlassen kann. Doch wenn es soweit ist, wird mich keiner aufhalten. So viel ist schon mal klar. Daher nutze ich die Zeit, um mich an meine wiedergewonnene Freiheit zu gewöhnen. Kaum dass die Nacht hereingebrochen ist, mache ich mich gemeinsam mit meinen Brüdern auf dem Weg. Zunächst habe ich geglaubt, die drei würden mich nur ein Stück begleiten, ehe sie sich wieder an die Arbeit machen und auf Patrouille gehen. Jedoch habe ich sie weiterhin an der Backe. Keiner von ihnen hat mir bisher Auskunft gegeben, in welchem Krankenhaus sich mein Engel befindet. Viel mehr haben sie darauf bestanden, mich dort hin zu führen. Als könnte ich es nicht selbst machen, aber anstatt zu streiten, lasse ich mir von ihnen grummelnd den Weg zeigen. Das ist jedoch nicht der einzige Hintergedanke. Mein Bruder mit der orangen Maske hat zudem noch gemeint, dass sie mir helfen wollen, schneller ins Gebäude zu kommen: „Bevor du sie noch extra suchen musst, machen wir dir am besten den Weg frei. Schließlich haben wir sie einige Nächte zuvor beehrt und wissen daher, wie man am geschicktesten hineinkommt.“ Grinsend hat er mich dabei angesehen. Als wäre er nun ein Experte dafür geworden. Selbst Donnie und Leo machen keine Anstalten, um mich alleine zu lassen. Ich hoffe nur, dass sie mich nicht auch noch im Krankenhaus selbst auf dem Wecker fallen. Denn ich will Bernadette endlich sehen und da brauche ich nicht auch noch „Zuschauer“, von denen es vielleicht sogar blöde Kommentare hagelt. Wenn es sein muss, werde ich sie hochkantig aus dem Zimmer befördern, sollten sie mir in die Quere kommen. Allerdings behalte ich den Gedanken für mich. Ich will einfach keine Zeit verschwenden und eile hinter meinen Brüdern her, während wir über die Dächer springen. Es dauert eine Weile, bis wir endlich das Dach des Krankenhauses erreichen. Ich bin währenddessen schon etwas ungeduldig geworden. Inzwischen haben wir einige Blocks hinter uns gelassen und unter denen sind sogar einige andere Krankenhäuser dabei gewesen, die ich aus der Ferne erspähen konnte. Zu meinem Leidwesen ist keines von ihnen das Richtige gewesen, sonst hätte ich mich schon vorher von der Gruppe abgekapselt. Nun stehe ich endlich auf dem richtigen Dach und sehe mich suchend um. „Ich checke mal die Lage.“, meint Donnie leicht abwesend, während sich wieder seinen Geräten widmet. Er hat nicht einmal auf eine Antwort unsererseits gewartet, sondern legt einfach los. Mikey unterstützt ihn sogar und peilt die Lage. Grinsend „stürmt er ins Getümmel“ und lässt mich mit dem Anführer allein. Leo wiederum deutet mir, ihm zu folgen. Er stellt sich an die Kante des Daches und zeigt mir, nach welchem Fenster mich richten sollte: „Also, es gibt zwei Wege, um in dieses Gebäude zu gelangen. Der Erste ist die Tür auf dem Dach, die direkt ins Treppenhaus führt. Von dort aus haben wir es schon mal geschafft, hinzukommen. Es gibt aber auch die Möglichkeit von außen in eines der Fenster einzusteigen. Wichtig ist, dass du dich auf dem dritten Stockwerk aufhältst. Dort liegt die Intensivstation. Hier, von da aus ist ihr Fenster. Wenn du Glück hast ist es zumindest gekippt. Notfalls müsstest du es bei einem benachbarten Fenster versuchen.“ Wortlos stehe ich da, blicke in die Tiefe hinab und höre meinem Bruder zu. Jedoch überkommt mich auf einmal ein merkwürdiges Gefühl. Es ist, als würde etwas meine Kehle zuschnüren wollen. Allerdings verstehe ich nicht, warum das jetzt ist und warum es überhaupt so plötzlich gekommen ist. Ist es vielleicht, weil ich mich um Bernadette sorge, oder steckt doch etwas Anderes dahinter? Ich sehe einfach stumm auf die Stelle, auf die Leo hindeutet. Kein Wort erwähne ich von diesem seltsamen Gefühl. Ich will es sogar abstreifen, denn ich habe keine Zeit für diesen Scheiß. Ich bin hier, um Bernadette zu sehen und alles andere ist momentan egal. Der Anführer und ich sehen nun auf, als die anderen beiden wieder zu uns stoßen. „Also, Mikey und ich haben jetzt die Lage gecheckt: Die Tür vom Dach aus ist diesmal von innen versperrt. Vermutlich wurde das bei unserem letzten Besuch bemerkt, aber …“, klärt Donnie uns auf, wird aber mitten im Satz von Mikey unterbrochen: „Aber das Fenster steht diesmal offen! Da haben wir ein leichtes Spiel!“ Wie ein Kind freut er sich und grinst auch dementsprechend. Ich sehe es schon vor mir, dass ich die drei wohl auch weiterhin an der Backe haben werde, hätte mich da Leo nicht wieder eines Besseren belehrt. „Kein „WIR“ Mikey. Raphi soll endlich einmal Zeit mit ihr haben und dass alleine.“, erwidert Leo und schüttelt dabei den Kopf. Sowohl ich, als auch Mikey sehen ihn fragend an. Was hatte das Ganze dann für einen Sinn? Warum sind sie dann mitgekommen? Es hätte genauso gut gereicht, wenn sie mir so mitgeteilt hätten, wo genau ich meine Freundin finden würde. Da hätten meine Brüder nicht unbedingt mitkommen müssen und auch wenn ich für ein paar Tage nicht einsatzfähig war, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht im Stande bin, um das alleine zu regeln. Was denkt sich Leo dabei?! Wollen er und die anderen beiden mich etwa wieder provozieren? Verwirrt sehe ich meine Brüder abwechselnd an. Mikeys Enttäuschung steht ihm direkt auf der Stirn geschrieben und das sagt er auch: „Schade, dabei wollte ich ihr wieder einen Besuch abstatten. … Na gut, dann halt beim nächsten Mal.“ Diese negative Einstellung hat ja nicht lange angehalten, aber das hätte ich mir auch denken können. Das fröhliche Gemüt der Nervensäge kann man nicht so schnell brechen. Da muss schon etwas Gröberes passieren und das wissen wir alle. Nur kann ich immer noch nicht ganz begreifen, warum sie alle trotzdem mitgekommen sind. Steckt etwa nicht Leo, sondern Donnie dahinter? Will er mit dieser Aktion nur sichergehen, dass ich es mit meinem Bein nicht übertreibe? Das würde zumindest mehr Sinn ergeben. Schließlich hat er mir, wie er mich vom Gips befreit hat noch einmal darauf hingewiesen, dass ich es ruhig angehen soll. Wäre daher plausibel, dass er gemeinsam mit den anderen dafür sorgen wollte, dass dies auch geschieht. Wie es auch wirklich ist, ich will einfach nur, dass sie jetzt endlich abhauen. Ich brauche keine Aufpasser und ich will auch keine! Ich will einfach nur meine Ruhe! „Also Raphi, wir sehen uns dann später. Wir werden erst einmal die Lage in der Gegend abchecken. Das heißt, dass du in den nächsten Stunden mit Bernadette allein sein kannst.“, meint Leo, während er für einen Moment seine linke Hand auf meine linke Schulter platziert und sich dann verabschiedet. Donnie folgt seinem Beispiel und nickt mir kurz, ehe auch er sich vom Acker macht. Der Letzte ist Mikey, der mir noch zuruft: „Grüß sie von mir, vergiss aber nicht!“ Er rennt einfach an mir vorbei, grinst schelmisch und springt im selben Augenblick von der Kante weg. Dabei kann er es nicht lassen, mit einem kleinen Kunststück anzugeben. Indem er eine Luftrolle vollzieht und sein Skateboard, welches er diesmal mitgeschleppt hat, aus der Halterung zieht, verschwindet er gemeinsam mit den anderen beiden in die Dunkelheit. „Brüder“, zische ich genervt zwischen meinen Zähnen und setzte mich nun selbst in Bewegung. Ich habe einfach keine Lust, meine wertvolle Zeit weiterhin zu verschwenden und ich bin eigentlich sogar froh, dass ich nun allein bin. Auch wenn es mir nicht gefällt, dass sich die drei so aufgespielt haben, so genieße ich umso mehr meine Ruhe. Allerdings ist dieses beklemmende Gefühl, welches ich noch immer spüre, nicht verschwunden. Viel glaube ich, dass es stärker wird, je näher ich Bernadette bin, aber ich versuche es zu ignorieren. Mein Weg führt direkt vom Dach einige Etagen tiefer, wo ich mich dem offenen Fenster nähere. Wohl eher ist es gekippt und vermutlich wollte man das Zimmer etwas durchlüften. Für mich ist es einfach die Gelegenheit, um ohne komplizierte Umwege direkt zu ihr zu gelangen. Somit zücke ich einen meiner Sais und heble die Verriegelung auf, damit ich endlich durchs Fenster einsteigen kann. Vorsichtig klettere ich nach getaner Arbeit hinein und sehe Bernadette schon. Umgeben von Schläuchen, Kabeln und Maschinen liegt sie in ihrem Krankenbett. Das Geräusch des Beatmungsgeräts, sowie auch jenes von dem Gerät, welches ihre Herzfrequenz anzeigt, sind das Einzige, was ich in diesem Raum hören kann. Sonst herrscht völlige Stille. Auch wenn ich in diesem dunklen Raum nicht viel sehen kann, so reicht mir dieser Anblick bereits. Das wenige Licht, welches von den Straßenlaternen in dieses Zimmer scheint, lässt keines der wichtigen Details aus. Hier liegt sie, umgeben von Maschinen, während sie selbst in ihrer eigenen Welt eingetaucht ist. Ich habe sie schon oft schlafen gesehen, aber das ist einfach etwas Anderes. Es verschlägt mir sogar die Sprache. Mit halboffenen Mund stehe ich da und sehe mir das an. Selbst das Gefühl von vorhin macht sich nun deutlich bemerkbar, aber diesmal erscheint es mir, als ob es nun stärker als zuvor wäre. Vielleicht bilde ich mir das auch nur ein und es ist mehr die Sorge um sie, die aus mir spricht. Ich mache mir einfach Vorwürfe. Wäre nur dieser Streit nicht gewesen, oder wäre ich zumindest eher bei ihr gewesen, so hätte ich das Alles verhindern können. Davon bin ich nun mal überzeugt. Auch wenn ich bisher niemandem etwas davon gesagt habe, diese Tatsache lässt sich einfach nicht verleugnen. Ich trage nun mal Schuld an dem, was ihr wiederfahren ist und wenn ich es könnte, so würde ich es rückgängig machen. Mit einem traurigen Seufzen nähere ich mich schließlich dem Bett und setze mich auf dem beigestellten Sessel. Eine Weile sehe ich sie nur an, bis ich sie schließlich ganz sachte beim Gesicht berühre und zärtlich streichle. Ein kleiner Kuss folgt darauf, den ich ihr zwischen ihren Augen schenke. Wie lange das wieder her ist. Beinahe fühlt es sich wie eine Ewigkeit an, an dem ich sie das letzte Mal berührt habe, aber die Tatsache, dass sie hier in diesem Krankenhaus liegt, macht es nicht gerade besser. Ich nehme meine Hand wieder weg. Stattdessen sehe ich meinen Engel einfach nur an, bis ich schließlich folgende Worte zu ihr flüstere: „Ich bin hier, so wie ich es dir versprochen habe.“ Natürlich zeigt sich von ihrer Seite keine Reaktion. Als würde sie nur schlafen, liegt sie einfach da. Wäre da nicht dieser Schlauch, der direkt bei ihrem Mund endet, so könnte das auch wirklich glauben. Jedoch ist dies leider kein normaler Schlaf. So genau ich sie auch betrachte, sie bewegt sich nicht und zeigt auch so keine Reaktion, was mich innerlich enttäuscht. Was hätte ich auch anders erwarten sollen, dass sie mir nun um den Hals fällt, sobald sie mich hört? In einem Märchen wäre das vielleicht sogar der Fall gewesen. Dies hier ist aber die Realität und hat kein bisschen mit einer fantasievollen Geschichte zu tun, in der es zum Schluss ein „Happy End“ gibt. Da würde nicht einmal ein Kuss helfen, der sie ins Leben zurückholen könnte. Wäre das so einfach, so hätte ich dies sofort getan. Doch abgesehen davon, dass der Schlauch für das Beatmungsgerät im Weg ist, ist dies nun mal kein Märchen. Bemühend die ganzen Maschinen um sie herum zu ignorieren, versuche ich mich ganz und gar auf sie zu konzentrieren. Ob Bernadette überhaupt weiß, dass ich hier bin? Hört sie mich, oder spürt sie mich zumindest? Donnie meinte, ich solle viel mit ihr reden, als ich mich mit ihm über dieses Thema unterhalten habe. Komapatienten würden angeblich mehr mitbekommen, als was Außenstehende vermuten würden, wobei es auch darauf ankommt, wie stark das Koma tatsächlich ist. Mein Bruder erklärte mir, dass es dabei Unterschiede gibt. Allerdings kenne ich diese nicht und vermutlich könnte mir keiner genau bestätigen, wie stark dieses Koma tatsächlich ist. Das Einzige, was mir bleibt, ist, dass ich mit ihr rede und so versuche, sie wieder zurückzubringen. So wie es auch meine Brüder abwechselnd die Nächte zuvorgetan hatten. Ich würde mich dann auch nicht so nutzlos vorkommen. Vielleicht hört sie mich ja doch und ich kann irgendwann zu ihr vordringen. Dass das wieder Zeit beanspruchen wird und dass das wieder an meine Geduld nagen wird, hatte ich schon verstanden, nachdem ich zum ersten Mal von ihrem Zustand erfahren hatte. Schon da hatte ich den Eindruck, wir beide wären auf dem Weg zueinander ein weiteres Mal um ein gutes Stück zurückgeschleudert worden. Es war mir klar, aber fürs Erste reicht es mir, dass ich sie wiedersehen, berühren und einfach wieder an ihrer Seite sein kann. Ich werde auf keinen Fall jetzt Trübsal blasen und keine Nacht von ihrer Seite weichen, bis sie endlich ihre Augen aufschlägt. Das ist ein Versprechen und nichts wird mich davon abhalten. Genauso wenig, wie mein Vorhaben, dass Lucinda das eines Tages bereuen wird. Zu lange hat sie meinen Engel gequält und irgendwann wird sie dafür bezahlen. Ich werde nicht mehr länger tatenlos rumstehen und abwarten, bis wieder etwas passiert. Es muss ein für alle Mal aufhören. Doch noch braucht Bernadette mich hier und ich werde sie auf keinen Fall allein lassen. Es reicht schon, dass es tagsüber nicht geht. So möchte ich zumindest nachts bei ihr sein und wenn ich sie nur da sehen kann, ich werde jede Nacht an ihrem Bett sitzen, bis dieser Spuk endlich ein Ende hat. „Ich verspreche dir, ich werde dich nicht alleine lassen. Ich werde sooft kommen und solange bleiben, wie ich nur kann. Wir werden gemeinsam einen Weg finden und dieser Lucinda werden wir ebenfalls das Handwerk legen. Weder sie, noch die Purple Dragons werden uns davonkommen, das schwöre ich dir. … So kämpfe und komm zu mir zurück. Ich warte auf dich.“ Ein weiteres Mal streiche ich ihr sanft über die Wange und fange nun an, ihr etwas zu erzählen. So wie es mir die anderen geraten haben. Ich frage mich nur, ob sie mich wirklich hört und was gerade in diesem Augenblick in ihr vor geht. Aus Bernadettes Sicht: Ein kurzer Hauch, mehr war es eigentlich nicht, was ich für eine Sekunde auf meiner Stirn gespürt habe. Was war das? Unsicher greife ich meiner rechten Hand auf die Stelle zwischen meinen Augen, aber dieses Gefühl ist wie weggeblasen. Ich kann es mir einfach nicht erklären, was es gewesen sein soll. Es kam so plötzlich und verschwand auch gleich wieder, kaum dass ich es gefühlt habe. Wie erstarrt, stehe ich noch immer an derselben Stelle und grüble nach. „Alles in Ordnung bei dir?“, werde ich schließlich von Cori gefragt, die sich nun vor mir stellt und mich mit einem leicht geneigten Kopf ansieht. „Ich glaube schon. Irgendwie hatte ich für eine Sekunde das Gefühl, ich hätte etwas auf meiner Stirn gespürt.“, antworte ich darauf und nehme meine Hand wieder runter. Meine Freundin dagegen sieht mich noch immer fragend an und meint schließlich: „He, nicht, dass dich gerade etwas gestochen hat, oder so.“ Schon sucht sie nach einem vermeintlichen Bienenstich, oder nach etwas Ähnlichem. Ihr Blick ist nun besorgt, doch das ist absurd, was ich auch gleich einmal klarstelle: „Nein, ganz sicher nicht! Es war nicht mal schmerzhaft, viel mehr … ach keine Ahnung. Ich weiß nur, dass es nicht unangenehm war, aber mehr kann ich dir auch nicht sagen. Es war einfach zu kurz.“ „Du siehst ja schon wieder mal Gespenster. Bist du sicher, dass alles bei dir in Ordnung ist?“, lacht sie schließlich und grinst mich an, als könnte ich mal langsam Urlaub vertragen. Wobei das eigentlich nicht ganz verkehrt wäre. Ich fühle mich in letzter Zeit nicht wirklich wohl in meiner Haut. So sehr ich auch versuche, es irgendwie zu vergessen, ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Seit ich vor einigen Tagen nach diesem Albtraum im meinem Bett aufgewacht bin, habe ich den Eindruck, als wäre ich in einer Art Paralleluniversum. Gerade die ersten Tage waren besonders schlimm für mich, denn mir will es einfach nicht in den Kopf, dass ich mir eine wochenlange Szenerie einfach nur eingebildet haben könnte. Zwar habe ich Raphael noch nicht gesehen, aber auf meine Nachrichten reagiert er jedes Mal und wie alle anderen scheint er von allem, was ich glaube zu wissen, keine Ahnung zu haben. Weder der Streit, noch sonst irgendetwas, ist ihm ein Begriff. Er ist sogar felsenfest davon überzeugt, dass er sowas niemals zulassen würde. Dafür würde er auf keinen Fall unsere Beziehung aufs Spiel setzen. Für mich ist das eher ein Wunschdenken, denn ich weiß noch ganz genau, was wir uns beide an jener Nacht gegenseitig an dem Kopf geworfen hatten und wie es dann am Ende ausging. Ich war verletzt, sowohl seelisch, wie auch körperlich und kam humpelnd nach Hause. Obgleich mich Donnie sogar zwischendurch aufgegabelt und mich vor einem Verrückten beschützt hat. Ich kann einfach nicht vergessen, wie schlimm es damals für mich war. Dieser Zorn, dieser Schmerz, als schien an diesem Abend drunter und drüber zu gehen. Ich wollte Raphael ja nicht mehr sehen. So wütend war ich auf ihn und es dauerte sogar, bis ich endlich wieder klardenken konnte. Jedoch beteuerte mir mein Freund ein weiteres Mal, dass das nicht sein kann und dass er das niemals zulassen würde. Er meinte sogar, er müsste mich bei seinem nächsten Besuch irgendwie ablenken, damit ich mich wieder besser fühle und diese „absurden“ Gedanken hinter mir lassen kann. Ich würde seiner Ansicht nach etwas gestresst wirken. Dabei hat er keine Ahnung, wie mir wirklich zumute ist. Ich verstehe das einfach nicht und irgendwie kann ich auch mit niemandem darüber reden, selbst mit meinem Liebsten nicht. Würde ich das jemandem erzählen, würde man mich vermutlich sofort für verrückt halten, weswegen ich auch versucht habe, ruhig zu bleiben und mir nichts anmerken zu lassen. Doch mir geht es alles Andere als gut. Ich fühle mich irgendwie allein, selbst wenn ich zuhause, oder in der Schule bin. Manchmal glaube ich sogar, ständig in eiskalte und seelenlose Augen zu blicken, wenn ich meine Mitmenschen betrachte. Als wenn sie selbst nur geisterhafte Gestalten wären. Ist das denn wirklich normal? Stimmt irgendetwas mit mir nicht, oder ist doch etwas an der Sache etwas faul? Ich weiß es einfach nicht. Ich spüre es nur und meist ist mir unwohl dabei. Es ist nur phasenweise, dass dieses Gefühl abnimmt und stattdessen ein wenig Geborgenheit und etwas Vertrautes seinen Platz einnimmt. Als wenn jemand unsichtbar an meiner Seite stehen würde, egal was auch passiert. Zudem habe ich ständig den Eindruck, ich würde für einen kurzen Augenblick eine Art Berührung wahrnehmen. Es ist kaum spürbar und ich kann es wirklich nur wie einen Hauch beschreiben. So wie es auch vorhin der Fall gewesen war und jedes Mal ist es nur kurz von Dauer. Dass ich Cori von diesem einen Moment erzählt habe, ist bis jetzt auch das einzige Mal gewesen. Der Grund ist einfach, dass ich irgendwie niemandem hier vertrauen kann, ohne wieder das Gefühl zu bekommen, dass ich langsam verrückt werde. Dasselbe Problem hatte ich ja auch, als dieser Wahn mit diesem Betrüger war. Doch passierte es wirklich? Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass hier irgendwie nichts für mich einen Sinn ergibt. Es ist einfach falsch. So dumm es auch klingen mag, aber ich kann es nun mal nicht wirklich abstellen. Ich kann es nur verdrängen und für einen kurzen Moment vergessen. Dies gelingt mir aber meist auch nur, wenn jemand anderes seine Hand im Spiel hat und dieses Mal ist es meine Freundin mit den kurzen blonden Haaren. Wir sind gerade bei mir zu Hause und haben es uns im Wohnzimmer bequem gemacht, wo wir einen kleinen Filmabend veranstalten. Die Idee kam eigentlich von Cori und auch wenn es mich nicht so sonderlich reizte, stimmte ich dem zu. Irgendwie muss ich mich ja selbst aus meinen Sumpf der Trostlosigkeit herausziehen, weswegen mir jede Ablenkung recht ist. Schade nur, dass Mia nicht auch zu uns stoßen konnte, aber sie muss wegen ihrer Familie auf ein Klavierkonzert fahren. Eigentlich hätte ich es ja verschoben, damit wir zu dritt beisammen sein können, aber da meinte sie, wir könnten das ja an einem anderen Abend nachholen. Somit setze ich mich wieder in Bewegung und mache es mir auf der Couch bequem, was Cori nun ebenfalls tut. Nur greift sie schon gleich darauf nach der Schüssel mit Popcorn, welches wir vorhin vorbereitet haben und schaufelt sich gleich einmal eine große Portion in den Mund. „Was denn?“, fragt sie mich leicht beleidigt, nachdem ich ihr einen eher skeptischen Blick zugeworfen habe. „Der Film hat noch nicht einmal angefangen.“, belehre ich sie, aber die Blondine zuckt nur grinsend die Schultern und meint: „Das nennt man „vorgenießen“, so stimme ich mich immer bei einem guten Film ein.“ Na wenn sie meint. Ich rolle einfach nur mit den Augen und sehe wieder zum Fernseher hin, während ich meinen Kopf auf die Rückenlehne zurückfallen lasse. Doch je mehr ich mich ruhig verhalte, desto mehr habe ich wieder den Eindruck, dass ich nicht alleine bin und damit meine ich nicht Cori. Während sie zu meiner Linken weiterhin das salzige Popcorn futtert und mit großen Augen auf dem Film starrt, habe ich das Gefühl, dass noch jemand hier ist. Kurz lasse ich meinen Blick umherschweifen, aber da ist niemand. Tante Tina und Mom sind für heute wieder gemeinsam unterwegs, weswegen ich auch das Haus für mich und meine Freundin allein haben kann. Daher kann keiner außer uns hier sein und trotzdem spüre ich eine Art Präsenz. Als wenn eine vertraute Seele an meiner Seite wäre. Ob das vielleicht Raphael ist? Das kann aber nicht sein, denn in seiner letzten WhatsApp erwähnte er, dass er heute gemeinsam mit seinen Brüdern Jagd auf ein paar Gaunern machen würde, die in letzter Zeit vermehrt ihr Unwesen treiben. Außerdem weiß er, dass Cori heute bei mir ist. Ich kann mir daher kaum vorstellen, dass er dieses Risiko eingeht. Dennoch hält dieses Gefühl weiterhin an, weswegen ich schließlich aufstehe und sofort einen fragenden Blick von meiner Freundin einkassiere. Schnell sage ich zu ihr: „Ich komm gleich, du kannst du ruhig weiterschauen.“ „Wie du meinst, aber beeil dich, sonst verpasst du noch zu viel.“, meint sie achselzuckend und ich verlasse schnell das Wohnzimmer. Mein Weg führt direkt die Treppen hinauf, bis ich schließlich mein Zimmer betrete und sofort zum Fenster schreite. In mir ist einfach dieses Gefühl, al ob es mich dort hinziehen würde. Doch als ich schließlich hinaussehe, kann ich niemanden entdecken. Meine große Erwartung entpuppt sich als Enttäuschung. Schade eigentlich, auf solch eine Überraschung hätte ich mich sogar gefreut. Auch wenn ich zunächst darüber verwundert gewesen wäre, aber leider ist dem nicht so. Enttäuscht seufze ich. Wie sehr ich meinen Schattenkrieger gerne wiedersehen möchte, aber leider kann er nicht. Er muss ja seinem „Job“ nachgehen. Da kann er nicht immer Zeit für mich haben, leider. Ich will mich gerade mit gesenktem Blick umdrehen, als ich plötzlich wieder eine zarte Berührung auf meiner Wange fühle. Ganz zart spüre ich ein leichtes Kribbeln auf meiner Haut. Wie vorhin ist kaum wahrnehmbar und auch nur kurz da, doch diesmal bin ich mir sicher, dass das keine Einbildung war. Dies auf mehreren Tagen verteilt zu empfinden ist eine Sache, aber wenn das in kürzester Zeit passiert, kann da etwas nicht stimmen und ich werde der Sache auf dem Grund gehen. Irgendwann werde ich die Wahrheit erfahren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)