TMNT - Es liegt in deiner Hand von Pamuya_ ================================================================================ Kapitel 4: Eine Frage der Geduld -------------------------------- Aus Raphaels Sicht: Angepisst liege ich in meinem Bett und starre lustlos zur Decke empor. Nur ein genervtes Seufzen entweicht aus meiner Kehle, während ich meinen Blick kaum von meinem momentanen Standpunkt abweiche. Es ist einfach ätzend, hier dumm rumzuliegen. Dabei würde mir vieles einfallen, was weit besser wäre, als das hier. Selbst von einem Besuch ins Hashi wäre ich nicht abgeneigt, nur damit ich dieser Einöde entkommen kann. Es ist ja nicht so, als könnte ich mich nicht im Bett beschäftigen. Wenn ich daran denke, wie viele Comics Mikey hier angeschleppt hat, könnte ich theoretisch stundenlang darin blättern. Ich habe es sogar in Betracht gezogen, aber nicht eines davon habe ich zu Ende gelesen. Die Lust darauf ist mir einfach vergangen und ich will mich auch nicht einmal zu überwinden. Viel lieber wäre es mir, ich könnte einfach aufstehen und den Untergrund verlassen. Doch mit diesem Bein stecke ich hier unten fest und das macht mich wütend. Wäre da nicht die Tatsache, dass ich unbedingt zu meinem Engel will, so hätte ich einfach auf Donnies Anweisungen gepfiffen und wäre schon längst von meinem Bett aufgesprungen. Ich hätte beinhart irgendetwas ergriffen, damit ich mich fortbewegen kann, nur damit ich mich von dieser Trostlosigkeit fernhalten kann. Selbst wenn ich mein vergipstes Bein hinter mir her hätte schleifen müssen, ich hätte es beinhart getan. Jedoch wurde mir mehr als nur einmal verklickert, dass ich mein Wunsch, endlich zu ihr zu kommen, nur noch weiter nach hinten verschieben würde, würde ich mich nicht schonen. Es ist echt zum Aus-der-Haut-fahren! Ich soll mich „gedulden“, wie ich dieses Wort hasse! Das war schon früher so und das wird auch weiterhin so sein! Dabei komme ich mir bereits schon so vor, als hätte ich meine Zeit bereits eine Woche in diesem Raum verplempert. Kaum zu glauben, dass im Gesamten betrachtet, kaum Zeit vergangen ist. Dabei kommt mir bereits jede einzelne Stunde wie eine Ewigkeit vor. Als würde sie sich extra wie Kaugummi ausdehnen, nur damit ich länger zapple. Doch wenn ich auf die Uhr sehe, werde ich leider eines Besseren belehrt. Die Realität erzählt eine vollkommen andere Geschichte, was auch jetzt wieder der Fall ist, als ich meinen Blick auf dieses Ding gerichtet habe. Seufzend lasse ich meinen Kopf wieder in den Polster zurückfallen. Es ist einfach ätzend, auch wenn ich es bisher gekonnt vor den anderen verborgen habe, aber ich fühle mich einfach nur angepisst und ich mache mir auch Sorgen. Bis jetzt habe ich keine Ahnung, wie es Bernadette momentan ergeht. Ich weiß nur, dass Mikey sie ins Krankenhaus bringen konnte. Davon habe ich irgendwie mitbekommen. Alles Andere ist jedoch im Dunklen geblieben und in mir schleicht sich der Verdacht, dass ihre Lage noch ernster ist, als was ich befürchtet habe. Doch kein Schwein sagt mir was! Mann, ich hoffe, dass ich falsch liege. Ich will es mir einfach nicht vorstellen. Nachdenklich seufze ich. Meine Gedanken sind wieder vollkommen bei ihr, was in meinem Fall nicht einmal eine Verwunderung sein dürfte, aber was andere davon halten, ist mir momentan scheißegal. Ich will mich momentan auch nicht ablenken, so wie ich es die ganze Zeit zuvor versucht habe. Es bringt sich ohnehin nichts. Da ist es mir lieber, wenn ich meine Gedanken einfach schweifen lassen und an Bernadette denke. Wenn ich das tue und ihr Gesicht dabei vor mir sehe, muss ich sogar wieder ein wenig lächeln. Die Tatsache, dass wir wieder zusammen sind, lässt in mir noch einmal diesen Glücksmoment in mir hervorrufen. Den ganzen Tag über wollte sie es mir schon irgendwie sagen. Zumindest wartete sie laut April stundenlang in ihrem Zimmer, bis ich schließlich zu ihr kommen würde. Dabei war Aprils Aussage, ich sollte mal bei ihr vorbeischauen, mehr als nur deutlich für mich. Jeder Idiot hätte dabei sofort kapiert, was Sache ist. Nur gibt es einiges, was ich einfach nicht begreife. Warum ist sie zum Beispiel nicht einfach dortgeblieben? Sie hat sich doch sonst auch immer in ihrem Zimmer aufgehalten, bis ich sie von dort geholt habe, oder liegt es doch etwa an unseren Streit, wodurch es anders verlief? Glaubte sie etwa, ich würde diesmal nicht direkt an ihr Fenster klopfen? Sie müsste doch wissen, dass das nicht meine Art ist, aber so sehr ich mir das auch vorstelle, ich kann mich einfach mit dieser Theorie nicht anfreunden. Das Ganze passt einfach nicht zu ihr und daher kommt für mich nur eines noch in Betracht und zwar, dass sie von Lucinda und den Purple Dragons aufgelauert wurde. Hätte Vern sein blödes Maul nicht so weit aufgerissen und unsere Freundin direkt darauf angesprochen, so hätte ich niemals davon erfahren, dass mein Engel schon seit einiger Zeit aufs Kreuz gelegt wurde. So ungern ich das auch zugebe, aber einmal hat mir seine große Klappe, wenn auch eher ungewollt, irgendwie weitergeholfen. Sonst hätte ich es bis heute nicht verstanden, wie es überhaupt dazu kam, dass wir Bernadette bei den Docks gefunden und welche Rolle die Pappnase mit ihren Gummiadlern dabei gespielt haben. Ich kann mir es daher nur so vorstellen, dass diese Idioten wieder sie Show mit ihr abgespielt haben, wodurch sie ihr Haus verließ. Hätte sie es nur nicht getan und wäre in ihrem Zimmer geblieben, dann wäre das Ganze wohl nicht passiert. Andererseits wäre es mir noch lieber gewesen, wenn es gar nicht zu diesem Streit gekommen wäre. Dann hätte sie es mir vielleicht erzählt, oder ich hätte zumindest etwas geahnt, dass irgendetwas nicht stimmt. Ich hätte so meine Fühler ausgestreckt und nach diesen Typen gesucht, die Bernadette so sehr auf die Pelle gerückt waren. Ich hätte so auf sie aufpassen können und ich hätte sogar etwas unternehmen können, bevor sie entführt wurde. Es wäre einfach so vieles anders gelaufen und ich säße nun nicht ihr unten fest, während meine Freundin im Krankenhaus liegt. Egal was es auch wäre, ich wäre immerhin dann bei ihr. Am liebsten würde ich jetzt die Zeit zurückdrehen und alles, was bis jetzt passiert ist, verhindern. Ich würde sogar noch weiter zurückreisen und diesen einen Abend noch einmal mit ihr beginnen. Vielleicht wäre unser Streit niemals zustande gekommen und dann wären all die Wochen nicht voneinander getrennt gewesen. Wir wären ohne jegliche Zwischenfälle weiterhin zusammengeblieben und ich hätte sie so besser beschützen können. Ich hätte zumindest schon viel früher von diesem Trickbetrüger erfahren, der sich als ihren verstorbenen Vater ausgeben hatte und Lucinda hätte das nicht ausnutzen können. Ich weiß ganz genau, dass meine Liebste es mir erzählt hätte, wäre dieser verdammte Streit nicht gewesen, der alles nur verkompliziert hatte. Wir hätten gemeinsam Nachforschungen anstellen können. Donnie hätte dabei mit Sicherheit ein paar öffentliche Kameras hacken können, mit denen wir den Typen auf frischer Tat erwischt hätten und dann wären er, seine Kumpanen und dieses Miststück nicht so leicht davon gekommen. Es wäre so vieles anders gewesen. Das Alles hätte nicht sein müssen und so sehr ich es mir auch wünsche, etwas daran ändern zu können, es wird nicht passieren. Hätte ich diese Chance, so würde ich diese sofort ergreifen und so vieles anders machen. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Nur gibt es diese Möglichkeit nicht und richtige Zeitmaschinen, die auch wirklich funktionieren, sind auch noch nicht erfunden worden. Das Einzige, was ich aber jetzt tun kann, ist, jetzt den Bruch verheilen zu lassen, bis ich endlich zu ihr kann. Ich will es auch, ich will einfach zu ihr und dafür nehme ich alles im Kauf. Daher weigere ich mich, wie eine Heulsuse herum zu jammern und über diese Situation zu klagen. Bis jetzt ist vor meinen Brüdern nichts aus meinem Mund gewichen, was auf dieses hindeuten könnte und das wird auch weiterhin so bleiben. Darauf können die verdammt noch mal Gift nehmen! Das bin ich nun mal nicht und mit Sicherheit würde Bernadette das ebenfalls nicht sehen wollen. Sie würde von mir mit Sicherheit erwarten, dass ich mich von diesem Hindernis nicht runterkriegen lasse. Ich bin kein Schwächling und ich habe ihr oft genug bewiesen, dass ich einiges aushalten kann. Da werde ich mich nicht von dieser läppischen Verletzung ins Bockshorn jagen lassen. Abgesehen davon, ist diese im Vergleich zu ihren Schmerzen, wohl eine Lachnummer. Nicht nur, dass Bernadette ein Mensch ist und daher auch weit mehr anfälliger ist als ich, ihre Verletzungen waren weit schlimmer und vermutlich wird sie auch jetzt noch mit jeder Menge Medikamenten vollgedröhnt sein. Ich hoffe nur, dass es ihr soweit gut geht, dass sie das Krankenhaus bald wieder verlassen kann. Dass sie vermutlich noch eine Zeit lang dort verweilen wird, ist mir vollkommen bewusst. Weswegen ich sie umso mehr wieder in die Arme schließen möchte, aber erst einmal stecken wir beide fest. Ich bin hier und sie liegt im Krankenhaus. Erst wenn ich diesen Gips wieder loswerde, kann ich zu ihr. So sehr mir das auch wurmt, ich muss da durch. Gerade halte ich Bernadettes Amulett in meiner rechten Hand, welches ich mühselig irgendwie zusammengeflickt habe. Jedoch zeigen die Linien der abgebrochenen Stellen noch sehr deutlich, was damit passiert war und kein Kleber der Welt kann das je kaschieren und von den fehlenden Stücken möchte ich erst gar nicht anfangen. Vorsichtig gleite ich mit dem Daumen darüber, während ich meinen Blick kein einziges Mal davon abwende. Noch immer denke ich an sie und sehne mich nach dem Moment, an den wir uns beide endlich wiedersehen werden. Ich seufze und blicke schließlich auf, als nach einem kurzen Klopfen Leo mein Zimmer betritt. „Na, wie ich sehe bist du immer noch gut verpackt.“, meint er sarkastisch und mit einem aufmunternden Blick kommt er schließlich auf mich zu. Ich dagegen rolle bei dieser „Begrüßung“ leicht genervt mit den Augen und erwidere: „Komm du mir nicht auch noch mit diesem „Witz“. Den hat Mikey schon vor dir loslassen müssen. Da musst du dir schon etwas Neues einfallen lassen. … Also wehrte Anführer, was verschafft mir der Besuch? Was willst du?“ Die Frage musste ich gleich daraufstellen. Irgendetwas will er ja von mir, das spüre ich. Außerdem wäre er ja sonst nicht hier. Es ist halt nur die Frage was, weswegen ich gleich lieber Nägel mit Köpfe mache, anstatt um den heißen Brei zu reden. Allerdings hoffe ich für ihn, dass es nicht das ist, was ich momentan befürchte. Denn wenn das wieder aber eine von diesen absurden Aufmunterungsaktionen sein sollte, dann kann er sich das gleich wieder abschminken und sich verkrümeln. Davon habe ich nämlich für heute wieder genug. Als ich meinen Bruder mit der blauen Maske aber genauer ansehe, merke ich, dass da etwas nicht stimmt. Er wirkt auf mich nicht, es wollte er mich wieder aufmuntern. Stattdessen scheint ihm etwas zu beschäftigen. Seine Mimik wird nämlich ernst. Es ist zwar meist bei ihm so, weil er da gerne den „großen Anführer“ besser raushängen lassen kann, aber dieses Mal ist er anders. Gerade, wo er doch vor kurzem noch ein nerviges, keckes Grinsen im Gesicht gehabt hat, ist seine momentane Stimmung beinahe schon gruselig. „Hey, hörst du schlecht, oder bist du nun stumm geworden?“, frage ich ihn genervt, als noch immer nichts aus seinem Mund gekommen ist. Kann er nicht einmal sofort eine Antwort geben? Scheinbar nicht, denn er reagiert wieder nicht darauf. Stattdessen schnappt er sich schweigend meinen Sitzsack, der normalerweise immer in der Ecke steht und setzt sich erst einmal. Wie ich es hasse, wenn er das macht! Er bringt mich immer zur Weißglut, wenn er mich völlig ignoriert und seelenruhig sein Ding durchzieht. „Ich wollte mit dir kurz unter vier Augen reden.“, sagt er auf einmal. Ich dagegen kann darauf nur sarkastisch reagieren und erwidere: „Ach, da wäre ich jetzt nicht darauf gekommen. …“ „Ich meine es ernst Raphi. … Ich war vor kurzem im Krankenhaus und habe nach Bernadette gesehen.“, schneidet er mir das Wort ab, woraufhin ich hellhörig werde und meinen Mund sofort wieder schließe. Dabei hätte ich noch etwas im Petto gehabt, aber nachdem er meine Freundin erwähnt hat, ist das jetzt vollkommen egal geworden. Viel lieber will ich wissen, was geschehen ist. Sein Gesicht gefällt mir gerade ganz und gar nicht. Ist Bernadette etwa …, nein! Das darf nicht sein! Ich will mir das einfach nicht vorstellen! „Jetzt sag schon, was mit ihr?!“, brülle ich Leo nun voller Ungeduld an. Ich will sofort wissen, was mit ihr ist und wenn er nicht gleich die Informationen ausspuckt, dann werde ich ihn dazu zwingen! Ob ich es möchte, oder nicht, mir schwirren gerade die schlimmsten Befürchtungen durch den Kopf, aber ich muss Klarheit haben und das sofort! Dabei frage ich mich, wie lange er mich noch auf der Folter spannen will! Er ist so ungewöhnlich ruhig, als könnte sich im nächsten Augenblick mein Verdacht tatsächlich bewahrheiten. Ob es nun so ist, oder nicht, ich will endlich wissen, was mit meinem Engel ist! Wenn er mir aber jetzt wirklich verklickern will, dass sie tot ist, dann schwöre ich: Mich halten keine zehn Pferde mehr in diesem Bett! Unruhig verkrampft sich mein ganzer Körper und ich kralle meine Finger Fest in die Matratze hinein, während ich meinen Bruder wutentbrannt anstarre. „Sie lebt, aber …“, sagt er zögernd und auch möglichst ruhig, aber mir platzt gleich der Kragen. Ich bin einfach viel zu ungeduldig und aufgebracht, als dass ich noch länger darauf warten kann: „Aber was?! … Verdammt noch mal Leo, jetzt rede endlich!“ Ich bin jetzt schon in Rage. Was zur Hölle ist nun mit ihr?! Leo soll gefälligst Tacheles reden, sonst garantiere ich für nichts! Doch er sieht mich nun vorwurfsvoll an und reagiert schließlich: „Glaubst du etwa, mir fällt das leicht?! Wir haben uns schon die ganze Zeit überlegen müssen, wie wir dir das verklickern, ohne dass du gleich Amok läufst! Also mache es mir nicht noch schwerer, als es bereits ohnehin schon ist!“ Noch sieht er mich zornig an und seine typisch belehrende Stimme, die er als Anführer bei mir immer wieder gern anwendet, lässt mich eher kalt. Seine Worte dagegen prallen diesmal nicht bei mir ab, weswegen ich meinen Mund, den ich zunächst zum Protestieren geöffnet habe, sofort wieder schließe. Ich soll es ihm also nicht noch schwerer machen, als was es bereits ist, wie? Dann soll er mir auch gefälligst sofort mitteilen, was nun mit ihm ist. Noch kann ich mich zusammenreißen. Auch wenn es mir gerade alles andere als einfach fällt. Gerade weil es sich um meine Freundin handelt, ist mein Geduldsfaden vollkommen angespannt. Daher schwöre ich ihm, wenn er ich nicht schleunigst mit der Sprache rausrückt, sehe ich für ihn schwarz. Ich werde mich dann nicht mehr zurückhalten. Zwar weiß ich noch nicht, wie ich das anstellen werde, aber ich werde schon meine Information bekommen, darauf kann er Gift nehmen! Noch sammle ich alle Geduld in mir zusammen, die ich noch habe, aber lange wird dies nicht anhalten. Denn wenn es um Bernadette geht, gibt es für mich keinen Kompromiss. Leo seufzt, ehe er mich schließlich mit einem sorgenvollen Blick ansieht und mich mit einer ruhigeren Stimme endlich aufklärt: „Sie liegt im Koma.“ Mehr sagt er nicht, sondern wartet einfach auf meine Reaktion. Dabei lässt er mich keine Sekunde aus den Augen. Ich dagegen bin im Moment unfähig auch nur irgendetwas darauf zu erwidern. Ich habe mit vielen gerechnet, aber es gab zwei Dinge, an die ich einfach nicht denken wollte und genau eines davon hat sich bewahrheitet. Obwohl ich es eigentlich hören wollte, wünschte ich, er hätte es nicht gesagt und genau das scheint er von meinem Gesicht ablesen zu können, weswegen er nach seiner Pause mich weiter anspricht: „Raphi, ich weiß, dass das nicht leicht ist und vermutlich wird sich das, was ich jetzt sage, unsinnig für dich anhören, aber sie wird es schaffen. Da bin ich mir sicher.“ Sein Gesicht, welches zunächst dieses beklemmende Gefühl in mir bewirkt hat, ist nun milder geworden. Viel mehr sieht er mich auffordernd und sogar mit einem hoffenden Blick an. Ist er etwa wirklich davon überzeugt? Wie kann er da überhaupt so sicher sein? „Wie … Wart ihr …“, versuche ich nach einer Weile Worte dafür zu finden und meinen Bruder die Frage direkt zu stellen, aber irgendwie scheint es mir nicht zu gelingen. Die Information darüber, dass mein Engel nicht so bald ihre Augen öffnen wird, hat mir quasi den Boden unter den Füßen weggerissen. Ich versuche es Leo nicht zu zeigen, aber ich habe Angst um Bernadette und wenn ich könnte, so würde ich ihn sofort links liegen lassen und mein Mädchen selbst aufsuchen. Ich muss wissen, wie es wirklich um meine Freundin steht, ich kann es nun mal nicht glauben. War einer meiner Brüder etwa direkt bei ihr, sodass Leo das überhaupt beurteilen kann? Kann er da überhaupt so sicher sein und wie geht es ihr wirklich? Ich habe zwar wenig Ahnung, was Krankheiten angeht, aber vom Koma habe ich bereits schon das eine oder andere gehört. Dass mit dem nicht gut Kirschenessen ist, ist mir klar, denn nur selten habe ich von Fällen gehört, bei denen die Patienten wieder aufwachen. Noch dazu kommt mir die Frage, wie lange das dauern wird. Wie lange wird Bernadette so liegen, eine Woche, ein Monat, ein Jahr? Leo muss mir genau diese Frage angesehen haben, denn schon folgen eine weitere Aufklärung, sowie auch eine Aufmunterung am Ende: „Mikey hatte uns gestern davon erzählt, nachdem er ein Gespräch zwischen dem Arzt und Bernadettes Mutter mitbekommen hatte. Bevor wir dir aber etwas sagen wollten, wollte ich mir zunächst selbst ein Bild davon gemacht und habe sie heute besucht. Ich kann dir leider nicht sehr viel mehr dazu erzählen, es scheint ihr aber den Umständen entsprechend gut zu gehen. Zumindest hätte ich nichts davon bemerkt, was dagegensprechen könnte. Eines weiß ich aber auf jeden Fall: Sie wartet auf dich. Also versuche dich bitte voll und ganz auf deine Genesung zu konzentrieren, damit du dann endlich zu ihr kannst.“ Der hat gut reden, aber andererseits hilft es nichts, den Kopf noch weiter in den Sand zu stecken. Ich habe Bernadette versprochen, dass ich so schnell wie nachkommen werde und das werde ich auch. Somit nicke ich bei seinem letzten Satz, als Zeichen, dass ich ihn verstanden habe, womit sich mein Bruder mit der blauen Maske zufriedengibt. Bevor er jedoch geht, wiederholt er noch einmal seine letzten Worte: „Wie gesagt, konzentriere ich einfach darauf, dass du schnell wieder auf den Beinen bist. Ich bin mir sicher, dass sie genau auf dich wartet, wie du auf sie.“ Vermutlich will er mir diese ins Hirn eintrichtern, damit ich ja nicht die Hoffnung verliere. Typisch Leo, das kann ja nur von ihm kommen. In der Weise ist keiner sonst so penetrant wie er und er weiß ganz genau, was ich von ihm halte. Dennoch ist es gut zu wissen, dass sowohl er, als auch die anderen hinter mir stehen. Sooft er mir auch als Bruder und als Anführer auf den Geist geht, so weiß ich es dennoch zu schätzen, dass er mir Mut machen will. Was es mir auch hier wiederum zeigt, ist, dass er nie mehr in meine Beziehung zu Bernadette dazwischenstehen will. Das hätte er ruhig viel früher schnallen können, aber besser spät als nie. Mit dem muss ich mich nun mal zufriedengeben, aber nun muss ich erst einmal zusehen, dass ich schnell wieder gesundwerde. Drei weitere Tage vergehen, bis sich Donnie wieder mein verletztes Bein vornimmt. Dank seinen merkwürdigen Apparaten hat er es gescannt und stellt nach einigem nervenden Herumgemurmel schließlich zufrieden fest, dass der Knochen gut verheilt ist: „Sehr gut, ging ja schneller, als was ich mir erhofft habe. Ich hatte schon befürchtet, du würdest es nicht ganz durchziehen.“ „Erspar mir das und nimm mir schon dieses verdammte Ding ab, bevor ich noch sauer werde!“, keife ich ihn schon vor lauter Ungeduld an. Lange genug habe ich in meinem Zimmer versauern müssen und da habe ich schon viel zu viele Nerven dafür opfern müssen. Jetzt reicht es mir! Doch meinem Bruder mit der lila Maske und der Brille im Gesicht macht keine Anstalten einen Zahn zuzulegen. Stattdessen meint er nur: „Jetzt bleib mal auf dem Teppich, bevor du mir noch ganz abhebst. Ein bisschen Geduld musst du noch haben. Auch wenn ich dir den Gips jetzt abnehme, kannst du noch lange nicht sofort aufspringen.“ „Ja, hör auf ihn Bro und chill erst einmal.“, hören sowohl ich, als auch Donnie Mikey sich einmischen, der gerade seinen Kopf in mein Zimmer hineinsteckt. Dämlich grinst er mich an, doch ich knurre ihn nur an: „Klappe zu, sonst bist du der Erste, bei dem ich meine wiedergewonnene Freiheit auskoste!“ „Bin schon weg.“, kommt es von ihm zurück und er verschwindet so schnell, wie er aufgetaucht war. Wobei ich es mir nicht nehmen lasse, dass ich bei Mikey noch immer dieses dämliche Grinsen im Gesicht gesehen habe. Wann kann er einmal nicht nerven? Vermutlich werde ich das nie erleben, denn die Chancen dafür stehen mehr als nur schlecht. Da ist es wahrscheinlicher, ein vierblättriges Kleeblatt im Central Park zu finden. Während ich mich die ganze Zeit über den Witzbold geärgert habe, habe ich kaum mitbekommen, wie Donnie dabei ist, mich von dem Gips zu befreien. Er hat einfach stumm alles vorbereitet, bis ich schließlich von einem beißenden Ton aufgeschreckt werde. Technisch gesehen klingt das, als wenn man beim Zahnarzt wäre und dessen nervenraubende Geräte ausgeliefert wäre. Ein Glück, dass weder meine Familie noch ich, das jemals über uns ergehen lassen mussten. Ein Vorteil hat es ja, wenn man kein Mensch ist, man erspart sich solche Krankenbesuche. Auch wenn das Genie der Familie immer wieder gemeint hat, dass man diesen Beruf nicht einfach so in die Horrorabteilung stecken sollte. Naja, wenn er meint. Ganz koscher ist mir das ja trotzdem nicht. Schließlich habe ich bereits den einen oder anderen Film gesehen, bei der der Zahnarzt nicht gerade einen tollen Ruf hat. Den wird er wohl auch kaum loswerden, wenn man mich fragt. Doch diese Meinung lasse ich erst einmal noch bei mir und warte einfach „geduldig“ und doch angespannt ab, während ich Donnie dabei beobachte, wie er mich aus dem harten Material herausschneidet. Ganz wohl ist mir dabei nicht, was ich auch in einem sarkastischen Kommentar verpacke: „Wenn`s geht, nicht daneben schneiden.“ „Halt lieber mal still, bevor ich noch wirklich danebenziele.“, bekomme ich von Donnie als Antwort, ohne dass er von seiner Arbeit aufsieht. Völlig konzentriert geht er dabei vor, bis ich endlich davon befreit bin. Ich kann gar nicht beschreiben, was das für ein angenehmes und befreiendes Gefühl ist, endlich davon erlöst zu sein. Vorsichtig hebe ich mein Bein an und lasse mein Fußgelenk ein wenig kreisen, um die Gelenke etwas zu lockern. „So das wär´s, aber fürs Erste belaste dein Bein noch nicht zu sehr.“, warnt er mich vor, aber der „Herr Doktor“ kann sich meinetwegen brausen gehen: „Du glaubst wohl nicht etwa, dass ich jetzt noch länger herumsitze?“ „Wäre besser, zumindest bis die Nacht hereinbricht. Denn wie ich dich kenne, wird dich dann eh nichts mehr aufhalten können. Also pass zumindest bis dahin auf.“, kommt prompt von ihm die Antwort und dabei sieht er mich auch noch gelassen an, während er seine Brille zurechtrückt. „Wenn du das schon so genau weißt, warum also dieses Theater?“, hake ich nach, aber er antwortet nur achselzuckend darauf: „Auch wenn du unverbesserlich bist, solltest du auf dich achten. Wir sind weder unsterblich, noch unverwundbar Raphi. Das sollte dir klar sein.“ Als wenn ich das nicht wüsste. Immerhin habe ich das am eigenen Leib erfahren und das nicht zum ersten Mal. Da braucht er mich nicht darauf hinweisen. Bevor ich mir aber noch weitere solche Belehrungen von ihm über mich übergehen lassen muss, seufze sich nur und verdrehe die Augen. Donnie wiederum packt nun seine sieben Sachen und verlässt schließlich mein Zimmer und genau das werde ich auch tun. So drehe ich mich zur Seite und setze meine Beine auf dem Boden ab. Mit einem Ruck stehe ich schließlich auf, was zunächst noch ein ungewohntes Gefühl für mich ist. Auch wenn ich nur wenige Tage im Bett festsaß, so merke ich es doch und wenn ich so darüber nachdenke, bin ich meistens irgendwie in Bewegung. Vermutlich fällt es mir deswegen jetzt auch so auf, aber nun kann ich endlich zu ihr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)