Ahnungslose Augenblicke von Varlet ================================================================================ Kapitel 23: FBI Regeln ---------------------- Shuichi verengte die Augen und ballte die Faust. „Was soll das heißen: Nein, tust du nicht?“, wollte er von dem FBI Agenten wissen. Starling blickte ihn. „Du hast mich schon verstanden. Wir haben keine Beweise gegen Tom Weston, nur Indizien“, fing der FBI Agent an. „Es ist auch möglich, dass Weston gar nichts mit allem zu tun hat und auch nur als Bauernopfer hingestellt wird. Aus diesem Grund werde ich alleine ins Krankenhaus fahren und Weston befragen.“ „Bei allem Respekt, Sie können mich nicht ausgerechnet jetzt ausbremsen. Ich war maßgeblich an der Aufklärung beteiligt. Es steht mir zu, mit Ihnen ins Krankenhaus zu fahren und bei der Befragung dabei zu sein.“ Agent Starling verzog keine Miene. „Ich kann deine Reaktion verstehen, aber du überschreitest deine Kompetenzen. Selbst wenn du Agent in Ausbildung wärst, würden auch für dich Regeln gelten. Zivilisten und nicht-autorisierte Personen nehmen an keiner Befragung teil.“ „Agent Starling…“ Shuichi stand auf. Ihm gefiel nicht, was er hörte. „Meine Antwort wird sich nicht ändern. Es hat einen Grund warum wir keine Zivilisten mitnehmen. Und du stehst Jodie mittlerweile zu nah um objektiv an die Sache heran zu gehen. Natürlich trifft das auch auf mich zu, aber ich weiß, wo meine Grenzen liegen.“ Starling räusperte sich. „Und wenn sich doch heraus stellt, dass Weston nicht unser Mann ist, möchte ich dich hier wissen, bei Jodie.“ Shuichi sah ihn reglos an. „Ich sehe dir an, dass du darüber nicht glücklich bist. Aber stell dir nur mal vor, dass Weston wirklich nichts mit der Sache zu tun hat und gerade in diesem Augenblick jemand das Haus beobachtet. Wenn ich weg bin, sind Angela und Jodie auf sich allein gestellt. Daher möchte ich, dass du hier bleibst und auf Beide aufpasst.“ Akai biss sich auf die Unterlippe. „Natürlich sorge ich mich um Jodie, aber ich bin trotzdem der Meinung, dass ich bei der Befragung dabei sein sollte. Vielleicht sehe ich…“ „…Sachen die kein anderer sieht?“, unterbrach der Agent. „Das nehme ich in Kauf. Bei der Befragung im Krankenhaus wird wahrscheinlich nicht viel rauskommen“, entgegnete er. „Ich halte das noch immer für keine gute Idee“, gab Shuichi von sich. „Weston wird sich bestimmt nicht einschüchtern lassen. Vielleicht kann ich ihn etwas aus der Reserve locken.“ Der Agent seufzte. „Du lässt wohl nie locker. Gut, ich mache dir einen Vorschlag. Du bleibst hier, während ich zu Weston ins Krankenhaus fahre und ihn befrage. Aufgrund der Indizien gegen ihn, werden wir ihn zum Verhör ins Büro einladen. Dort kann ich dich mitnehmen. Überleg es dir gut, du wärst damit bei einem offiziellen Verhör dabei.“ Shuichi war noch nicht komplett überzeugt, nickte aber. „Deal.“ Der Student ging aus dem Arbeitszimmer, während Starling seine Notizen in die Tasche steckte. Als er aus dem Zimmer kam, hörte er Shuichi bereits im Flur mit seiner Frau reden. „Was soll das heißen?“ Angela sah den Studenten irritiert an. „Jodie fiel hier die Decke auf den Kopf. Sie ist schon vorhin schon kurz um den Block gegangen, aber das hat ihr auch nicht geholfen.“ „Und wo ist sie jetzt?“, wollte Akai wissen. „Sie wollte ins Krankenhaus um mit Mr. Weston zu sprechen. Wir hielten das für eine gute Idee, damit sie das Geschehene verarbeiten kann.“ „Das glaub ich nicht…“, murmelte Shuichi und lief aus dem Haus. Als er an seinem Wagen ankam, zog er die Schlüssel aus der Hosentasche und schloss die Tür auf. Gerade als er einsteigen wollte, spürte er den Griff des Agenten an seiner Schulter. Starling schüttelte den Kopf. „Ich lass mich nicht abwimmeln!“, gab Akai von sich. „Wir fahren mit meinem Wagen“, antwortete der Agent und ging zu diesem. Nachdem er eingestiegen war, startete er den Motor und nahm aus dem Augenwinkel jede Bewegung des Studenten wahr. Sobald dieser im Auto saß, fuhr Starling los. „Regel Nummer eins wenn du beim FBI arbeiten willst: Stürze nie so auffällig aus dem Raum. Wärst du gerade bei den Angehörigen eines Opfers, hättest du gezeigt, dass etwas nicht stimmt. Du musst den Angehörigen immer zeigen, dass du alles unter Kontrolle hast.“ „Verstanden…“, murmelte Shuichi. „Ruf Jodie an. Mit Glück hat sie noch nicht mit Weston gesprochen.“ Shuichi nickte und zog sein Handy heraus. Er wählte die Nummer seiner Freundin und ließ es mehrmals klingeln. „Verdammt…sie geht nicht ran.“ „Das muss nichts heißen“, antwortete Starling leise. „Wenn sie im Krankenhaus ist, hat sie das Handy möglicherweise auf lautlos gestellt.“ Akai hoffte es. Er hoffte es mit jeder Zelle seines Körpers. Nie würde er es sich verzeihen, wenn ihr etwas passierte. „Regel Nummer zwei: Ich nehme dich zwar mit, aber du bleibst im Hintergrund. Das Krankenhaus ist ein öffentlicher Ort. Neben uns werden Ärzte, Schwestern, Patienten und Angehörige vor Ort sein. Sollte Weston tatsächlich unser Mann sein, darf ich nicht zulassen, dass den anderen Zivilisten etwas Passiert. Fühlt er sich angegriffen, kann es böse enden.“ Shuichi grummelte leise. „Verstanden“, gab er ein weiteres Mal von sich. Jodie stand vor der Krankenzimmertür des Fotografen. Sie hatte es sich einfacher vorgestellt, musste sich nun aber doch Mut zureden. Jodie atmete tief durch und klopfte an. „Herein.“ Langsam drückte das Mädchen die Türklinke nach unten und trat ein. Eine Krankenschwester stand neben dem Fotografen und legte ihm eine Blutdruckmanschette um den Arm. „Oh…Entschuldigung“, murmelte Jodie leise. „Ich wollte nicht stören.“ „Das tust du nicht. Komm ruhig rein“, sagte die Krankenschwester und wandte sich der Blutdruckmessung zu. „Der Blutdruck sieht passabel aus. 125 zu 82. Sehr gut.“ Sie lächelte und legte die Blutdruckmanschette auf den Wagen. „Nach Rücksprache mit Dr. Bennett können wir Sie auf eigenen Wunsch entlassen. Aber falls Sie sich nicht gut fühlen und Probleme am Bein entdecken, spielen Sie bitte nicht den Helden. Lassen Sie sich unverzüglich ins Krankenhaus bringen.“ „Verstanden“, antwortete Weston und lächelte. „Ich bringe Ihnen gleich die Entlassungspapiere.“ „Danke“, sagte er und sah ihr nach. „Sie lassen sich entlassen?“, wollte Jodie leise wissen. „Ja, mir fällt hier die Decke auf den Kopf. Zu Hause kann ich auch rumliegen.“ Er musterte Jodie. „Geht es dir gut?“ Sie nickte. „Es tut mir leid…was passiert ist.“ „Aber nicht doch. Es war nicht deine Schuld“, entgegnete der Fotograf. Er rieb sich über sein verletztes Bein. „Es heilt. In paar Tagen werde ich nur noch eine Narbe übrig behalten.“ Jodie schluckte. Als sie weiter sprechen wollte, ging die Tür auf und die Krankenschwester kam mit den Entlassungspapieren rein. „So, hier bitte unterschreiben.“ Weston nahm den Stift entgegen und unterschrieb. „Auch wenn Sie eine sehr nette Krankenschwester waren, hoffe ich, dass wir uns nicht wiedersehen.“ „Gleichfalls“, gab die Frau von sich. „Passen Sie auf sich auf.“ Sie nahm die Papiere entgegen und verließ erneut den Raum. Jodie blickte auf den Fotografen. „Sind Sie sicher, dass Sie nach Hause wollen?“ „Aber natürlich“, antwortete Weston. „Ich habe keine Angst und…ich habe gehört, was mit Connor passiert ist.“ Das Mädchen schluckte. „Ich wusste nicht einmal, dass er für einen Tag raus konnte“, flüsterte sie. „Ich schon.“ Tom seufzte. „Ich wurde darüber informiert und wollte an dem Tag nicht alleine sein. Tagsüber wäre es kein Problem gewesen, aber am späten Abend…deswegen habe ich auch die Führung am College organisiert. Sie sollte mich ablenken. Als alle weg waren, wollte ich weiter arbeiten…ich fühlte mich dort sicher…“ „Ich verstehe“, murmelte Jodie. „Wollten Sie mich deswegen an dem Abend nach Hause bringen?“ Tom nickte. „Als…als Connor Sie angriff…hat er irgendwas…gesagt?“ „Er hat immer wieder beteuert, dass er Amber nicht umbrachte. Als ich nichts davon hören wollte, wurde er wütend…und naja…was dann passiert ist, hast du sicher gehört.“ Jodie schluckte. „Das…das tut mir leid…“ Weston stand langsam auf. „Geht es?“ „Gerade so. Ich werde einfach das gesunde Bein belasten.“ Tom griff nach einer Krücke. „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“ „Kannst du die Tasche nehmen, die neben dem Bett steht und mich nach unten bringen?“ „Natürlich“, sagte Jodie und nahm die Tasche. Tom ging langsam zur Tür und öffnete diese. „Warten Sie…ich mach das schon“, kam es sofort von Jodie und sie eilte zu ihm. „Glauben Sie…es hört irgendwann auf?“ „Was meinst du?“ Tom ging aus dem Zimmer und auf den Fahrstuhl zu. Als er vor diesem stand, drückte er auf den Knopf und wartete. „Die ganze Geschichte…zuerst Amber…jetzt Connor…“ „Du glaubst, dass es Mord war?“ Tom betrat den Aufzug. „Ich weiß es nicht“, gestand Jodie während sie ihm folgte. „Connor ist…es ist merkwürdig.“ Weston grübelte. „Ich glaube, wir sollten nach vorne sehen.“ „Ja…wahrscheinlich“, gab Jodie von sich. Die Tür des Fahrstuhls schloss sich. Sobald Starling seinen Wagen vor dem Krankenhaus parkte, machte er sich mit schnellen Schritten auf den Weg in das Zimmer von Tom Weston. Akai hatte anfangs Schwierigkeiten seinem Tempo zu folgen, schlug sich aber wacker. „Regel Nummer drei: Bleib immer ruhig, egal wie wütend oder aufgestachelt du bist.“ Als der Agent vor der Zimmertür stand, vergewisserte er sich, dass seine Dienstwaffe geladen war. Im äußersten Notfall würde er sie einsetzen. Starling klopfte an die Zimmertür, aber die Antwort blieb aus. Schnell drückte er die Klinke nach unten und betrat das leere Zimmer. Das Bett war gemacht und nichts wies mehr auf einen Patienten hin. Sofort ließ er den Blick durch den Raum schweifen und betrat dann das Badezimmer. Leere. „Verdammt“, murmelte er. Shuichi öffnete die Schranktür im Raum und schluckte. „Jodie könnte auch wieder zu Hause sein…“ „Mhm…“, gab der Agent von sich und ging nach draußen. Als er am Schwesternzimmer ankam, zückte er seinen Dienstausweis. „FBI, Special Agent Starling“, stellte er sich vor. „Können Sie mir sagen, was mit Mr. Weston aus Zimmer 453 passiert ist? Er wurde gestern früh hier eingeliefert.“ „Einen Moment“, antwortete die Schwester und tippte den Namen in den Computer ein. „Ach, da haben wir es. Mr. Weston wurde vor einer halben Stunde auf eigenen Wunsch entlassen.“ Eine halbe Stunde. Sie hatten ihn um eine halbe Stunde verpasst. „War ein junges Mädchen bei ihm? Blonde Haare, blaue Augen…sie trägt eine Brille?“ Die Krankenschwester nickte. „Ja, sie war da. Die beiden sind vorhin zusammen gegangen.“ Starling schluckte. „Wissen Sie wohin?“ „Normalerweise fahren die Patienten wieder nach Hause.“ „Danke“, murmelte Starling und lief zurück zu seinem Wagen. „Haben Sie seine Adresse?“, wollte Akai wissen. „Ja.“ Der Agent stieg ein und startete seinen Motor. Bevor er losfuhr, steckte er das Handy in die Freisprechanlage und wählte die Nummer von James Black. „Black“, nahm der Angerufene das Gespräch an. „James, ich bin es“, fing Starling an. „Ich glaube, ich weiß, wer für Ambers Tod verantwortlich ist.“ „Aber das wissen wir doch“, warf James ein. „Nein! Wir nahmen an, dass es Connor war, weil alle Beweise gegen ihn sprachen. Aber ich glaube, dass Connor nur ein Bauernopfer war. James, wir hätten uns von diesen Beweisen nicht blenden lassen dürfen.“ Starling fuhr auf die Straße und setzte den Blinker. „Erinnerst du dich an den User mit den unterschiedlichen IP Adressen?“ „Natürlich. Er war über die ganze Welt verteilt gewesen.“ „Wir haben alle Daten noch einmal komplett aufgeschlüsselt. James, es gibt in Ambers Umgebung eine Person, die an all diesen Orten gewesen ist.“ James schluckte. „Wer?“ „Tom Weston, Ambers Vater. Ich weiß, es hört sich makaber an, aber die Daten stimmen nahezu überein. Ich bin mir sicher, wenn wir in jedem Hotel und in jedem Internetcafé nach Weston fragen, werden wir fündig.“ „Ich lasse den Sachverhalt prüfen.“ „Danke.“ „Ich frage mich aber, was für ein Motiv Weston hatte“, gab James von sich. „Wir wissen doch, dass sich Amber mit vergebenen Männern traf. Es könnte Zufall gewesen sein, dass sie ausgerechnet ihren Vater traf. Vielleicht wurde er wütend und alles artete aus…Und was Connor angeht…möglich, dass er Weston vor dem Haus sah…“ „Was das angeht, können wir nur spekulieren. Wir brauchen Westons Aussage“, gab James von sich. „Ich weiß.“ „Ich schicke ein Agententeam ins Krankenhaus.“ „Das bringt nichts mehr. Er wurde auf eigenen Wunsch entlassen…und er hat Jodie.“ „Was? Weston hat Jodie entführt?“ „Nicht entführt“, antwortete Starling. „Sie wollte wohl im Krankenhaus mit ihm reden und ist dann mit ihm gegangen…wir sind auf dem Weg zu seiner Wohnung.“ „Wir?“, wollte James wissen. „Shuichi Akai. Ich hab dir von ihm erzählt.“ James dachte nach. „Der Student…natürlich.“ „Genau der. James, du musst mir Unterstützung zu der Wohnung von Tom Weston schicken. Und ruf einen Krankenwagen. So wie ich Weston einschätze, wird er es wie einen Selbstmord aussehen lassen.“ „Ich kümmere mich drum.“ „Danke, bis später.“ Starling legte auf. „Sie haben gelogen“, entgegnete Shuichi. „Regel Nummer vier: Wenn Gefahr im Verzug ist, ist sofortiges Handeln notwendig, egal welche Mittel man einsetzen muss. Ich lüge meine Kollegen nur an, wenn ich mir sicher bin, auf der richtigen Spur zu sein.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)