A new Mock Town Evening von LamiaDusk ================================================================================ Kapitel 2: Gestrandet --------------------- Kapitel 2 Gestrandet Claire sah dem Dieb einen Moment lang nach, dabei nachdenklich auf ihrem Unterlippenpiercing kauend. Ihr Blick glitt von dem Mann neben ihr, zu der nun am Boden liegenden Geldbörse und wieder zurück, ehe sie sich in Bewegung setzte, um ihren Besitz wieder einzusammeln. Sie sah in die Börse hinein und zählte das darin enthaltene Geld, um sicherzustellen, dass dieser Typ nichts rausgenommen hatte. Bellamy trat an sie heran. „Alles noch da?“ Claire schwieg einen Moment, nickte dann aber. „Ja, alles da.“ „Ich denke, für die Hilfe schuldest du mir einen Gefallen.“ Es war keine Frage, sondern eine (sehr selbstgefällige) Feststellung, und das ließ Claire die Zähne fletschen. „Kann mich nicht erinnern, dich um Hilfe gebeten zu haben.“ Sie drehte sich zu dem Mann um und stemmte die Hände in die Hüften. „Kleiner Hinweis: Wenn du das nächste Mal den großen Retter für eine Jungfrau in Nöten spielen willst... stell vorher sicher, dass die Jungfrau auch wirklich in Nöten ist. Du weißt das vielleicht nicht, aber viele Frauen lassen sich nicht gerne grundlos bevormunden.“ „Warum warten, bis es ernst wird? In Schwierigkeiten wärst du so oder so geraten.“ „Woher willst du das wissen? Ich bin vielleicht keine große Nummer, aber mit einem einfachen Dieb werde ich locker fertig.“ Er grinste schief. „Ach wirklich? Süß. Trotzdem habe ich dir geholfen, ob du die Hilfe brauchtest oder nicht.“ Claire atmete tief durch, um ihre Frustration niederzukämpfen, und antwortete dann gezwungen freundlich:„Und was verlangt mein großer Retter für seine Hilfe?“ Er lehnte sich über sie, und erst jetzt wurde Claire wirklich bewusst wie viel größer er war als sie. „Folgendes: Du und ich, wir gehen jetzt zusammen einen trinken; in ner ordentlichen Kneipe, nicht dieser Absteige von vorhin. Und dann sehen wir mal, wohin der Nachmittag uns führt.“ Claire lächelte und platzierte sanft eine Hand auf seiner Brust, in einer beinahe schon koketten Geste. Dann schob sie ihn beiseite. „Hm... nein.“ Sie marschierte los, aus der Gasse raus und wieder auf die Straße, ihre Geldbörse dabei genaustens im Auge behaltend. Zum Glück schaffte sie es dieses Mal, alle ihre Einkäufe in Ruhe zu erledigen. Mit Tüten voller Lebensmittel in ihren Händen und wesentlich besserer Laune schlenderte sie zurück zum Hafen, wo wie immer ihr treues Boot auf sie wartete. Oder eher: warten sollte. Dort, wo der kleine Kahn gelegen hatte, war nun ein wesentlich größeres Schiff, um dessen Rumpf herum zersplitterte Holzbretter trieben. Claire fielen vor Entsetzen die Einkaufstaschen aus den Händen. Das durfte doch nicht wahr sein! Ein Mann mittleren Alters kam hämisch grinsend auf sie zu. „Oh, tut mir leid, hat diese Nussschale etwa dir gehört? Tja, so ein Pech aber auch. Hättest sie vielleicht nicht da lassen sollen, wo wir anlegen wollten!“ Er lachte, und einige Schaulustige stimmten in das Lachen mit ein. Claires Blick wurde mit jeder Sekunde finsterer, bis sie plötzlich herumfuhr und dem Mann einen Faustschlag mitten ins Gesicht verpasste. Er stolperte ein paar Schritte zurück, wahrscheinlich eher vor Überraschung als vor Schmerz. „Heh... das war ein Fehler.“ Claire antwortete nicht, sondern setzte ihre Attacke fort; härter diesmal und gezielter. Sie wusste nicht, wie lange sie ihn mit ihren Fäusten bearbeitete, als sie plötzlich jemand packte und von dem nun am Boden liegenden Mann wegzerrte. Er bewegte sich nicht mehr. Endlich aus ihrem Wutanfall aufgeweckt, sah Claire sich um, schwer atmend und nicht ganz sicher, was da gerade passiert war. Man starrte sie an, doch stattdessen lief sie nur zum Rand des Hafenbeckens, wo die jämmerlichen Überreste ihres gesamten Besitzes trieben. Nur nebenbei hörte sie, wie die Gaffer sich zerstreuten. Dann drehte sie sich um und knurrte. Der einzige, der ihr noch Beachtung schenkte, war Bellamy, der ihr wahrscheinlich gefolgt war und das alles mitbekommen hatte... fantastisch. Allerdings grinste er diesmal nicht; im Gegenteil, er hatte einen eher nachdenklichen Ausdruck auf dem Gesicht, als er sie musterte. „Kannst du nicht jemand anderen stalken?!“, blaffte sie ihn an, als sie auf ihn zugestapft kam. „Ich hab mitbekommen, was passiert ist. Schade um dein Boot.“ Er tippte ihre Einkäufe mit der Schuhspitze an. „Hab auf deinen Kram aufgepasst, während du beschäftigt warst.“ Zum ersten Mal empfand sie Bellamy gegenüber echte Dankbarkeit. „Äh... d...danke.“ Sie sah sich um. „Was ist mit dem Mann, den ich angegriffen habe?“ „Den du zu Brei geprügelt hast, meinst du wohl.“ Der Pirat kratzte sich am Kinn. „Tot.“ „Huh?!“ „Yeah. Weiß nicht genau, wie oder warum. Du siehst nicht stark genug für sowas aus.“ Er schien über die ganze Sache nicht allzu bekümmert. „Nun schau doch nicht so, die Tracht Prügel hatte er sich sowieso verdient.“ „Ich hatte nicht gerade vorgehabt, heute einen Mord zu begehen!“, schnappte sie, halb wütend, halb erschrocken. „Unter den gegebenen Umständen wäre es wohl eher Totschlag als Mord.“ „Weil mir das auch seine Kameraden vom Hals halten wird. 'Keine Sorge, ich hab euren Kumpel nicht ermordet, nur totgeschlagen!'.“ Bellamy neigte den Kopf. „Yeah, ich kenne den Captain von dem Typen. Ziemlich unangenehmer Kerl, und der wird sowas nicht auf sich sitzen lassen.“ „Fantastisch...“ „Nun hör mal zu, Kleines. Wies aussieht, sitzt du fürs Erste hier fest, und hast dich auch noch mit ner Bande übler Kerle angelegt. Klingt nach Schwierigkeiten für dich. Es sei denn...“ „Es sei denn?“ „Es sei denn, du hast eine noch stärkere Bande, unter deren Schutz zu stehst.“ Er ließ grinsend die Zunge raushängen. „Du gibst einfach nicht auf, was?“ „Ich mag Beute, die es mir schwer macht.“ Claire seufzte und rieb sich die Stirn. „Ich versteh schon. Die Geier verschwinden, wenn die Hyäne kommt, was?“ „So siehts aus. Also, bist du dabei?“ Claire schwieg für ein paar Sekunden, ergriff dann aber Bellamys ausgestreckte Hand. ,,Okay. Ich hab wohl keine andere Wahl.“ Er zog sie an seine Seite, einen Arm um ihre Schultern gelegt, als wolle er verhinden, dass sie bei der ersten Gelegenheit Reißaus nahm. „Glaub mir, dir wird’s bei uns gefallen.“ „Es war davon die Rede, dass ich unter deinem Schutz stehe. Nicht, dass ich deiner Bande beitrete.“ „Na hör mal, ich kann dich am besten beschützen, wenn du Mitglied meiner Bande bist!“ „Warum bist du überhaupt so versessen auf mich? Wir kennen uns gerade mal seit ein paar Stunden!“ „Wie gesagt, ich mag schwere Fälle.“ Claire verdrehte die Augen. Na das konnte ja noch was werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)