The Warning! von Dracos-Princess ================================================================================ Kapitel 28: Ein Tropfen Liebe ist mehr als ein Ozean Verstand ------------------------------------------------------------- - Kapitel achtundzwanzig -     Die letzten zwei Stunden – so kam es der Gryffindor-Schülerin vor – waren plötzlich wie weggeblasen, nachdem sie das Portrait der fetten Dame aufgeschoben hatte und sich inmitten eines Streits wiederfand. All die schönen Bilder waren zerplatzt, jegliche Erinnerungen an Draco getrübt, weil ihre Instinkte ein friedvolles Leben seit Anbeginn ihrer Zeit in der Zaubererwelt nicht zuließen, angesichts ihrer Vergangenheit. Augenblicklich musste Hermine wieder funktionieren, Stärke beweisen und die aufkeimende Angst wacker verbergen. Sie fühlte sich in die Zeit zurückversetzt, als sie Voldemorts Horkruxe jagten. Auch damals stritten die einstigen Freunde. Unschöne Worte waren gefallen, die zum Bruch zwischen Harry und Ron geführt hatten – so auch heute. Hermine hatte das Portrait noch nicht ganz zurückgeschoben, da versuchte sie die Situation zu überblicken.   Unverzüglich erkannte sie Ron, der missgestimmt am Kamin stand, eine Hand fest in die Hüfte gepresst, wohingegen die andere seinen Kopf stützte. Seine Wangen leuchteten feuerrot, während er ununterbrochen in Ginnys Richtung schrie, die ihrem Bruder still gegenüberstand und seine Vorwürfe kommentarlos zur Kenntnis nahm. Bei dem einen oder anderen gefallenen Wort schüttelte das Mädchen ihre roten Haare, wodurch sie Rons Infantilität, sowie die Absurdität hinter seinen Worten zum Ausdruck bringen wollte. Was anderes konnte Ginny auch nicht tun – sie würde sich hüten, ihre Energie in Wut zu investieren. Das übernahm bereits Ron und wie man sah, tat es dem großgewachsenen Weasley gar nicht gut, sich in seinen Zorn weiter hineinzusteigern.   Des Weiteren fragte sich Hermine, wo Harry war? Allzu groß war der Gemeinschaftsraum auch nicht, weshalb sie schnell realisierte, dass einer ihrer besten Freunde nicht anwesend war. Aber wieso? Sonst verbrachten sie Jungs stets jede Minute miteinander, um sich über unnützes Wissen bezüglich Quidditch auszutauschen.   „Hey?“, unterbrach Hermine gerade eine weitere Welle des Zorns, die Ron auf Ginny abwälzen wollte. Mithilfe ihrer Ankunft wollte sie die Lage lockern, das erhitzte Gemüt von Ron etwas senken und sich selbst ein Bild verschaffen, worum es überhaupt ging. „Was ist hier denn los? Wieso -“   „Hermine!“ Fassungslos stürmte Ron auf das Mädchen zu, das überfordert im Rundboden stand. „Endlich bist du da. Sag meiner Schwester“, knurrte er verbissen, ehe er mit dem Finger hinter sich zeigte, „dass sie übergeschnappt ist.“ Seine Stimme wurde immer lauter. Auch erhoffte er sich von seiner besten Freundin sowohl Rückendeckung, als auch Beistand – hinsichtlich Ginnys schändlichem Verhalten. „Sie erzählt mir hier irgendwas von Liebe, obwohl die sie Bedeutung dieses Wortes gar nicht kennt. Kannst du dir das vorstellen?“   Skeptisch flatterten ihre Augenbrauen nach oben, anlässlich dieser abwegigen Meinung. „Ron“, begann Hermine daraufhin behutsam, bevor ihre Hand nach Rons erhobenem Finger griff und diesen nach unten senkte, „ich glaube, du übertreibst.“ Sie selbst würde sich so weit aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass Ginny die Einzige war – neben Ron, Harry und ihr –, die überhaupt etwas von Liebe verstand und sehr wohl die Bedeutung des Wortes kannte. Sie war es schließlich, die zu Blaise stand und ihre Gefühle nicht verleugnete.   „Ich übertreibe?“ Mit weit aufgerissenen Augen trat der Gryffindor-Schüler zurück – den Blick immer wieder zu Ginny und Hermine gerichtet, die sich offenbar gegen ihn verschwisterten.   „Ja, du übertreibst“, wiederholte sie eindringlicher, denn sie verstand Ginnys Schweigen zu gut. Ron war ein herzlicher, von Grund auf lieber Mensch, aber seinen Unmut konnte er nie verbergen – schon gar nicht, wenn es um seine einzige, jüngere Schwester ging. „Ron, Ginny ist kein kleines Mädchen mehr, das du beschützen musst. Sie wird erwachsen und wird ihre eigenen Wege gehen, oder glaubst du, dass du ihr immer alles verbieten kannst, geschweige denn darfst?“   „Warte“, schüttelte Ron aufgeregt seinen rot schimmernden Schopf. „Du hast für meine Schwester Verständnis, aber nicht für meine Reaktion?“   „Ja, weil du ihr nicht verbieten kannst, einen Jungen zu lieben, der nicht Harry ist, oder?“ Ob sie mit diesem Satz zu weit gegangen war? Eigentlich nicht, denn wenn es nach ihrem Gegenüber gehen würde, müsste Ginny ihren Abschluss machen, ehe sie Harry heiratete. Das – und nur das – war Rons Wunschgedanke, aber so einfach war das nicht. Man konnte keine Gefühle erzwingen. „Ich bitte dich, sieh endlich, dass weder Harry, noch Ginny deinem Wunsch entsprechen wollen“, flüsterte sie zögerlich, als sie näher an ihren Freund aus Kindertagen herangetreten war, der die Wahrheit partout nicht sehen wollte. „Korrigiere mich, wenn ich falsch liege, Ronald, aber würden sie sich lieben, wären sie doch schon längst zusammen, oder?“   Nein. Ein klares nein. Hermine verstand scheinbar ebenso wenig, wie seine kleine Schwester. „Hermine, sie ist meine Schwester und Zabini ist... er ist ein Slytherin. Außerdem geht es gar nicht um Harry, sondern einzig und alleine darum, dass Zabini meine Schwester ausnutzt.“ Immer rasender wurde die heisere Stimme. „Sie ist einfach zu gutmütig und nicht in der Lage“, fuhr er nahtlos fort, während er seiner Schwester einen düsteren Blick zuwarf, „zwischen Richtig und Einfach zu differenzieren. Sie erkennt ja nicht mal meine Sorgen“, ergänzte er schonungslos. „Und ich frage mich, wie du mir diesbezüglich in den Rücken fallen kannst, nach allem, was wir mit diesen... diesen Idioten schon durchmachen mussten.“   Das traf die heranwachsende Frau. Dass ihr Freund nicht sah, dass Hermine ihm nichts böses wollte, sondern lediglich zwischen beiden Geschwistern zu vermitteln versuchte. „Ronald, ich falle dir nicht in den Rücken, aber Ginny muss doch ihre eigenen Erfahrungen machen – wie jeder von uns auch. Du kannst nicht immer neben ihr stehen und darauf warten, sie zu retten.“ Ihr Ziel war es, Rons Unmut nicht auf sich selbst zu lenken. Andernfalls wollte sie aber Ginny aus dem Fadenkreuz retten. „Und ich denke nicht, dass er sie ausnutzen wird. Was, Ronald, was versichert dir, dass das Zabinis Intention ist?“   „Sie ist meine Schwester“, beharrte Ron weiterhin.   „Und das wird sie auch immer bleiben. Sie wird nur... erwachsen und reifer – wie du.“ Auch wenn Hermine momentan nichts von Rons geistiger Reife bemerkte.   „Hat Malfoy dich auch schon um den Finger gewickelt, oder was?“, säuselte er verärgert. „Wieso seht ihr dummen Gänse nicht die Gefahren, verdammt? Slytherins sind und werden nie wie wir sein, weil sie ebenso wenig wie du und Ginny die Liebe kennen.“   Die blanke Wut sprach aus ihm, das wusste Hermine. „Was hat Draco mit unserer Diskussion zu tun? Das steht doch gar nicht zur Debatte.“   „Ach so“, entkam es ihm bissig. „Ihr seid schon beim Vornamen angekommen – wie rührend“, ärgerte sich Ron weiter und wandte sich zum Abschluss wieder an Ginny. „Nennst du Zabini auch schon Blaisi, oder was?“ Merlin, waren die Mädchen verrückt geworden? Was war nur mit denen los?   „Du bist albern, Ronald, und das weißt du“, entgegnete stattdessen Hermine, während sie ihre Arme vor der Brust überkreuzte. „Oder haben wir dasselbe Affentheater veranstaltet, als Lavender immer und immer wieder verliebt nach ihrem Won-Won gerufen hat?“ Inständig hoffte Hermine, dass Ron sich nicht mehr genau daran erinnern konnte, denn damals fand Hermine Lavenders Auftreten alles andere als lustig, aufgrund ihrer damaligen Gefühle für ihren besten Freund.   „Äh, ja?“, erwiderte der rothaarige Junge irritiert und hob perplex die Hände. „Ihr habt euch darüber aufgeregt.“   „Und? Haben wir dir damals dieselben wüsten Geschichten erzählt, wie du es gerade tust? Haben wir behauptet, dass Lavender eine Gefahr darstellt? Nein, haben wir nicht, weil wir deine Entscheidungen immer akzeptiert haben.“ Mist, er hatte es nicht vergessen.   „Du kannst Lavender nicht mit Malfoy und Zabini vergleichen. Ich bitte dich, Hermine.“   „Ron“, flüsterte Hermine versöhnlicher, ehedem sie den Abstand zu ihm schloss und ihn umarmte. Fast fürsorglich legte sie ihre Hände um seinen Rücken, während sie ihm ins Ohr flüsterte: „Bitte, sei nicht so. Du treibst deine Schwester nur weiter weg von dir, bis sie dir letztendlich gar nichts mehr anvertraut. Du bist mein bester Freund und ich bitte dich, zerstör nicht die Bindung zu ihr.“ Oh, wie neidisch Hermine immer gewesen war. Auch sie wollte immer einen großen Bruder, der sie beschützte, in den Arm nahm und ihr Ratschläge gab. Unendlich neidisch war sie – immer dann, wenn das starke Band zwischen den Weasley-Geschwister zum Vorschein kam und sie zusammenhielten. Parallel zu ihren Gedanken, löste sie ihre Umarmung und strich bedächtig über seine starken Oberarme. „Triff dich doch einfach mal mit Blaise, hm?“   „Ich soll was?“   „Was hättest du zu verlieren?“, konterte Hermine.   „Zeit?“, bemerkte er mürrisch und rollte gleichzeitig mit seinen Augen.   „Wer weiß?“, ermutigte Hermine ihn. „Vielleicht versteht er deine Angst, wenn du ihm erklärst, wieso du der Beziehung skeptisch gegenüberstehst? Nicht gerade so offensiv, wie du es Ginny und mir erläutert hast, aber eben genauso inhaltlich, hm? Vielleicht ist er gar nicht so übel, wie du denkst?“, schlug sie vor und wusste, dass Diplomatie eben doch gut war. Im Bezug auf Draco könnte sie das vermutlich nicht vorschlagen; Ron würde auf die Barrikaden gehen.   „Du verlangst von mir, dass ich mich mit Zabini an einen Tisch setze? Verstehe ich das richtig?“, schnaufte er verbittert, bevor er noch hinzufügte: „Aber du bist dir schon sicher, dass dich niemand verflucht hat, oder?“ Ihr Vorschlag stieß ihm sauer auf, aber – und daran zweifelte Ron nicht – wenn Hermine recht behielt, dann... dann würde er Ginny irgendwann tatsächlich verlieren. Schließlich hatte Hermine immer recht...   „Nein, ich schlage es dir lediglich vor – ganz ohne Zwang.“   „Insgeheim verlangst du es aber doch von mir, richtig?“, erwiderte er leicht niedergeschlagen, weil er wusste, die Diskussion verloren zu haben. Man war gegen eine Frau eben immer machtlos.   „Irgendwie schon, ja. Ich möchte damit nur erreichen, dass du nicht in allem das Schlecht siehst und Menschen sich ändern können, wenngleich diejenigen Charaktereigenschaften aufgewiesen haben, die nicht der Norm entsprachen“, drückte sie vorsichtig aus. „Wir haben uns doch auch verändert, oder nicht?“   „Da verlangst du aber ganz schön viel, Hermine.“ Er wusste nicht, ob er ihrer Bitte nachkommen konnte. Wirklich, er wusste es nicht. Zabini war ein Slytherin, er war eine Schlange, die nur auf den günstigsten Moment wartete, um sich erfolgreich um den Löwen zu schlängeln. Nie hatten die den Slytherins getraut, immerzu hatten sie die Schüler gemieden und plötzlich sollten sie alle nett und freundlich sein?   Wann sollte dieser Sinneswandel bitte stattgefunden haben? Sieben Jahre waren sie Zeugen dieser Veränderung, die Hermine fälschlicherweise in den Slytherins sah.   Ferner drehte sich Ron wieder zu seiner Schwester, die immer noch schweigsam im Raum stand. „Willst du das, Ginny? Soll ich mit Zabini sprechen und ihn kennenlernen?“ Er pausierte, ließ seiner Schwester aber nicht die nötige Zeit, darauf zu antworten. „Ich tue es, aber erwarte keine Luftsprünge von mir, ja?“   „Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird, Ron“, antwortete stattdessen Hermine, die ihm gleichzeitig Mut zusprechen wollte. Innerlich erleichtert, dass er ihren Vorschlag nicht von vornherein ablehnte, drückte sie sanft seine Hand, die sie zuvor in ihre genommen hatte, woraufhin er argwöhnisch in ihr Gesicht blickte und hörbar schnaufte.   „Du erwartest aber nicht dasselbe, oder? Malfoy ist ein ganz anderes Kaliber, Hermine. Wir – auch du – haben ihn immer gehasst“, hob Ron eisern hervor. „Und er hat uns auch gehasst.“   „Na ja“, begann sie und tippte mit ihrem Zeigefinger leichtlebig auf ihre Lippen, „wenn du mich so fragst, dann könnte ich da etwas arrangieren, sofern das dein Anliegen -“   „Nein!“, unterbrach Ron sie lachend. „Malfoy ist mein rotes Tuch und wenn du und er... Also, wenn ihr Freunde seid“, erwähnte er mit verzogenem Mund, der seinen Ekel ausdrücken sollte, aufgrund dessen, weil er die wahre Tatsache nicht aussprechen wollte, „dann ist das so. Ich muss es dann akzeptieren, dass dieser -“ Ron bemerkte ihren immer düsterer werdenden Blick. „Dass dieser ausgesprochen charismatische Mensch sich wie ein roter, lästiger Faden durch mein Leben ziehen wird. Das reicht aber auch schon, Hermine.“ Zu mehr war er einfach nicht bereits und er baute auf das Verständnis seiner besten Freundin. Ob er überhaupt jemals zu mehr bereit wäre, konnte er gar nicht sagen, aber er hoffte, Malfoy nicht öfter zu sehen als nötig war. Es hatte ihn schon all seinen Mut gekostet, als er ihn im Schulkorridor angesprochen hatte und das genügte ihm, was Annäherungsversuche zwischen ihm und Malfoy betraf.   „Und du wirst dich wirklich benehmen?“, wollte Ginny – die an die beiden Freunde herangetreten war – neugierig von ihrem Bruder wissen. Ihre Geduld zahlte sich aus, da sie warten wollte, bis Ron sich ausgiebig aufgeregt hatte. „Du wirst ihm nicht die Griselkrätze an den Hals wünschen?“   Hallo? Was tat er hier überhaupt? Zeigte er seiner Schwester nicht gerade, dass er sie von Herzen liebte und über seinen Schatten sprang? Merlin würde ihm beistehen müssen, um dieses Treffen unbeschadet zu überleben. „Meinetwegen“, grummelte er daher halbherzig, den Blick jedoch in eine andere Richtung gewandt. Schwere Zeiten würden auf ihn zukommen, hinsichtlich der Akzeptanz. Aber Hermine hatte wohl wirklich recht... Seine Schwester wurde älter. Seine Schwester durfte eigene Entscheidungen treffen, wenngleich sie nicht mit Rons Ansichten konform gingen.   „Du akzeptierst es zähneknirschend?“, zischte Ginny pikiert.   „Entschuldige, dass ich nicht vor Freunde im Dreieck springe. Ich hab's im Kreuz, weißt du?“ Es fiel ihm unheimlich schwer, sich zusammenzureißen, aber er tat es – sowohl für Ginny, als auch für Hermine, die scheinbar von allen guten Geistern verlassen waren. Aber es schien nicht ganz abwegig zu sein, dass Ginny und Hermine den beiden Slytherins etwas bedeutete... Es war nicht mehr von der Hand zu weisen.   „Ginny“, erklang Hermines Stimme, die wieder schlichten wollte, „das ist doch ein guter Anfang, oder? Du musst auch Ron verstehen.“ „Ach ja? Muss ich das?“, begegnete sie Hermines Aussage mit Hohn.   „Ja, Ginny.“   „Danke!“, entströmte es Ron, der zwischenzeitlich auf dem Sofa vor dem Kamin Platz genommen hatte. „Endlich jemand“, vollführte er seinen Satz mit erhobenen Armen, „der einsieht, dass ich nicht von heute auf morgen einen Haufen Slytherins – bestehend aus Personen, die wir nie mochten – mit Kuchen und Blumen empfangen kann. Danke, vielen Dank.“   Indessen warf Hermine ihm einen bösen Blick zu. Musste Ron ausgerechnet jetzt noch Öl ins Feuer nachgießen? Oder musste er seinem routinierten Drängen nachgeben, sich künstlich aufzuregen, weil seine Schwester jemand anderen als Harry vorzog? Wo sie gerade über ihn nachdachte..   „Wo ist eigentlich Harry?“ Gerne würde Hermine seine Sichtweise kennen, die sicher anders wäre als die von Ron. Schließlich konnte man mit Harry vernünftig reden.   „Oben. Im Schlafsaal, weil er – ähnlich wie ich – keine Lust auf diese Unterhaltung hatte. Er wollte sich aus allem heraushalten, weil -“ Ron unterbrach sich selbst, nachdem er sich erinnerte, was Harry tatsächlich gesagt hatte.   „- weil das Theater einem Kindergarten gleichkommt?“, beendete Hermine seinen unausgesprochenen Satz vorsintflutlich. „Da hat Harry ganz recht. Er hat erkannt, dass man niemandem seinen Willen aufzwängen kann.“   „Hat er das, ja?“ Aus ihrer Provokation hatte er neuen Mut geschöpft, den er unweigerlich in neuen Streit investierte, aufgrund des verbalen Angriffs. „Hast du das auch Malfoy gesagt, als er -“   „Natürlich, Ronald!“, fauchte sie ihm ambitioniert entgegen, während sie ihn ununterbrochen ansah. Mittels ihres Blickes wollte sie ihm signalisieren, dass jede weitere Diskussion unnötig wäre, da sie sowieso auf keinen gemeinsamen Nenner kämen. Ron schaltete erst recht auf stur, sobald sich das Gespräch in Richtung Draco bewegte. So war es immer gewesen. Hermine kannte schließlich ihren besten Freund gut genug, um das einschätzen zu können. Sie war bloß erschrocken, dass Ron dachte, sie hätte sich einfach so auf Draco eingelassen. „Ich habe ihm das mehrmals zu verstehen gegeben oder bist du tatsächlich der Meinung, dass ich mich auf jeden Mann einlasse, der mir seinen Willen aufzwängen will? Denkst du das?“   „Sag du es mir, Hermine.“   „Wenn du das wirklich glaubst, dann kennst du weder mich, noch deine Schwester richtig. Andernfalls würdest du so etwas nicht von dir geben und wissen, dass wir uns nicht beeinflussen, geschweige denn so einfach blenden lassen.“   „Ich kenne Zabini und Malfoy. Das genügt, um -“   „- um was, Ronald? Um sie voreilig abzukanzeln?“ Kaum hatte sie den Streit zwischen Ron und Ginny entschärfen können, da stand sie selbst im Fadenkreuz ihres besten Freundes. „Nach all den Jahren könnten sie sich nicht geändert haben?“   „Ist der Streit etwa immer noch nicht vorbei?“, tönte Harrys Stimme durch den Gemeinschaftsraum. Augenrollend legte er seine Arme auf die Balustrade der obenliegenden Empore, die zu den Schlafsälen der Schüler führte.   „Würdest du deinem besten Freund, gleichlaufend meinem bornierten Bruder bitte erklären, dass Menschen sich sehr wohl ändern können? Das will er nämlich nicht einsehen“, erläuterte Ginny unfreundlich. Sie hatte es satt, sich immer wieder vor ihrem Bruder zu rechtfertigen, der auf sein Recht bestand, weil er der Ältere von beiden war. „Bring ihm bei, dass Alter und Weisheit nicht unbedingt Hand in Hand gehen, Harry – auch wenn er davon überzeugt ist.“   „Das werde ich nicht tun, Ginny. Wieso auch, wenn ich derselben Meinung bin wie Ron?“ Langsam trottete er die Wendeltreppe zum Gemeinschaftsraum hinab, ehe er zwischen den Streithähnen stehen blieb, das Buch, das er in den Händen hielt, zur Seite legte und sich abschließend wieder an Ginny wandte. „Ja, Menschen können sich ändern – wir alle verändern uns. Aber nicht jeder verändert sich zum Guten, zumal Malfoy scheinbar nie einen Grund sah, nett zu uns zu sein. Was Zabini betrifft, nun ja – ihn kann ich am allerwenigsten einschätzen“, gestand er zermürbt. Unmöglich konnte er sich für eine Seite entscheiden, oder? Immerhin stand Ron gegen beide Mädchen auf verlorenem Posten. „Wieso soll ich Ron eine Meinung aufzwängen? Ihr wollt doch auch nicht, dass man selbiges mit euch macht, richtig?“   „Aber -“   „Ginny, die beiden Herrschaften haben nie versucht, unsere Zweifel aus dem Weg zu räumen. Was erwartest du von uns?“   „Dass ihr Hermine und mir vertraut, weil wir sie einschätzen können“, knurrte das rothaarige Mädchen genervt. Harrys Antwort hatte sie regelrecht aus der Bahn geworfen. Ginny dachte wirklich, Harry wäre weitsichtiger als Ron, der in allem und jedem – der nicht zu Harry stand – das Böse sah. „Ron ist immerhin bereit, sich mit Blaise an einen Tisch zu setzen. Dasselbe könntest du doch auch machen? Dich mit Malfoy an einen Tisch setzen?“   „Mit Malfoy?“, räusperte sich Harry amüsiert. „Moment, du meinst das ernst? Ginny, ich habe mich öfter mit ihm unterhalten als mir gut tat. Außerdem glaube ich nicht, dass er das vertiefen möchte.“   „Ein Versuch wäre es wert, oder?“, drängte Hermine, die sich ebenfalls an diesen Strohhalm klammerte. Sie wollte, dass sich ihre besten Freunde zumindest mit den beiden Slytherins auseinandersetzten. Danach könnten sie immer noch ihre eigenen Schlüsse ziehen und entscheiden, ob sie weiterhin stur bleiben wollten. Dann hätten sie wenigstens einen Grund, sich eine Meinung zu bilden. „Ron trifft sich mit Ginny und Blaise und du... du könntest dich mit Draco und mir treffen?“   „Was sagt Malfoy dazu?“   „Äh... Nun ja, er -“   „- weiß nichts davon. Ich verstehe“, endete Harry grinsend, während er wieder mit den Bügeln seiner Brille spielte. „Und wohin soll uns dieser amüsante Weg führen? Ich hoffe nicht“, schob er eilig hinterher, da sich die schlimmsten Befürchtungen in seinem Hirn ausbreiteten, „dass wir in Madam Puddifoots Café gehen werden?“   „Nein“, winkte Hermine ab. „Wir gehen ins Kino.“ „Ins Kino?“, wiederholte Harry skeptisch, nachdem seine Brille wieder auf seiner Nase saß.   „Ja, ich habe sogar die Freiheit, den Film aussuchen zu dürfen und ich weiß auch schon, welchen Film wir uns ansehen werden“, fuhr sie enthusiastisch fort. Bereits jetzt malte sie sich schon aus, wie sie im Kino nebeneinander saßen und sich diesen wunderbaren Film ansahen. „Ich hoffe nur, dass der Film noch läuft, da er schon seit mehr als einem halben Jahr auf den Leinwänden flimmert.“   „Oh man“, nuschelte Harry vergeblich, als er sich die Handinnenfläche gegen sein Gesicht schlug. „Ich hätte in meinem Zimmer bleiben sollen.“ Aber es war zu spät. Harry war gefangen – in Hermines Fängen. Ähnlich wie Ron, der sich der ausweglosen Situation nicht mehr entziehen konnte. „Malfoy wird das nicht gefallen. Wirst du es ihm sagen?“   „Um Himmels Willen, bist du verrückt, Harry?“, belächelte sie die Frage. Hermine freute sich darauf, ihren Freund zu überraschen, auch wenn sie ihn wieder vor vollendete Tatsachen stellen würde, aber das müsste er aushalten, nicht wahr? Würde er sich sträuben, hätte ihre Beziehung wahrscheinlich gar keine Überlebenschancen, wenn es an einem lapidaren Kinobesuch mit Harry scheitern würde.     ~*~     Gut gelaunt marschierte er pfeifend zurück zu den Kerkern – die Hände in seinen Hosentaschen vergraben. Alles – wirklich alles – war perfekt. Im Moment hätte es ihm nicht besser gehen können, da sein Kampf nicht umsonst gewesen war. Schließlich hatte er Granger zurückerobert, ihr Vertrauen weitestgehend zurückerlangt. Zeitgleich strotzte es nur so vor Kitsch, was er eigentlich verabscheute, sich in Kombination mit Granger jedoch ganz gut anfühlte. Er gönnte sich die Träumerei einer gemeinsamen Zukunft, was genauso ungewöhnlich für einen heranwachsenden Mann war – waren sie doch stets darauf bedacht, so etwas in weite Ferne zu rücken.   Aber der Gedanke war einfach zu... Ihm fehlte das richtige Wort. Es war jedenfalls toll.   „Du hast sie anscheinend gefunden?“   Missmutig hatte er zu pfeifen aufgehört, nachdem er stehen geblieben war und über seine Schulter blickte – direkt in das Gesicht der Schulsprecherin, die lächelnd hinter ihm stand und die vielen Bücher gegen ihre Brust drückte. Ihr langen blonden Haare lagen verwirrt über ihren Schultern, was das Bild nur verschlimmerte und Draco immer mehr den Eindruck gewann, dass das Mädchen verrückt war.   „Lovegood“, schnaufte er daher genervt. „Ja, ich habe sie gefunden.“ Loony Lovegood entsprach nicht der typischen Schulsprecherin. Nein, sie hatte eher Talent darin, Draco zur Weißglut zu treiben, aufgrund ihrer Fähigkeit immer dann aufzutauchen, wenn man nicht mit ihr rechnete.   „Lebt Seamus noch oder muss ich dir Punkte abziehen?“   Nun drehte er seinen Körper gänzlich zu ihr herum – den mürrischen Ausdruck zu einem spöttischen Lächeln umgewandelt. „Wie kannst du mir Punkte abziehen, wenn du gar nicht dabei gewesen warst und somit nicht weißt, was vorgefallen ist?“ Lovegoods blaue Augen waren wieder von dieser hässlich pink schimmernden Brille verdeckt worden, deren Fenster aus Buntglas bestanden. „Und wieso zum Teufel rennst du immer mit dieser abscheulichen Brille herum?“   „Meine Brille?“, fragte sie kichernd, bevor sie mühevoll das Gestell von ihren Ohren zog und zwischen ihre Bücher klemmte. „Na ja, sie ist sehr hilfreich. Man sieht durch die Gläser Schlickschlupfe. Sie schwirren um die Köpfe herum, fliegen gezielt um deine Ohren und können sogar -“   „Halt!“ Dracos Hand flog unwiderruflich nach oben, um den Redefluss des Mädchens zu stoppen. „Ich will das gar nicht wissen. Noch weniger, was in deinem verrückten Kopf vorgeht, klar?“   „In Ordnung.“ Noch immer lächelte Luna freundlich.   „Ich werde jetzt in die Kerker gehen, wenn es genehm ist?“ Merlin, er konnte sein Gegenüber überhaupt nicht einschätzen. Was wollte die Irre von ihm?   „Ist es“, erwiderte Luna, während sie ihn eindringlich musterte. Folglich sprach sie einfach weiter, obwohl Draco sich auf seine Weise unfreundlich verabschiedet hatte. „Aber trotzdem sollst du wissen, dass ich dir nichts vorwerfe, Draco Malfoy. Du kannst nichts dafür, was vor einem Jahr passiert ist und doch beschäftigt es dich jeden Tag. Zeigen diese Gedanken nicht, wie menschlich du bist?“   Was? Er hörte wohl nicht richtig, weshalb er sich abermals zu ihr umdrehte – sichtlich erschöpfter als zuvor. „Was sagst du da?“ Was redete sie bloß für einen Unsinn? „Woher willst du wissen, dass mich ausgerechnet diese Lappalie beschäftigt?“   Großer Merlin, war er zu einem offenen Buch geworden, das man so leicht entziffern konnte? Der Tag hatte beschissen angefangen, doch hatte er sich noch zum Guten gewendet – bis sie aufgetaucht war: Loony Lovegood. Verdammt, Draco hätte diesen Tag unter den besten Voraussetzungen beenden können, aber nein. Sowohl seine Welt, als auch seine Gedanken mussten auf den Kopf gestellt werden, von einem Mädchen, das uralte Kamellen ausgrub, die längst in Vergessenheit geraten waren.   „Weil ich neben dir stand, Draco. Ich habe deinen Blick gesehen, als Voldemort nach dir gerufen hat. Ich habe gesehen, wie sehr du mit dir gerungen hast, als du die Seiten wechseln musstest. Ich sah den Zwiespalt, die Unsicherheit in deinen Augen“, erzählte sie mit verträumter Stimme weiter. Auch ihre Augen schienen nicht mehr die Realität zu sehen, sondern in Dracos Seele einzudringen. „Aber ich sah auch, wieso du so gehandelt hast.“ „Ach, und warum?“   „Wegen deiner Mutter. Ihre zitternde Bitte, als sie nach dir gerufen hat. Und ich stelle mir die Frage, wieso du dich gegen deine vorhandene Menschlichkeit sträubst? Hast du Angst, sie würde dich schwach erscheinen lassen?“   „Hey, stellen wir eins klar!“ Was genug war, war genug. Draco wollte diese Floskeln nicht länger hören. „Du beschäftigst mich zu keinem Zeitpunkt, verstanden?“ Fassungslos darüber, wie leicht es Luna Lovegood gefallen war ihn zu demaskieren, hob er seinen Zeigefinger. „Auch damals nicht. Unglückliche Umstände und die lockere Zunge deines Vaters haben dich nach Malfoy Manor gebracht.“   Währenddessen dachte er über ihre Worte nach und wieso es ihm widerstrebte, seine Menschlichkeit zu zeigen. Denn im Grunde hatte das Mädchen vor ihm recht. Lucius hatte ihm stets das Gefühl von Schwäche näher gebracht, sobald er menschliche Züge aufwies. Sein Vater prangerte ein solches Verhalten an. Immer wieder hatte Lucius ihm gesagt, wie gefährlich und verräterisch es wäre, wenn man Gefühle zuließ. Und doch hatte sich der junge Malfoy aufgerappelt, indem er Gefühle für Hermine zugelassen hatte, wenngleich diese anfänglich anderer Natur entsprangen und Draco ein ganz anderes Ziel verfolgt hatte.   „Musst du nicht langsam los? Irgendwelche Rundgänge machen?“ Die Begegnung mit ihr warf Draco aus der Bahn. Er wollte nicht mehr mit der Vergangenheit konfrontiert werden, sondern mit ihr abschließen. Sie ruhen lassen und nie wieder ausgraben.   „Muss ich, aber ich glaube zu wissen, dass es dir helfen wird, wenn du weißt, dass das, was passiert ist, nicht deine Schuld war.“   Woher wusste sie das, verdammt nochmal? Ja, Draco gab sich an diesem ganzen Desaster eine Mitschuld – auch was die Gefangenschaft bezüglich Luna Lovegood betraf, aber woher wusste sie das?   „Es nagt an deinem Nervenkostüm und diese Last wollte ich dir nehmen, Draco.“   „Fein, ist abgehakt.“ Gar nichts war abgehakt. „Sonst noch was?“   „Eins noch, ja“, druckste Luna herum, weil sie sich in Gefilde wagte, die sie nicht kannte und plötzlich mehr als verunsichert wirkte. Verflogen war ihre Fröhlichkeit. „Bitte verletz Hermine nicht. Sie ist ein gütiger Mensch und obwohl ich weiß, dass deine Absichten ehrlich und aufrichtig sind, habe ich Angst, dass du in alte Muster verfällst, aufgrund deiner Angst, dass man hinter deine Maske blickt, sobald man diese berührt.“   „Lovegood, es reicht!“, ermahnte Draco die Ravenclaw-Schülerin. Noch nie hatte er sich so ausgiebig mit anderen Schülern unterhalten, da er es immer vorzog, seine Probleme mit sich selbst auszutragen und vor allem alleine zu lösen. Er brauchte ihre tröstenden Worte nicht, auch wenn Draco überzeugt war, dass Luna es ehrlich meinte. Aber wieso verlangte sie nach keiner Gegenleistung? Das war etwas, das Draco nicht kannte. Im Normalfall wollten die Menschen – die ihm bisher begegnet waren – immer etwas für ihre Hilfe haben. Zumal sich Lovegood auf einem Terrain befand, das Draco selbst erst ergründen musste. Hinzu kam, dass er nicht – und schon gar nicht mit ihr – über seine Situation, seine Erziehungsmaßnahmen oder seinen Vater sprechen wollte. „Es wäre jetzt wirklich besser, wenn du gehst. Irgendwann ist das Fass nämlich voll und du bist kurz davor, es zum Überlaufen zu bringen.“   „Gut. Ich gehe dann einfach davon aus, dass Seamus noch lebt.“ Sie war wieder bei Sinnen und konnte wieder kindlich grinsen.   „Was denkst du eigentlich von mir? Scheiße, ja. Er lebt. Bist du jetzt beruhigt?“, blaffte er ihr entgegen, aber nicht ein einziges Mal zuckte sie zusammen. Noch vor Wochen war es ihm ein großes Anliegen, dass er die Menschen in Angst versetzte und nun? Es war ihm zuwider, wenn man von ihm dachte, er könnte tatsächlich einen Mitschüler geschlagen haben.   „Ja, bin ich.“ Bevor sie sich umdrehte, winkte sie Draco zum Abschied und ging weiter hüpfend ihrer Wege.   „Schön!“, rief er ihr hinterher. „Dann geh am besten gleich zu ihm. Dann kann er dir erzählen, was passiert ist und dann, Lovegood, dann“, betonte er lauter, „kannst du mir Punkte abziehen!“ Merlin, er war nach diesem halsbrecherischen Gespräch mit den Nerven wirklich am Boden. Frauen konnten unglaublich schrecklich sein, wenn sie einen Mann in die Enge trieben. Sie waren im Stande, einen Mann auseinander zu nehmen, ohne körperlich verausgabt zu sein. Ja, Worte genügten schon.   Nichtsdestotrotz, auch er ging weiter, nachdem Luna um die Ecke verschwunden war. Er fühlte sich ausgelaugt, als er den Gemeinschaftsraum der Slytherins betrat und seine Laune wurde noch mehr geschmälert, als er die Person am Tisch sitzen sah, die er gar nicht mehr sehen wollte – Daphne. Vereinsamt und verlassen saß sie am Tisch, in sich zusammen gekauert und er empfand es als einen wahren Spießrutenlauf. Auf Lovegood folgte demnach Daphne, die wahrscheinlich auch dazu beitragen würde, dass er noch schlechter gelaunt war. Himmel nochmal, wie gerne würde er das Mädchen zu Boden stoßen, sie an ihren fein säuberlich nach hinten gekämmten Haare greifen und über den Schlosshof schleifen. Aber nicht einmal das würde ihm Genugtuung verschaffen, weil er wusste, wie sehr Hermine ein solches Verhalten ablehnte.   Auch sie sah benebelt nach oben und zuckte zusammen, nachdem sie Draco erkannte. Blitzschnell wandte sie ihren Blick wieder zur Tischplatte – hinab auf ihre Hausaufgaben.   „Sieh an“, murmelte Draco, der seine Arme verschränkte und seinen Körper legere gegen die Wand lehnte. „Wer sitzt denn da? Ganz alleine und verlassen.“   „Lass mich alleine“, forderte die angesprochene Frau ihn seufzend auf, während sie ihre Feder fest in der Hand hielt.   „Ich denk gar nicht dran, Daphne“, knurrte Draco, ehe er seinen Umhang nach hinten stieß, seine Beine in Bewegung setzte und dem Mädchen näherkam, das beinahe alles zerstört hätte. „Schließlich ist das immer noch der Gemeinschaftsraum der Slytherins. Wenn du deine Ruhe willst, dann musst du in deinen Schlafsaal.“   Mit wässrigen Augen besah Daphne sich das Pergament, das vor ihr lag. Ja, ihr Schlafsaal. Dort wäre sie auch gerne. Allerdings hatten Pansy und Millicent sie rausgeworfen, nachdem publik wurde, was sie getan hatte. Seitdem wurde sie ausgegrenzt. Niemand hatte sich dazu herabgelassen, ein Wort mit ihr zu wechseln. Sie wurde zur Außenseiterin degradiert, weil sie ihrer Familie beistand und etwas getan hatte, das nicht dem Wohl der Zauberergemeinschaft gedient hätte.   „Was... willst du?“, entkam ihr zitternd die Frage.   „Was ich will?“, erwiderte Draco daraufhin vergnügt, bevor er hinter ihr ankam. „Du willst nicht wissen, was ich will.“   Stimmt, das wollte Daphne wirklich nicht, weil es vermutlich nicht in ihrem Sinne wäre. „Dann geh endlich.“   „Dich noch belohnen? Niemals, Daphne.“ Wie abfällig sie ihm antwortete... Dabei war sie gar nicht in der Position, große Töne zu spucken. Ganz kleinlaut hätte sie ihm antworten müssen. Stattdessen wollte sie noch großspurig sein. „Potter ist nicht hier, der – edelmütig wie er nun mal ist – dazwischen gehen kann. Darüber hinaus würde es mich brennend interessieren, ob es dir richtig dreckig geht? Ich hoffe es, Daphne. Ich hoffe, dass es dir miserabel geht und du elendig darunter leidest, dass du gemieden wirst – was du, meiner bescheidenen Meinung nach, mehr als verdient hast.“ Anschließend packte er ihren Nacken, ignorierte ihr Keuchen und zwang das Mädchen, aufzustehen und sich zu ihm umzudrehen.   „Lass... Lass mich sofort los!“, ächzte sie aufgebracht, während ihre Finger sich um sein Handgelenk schlangen.   „Was ist los, Daphne? Seit wann bist du so schweigsam geworden?“ Er zog sie mit sich in die Mitte des Raums und starrte von oben auf sie herab. Er wollte sie mit seinen Augen durchbohren. Er wollte, dass sie seelische Schmerzen verspürte, angesichts der Tragweite ihrer Handlung. Denn nur ihr war es zuzuschreiben, dass er Granger beinahe für immer verloren hätte. „So wortkarg kenne ich dich gar nicht. Früher war es dir immer ein großes Bedürfnis, über andere Mädchen zu lästern.“   „Du sollst mich loslassen!“   „Erst, wenn du mir gesagt hast, was mit dir nach Hogwarts passiert?“ Mittlerweile wusste er, dass man ihr den Stab entzogen hatte. Des Weiteren wurde ein Verbot ihr gegenüber ausgesprochen, dass sie vorerst auch keinen mehr erwerben, geschweige denn führen durfte – was viel zu milde war. „Rede, Daphne. Was passiert nach Hogwarts?“ Er war so unglaublich wütend. Wütend auf sich, weil er ihr durchtriebenes, von langer Hand geplantes Spiel nicht durchschaut hatte und noch wütender auf das Mädchen, das jämmerlich vor ihm zu wimmern anfing. „Hör auf zu flennen, verdammt. Sei glücklich, dass man dir die Chance gab, deinen Abschluss zu machen, auch wenn er dir nicht viel bringen wird.“   „Draco!“   „Warum hast du das gemacht?“, wollte er stattdessen wissen – ihr Flehen ignorierend. „Nur aufgrund der Eifersucht?“ Verständnis war eines der Dinge, die Draco nicht aufbringen, dafür aber fabelhaft vortäuschen konnte. Allerdings fiel es ihm dieses Mal enorm schwer, Fassung zu bewahren. Immerhin war sie es, die es billigend in Kauf genommen hätte, den dunklen Lord zurückzuholen.   „Du hast es nicht anders verdient“, spuckte sie ihm entgegen. Zur selben Zeit lockerte sich auch ihr Griff, weil ihr die nötige Ausdauer fehlte, weiterhin an seinem Gelenk zu ziehen.   „Ich habe es nicht anders verdient? Du scheinst offenbar nicht zu wissen, was du alles verdient hättest, Fräulein.“   „Du hättest noch viel schlimmeres verdient. Und Granger wird es ebenfalls bereuen, dir eine zweite Chance gegeben zu haben.“   „Oh, erzähl mir mehr, Daphne.“ Inzwischen hatte er sie gegen die kalte Steinwand getrieben. Mit einer Hand umschlang er ihren Hals, während sie andere sich an den schwarzen Steinen abstützte. „Na los!“, feuerte er sie zusätzlich an, indem er ihre Schulter angewidert gegen die Wand stieß.   „Weil du nicht lieben kannst, Draco. Das kannst du nicht.“   „Ach, und was habe ich deiner Meinung nach verdient?“   „Ewiges Leid, weil du mich ausgenutzt hast, um dich abzulenken“, schniefte das Mädchen und krallte sich erneut in Dracos Hand fest, der sie benutzt und anschließend wie ein Taschentuch weggeworfen hatte. „Du hast kein Gewissen und -“   „Aber du hast eins, ja?“, lachte er und legte seinen Kopf belustigt in den Nacken. „Wo war denn dein Gewissen, als du uns alle verraten hast? Wo, Daphne?“, fragte er und blickte wieder hinab zu ihr. „Wo war dein Gewissen, als du Sterling Informationen zugespielt hast? Den Schuh – ich wäre ein charakterloser Opportunist – kannst du mir nicht alleine anziehen. Nein, denn auch du bist gewissenlos.“ Er wollte sie reizen, damit sie endlich ihren Mund aufmachte.   „Ich stehe aber -“   „Du stehst zu deinen Fehlern?“ Er würde sie solange unterbrechen, bis sie einknickte. Bis sie sich selbst eingestand, dass sie eben nicht zu ihren Missetaten stand. „Dann erzähl mir, was nach Hogwarts passiert?“   „Ich werde England verlassen müssen“, kam es schluchzend über ihre bebenden Lippen. Die Tränen rannen über ihre glühende Wangen, da sie nicht mehr im Stande gewesen war, ihre Tränen zurückzuhalten. „Alles habe ich verloren – meinen Ruf, meinen Stand und sogar meine Familie!“ Ja, auch ihre Familie hatte sich von ihr abgewandt. Lediglich einen Heuler hatte sie von ihrer Mutter erhalten, deren Stimme eiskalt geklungen hatte. Als Schande hatte ihre Mutter sie bezeichnet. Vorwürfe, wie lange es doch gedauert hätte, bis Skye Sterling einen reinblütigen Mann fand, der sie heiraten wollte – trotz ihrer Verbindung zu Shoshanna Sterling, der Geliebten des dunklen Lords. Lange hatte es gedauert, bis man die schwesterliche Bindung ausradiert hatte – bis Daphne sie aufgrund ihrer Dummheit publiziert hatte.   „Deine Tränen beeindrucken mich überhaupt nicht“, ergänzte Draco hasserfüllt. „Dass man dich jedoch ins Exil schickt... ist noch viel zu gnädig.“   „Was willst du noch hören, Draco?“ Sie musste sich mit ihren Schicksal abfinden, aber es tat weh – sehr sogar. Vor allem, wenn man ständig daran erinnert wurde. „Reicht es dir nicht, dass du mich -“   „Nein, es reicht mir nicht. Fallen sollst du, Daphne.“ Es brachte ihm einfach nicht die ersehnte Befriedigung, dass sie nur ins Exil geschickt wurde – abgeschottet von der Zaubererwelt. Nein, es reichte ihm nicht, verdammt nochmal. Aber zumindest tröstete ihn der Gedanke, dass das Schuljahr lang war. Draco baute darauf, dass die Schüler sie mit verächtlichen Blicken straften und selbst wenn sie lernen würde, damit umzugehen – Draco würde alles dafür tun, dass niemand vergaß, was Daphne getan hatte. „Du sollst untergehen, verflucht.“   „Du bist so widerlich!“   Er war widerlich? Na wenn das so war, konnte er den Zauberstab noch tiefer in die Wunde pressen. „Bin ich das, ja? Dann sind wir uns ähnlich. Ich hoffe, du kennst das Sprichwort der Muggel?“   „Was?“   „Hochmut, Daphne. Hochmut kommt vor dem Fall – so auch bei dir“, informierte er sie schadenfroh, sichtlich erleichtert, dass er die Oberhand in diesem Gespräch behielt. „Wir hätten uns schon viel eher so manches Zitat der Muggel in Muggelkunde anhören sollen. Da wäre uns beiden einiges erspart geblieben, was?“   „Du liebe Güte, Draco!“, ertönte Blaise schockierte Stimme, der gerade den Jungenschlafsaal verließ und eilig die Treppe hinunterstürmte. „Was machst du da?“   „Merlin nochmal“, fauchte der blonde Junge erbost, bevor er Daphne gehässig ansah und anschließend über seine Schulter zur Quelle der erschrockenen Stimme sah. „Wieso müsst ihr alle immer in den ungünstigsten Momenten auftauchen? Siehst du nicht, dass ich etwas mit unserer Mitschülerin Daphne“, betonte er unnötigerweise ihren Namen, „zu klären habe, was deiner Anwesenheit nicht bedarf, Blaise?“   „Draco, hör auf. Das bringt doch nichts.“ Umsichtig näherte er sich seinem besten Freund. „Wie oft muss ich dich noch vor Dummheiten bewahren? Ich dachte, du hättest aus deinen vorausgegangenen Fehlern etwas gelernt?“ Vorsichtig packte Blaise seinen Freund am Arm, ehe er ihn von Daphne wegzog, die unweigerlich die Chance nutzte und nach draußen flüchtete.   „Spinnst du?“, spie Draco ihm entgegen. „Hör auf, andauernd meine Autorität zu untergraben, verdammt“, verlangte der Slytherin-Schüler, der konsterniert zum Portrait sah, durch das Daphne verschwunden war. „Meine Fresse, du gehst mir auf'n Sack, Blaise.“ Parallel drehte er sich von Blaise weg, um zur Ledercouch zu schlendern. Genau dort hatte er schon so oft gesessen – auch damals, als er Blaises Whiskey in den Kamin geworfen hatte.   „Immer wieder gerne, Kumpel.“   „Tze, das war kein Kompliment, Blaise.“ Geräuschvoll hatte er sich auf dem kalten Leder niedergelassen, während er den lodernden Flammen dabei zusah, wie sie sich durch das knisternde Holz fraßen. „Wie gehts der kleinen Weasley? Hast du sie nochmal gesehen?“, entschied er nach wenigen Augenblicken zu fragen. Er wollte ablenken. Sich nicht weiter von Blaise bevormunden und vorführen lassen.   „Ja, schon. Wir haben das Szenario schon mehrmals besprochen und werden uns heimlich treffen“, schilderte er mit aufgeblähten Wangen, nachdem er sich am Hinterkopf kratzend neben Draco auf die Couch fallen ließ.   „Was ihr sowieso die ganze Zeit getan habt – also keine wirkliche Veränderung.“   „Stimmt.“   „Weasley ist ein Idiot, Blaise. Mach dir nichts draus. Er ist es, der es irgendwann akzeptieren muss, dass du seine Schwester... liebst. Und wenn er nicht den Unmut seiner Schwester auf sich ziehen will, wird er früher oder später nachgeben.“ Wohl zum ersten Mal gab Draco seinem besten Freund einen Ratschlag, den man tatsächlich beherzigen konnte. Und es fühlte sich gar nicht mal so schlecht an, wenn man füreinander da war. Früher – als er noch dumm war – dachte er immer, es wäre eine Qual, sich für andere einzusetzen, doch das Gegenteil war der Fall.   „Was werden du und Granger machen?“, wollte Blaise neugierig wissen. „Schließlich hast du in der Löwengrube einen deutlich schlechteren Stand als ich.“   „Nichts?“, erwiderte Draco achselzuckend.   „Nichts?“   „Nichts!“, bekräftigte Draco nochmals. „Was sollen wir auch sonst tun? Granger hat keinen nervigen Bruder, der mir Steine in den Weg legen könnte. Potter und Weasley werden sich hüten, ihr etwas vorzuschreiben. Zumal sie das auch gar nicht dulden würde und das sage ich – jemand, den sie sieben Jahre lang gehasst hat.“   „Dein Wort in Merlins Ohren, Draco.“   Es tat unheimlich gut, sich seinem Freund gegenüber endlich etwas mehr öffnen zu können, obwohl Blaise derjenige war, der die Gefühle längst erkannt hatte, die Draco für Granger hegte. Mittlerweile war ihm auch klar, weshalb er sich so lange gegen diese drückenden Gefühle gesträubt hatte.   Es war die Angst.   Angst, dass Hermine ihn auslachte, ihn womöglich verraten würde und Draco sein Gesicht verlor. Faktoren die dazu geführt hatten, dass Draco noch jähzorniger geworden war. Aber er sah die Fehler. Er sah, dass Hermine niemals derart gehandelt hätte und es an ihm lag, aus seinen Fehlern zu lernen. Ebenso Blaise, der sein Glück mit Ginny Weasley finden würde. Und er war sich sicher, es würde halten, denn auch Ginny Weasley war – wie Hermine – zäh wie eine Schuhsohle. Die Mädchen glaubten an die Liebe – auch wenn sie diese für zwei Slytherin übrig hatten...     ~*~     Die letzten Wochen waren unheimlich schnell vergangen. Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Wochen... Rasend schnell zogen sie an dem glücklichen Pärchen vorbei, die jeden Moment genossen, Zeit miteinander verbrachten und sich besser kennenlernten. Es war auch nicht so, wie Draco zuvor angenommen hatte. Trotz der Beziehung fand er immer wieder Zeit, mit Blaise abends am Kamin zu sitzen und über ihre Zukunft zu philosophieren. In vielerlei Hinsicht hatte er unrecht. Auch was Potter und Weasley anging – beide waren stur, doch begannen sie sich zu beruhigen, indem sie die beiden Slytherins mit Ignoranz strafen, was keinen störte; und Draco schon drei Mal nicht. Ihm war es ganz recht. Unterdessen hatten auch Blaise und Ron Weasley die Zeit gefunden, sich in Hogsmeade zu treffen – auf einen Feuerwhiskey, wie Weasley es nannte. Draco vermutete eher, dass es mehrere geworden waren, wenn er Blaises Erzählungen richtig gedeutet hatte.   Beide Jungen sind zu einem stillen Abkommen gekommen, das wie folgt aussah: Sie weiterhin stumm zu hassen.   Diesbezüglich war Draco froh, nicht mit Ginny Weasley zusammen zu sein – auch weil er mit dem rothaarigen Bastard nie zu solch einer Konzession gekommen wäre. Er hätte sich jeden Tag betrinken müssen, um Haltung zu bewahren, wenn er ihrem Bruder über den Weg gelaufen wäre.   Zumindest würde die Schulglocke ihn gleich von der letzten Stunde Arithmantik erlösen, nachdem Professor Vektor ihre Schüler in die lang ersehnten Ferien schicken würde. Dann... Dann wäre er endlich mit Hermine alleine – weit weg von Hogwarts und seinen lästigen Bewohnern. Er würde seine Freundin – Gott, wie ungewohnt es noch klang – ins Kino einladen; einfach einen wunderbar herrlichen Abend mit ihr genießen, ehe sie gemeinsam nach Malfoy Manor apparierten. Seine Bemühungen, Hermine zu überreden, hatten Früchte getragen. Aber es war ein langwieriges Unterfangen, bis er sein Ziel erreicht hatte.   Dahingehend musste er ihr versprechen, dass sie mit Narzissa zu keiner Teeparty, sowie mit Lucius nicht über die alten Zeiten sprechen musste. Das waren die Bedingungen, die Hermine stellte. Affige Bedingungen, wenn man ihn fragte, aber er verstand ihr Misstrauen. Er selbst wäre ziemlich unbeholfen, wenn er das erste Mal auf ihre Eltern treffen würde – ganz sicher. Und trotz ihrer Bedingungen, waren die letzten Wochen die besten seines Lebens, was er keinesfalls zerstören würde, indem er sich nicht an einfache, banale Forderung seiner Freundin – es klang so gut – hielt.   Erleichtert sank er im Anschluss zusammen, nachdem ihn die Schulglocke erlöste. Ja, endlich! Es war soweit. Allerdings verwandelte sich seine erhellte Miene in etwas Undefinierbares, als er sah, wie Hermine und... Potter auf ihn zukamen. Geistesgegenwärtig schickte er ein schnelles Stoßgebet gen Himmel – Richtung Merlin. Inständig hoffte er, dass Potter sich bloß verabschieden wollte, ehe er weiterging und den Klassensaal verließ.   „Malfoy“, begrüßte Harry ihn – nickend, formlos. „Wir werden wohl zukünftig des Öfteren das Vergnügen haben, was?“, ergänzte er schmunzelnd, anlässlich Malfoy, dessen Augen geschlossen und sein Blick nach oben gerichtet waren. Auch sah Harry die geballten Fäuste, die an Malfoys Seite hingen. „Ich bin noch da, Malfoy. Du kannst die Augen also ruhig aufmachen.“   „Nein, ich hab immer noch die Hoffnung, dass du gehst.“   „Wird nicht passieren“, informierte Harry ihn lächelnd.   „Hermine, bitte.“ Unaufhörlich schüttelte Draco seinen blonden Schopf, nachdem er die Augen öffnete und seiner Freundin entgegenblickte. „Tu mir das nicht an und sorg dafür, dass er weggeht.“   „Ach komm“, winkte Harry lapidar ab. „So schlimm wird es schon nicht werden.“   „Alles. Alles was mit dir in Verbindung steht, ist schlimm, Potter.“ Und wieder hatte sie es geschafft, ihn zu überlisten. Hermine hatte ihn vor vollendete Tatsachen gestellt und das Narbengesicht allem Anschein nach wirklich gefragt, ob er sie ins Kino begleiten würde. „Hermine, ich gehe mit dir in ein Muggelkino“, begann er anschließend flehentlich, weil er glaubte, noch etwas retten zu können. „Das ist für meine Verhältnisse doch ein wirklich großer Schritt, findest du nicht?“   „Ja, absolut“, pflichtete sie ihm bei.   „Genau. Mir dann noch Potter auf den Pelz binden zu wollen, ist doch etwas zu viel, meinst du nicht?“   „Malfoy“, antwortete Harry mit wackelnden Augenbrauen, „stell dich nicht so an. Wir haben bereits mehrere Tage zusammen in einem Zelt verbracht und – stell dir vor – sogar im selben Zimmer geschlafen. Schlimmer kann es doch nun echt nicht mehr kommen, oder?“, ärgerte er ihn weiter. Nebenbei stellte er fest, dass es gar nicht so schlecht war, wenn man gegen den großen, mächtigen Draco Malfoy die Oberhand besaß und sein Gegenüber sich beugte. „Ich verspreche dir auch, dass Hermine zwischen uns sitzt.“ Um ihn noch ein wenig mehr zu provozieren, trat er an Draco heran, stieß mit seiner Schulter gegen seine und wackelte erneut mit seinen Augenbrauen. „Dann komme ich auch nicht auf dumme Gedanken, hm?“   „Wann war nochmal das Treffen zwischen Weasley und Blaise gewesen? Ich hätte gerne getauscht.“ Nein, das hätte er per se nicht. Es war jedoch die erstbeste Antworten, die ihm eingefallen war – wofür er nun aber böse Blicke von Hermine erntete.   „Ich kann auch mit Harry alleine -“   „Nein! Alles super“, ruderte Draco versöhnlich zurück, bevor er seine Arme um Hermine schlang. Er wusste, dass – sobald er Gryffindors Prinzessin umarmte – Potter wegsehen würde und Draco war froh, somit seinem dämlichen Blick ausweichen zu können. „Aber lass uns jetzt endlich nach Hogsmeade gehen.“   Den Abschlussklassen war es gestattet, nach Hogsmeade zu gehen, um von dort aus zu apparieren. Auch war es der schnellste Weg, direkt im Innern von London anzukommen, auch wenn Draco hoffte, dass Potter auf dem Weg verloren ging – was natürlich nicht passiert war. Dennoch war er überrascht – trotz Potters nerviger Anwesenheit –, wie groß das Kinogebäude war. Auch die Tatsache, dass man kleine Karten bekam, um den Kinosaal zu betreten, fand Draco sensationell.   So lief man nicht Gefahr, im falschen Film zu landen. Eine solche Karte wäre für den weiteren Lebensweg sicher auch von Vorteil.   „Ich habe einen Film ausgesucht, der uns allen gefallen wird“, bemerkte Hermine freudig, bevor sie den noch leeren Kinosaal betraten.   „Titanic?“, las indessen Draco auf seiner Karte und wusste nicht, ob er hinsichtlich des seltsam klingenden Namens lachen oder verdutzt die Augenbraue heben sollte. Ob viele Menschen in dem Film starben? Er würde es sicher herausfinden – so wie die Tatsache, dass es unendlich viele Genres gab.   „Was? Nein, bitte nicht“, entfuhr es Harry bitter, der anschließend ebenfalls auf seiner Karte nach dem Filmtitel Ausschau hielt. Als auch er Titanic las, wäre er am liebsten schreiend weggelaufen. Allerdings beschloss er – sollten sie jemals wieder zusammen ins Kino gehen –, dass Hermine nie wieder einen Film aussuchen dürfte. Nein, niemals mehr. Harry würde in Zukunft die Karten besorgen. Ja.   „Was ist los, Narbengesicht? Angst vor Blut?“, stichelte Draco, nachdem Hermine ihm einen Eimer mit kleinen weißen Kügelchen in die Hand drückte. „Noch kannst du gehen?“   „Du wirst dich noch wundern, Malfoy“, klärte er seinen Nebenmann resigniert auf. „Deine Freundin hat einen furchtbaren Liebesfilm ausgesucht.“   „Hast du?“, fragte er mit geweiteten Augen.   „Es ist ein Drama – basierend auf einer wahren Begebenheit.“   „Ja, wenn man genug Bier getrunken hat, könnte man sich den Film dramatisch saufen.“ Ganz eindeutig, ja. Harry würde den nächsten Film aussuchen.   „Bei Merlin, du bist die Beste“, kommentierte Draco und zog sie in seine Arme, während er ihre Stirn küsste. „Alles, was Potter schrecklich und zum Kotzen findet, finde ich ganz Weltklasse.“   „Halt den Rand, Malfoy“, blökte Harry zurück, der sichtlich genervt nach seinem Eimer Popcorn griff und schnaubend zur besagten Stuhlreihe marschierte.   „Ich sag es dir gerne nochmal: Noch kannst du gehen“, rief Draco gut gelaunt, erntete jedoch bloß einen nach oben gezeigten Mittelfinger. Oh ja, er freute sich wirklich auf den Film. Noch mehr auf Potters gelangweilten Ausdruck, sowie seine Aversionen, bezüglich des Films – Dinge, die alles wieder gutmachen würden. „Weißt du, Granger, ich liebe dich für deine Abgebrühtheit.“   „Du... Du hast es zuerst gesagt!“ Hermine konnte gar nicht auf seinen Seitenhieb eingehen – zu gebannt war sie von seinen nachträglichen Worten, die ihre Knie weich wie Kerzenwachs werden ließen. „Du hast es zuerst gesagt, Draco!“, wiederholte sie.   „Na ja, normalerweise sagt man Ich dich auch, Liebes. Aber ich begnüge mich auch damit.“   „Tausend Mal, ja. Ich liebe dich auch, Malfoy.“   „Bedeutend besser.“ Übergangslos versiegelte er ihre Lippen, ehedem sie gemeinsam – Hand in Hand – zu Potter gingen und darauf warteten, dass der Film anfing – welcher Potter in den Wahnsinn treiben würde. Nun, er würde vermutlich auch Draco in den Wahnsinn treiben, angesichts der unendlich langen, langweiligen Vorschau, aber das war nebensächlich. Schließlich war um ihn herum alles perfekt.   Ja, alles.   Draco hatte sein Mädchen. Seine Granger, die er während des Films ununterbrochen im Arm halten würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)