The Warning! von Dracos-Princess ================================================================================ Kapitel 26: Ad astra -------------------- - Kapitel sechsundzwanzig -     Während er die Flure schnaufend hinter sich ließ, dachte er die ganze Zeit daran, dass er Granger die Wahrheit gesagt hatte. Bei Merlin, es war ihm einfach über die Lippen gerollt – als hätte er tagelang vorm Spiegel gestanden und geübt. So einfach war es gewesen, wenngleich es ungewollt geschehen war. Geplant war es nicht, dass er ihr sagen würde, dass es sich lohnte um das zu kämpfen, was man liebte. Aber es war passiert. Als würde sein Inneres wollen, dass der Stein ins Rollen kam.   Was sie wohl von ihm dachte, nachdem er gegangen war? Ob sie ihn für komplett verrückt erklärte? Vielleicht, aber sie hatte ihm zugehört. Und die Möglichkeit bestand, dass er mithilfe seiner Worte Eindruck hinterlassen hatte.   Andererseits bestand jedoch die Gefahr, dass er sie verschreckte – mit Worten, die nie seinen Mund verließen und das wusste sie. Das wusste jeder gottverdammte Mensch, der ihn kannte. Merlin, noch eben verspürte er sowohl Erleichterung, als auch Freude, nachdem ihm aber klar geworden war, dass seine Aktion nach hinten losgehen konnte, ummantelte ihn die Angst – wie eine Wolke. Die Flure die er passierte wurden immer enger. Sie kamen in horrender Geschwindigkeit auf ihn zu – vor ihm die unendliche Leere, die Dracos Körper zusammendrücken wollte. Umso erleichterter war er, als er endlich den Vorhof des Schlosses erreichte und der Bedrückung entkommen konnte. Indessen durchströmten so viele Erinnerungen sein Gedächtnis; voran die Schlacht auf Hogwarts.   Hier... Hier hatten sie gestanden – vor ihnen der dunkle Lord mit seinen Schergen. Inmitten der gigantischen Masse ragte der Halbriese Hagrid heraus, der auf seinen stämmigen Armen den vermeintlich toten Harry Potter trug, während das Schlangengesicht die Schülerschaft aufforderte, die Seiten zu wechseln – bis dieser sich schlussendlich und explizit an Draco gewandt hatte...   An ihn. An einen labilen Jungen, der den ersten Schritt wagen und zu ihm herüber kommen sollte. Lord Voldemort hatte Dracos Angst eiskalt ausgenutzt, obwohl er wusste, wie schwach Lucius' Sohn gewesen war. Wie zerbrechlich und empfänglich er für die illusionären Maßstäbe, die falsche Ideologie und die schimärischen Ansichten war.   Aber er wollte nie so sein. Er wollte nie zu der dunklen Seite gehören und erst die zarten, gebrochenen Worte seiner starken Mutter – die stets zu Lucius hielt und an seiner Seite geblieben war – animierten den verlorenen Sohn, zur richtigen Seite zu gehen. Narzissas Worte setzten Dracos Motorik in Gang, was dazu führte, dass er durch die Menge schritt – vorbei an ihr... an Granger und Weasley – und sich seinen Eltern anschloss.   Verflucht... Wie konnte es nur so weit kommen? Draco wusste es nicht, während seine Fingerspitzen unermüdlich auf die Tränenpunkte seiner Augen drückten.   Fuck!   „Worüber denkst du nach?“   Augenblicklich versteifte sich Dracos bebender Körper, nachdem der Satz zu Ende gesprochen worden war. Aber vermutlich musste es so kommen. Ja, es musste und obwohl er die Person, die ihn ansprach, nicht sehen wollte, drehte er dennoch den Kopf zu ihm herum. „Potter“, schnaufte er anschließend, „was willst du hier?“ Abschließend sah er wieder nach vorne – dem leeren Vorhof entgegen, der mithilfe von Magie wieder aufgebaut worden war, um den zurückkehrenden Schülern Sicherheit zu vermitteln. Nichts sollte mehr darauf hindeuten, dass auf den Pflastersteinen Monate zuvor Blut geklebt hatte. Niemand sollte daran erinnert werden, dass hier der dunkle Lord gefallen und die überlebenden Todesser abgeführt worden waren. Und es regte ihn auf. Draco ärgerte sich darüber, dass die dunkle Fassade der Schlacht einfach überstrichen wurde und jeder so tat, als hätten sie ihren gewohnten Alltag zurückbekommen.   Ja, fast alle. Abgesehen von Draco... Potter, Weasley und Granger.   „Na ja“, begann Harry. „Dasselbe wie du?“   „Du willst dir den Vorhof angucken? Du bist unheimlicher als ich, weißt du das?“   „Stört dich das?“, hakte Harry nach, ehe er sich neben den blonden Slytherin stellte und seinen Blick ebenfalls nach vorne richtete. Doch im Gegensatz zu Draco, atmete Harry erleichtert aus, während er lächelnd den aufgebauten Hof betrachtete. Des Weiteren konnte er sich denken, dass Malfoy ihm nicht antwortete, woraufhin er weitersprach: „Befremdlich, nicht wahr? Es ist seltsam hier zu stehen und gleichzeitig zu wissen, wie viel Leid hier verursacht wurde, obwohl nichts darauf hindeutet, dass hier die Schlacht von Hogwarts ausgetragen wurde.“ Noch immer blickte er nach vorne und genoss es sichtlich, wie der Wind seine schwarzen Haare zerzauste – anders als Malfoy, der das Naturschauspiel missbilligte.   „Ich war hier, Potter. Ich weiß“, bekräftigte Draco bitter, „was passiert ist.“ Was auch immer das Narbengesicht von ihm wollte, Draco ergab sich. Letztendlich nützte es sowieso nichts, wenn er flüchtete. Allzu groß war das Schloss nämlich auch nicht, um sich erfolgreich vor Potter verstecken zu können. Darüber hinaus versuchte er seine Haare zu bändigen, was allerdings nicht von Erfolg gekrönt wurde und folglich seine Hand in den blonden, zerzausten Haaren verweilten. „Bist du deswegen hier? Um mir etwas zu sagen, was ich selbst erlebt habe?“   „Ich weiß auch nicht so recht, was ich hier eigentlich mache?“, gestand er, während die beiden unterschiedlichen Jungen nebeneinander standen. Es war ein bizarres Bild – die schwarzen Haare neben den strohblonden Haaren. Der Kontrast war gewaltig, aber genauso faszinierend. „Aber ich weiß, dass wir eins gemeinsam haben.“   „Schon wieder diese Leier?“, entgegnete Draco entnervt.   „Ja. Hermines Wohl ist uns beiden wichtig.“ Das war es, was die Jungs zusammenhielt. Beide wollten das schützen, was ihnen wichtig war.   Irritiert schüttelte Draco daraufhin seinen Kopf, weil er das Puzzle erst zusammensetzen musste, um zu verstehen. „Was soll das werden?“   „Gar nichts!“   „Spielst du Dumbledore, während ich dich darstelle?“ Draco verstand, was der Goldjunge bezwecken wollte – auf ihn einreden, so dass Potter die Fäden im Hintergrund ziehen konnte. Dasselbe Spiel, das Dumbledore mit Potter und der dunkle Lord mit Draco jahrelang gespielt hatte. „Dann lass dir gleich gesagt sein, dass das wirkungslos ist, weil ich weiß, was du vorhast.“   „Was habe ich denn vor, Draco?“, wollte Harry unverblümt wissen.   „Es wird auch nicht besser, wenn du meinen Vornamen benutzt. Das hast du die letzten Jahre auch nie getan.“ Dass Harry Potter einen Schritt auf Draco zugehen wollte, konnte der Slytherin-Schüler nicht sehen. Er wollte es nicht sehen, weil zwischen ihnen nie etwas wie Verbundenheit geherrscht hatte. Daher war es für ihn unverständlich, wieso Potter sich die Mühen machte und Dracos Launen ertrug. „Deswegen nochmal: Was willst du?“   „Lass uns ein Stück gehen“, schlug Harry stattdessen vor, und umging Dracos Frage. Gleichlaufend deutete sein Arm Richtung Ausgang, um Malfoy den Vortritt zu lassen. Als dieser Harrys Geste jedoch ignorierte, fügte Harry spitzbübisch hinzu: „Oder rieche ich Angst?“ „Angst?“   „Ja, wie damals im verbotenen Wald, nachdem du uns im ersten Schuljahr bei McGonagall angeschwärzt hast? Damals hattest du ja auch Angst.“   „Ich erinnere mich.“ Das tat Draco. Er konnte sich bestens an die Gegebenheiten erinnern, die dazu geführt hatten, dass auch Draco mit in den verbotenen Wald musste, und um fünfzig Punkte für Slytherin erleichtert wurde. Dabei wollte er die tollkühnen Gryffindors in Bredouille bringen, was gewaltig in die Hose gegangen war. „Aber Angst habe ich trotzdem nicht – schon gar nicht vor dir, Narbengesicht“, informierte er seinen Nebenmann, bevor er voranschritt – verfolgt von dem Jungen, der ihn schon mehrmals vor dem Tod bewahrt hatte.   Ferner liefen sie den restlichen Weg – vorbei an Hagrids Hütte – schweigend nebeneinander, bis sie dem verbotenen Wald immer näher kamen und wortlos am Rand des Waldes entlang spazierten; die Hände in den Hosentaschen verborgen. Schlussendlich war es Draco zu viel, der die Stille nicht genießen konnte.   „Hätte ich gewusst, dass wir spazieren gehen, wäre ich lieber oben im Schloss geblieben, Potter.“   „Reine Gewöhnungssache, Malfoy. Du kennst es eben nicht, wenn man befreit umherlaufen kann.“   „Du doch auch nicht“, konterte Draco, dessen Fuß ununterbrochen die im Weg liegenden Steine zur Seite kickte. „Erlöse mich einfach von deiner Anwesenheit und erklär mir, was du von mir willst.“ Es glich einer Utopie, dass sie beide wie Freunde über die Wiese schlenderten, obwohl sie wussten, dass sie etwas anderes als Freundschaft verband.   „Ich dachte, wenn du nicht mit deinen Freunden über deine Probleme reden kannst, dass es dir hilft, wenn du mit einem Fremden sprichst – außerhalb deines Bekanntenkreises“, erklärte Harry ohne Umschweife.   Anstandslos war Draco stehen geblieben und trotz der Aussage seines Gegenübers, zierte weder Zornesröte sein Gesicht, noch durchflutete die Wut seinen Körper. Er war eher... überrascht, angesichts dieses Angebots, das Potter ihm unterbreitete, denn fremd war ihm der Goldjunge keineswegs. Dennoch verstand er, worauf Potter hinauswollte. „Was willst du von mir hören, Potter? Dass ich dir mein Herz ausschütte, weil du denkst, danach wäre alles wieder in Ordnung?“   „Die Wahrheit, Malfoy. Die will ich hören.“   „Die Wahrheit also?“, schmunzelte er. „Es ist schon verrückt, dass wir nebeneinander stehen und uns unterhalten, ohne dem anderen an die Gurgel zu springen. Und dann verlangst du die Wahrheit – verrückt“, erwiderte Draco kopfschüttelnd, aber lächelnd. „Aber ich muss dir die Illusion nehmen, Potter. Nichts wird in Ordnung sein, wenn ich dir erzähle, wie es mir geht.“   „Nein, vermutlich nicht. Davon gehe ich auch nicht aus, aber vielleicht hilft es dir, wenn ich dir erzähle, dass mir mein Verhalten dir gegenüber leid tut.“ Harry pausierte und studierte währenddessen Dracos Gesichtszüge, bevor er fortfuhr: „Du weißt schon... Als ich dich auf dem Weg zu den Kerkern so angefahren habe. Das... tut mir leid.“   „Wäre die Situation eine andere, würde ich mich tatsächlich amüsieren.“ Sie entfernten sich immer mehr vom Schloss und drangen tiefer in die Ländereien von Hogwarts ein – wozu auch der verbotenen Wald zählte. Betreten würden sie ihn dennoch nicht – zu viele schlechte Erinnerungen verbanden die beiden Jungen mit dem Wald. „Glaubst du wirklich, dass mich deine Worte getroffen hätten? Denkst du, ich bräuchte deine Entschuldigung, damit es mir besser geht?“   Dass er Potter offenbarte, dass es ihm nicht gut ging, interessierte ihn schon gar nicht mehr. Es war nicht zu übersehen, wie eingefallen sein Gesicht war. „Wieso denkst du dann immer noch, dass ich deinen Dank möchte?“, reagierte Harry nonchalant und sprach weiter: „Und nein, ich denke nicht, dass ich dich getroffen habe. Wäre doch ziemlich vermessen, da ich weiß, wie emotionslos du warst“, betonte er abschließend, bevor er seine Brille von der Nase nahm und mit den Bügeln spielte. Diese Art der Ablenkung half ihm, die Zeit zu überbrücken. Zudem beruhigte es ihn.   „Ich war emotionslos?“, lamentierte Draco, der sichtlich unruhiger geworden war. Er fühlte sich in Potters Gegenwart von Minute zu Minute unwohler, da er die Ambitionen des Helden durchschaute. Potter war nicht hier, um mit ihm über den dunklen Lord, geschweige denn über seine Heldentaten zu philosophieren. Der Grund war ein anderer und Draco hatte gehofft, dass das Thema in weiter Ferne läge, doch auch diesbezüglich schien er sich zu irren.   „Ja, aber ihr seid jetzt quitt.“   Argwöhnisch sah Draco seinem Gegenüber entgegen, nicht sicher, was dieser andeutete. Glücklicherweise kam Potter ihm zuvor, womit Draco seine Frage nicht stellen musste. Unwissend und hilflos wäre er sich vorgekommen, hätte er sie gestellt.   „Hermine und du“, klärte Harry ihn tonlos auf, ehedem er seine Brille auf die Nase zurücksetzte und Malfoys Verwirrung sich deutlich herauskristallisierte. „Sie hat uns im zweiten Schuljahr Vielsaft-Trank gebraut. Nachdem die Kammer des Schreckens geöffnet wurde, wollten wir den Grund erfahren – und sahen die Möglichkeit in dir und deinem Wissen. Wir – Ron und ich – haben uns in Crabbe und Goyle verwandelt, um dich auszuhorchen“, half Harry ihm nach, da er davon ausging, dass der blonde Slytherin nicht wusste, wovon Harry sprach.   „Ach, tatsächlich?“ Irgendetwas dämmerte in seinem Kopf, bis die richtige Erinnerung gefunden war. Draco erinnerte sich, als er in Grangers Gedanken eingetaucht war – er sah erneut das Bild vor seinem inneren Auge, wie sie tüftelnd über einem köchelnden Kessel saß, dessen Inhalt nach Vielsaft-Trank ausgesehen hatte. Es schoss wie ein Fluch auf ihn ein, der Besitz von ihm ergreifen wollte. Verschwunden war der Hohn und Spott aus seiner Stimme. Stattdessen ärgerte er sich, dass er ihr bereits im zweiten Schuljahr auf den Leim gegangen war.   Aber wer war er schon, um ihr daraus einen Strick zu drehen?   „Dafür war der Trank also gedacht?“ Sie hatten die Rollen getauscht. Nun war es Potter, der skeptisch eine Augenbraue nach oben zog, woraufhin Draco seinen Monolog fortführte. „Oh, das hat sie dir wohl nicht erzählt, was?“   „Was genau? Dass du Legilimentik beherrschst und anscheinend in ihre Gedanken eingedrungen bist?“, antwortete Harry grinsend.   „Exakt, ich habe Snape nicht so bitterlich enttäuscht.“   Harry war sprachlos gewesen. Natürlich. Aber nicht jetzt, denn Malfoy war auch schon in Harrys Gedanken eingedrungen, was der junge Slytherin wohl vergessen hatte. Ja, damals war er sprachlos gewesen – heute amüsierte es ihn. „Du weißt aber schon, dass ich das selbst herausgefunden habe, als wir uns an dem Morgen gesehen hatten, bevor wir Robin Sterling suchen gingen? Vor McGonagalls Büro, als ich von dir verlangt habe, dass du Hermine die Wahrheit sagst?“   Stimmt... Draco erinnerte sich auch daran. „Tja, im Gegensatz zu dir beherrsche ich es aber. Wirst du mich jetzt mit Watte bewerfen, um dich und Granger zu rächen?“, hauchte Draco lachend, um sich nicht die Blöße zu geben, dass er es tatsächlich vergessen hatte.   „Und der beschwert sich über meine Fähigkeiten“, nuschelte Harry, während sein Blick zur Seite wanderte und die Augen in den Höhlen rollten.   „Das kann man nicht vergleichen, Potter“, grummelte Draco erbost, der seinen Triumph nur kurz genießen konnte. Es war, als wäre Potter unsterblich, da es dem dunklen Lord in siebzehn Jahren nicht gelungen war, Harry Potter um die Ecke zu bringen. Sämtliche Bemühungen scheiterten – angefangen in der Halloweennacht in Godric's Hollow, als Lily Potter sich für ihren kleinen Sohn geopfert hatte. Im Laufe der Zeit war die halbe Zauberergemeinschaft darauf fixiert gewesen, Potter in die Finger zu bekommen und niemandem war es gelungen – bis ein paar unterbelichtete Greifer die Sensation schafften. Zufällig und mit viel Pech waren sie diesen Idioten ins Netz gegangen, woraufhin sie auf Malfoy Manor gelandet waren und Bellatrix... sein Mädchen misshandelt hatte.   „In Ordnung. Lass uns nicht nochmal streiten“, beschwichtigte er Malfoy, hob gleichzeitig seine Hände und betrachtete Lucius' Sohn eindringlich. „Erzähl mir lieber, was mit dir und Hermine ist?“   „Ich habe mich schon gefragt, wann du sie ansprichst. Dein Auftauchen hat ja immer einen besonderen Grund.“ Die Realität war ein richtiges Arschloch geworden. Draco fühlte sich wie ein kleiner Junge, dem man seine Spielsachen weggenommen hatte und ihn letzten Endes zwang, mit dem Kind zu spielen, das er nicht leiden konnte.   „Und?“, drängte Harry.   „Du weißt doch schon alles, Potter“, bemerkte Draco, der zum Schloss empor sah, das so gigantisch vor ihm lag und mittlerweile sein Zuhause geworden war.   „Ich möchte beide Seiten hören. Eine Medaille hat doch zwei Seiten, oder?“   „Ja, eine strahlende und eine verblichene Seite, aber ich bin dennoch beeindruckt“, stellte Draco klar, bevor er die Arme vor der Brust verschränkte und zu Potter zurück sah. „Du misst nicht mehr mit zweierlei Maß – sehr löblich.“   „Also?“, bedrängte Harry ihn abermals. Er wollte einfach nicht nachgeben.   „Sie wird dich schon nicht belogen haben“, beteuerte Draco daraufhin und grinste, nachdem er sich vorstellte, wie Potters Gesichtszüge entglitten waren, als Granger ihm erzählt hatte, dass sie mit dem bösen, bösen Draco Malfoy geschlafen hatte.   „Nein, das denke ich auch gar nicht. Aber wieso weigerst du dich, mir deine Version zu erzählen?“   „Weil es dich nichts angeht, Potter. Darum.“   Auch Harry überkreuzte seine Arme vor der Brust, weil er Malfoys Vehemenz zum Teil nachvollziehen konnte. Er wollte Harry nichts anvertrauen, weil sie sich noch nie vertraut hatten. Das war der ausschlaggebende Punkt. „Du könntest es wenigstens versuchen, dich zu öffnen.“   „Potter, ich will mich gar nicht rechtfertigen. Noch weniger will ich dir von meinem Befinden erzählen, weil es nichts bringt. Die Dinge sind nun mal so, wie sie sind – auch wenn ich für das Fehlverhalten anderer Leute nichts kann und trotzdem dafür verantwortlich gemacht werde. Ich -“   „Du redest von Lucius, stimmts?“   „Von wem sonst? Ich werde für Lucius' Verhalten gerade stehen – gezwungenermaßen, aber ich werde es tun, wenn sie mir schon aufgrund dessen nicht verzeihen will.“ Er wollte Potter nicht sagen, dass er litt und Granger um Verzeihung gebeten hatte, aber er würde es sowieso erfahren – nicht von ihm, aber von ihr. Womöglich würde sie ihm sogar erzählen, dass Draco ihr angedroht hatte, sie jeden gottverdammten Tag um Verzeihung zu bitten. Er würde sich sogar bis zur letzten Instanz herablassen, indem er vor ihr auf die Knie ging und abermals um Verzeihung bat.   „Du bist vielleicht ein guter Lügner, aber ich durchschaue dich trotzdem.“ Das Grinsen wich nicht mehr aus Harrys Gesicht. „Aber lassen wir das. Vielleicht möchtest du mir ja erklären, wieso Snape dir solche Dinge beigebracht hat, wie zum Beispiel, dass du dich in einen Animagus verwandeln kannst und Legilimentik beherrschst?“   Sie hatte es also doch erzählt. Granger hatte alles erzählt, weil sie vermutlich am Ende war. „Snape dachte, es könnte irgendwann wichtig sein, so wie die Tatsache, einen Patronus heraufzubeschwören.“ Wieso hatte Potter ihn nicht angeschwärzt, bezüglich des Animagus?   „Wirklich? Du kannst einen Patronus heraufbeschwören?“, entfuhr es Harry entgeistert. „Ist dein Patronus auch ein Drache?“   „Unwichtig“, stoppte Draco den euphorischen Potter mit erhobener Hand. „Hoffen wir einfach, dass wir keine Patroni mehr einsetzen müssen.“ Es war durchaus ungewöhnlich, dass Todesser einen Patronus heraufbeschwören konnten, aber Snape brachte es Draco bei – die die einzigen Todesser waren, die diesen Zauber zustande brachten.   „Malfoy!“   Schön, Potter wollte eben immer alles ganz genau wissen. „Merlin, Snape hat mir vieles beigebracht und die Gestalt meines Patronus' ist irrelevant.“ Ob er Granger irgendwann die Wahrheit sagen sollte? Sollte er ihr offenbaren, sofern sie wieder mit ihm sprach, dass er sie in den Ferien heimlich beobachtet hatte? Nein, das würde alles nur verschlimmern.   „Na dann bleibt mir zum Abschluss nur zu sagen, dass du ihr Zeit geben solltest.“ Ihm war es nach wie vor nicht recht, aber ihm war auch klar, dass er Malfoy nicht verbieten konnte, auf Hermine zuzugehen. Es stand ihm nicht zu.   „Das sagt mir derjenige, dem nicht die Sonne, sondern die Moral aus dem Arsch scheint. Hast du Fieber, Potter?“ Potter gab ihm einen Ratschlag? Das konnte er doch unmöglich ernst meinen, da er einer der größten Moralverfechter war, der außerdem nichts unversucht lassen würde, das heilige Gryffindor-Juwel vor dem bösen Todesser zu schützen. „Hast du vergessen, wer vor dir steht?“   „Wieso bist du darauf fixiert, in allem das Schlechte zu sehen – selbst in dir?“ Harry fiel es zunehmend schwer, locker zu bleiben, weil er nicht weiter wusste. „Weil du es nicht anders kennst? Ich weiß ja nicht, was Lucius dir alles angetan hat, aber aus mir ist auch kein egozentrischer, melancholischer Mensch geworden.“   Jetzt musste Draco herzhaft auflachen, nachdem Potter bekümmert neben ihm stand. „Bitte, tu mir einen Gefallen. Benutz keine Wörter, die dir nicht geläufig sind. Im Bezug auf mich, ist Melancholie nämlich maßlos übertrieben.“   „Ich hab Augen im Kopf, Malfoy.“ Mit seinen gespreizten Fingern zeigte er auf seine grünen Augen. „Du benimmst dich in letzter Zeit so, dass man automatisch denkt, dass du melancholisch geworden bist.“   Betroffen fasste sich Draco an seine linke Brust – hämisch grinsend. „Du bist ja doch nützlich, Potter. Niemand schafft es, mich herzhaft zum Lachen zu bringen. Danke.“ Wenngleich dass das erste vernünftige Gespräch zwischen ihnen war, so wollte Draco vor seinem einstigen Feind nicht die Maske ablegen, die ihm stetig Schutz geboten hatte. „Aber über Lucius werden wir beide trotzdem nicht sprechen.“   „Wieso nicht?“   „Ich will nicht.“   „Malfoy, ich hab vermutlich dasselbe durchgemacht wie du“, stellte Harry unterdessen klar, der anders als Malfoy, sehr wohl über seine Vergangenheit sprechen konnte – auch mit Draco. Schließlich gingen sie entlang des Waldes, ohne dass Malfoy ihm ans Leder wollte. „Meine Kindheit, all das was vor Hogwarts passierte, hat mich auch geprägt. Sehr sogar. Ähnlich wie du, habe auch ich keine schönen Tage, auf die ich zurückblicken kann.“   „Ich gebe zu, dass wir Ähnlichkeiten haben, Potter. Ja, aber es wäre gelogen, wenn ich sage, dass sich meine Weltanschauung verändert hat. Ich bin nicht wie du, Merlin nochmal. Selbst die Erkenntnis, dass mein Verhalten falsch war, wird nichts an meinen Wesenszügen ändern, weil ich immer noch ich bin. Klar?“ Inmitten seiner Worte konnte er die Erde unter seinen Füßen beben spüren, anlässlich der Unsicherheit die ihn umgab. Noch nie hatte er sich so weit geöffnet, aber er befürchtete, dass das der Beginn einer Existenzkrise sein könnte. Verflucht nochmal, und alles nur, weil er eingesehen hatte, dass Granger sein Herz und sein Seelenheil war. „Eine Veränderung würde nichts bewirken. Demzufolge wäre es auch schwachsinnig, über Lucius zu sprechen, weil ich meine Vergangenheit gar nicht verarbeiten muss. Vielleicht will ich es auch gar nicht.“   „Einsicht ist der erste Weg zur Besserung. Wenn du dich nur ein Stück weit öffnen würdest, würdest du erkennen, dass es gut tut, über seinen Kummer zu sprechen.“   „Dein Muggel-Zitat wird auch nichts ändern“, erwähnte der Slytherin, nachdem er sich umdrehte und den Rückweg zum Schloss antrat. „Es ist nämlich dämlich.“   „Überhaupt nicht.“ Harrys Taktik war nicht sonderlich effektiv, da aus Malfoy nichts herauszuholen war, aber immerhin hatten sie es geschafft, sich zu unterhalten. Anschließend folgte der Grffindor-Schüler dem blonden Schönling nach oben zum Schloss – erneut schweigsam.   Nachdem sie das hölzerne Portal erreichten, beäugte Draco seine Umgebung kritisch, ehe er seine Hand auf das Portal legte, um es zu öffnen. Seit Daphnes Verrat war sein Misstrauen weiter angestiegen. Nicht, dass er jemals jemandem vertraute, aber der Grundstein überhaupt mal jemandem zu vertrauen, war zerbrochen – herbeigeführt durch Daphne.   „Keine Sorge“, nuschelte Harry folglich, ehe er ihm gegen die Schulter stieß und in kalte, graue Augen blickte. „Niemand wird es dir übel nehmen, wenn wir beide zusammen gesehen werden. Du kannst ruhig mit mir durch die Tür gehen.“   „Genau das ist es ja, was mir Sorgen macht“, beklagte Draco. „Niemand wird mich mehr ernst nehmen, wenn man mich neben dir sieht. Hinzu käme, dass die Leute sagen würden, dass ich verrückt geworden bin.“ Auch wenn ihm das herzlich egal wäre, was die Schüler dachten. Aber ihm ging es ums Prinzip. Immerhin war das neben ihm noch Harry Potter.   „Nun, du willst doch, dass jeder Angst vor dir hat. Und vor Verrückten hat man grundsätzlich Angst“, neckte Harry ihn zuzüglich.   „Ja. Angst. Das ist ein Unterschied, Potter, weil ich erst dann verrückt werde, wenn du mir noch länger auf den Zauberstab gehst.“ Sein Schmerzgrad war erreicht. Draco wollte nur noch weg – was er auch unverzüglich tat, indem er sich ohne zu verabschieden von Potter abwandte und eine andere Richtung einschlug. Er wusste auch, dass man ihm seinen Abgang nicht krumm nehmen würde. Schließlich kannte doch auch Potter die Stimmungsschwankungen von Draco... Demzufolge konnte er auch seinen logischen Entschluss gewiss nachvollziehen.     ~*~     Seit einer Stunde lief Draco orientierungslos durch das Schloss. Aber das Gespräch mit Potter hatte ihn aufgewühlt, weshalb er sie unbedingt sehen musste. Aber wo er auch suchte: Er fand sie nicht. Granger war nicht auffindbar. Nicht in der Bibliothek, nicht im Hof, nicht bei Hagrid und selbst vor den Räumlichkeiten der Gryffindors war sie nicht zu sehen.   „Merlin, das hier ist Hogwarts. Es gibt nicht sehr viele Orte wo sie sein kann“, entkam es ihm mürrisch, als er zu sich selbst sprach. Aber er wollte sich unbedingt künstlich über ihren Vielsaft-Trank aufregen. Oh ja, darüber würde er sich melodramatisch echauffieren, wenngleich es nur als Ausrede diente, um sie aufzusuchen. Böse war er nämlich nicht, aber es diente wunderbar als Grund.   „Das stimmt.“   Folglich drehte sich Draco erschrocken um, bloß um in das breit lächelnde Gesicht von Loony Lovegood zu blicken.   „So groß ist das Schloss wirklich nicht“, ergänzte Luna freundlich, während sie ihre Brille aus Buntglas ihren Nasenrücken hochschob. „Verschwinden kann hier so schnell niemand.“   „Man, was machst du denn hier, Lovegood?“ Nicht auch noch sie. Draco wusste sehr genau, wer vor ihm stand. Schließlich gastierte – um es gelinde auszudrücken – das Mädchen mehrere Monate bei ihm Zuhause, weil ihr Vater Partei für Potter ergriffen hatte.   „Ach, nichts besonderes. Ich mache nur meinen täglichen Rundgang“, teilte das blonde Mädchen dem Jungen mit, der ihr missmutig entgegensah. Aber statt Angst zu haben, grinste sie verschmitzt zurück. Freundlich kniff sie ihre Augen zusammen, zuckte mit den Schultern und behielt ihr Lächeln bei. Allerdings fand sie es lustig, dass sie so unterschiedlich waren, obwohl sie beide dieselbe Haarfarbe teilten.   „Fein, dann wünsche ich dir viel Spaß dabei.“ Sollte sie nicht furchtbar wütend auf Draco sein? Er selbst wäre es. Er würde vermutlich durchdrehen, wenn sein Gegenüber mitsamt seiner Familie dafür verantwortlich gewesen wäre, dass er mehrere Monate in einem Kellerverlies eingesperrt und von der Außenwelt abgeschottet wäre. Aber Lovegood scheinbar nicht. Ihre stahlblauen Augen starrten ihn bloß an. „Ist noch was?“, knurrte er daraufhin, wohingegen er sich im selben Moment innerlich maßregelte, angesichts seines Ausbruchs. Aber ihre Art... der dazugehörige Blick... Das waren Dinge, die ihn wieder verunsicherten, was wiederum ein neues Gefühl für ihn war. Wie die Gefühle, die er für Granger hegte, war auch das Gefühl der Verunsicherung neu.   „Nein, aber du bist seltsam.“   „Was bin ich?“ Schnaubend musterte er das Mädchen vor sich. „Das sagst du mir? Ein Mädel, das an Merkwürdigkeit nicht zu überbieten ist, sagt mir, dass ich seltsam bin? Tze, wirklich witzig, Lovegood.“ Und Draco wusste nicht, woher diese Herleitung kam, aber Loony Lovegood erinnerte ihn irgendwie an Granger, die genauso schlagfertig sein wollte, wie die blonde Schulsprecherin vor ihm. Allerdings würde Draco sich so weit aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass Luna Lovegood tatsächlich schlagfertig war, denn seine Worte schienen an der Ravenclaw-Schülerin abzuperlen. Oder sie war an solche Sticheleien gewöhnt.   Er hatte keine Ahnung.   „Seltsamer als ich bist du bestimmt nicht“, antwortete sie kichernd, was sie hinter ihrer vorgehaltener Hand nicht verbergen wollte, sondern lediglich einen lautes Lachen verhindern wollte.   „Von mir aus“, winkte er lapidar ab. „Viel Spaß beim weiteren Rundgang.“ Er wollte ihren Blick nicht mehr auf sich spüren, da es sich anfühlte, als würden ihre blauen Augen ihn durchleuchten wollen. So, als wäre er unsichtbar und sie wunderbar durch ihn hindurchsehen konnte – insofern wäre die Frage berechtigt, was in McGonagall gefahren war, als sie das Mädchen zur Schulsprecherin ernannt hatte.   „Du suchst Hermine, oder?“, hielt Luna den Jungen zurück, nachdem sie die Buntglasbrille von ihrer Nase genommen und in ihren Umhang gesteckt hatte.   Abrupt blieb Draco stehen – nur dieses Mal zeichnete sich deutlich Verwirrung in seinem Gesicht ab.   „Hermine ist am schwarzen See“, fügte sie hinzu, bevor sie sich hüpfend umdrehte und freudestrahlend den Gang entlang lief, während ihre Finger über die steinerne Wand glitten.   „Ich suche nicht nach Granger“, rief Draco ihr verbissen hinterher, der seinen Versuch – sich vor ihrer Ehrlichkeit zu retten – kläglich scheitern sah. Indes fingen seine grauen Iriden aus unerklärlichen Gründen zu zittern an. Beim besten Willen konnte er sich das Mysterium Luna Lovegood nicht erklären. Woher wusste sie, wonach Draco suchte?   Es war egal. Zumindest wusste er jetzt, wo er suchen musste und machte sich auf den Weg. Wieso war er nicht auf diese Idee gekommen? Weil Granger nie dort war. Nein, sie schlug ihre Zeit meistens in der Bibliothek tot – über ihren Hausaufgaben gebeugt und einem Berg aus Büchern vor sich. Mit schnellen Schritten kam er dem schwarzen See immer näher, wo er aus der Ferne ihre Gestalt erkennen konnte – was nicht schlimm gewesen wäre. Aber Draco störte die zweite Gestalt, die seinen Arm um Grangers Schulter legte. Hinzu kam diese Verbundenheit zwischen den beiden Schülern. Sie wirkten so vertraut nebeneinander... Sie ergaben zusammen ein schönes, friedliches Bild. Parallel trieb es Draco aber die Röte ins Gesicht. Vor allem nachdem er ihr indirekt gestand, dass er sie... liebte.   Kurz wog er ab, ob es nicht besser wäre, sich umzudrehen und zu gehen. Aber das wäre ja mal ausnahmsweise der richtige Weg gewesen, der von Dracos Wut versperrt wurde. Ja, Dracos Zorn war rasant gestiegen und verbot ihm, klar zu denken. Derweil erreichte er den schwarzen See und krempelte die Ärmel seines weißen Hemdes nach oben, ehe er hinter den beiden Gryffindors stehen geblieben war und die Arme verschränkte – sein Blick störrisch und kalt.   „Stör ich?“, fragte er anschließend bissig und wartete hasserfüllt auf eine Antwort.   Verzagt drehte sich einer der beiden Schüler zu ihm herum. „Malfoy?“ Ausgerechnet den blonden Slytherin hatte Seamus nicht erwartet. Trotz alledem antwortete der junge Ire: „Um ehrlich zu sein: Ja, du störst.“   Draco hingegen sah zwanglos auf Seamus Finnigan hinab, bei dessen Anblick der Malfoy-Spross hätte kotzen können. Alleine der Umstand, dass beide Gryffindors auf demselben Stein saßen, brachte ihn zur Weißglut. Immer wieder zwang er sich, Haltung zu bewahren, doch hatte er die Ruhe seit dem Zeitpunkt verloren, als er sich dazu entschlossen hatte, auf sie beide zuzugehen.   „Tue ich das, Finnigan? Dann habe ich den perfekten Vorschlag für dich.“ Er würde dem kleingewachsenen Iren die Möglichkeit einräumen, selbst die Initiative zu ergreifen und zu gehen – aber das passierte nicht. Stumm blieb Finnigan neben Granger sitzen. „Du sollst abhauen. Kapiert?“   „Was soll das, Malfoy? Bist du verrückt geworden?“   „Zisch ab!“   „Ich denk gar nicht dran“, kommentierte er Malfoys Befehl mit geballten Fäusten. „Was willst du überhaupt? Hast du dich verlaufen, oder wieso nervst du uns?“ Aber Seamus wollte die Antwort gar nicht hören, weshalb er sich unweigerlich zu Hermine zurückdrehte.   „Bist du schwer von Begriff, Finnigan? Du sollst abhauen – das bedeutet, dass du mich und Granger alleine lassen sollst.“ Nichts war schlimmer, als ignoriert zu werden. Das hatte schon Granger getan. „Oder soll ich es dir aufmalen, damit du es begreifst?“ Er könnte es ihm auch vorsingen, wenn ihm das lieber wäre und das Endresultat sein Verschwinden wäre.   „Trau dich bloß nicht, weiterhin so abfällig mit mir zu reden“, keifte der Gryffindor-Schüler, ehe er sich erhob und mit zusammengekniffenen Augen vor dem größeren Malfoy stand, der alles, bloß nicht beeindruckt war. Dabei wollte er nur mit Hermine hier sitzen und lernen, sie vielleicht noch einmal fragen, ob sie ihn in die drei Besen begleiten würde – unverbindlich, zwanglos, als Freunde. Schließlich wusste Seamus, dass Hermine keinen Wert auf Extravaganz legte. Im Gegentei. Hermine war ein normales Mädchen. Authentisch, freundlich, hilfsbereit, zuvorkommend. Sie entsprach nicht dem typischen Frauenbild. Hermine gehörte nicht zu der Spezies Mädchen, das jede Woche ein neues Exemplar der Hexenwoche durchblätterte, um dem neusten Trend zu folgen. Ja, es machte einfach Spaß, sich mit ihr zu unterhalten.   „Tze, und wenn doch?“   Auch Hermine entschied sich, aufzustehen und sich Draco entgegenzustellen. Flüsternd kam sie näher, während sie sich beschämt umsah. Ungern wollte sie die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. „Was soll das?“   Kurz schweifte Dracos Blick zu ihrer Robe, in deren Tasche er den Discman hervorblitzen sah, ehe er zu ihrem Gesicht zurück sah und schmunzelte. Es hatte ihr also doch gefallen... Wäre das Gegenteil der Fall, hätte die sein Geschenk schon längst in die letzte Ecke ihres Zimmer geworfen.   „Bitte geh, Malfoy“, sprach sie umsichtig, da sie ihm nicht in die Augen sehen wollte. Stattdessen huschten ihre Augen hin und her – die Gegend immer im Auge behaltend.   „Nein“, erwiderte er beherrscht, bevor er behutsam nach ihrer Hand griff und kurz die Augen schloss, nachdem sein Daumen sanfte Kreise über ihren Handrücken fuhr. „Wir müssen reden, Granger. Folglich werde ich nicht gehen.“   „Kann das nicht warten?“, warf Seamus pikiert ein, der Malfoys Griff um Hermines Hand mürrisch beäugte.   Augenblicklich hatten sich seine Augen geöffnet. Dracos Kopf wirbelte herum, woraufhin er seinen eiskalten Blick auf den Menschen richtete, den er genauso wenig an Grangers Seite sehen wollte, wie Robin Sterling zuvor. „Nein, Finnigan, das kann nicht warten.“   „Wieso nicht?“   „Finnigan, ich will mit Granger reden – alleine. Du weißt, was das heißt?“ Allerdings antwortete der Schüler irischer Abstammung nicht, was Draco wiederum zum Schnauben brachte, weil er scheinbar alles erklären musste. „Die Prämisse dieser Unterhaltung ist, dass wir – Granger und ich – uns alleine unterhalten. Ohne dich“, erklärte er knurrend. Draco hatte es einfach satt, sich ständig wiederholen zu müssen. Oder wollte Finnigan ihn absichtlich nicht verstehen?   „Ich lasse Hermine sicher nicht mit dir alleine zurück.“ Unterdessen sah er in ihre Richtung, streckte seine Hand nach ihr aus und sprach: „Komm, Hermine. Lass uns gehen.“ Einen Streit wollte er vermeiden – vor allem mit Malfoy, dem man nicht über den Weg trauen durfte. In jüngster Vergangenheit hatte dieser nämlich – für Seamus' Geschmack zu oft – bewiesen, dass man einem Malfoy kein Vertrauen entgegenbringen durfte. Als er im Anschluss auch nicht in Erwägung zog, Hermines Hand freizugeben, war es Seamus selbst, der danach greifen wollte, doch unweigerlich daran gehindert wurde.   „Untersteh dich, und fass sie an“, fauchte Draco dem Jungen entgegen, ehe er die ausgestreckte Hand murrend zur Seite schlug.   „Was erlaubst du -“   „Geh, Finnigan. Geh, bevor ich mich vergesse!“, schwadronierte der aufgewühlte Slytherin, der die Nerven endgültig verlieren würde, sollte der Gryffindor-Schüler sich wagen, und es tatsächlich schaffen, Hermine von ihm loszureißen. Die Ruhe, zu der er sich eben noch zwang, war sang- und klanglos untergegangen, weil die Gefahr bestand, Granger erneut zu verlieren.   „Ich werde nicht ohne Hermine gehen, Malfoy. Vergiss es“, stellte Seamus erschrocken, gleichermaßen auch schockiert klar. Anschließend streckte er erneut die Hand nach Hermine aus, um sie von diesem Märtyrer zu befreien.   „Weißt du was, Finnigan?“ Es war ihm egal, was als nächstes passierte. „Fick dich, du Arsch, ja, leck mich – und wie du ohne sie gehen wirst.“ Sollten doch alle Schüler wissen, dass er Grangers Hand hielt und diese unter keinen Umständen loslassen würde. Sollten sie daraus Schlüsse ziehen, die Dracos vor Wochen noch vehement abgestritten hätte – es war ihm sowas von scheißegal geworden, was die Anderen von ihm denken könnten. „Und jetzt verschwinde, bevor ich meinen Stab ziehe.“   „Drohst du mir, Malfoy?“   „Ich versichere dir, dass – wenn ich meinen Stab ziehe – es zu spät sein wird, um dir überhaupt noch irgendwelche Drohungen an den Kopf zu werfen“, informierte er Finnigan, dessen Gesichtsfarbe zunehmend der Haarfarbe der Weasleys entsprach. Anschließend deutete seine freie Hand, die die ganze Zeit ruhig auf seiner Gürtelschnalle lag, zum Schloss hinauf – so offensichtlich, dass auch Finnigan verstehen musste, dass er endlich verschwinden sollte.   „Malfoy, ich -“   „Du überspannst den Bogen.“ Es reichte ihm. Dass man andauernd versuchte, Dracos Autorität zu untergraben und ihm zusätzlich noch Vorschriften machen wollte, war etwas, womit er noch nie zurecht gekommen war, in Anwesenheit der Lehrer aber stets den anständigen, gehorsamen Schüler mimen musste, um seine Schulzeit halbwegs reibungslos zu überstehen. Aber vor ihm stand immer noch Seamus Finnigan, der Gefallen an dem Mädchen gefunden hatte, das Draco ebenfalls... anziehend fand. Somit war dieser Dracos Todfeind. „Oder legst du es drauf an, dass du blutest? Willst du das?“   Finnigan musste doch mittlerweile verstanden haben, dass Draco es nicht zuließ, dass man Granger von ihm fernhielt, oder? Folglich griff er grob nach dessen Hemdkragen, nachdem er sich von Granger löste und wutschnaubend zu dem Iren herangetreten war. Das Karma hatte sich gedreht, es biss ihn förmlich, weil er erneute Angst verspürte, im Hinblick darauf, dass Granger ihm noch mehr entglitt. Alles schien sich gegen ihn wenden zu wollen. „Draco, lass ihn los!“ Konsterniert hatte auch Hermine zu den beiden Kontrahenten aufgeschlossen, doch hatte sie nach Dracos Hand gegriffen, um Schlimmeres zu vermeiden, nachdem sie die Wut in seinen Augen herauskristallisierten konnte. Langsam – mit stechendem Blick auf Seamus – ließ er von ihm ab, ehe sich Dracos Blick ihr zuwandte.   „Wieso, Granger? Zu verlieren hab ich sowieso nichts mehr.“ Seinen Vornamen aus ihrem Mund zu hören – nachdem sie ihn voller Hass Malfoy genannt hatte, war Balsam für seine Seele. Dieses Mal wurde sein Name sanfter ausgesprochen – bedächtiger. „Wieso sollte ich dem Bastard die Chance geben, glimpflich davonzukommen?“ Dass er ihretwegen aus der Haut fuhr... er konnte es ihr nicht sagen, weil er sich nicht verletzlicher machen wollte.   „Hermine, komm... komm nicht näher.“ Seamus wollte nicht, dass Hermine sich einmischte. Er wollte nicht, dass ihr etwas geschah, sofern Malfoy ausrasten würde. „Ich komme zurecht.“   Doch Draco war schneller als Seamus' Worte. Er hatte sich mit einem Ruck umgedreht, um Hermine zum Ufer des schwarzen Sees zu treiben, so dass sie nicht noch einmal vor ihm flüchten konnte. Nein, er wollte dieses Mal mit ihr reden, ihr endlich seine Beweggründe erklären, damit sie verstehen konnte, wieso er so hinterhältig gehandelt hatte.   „Merlin, Hermine!“, rief unterdessen Seamus verzweifelt, der mit gesundem Abstand den beiden hinterherging.   „Ich hab dich, Granger“, offenbarte Draco ihr inzwischen das Wesentliche. Er würde verhindern, dass sie sich neben Finnigan stellen konnte, um mit diesem Idioten zum Schloss zurückzukehren. „Du kannst jetzt nicht mehr einfach so vor mir abhauen.“   Doch statt ihm endlich zu antworten, schielte sie über seine Schulter – hinüber zu Seamus; mit ausgestreckter Hand. „Nicht, Seamus. Lass... Lass mich das klären. Ich komme später zurück.“   „Aber Hermine, ich kann dich doch nicht mit dem alleine zurücklassen!“   „Bitte Seamus, geh!“ Sie versprach ihm hoch und heilig, dass alles in Ordnung wäre, aber nur wenn Seamus ging, würde sich die Lage entschärfen. Demnach musste sie dafür sorgen, dass er ging – um Seamus, aber auch Draco vor Dummheiten zu bewahren, die er womöglich noch bereuen würde.   „Was soll das, Granger?“, knurrte Draco anschließend, nachdem sein Rivale – immer wieder über seine Schulter blickend – die Beiden alleine zurückließ. „Bandelst du tatsächlich mit dem an? Mit Finnigan?“ Seine Hände packten ihre Schultern, er ging leicht in die Knie, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein, während er er mit ihr sprach. Seinen Ekel konnte man, im Hinblick auf diese seltsame Liaison, gar nicht übersehen. Und sie begriff nicht einmal, dass er seinen Arm für sie hergeben würde... Granger realisierte scheinbar immer noch nicht, dass in den letzten Wochen etwas mit ihnen passiert war. Dass sie... Gefühle füreinander entwickelten – Draco vermutlich viel mehr für sie empfand, als es umgekehrt der Fall war.   Darüber hinaus wollte er der Junge sein, der sie schützte – nicht Finnigan sollte diesen Part übernehmen. Draco wollte ihre Rüstung sein, ihr Leben schützen und ihre Liebe zu ihm schätzen – sofern welche vorhanden gewesen wäre.   „Ausgerechnet mit dem?“ Ein anderer Junge wäre genauso schlimm gewesen. Draco würde jeden Jungen verachten, der sich Granger nähern wollen würde, aber Finnigan war es eben gewesen, der sich tatsächlich wagte, ihr sein Interesse zu offenbaren. Finnigan tat etwas, zu was ihm noch immer der Schneid fehlte – mit offenen Karten zu spielen und ihr zu sagen, dass er sie liebte... Dass er sich wahrhaftig in die widerspenstige Gryffindor verliebt hatte.   „Seamus ist niemand, mit dem man anbandelt“, zitierte Hermine in typischer Erklär-Manier, insbesondere, weil Malfoy tatsächlich davon ausging, dass sie sich dem Nächstbesten an den Hals schmeißen würde. Allerdings war Seamus anderes als der Slytherin vor ihr – vielleicht nicht so attraktiv wie Malfoy, aber Seamus besaß Eigenschaften, die sich Mädchen von ihrem Freund wünschten. Seamus war verständnisvoll, rücksichtsvoll, unglaublich nett und zuvorkommend. Seamus war ein Mensch, dem Herkunft und Abstammung gleichgültig waren. „Seamus ist unglaublich lieb. Zudem missbraucht er mein Vertrauen nicht und seine Eltern verhexen auch keine unschuldigen Mütter.“   „Ach so.“ Es ging immer noch darum. „Wie töricht von mir, zu denken, dass nur ich dein Vertrauen missbraucht habe, oder wie war das noch gleich im zweiten Schuljahr, als die kleine Granger Vielsaft-Trank gebraut hat, um mich auszuhorchen?“ Sollte Potter von ihr gemaßregelt werden. Auch das wäre ihm völlig schnuppe gewesen – wie so vieles.   „Du vergleichst Äpfel mit Birnen, Malfoy. Im zweiten Schuljahr haben wir uns gar nicht leiden können. Außerdem war es notwendig, da wir geglaubt hatten, dass du der Erbe Slytherins bist.“   „Trotzdem kommt es auf dasselbe hinaus. Du hast Vielsaft-Trank gebraut, Granger. Aber ich bin gar nicht deswegen hier, sondern -“   „- um mich weiterhin zu tyrannisieren?“, vollendete Hermine seinen begonnen Satz eifrig. „Das schaffst du, Malfoy. Tadellos. Es sind noch keine vier Stunden vergangen, seit unserem letzten, unfreiwilligen Zusammentreffen.“   „Falsch. Ich bin hier, um dir zu erklären, dass -“ Oh nein, seine Stimme würde brüchig werden. Draco lief abermals Gefahr, ihr nicht die Wahrheit sagen zu können, obwohl das genau der Grund war, weshalb er sie suchte. Folglich straffte er seine Schultern, ließ ihre dagegen los und atmete aus. „Ich bin hier, um dir zu erklären, wieso ich so gehandelt habe, du dummes Mädchen.“   „Und wieso hast du so gehandelt?“   Er wollte ihr unbedingt erklären, was der Grund war, dass Lucius einen so hirnrissigen Weg gegangen war. „Meine... Meine Zuneigung zu dir war der Auslöser.“   „Deine Zuneigung?“, hakte Hermine misstrauisch nach.   „Ja. Es fing schon im vierten Schuljahr an – nachdem ich dich auf dem Ball sah.“ Mittlerweile waren seine Finger ineinander gefaltet, wodurch er mit seinen Fingern den jeweils anderen Handrücken kneten konnte. „Damals war es eine Schwärmerei. Ich fand dich... irgendwie anziehend.“ Ruckartig entknotete er seine Hände, um gleichermaßen wild zu gestikulieren. Schlichtweg: Draco wurde nervös. „Eigentlich fand ich dich umwerfend und bildschön, aber diese Schwärmerei wurde intensiver. So intensiv, dass Lucius eine Gefahr darin sah.“   „Eine Gefahr?“   „Ja. Er dachte, ich würde mich in meinem Wahn verlieren. Lucius fürchtete sich davor und dachte sogar, dass ich dir etwas antun könnte, aufgrund dieser immer größer werdenden Besessenheit – die zusätzlich immer unkontrollierter wurde.“ Er wunderte sich, dass sie nicht fragte, woher Lucius von dieser Schwärmerei wusste, aber ihm war es nur recht. Andernfalls müsste er ihr auch sagen, was in den Ferien passiert war. „Aber ich hätte dir nichts angetan. Wirklich nicht, und ich erfuhr erst nach der Zahlung der Strafe davon, was mein Vater deiner Mutter angetan hatte.“   „Das soll ich dir glauben?“   „Ja?“, entgegnete Draco, der sich unbewusst auf die Lippe biss.   „Ist dir bewusst, dass ich aufgrund dieses Fluches beinahe nicht mehr nach Hogwarts hätte zurückkehren können?“   „Das war mir nicht klar, weil ich nichts davon wusste.“   „Du kennst aber deinen Vater“, antwortete sie kritisch. „Du hättest es verhindern können. Schließlich schien er ja auch von dieser Zuneigung gewusst zu haben. Demzufolge hättest du wissen müssen, dass etwas passieren kann.“   „Granger, so gerne ich allwissend wäre – ich bin es nicht.“ Seine Chancen sanken, das konnte er fühlen. „Du kannst mich für den Vielsaft-Trank verantwortlich machen, ja, aber nicht für Lucius' Bockmist, wenngleich ich für meinen Vater in die Bresche springen würde.“ Wenn er nicht so ein Feigling wäre und zu seinen Gefühlen stünde, wären sie schon viel weiter gekommen, aber er war eben ein Feigling. Dass Granger ihn daher nur fragend ansah, konnte er ihr nicht übel nehmen, aber er war mit seinem Latein am Ende. „Gott, Granger, was soll ich noch machen? Sag es mir und ich tue es.“ Bedächtig fuhren seine Hände zu ihren Wangen hinauf, seine Stirn drückte er gegen ihre, während er hörbar ein und ausatmete. „Willst du wirklich, dass ich dich jeden Tag um Verzeihung bitte – für einen bekloppten Fehler, den ich leichtsinnig begangen habe? Klar, ich würde es tun, allerdings würde ich es eher verstehen, wenn du für jedes Schlammblut, das ich dir an den Kopf geworfen habe, eine Entschuldigung verlangst.“   Aber noch immer schwieg sie.   „Granger, bitte sag etwas. Lass mich nicht im Regen stehen.“   Immer noch keine Reaktion ihrerseits, was Draco umso nervöser werden ließ. Er konnte bereits den ausbrechenden Schweiß auf seiner Stirn, sowie seinen Handinnenflächen fühlen und fast hätte er ihr sogar verraten, dass er mit Potter gesprochen hatte. Selbst das Narbengesicht sah Dracos Leid.   „Wieso magst du mich nicht, Granger? Ich... verstehe es nicht.“ Nach allem, was zwischen ihnen vorgefallen war – ob positiv oder negativ –, Draco konnte nicht verstehen, wieso sie nicht einen kleinen Schritt auf ihn zuging und ihm zumindest sagte, was er falsch machte.   „Sag mir, was... ich dir be- bedeute“, krächzte sie, da der dicke Kloß in ihrem Hals sich nicht hinunterschlucken ließ. Ihre Frage war aus dem Zusammenhang gerissen, ja, aber sie musste es wissen.   Augenblicklich zog der junge Slytherin seinen Kopf zurück und trat verwundert einen Schritt zurück. „Scheiße, meinst du das ernst? Ist das nicht offensichtlich, verflucht?“, entkam es ihm beherrscht. Jedoch war er froh, dass sie ihm wenigstens einmal geantwortet hatte. Das war es aber auch schon, da sie scheinbar wollte – aufgrund ihrer wieder einkehrenden Verschwiegenheit –, dass er in den sauren Apfel biss. Aber schön. Ja, er würde sich bücken und kriechen. Vielleicht fand er dann auch gerade noch seine Würde, die irgendwo auf dem Boden lag – zertrampelt und zerfetzt. Anschließend schloss er erneut den Abstand zu ihr, doch statt nach ihrer Hand zu greifen, hob sich seine Hand zu ihrer Stirn, so dass ein Finger dagegen tippen konnte. „Aufwachen, Granger. Alles! Du bedeutest mir alles. Du bist alles, was mich anscheinend in dieser beschissenen Welt hält.“ Folglich umfassten seine Hände wieder ihre Wangen. Er ging wieder in die Hocke, um ihr in die Augen zu sehen und sprach euphorisch weiter: „Selbst wenn die Welt durchdreht, wirbelt, strudelt oder sie sich dreht: Du bist das einzige Mädchen, das merkt, wenn es mir schlecht geht, obwohl ich gehässig lache und mich hinter meiner Maske verstecke.“   Dem jungen Mann war klar, dass viele Dinge zwischen ihnen schiefgelaufen waren, als sie noch Kinder waren. Dessen war er sich bewusst, aber alles was passiert war, geschah nicht ohne Grund. Nie dachte Draco, dass ausgerechnet das von Bedeutung wäre, aber heute wusste er es besser. Ihre Vergangenheit gehörte zu ihnen – sie hatten lediglich irgendwann die Kontrolle darüber verloren und sich ihrem gegenseitigen Hass hingegeben. Vielleicht nannte man ihren Werdegang auch Schicksal. Vielleicht auch Routine, denn beide hatten aufgrund ihrer Abscheu dem jeweils anderen gegenüber pauschalisiert. Beide mussten funktionieren, sie routinierten, indem sie sich beleidigten – vermutlich um im Einklang zu bleiben, da alles andere nicht normal gewesen wäre. Vielleicht beleidigten sie sich auch, um eine Symbiose zu bilden. Schließlich waren sie Kinder und kannten nichts anderes, als sich zu hassen, zu diffamieren und das Schlechte in dem anderen zu sehen.   Aber sie waren nun mal keine Kinder mehr. Sie wurden erwachsen und Draco erkannte, dass er mit ihr – mit Hermine Granger – wachsen könnte... Dass er mit ihr reifer werden würde. Ferner musste er aber einsehen, dass seine Offenbarung auf keinen fruchtbaren Boden fiel, denn Hermine stand vor ihm – perplex, womöglich auch schockiert. Daraufhin wollte Draco schon seine Hoffnung endgültig begraben, denn wenn die Wahrheit ihn nicht weiterbrachte, was sonst? Was wäre der nächste Schritt gewesen?   Es gab keinen, weil es nur die Wahrheit gab.   Schnaubend sah er dabei zu, wie sie zurückging und Draco wusste, dass es vorbei war... Sie glaubte ihm nicht, weil sie ihm nicht vertraute und es war ganz alleine seine Schuld. Er hatte es verbockt und in diesem Moment – so selten es vorkam – wünschte er sich, dass er auf Blaise gehört hätte, anstatt seinen niederträchtigen Plan durchzuziehen.   „Du glaubst mir nicht, richtig?“ Er gab sich selbst die Antwort, indem er mit zusammengebissenen Zähnen nickte und ebenfalls nach hinten schritt. Bei Merlin, wieso hatte er nicht gehorcht? Wieso war er auf die Barrikaden gegangen? „Ich kann dir leider nur das geben, Granger. Meine... aufrichtige Liebe zu dir ist alles, was ich habe und wenn du mir nicht glauben oder vertrauen kannst, dann... dann muss ich das akzeptieren und werde gehen.“ Er spürte, dass seine Wangen heiß wurden. Er konnte die aufkeimenden Tränen spüren. „Ich... Ich werde dich loslassen, wenn es das ist, was du wirklich willst.“   „Halt den Mund, Malfoy!“   „Was?“   Kopfschüttelnd kam sie näher – so nah, bis ihre Hände nach seinem Hemdkragen greifen konnten, um ihn zu sich heranzuziehen und dem nachzukommen, wonach sie sich die ganze Zeit gesehnt hatte. Doch bevor sie ihre Lippen mit seinen verschloss, hielt sie inne und hauchte gegen seine vollen Lippen: „Wärst du wirklich gegangen?“   „Grundgütiger, vermutlich nicht!“ Rasch – bevor das kleine Luder ihm zuvorkommen konnte – versiegelte er seine Lippen mit ihren. Seine Arme schlangen sich parallel um ihre Taille, ehe er sie nach oben hob und sich mit ihr in seinem Arm zu drehen begann. Als er im Anschluss ihre Beine um seine Taille spüren konnte, wusste er, dass sie nicht mehr ging. Oh nein. Dieses kleine Biest hatte ihn zappeln lassen – absichtlich. Umso härter presste er ihren Körper gegen seinen – für die unendlich langen Minuten, die sie ihn hatte unnötig leiden lassen. Währenddessen ging er mit ihr zum schwarzen See und Draco wusste nicht, wie er es schaffte, aber er hatte aus seinem Hosenbund seinen Stab ziehen und einen Wärmezauber über sie beide legen können, ehe er mit ihr in den schwarzen See sprang – die Lippen noch immer aufeinander gepresst. Dass durch sein Handeln ihr Discman in Mitleidenschaft gezogen wurde, hatte er darüber hinaus völlig vergessen.   Und noch eine Erkenntnis hatte den jungen Malfoy eingeholt. Er wusste nun, dass man den Garten des Paradieses nicht mit den Füßen, sondern mit dem Herzen betrat... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)