Hunter of Darkness von Plotchaser (Schattenspiel) ================================================================================ Kapitel 27: Siebenundzwanzig ---------------------------- Prim war zurück. Sie lebte. So wie es Loren prophezeit hatte. Diese Gedanken brauchten eine ganze Weile, bis ich sie begriff. Und als ich es tat, fing ich auch schon wieder an zu weinen. Dieses Mal jedoch aus Freude, auch wenn dieses Gefühl nur einen kurzen Moment lang anhielt und dann schlagartig mit allen anderen Gefühlen einfach verschwand.   Während Juna neben ihrer Freundin kniete und deren Hand hielt, ging Loren zu dem anderen Mann und zog diesen auf die Beine. Loren gestikulierte kurz mit den Händen, als würde er das ganze Gebiet damit einschließen, dann deutete er auf die Mädchen und auf mich. Ich konnte mir grob zusammenreimen, dass er sich noch einmal umschauen wollte und der andere Mann sich solange um uns kümmern sollte, denn mein Lehrer und Freund verschwand nach dieser Unterhaltung zusammen mit seinem Partner in dem nahegelegenen Wald. Währenddessen kam der ältere Mann auf mich zu und reichte mir eine Hand. „Na komm, Mädchen, steh auf. Alles ist nun in Ordnung.“ Zögerlich ließ ich mir aufhelfen, doch wanderte mein Blick direkt wieder zu Juna und Prim. „Es ist alles in Ordnung“, wiederholte er seine Worte, bevor er mich an der Schulter packte und rückwärts die letzten beiden Schritte auf den Mustang zu schob. „Der Doc wird gleich hier sein und sich um alles kümmern.“ Langsam nickte ich, nachdem der Mann mich irgendwie dazu gebracht hatte, mich ins Auto zu setzen. Er schien mir anzusehen, dass ich momentan nicht einmal mehr die Freude über Prims Auferstehung empfand, denn sein Blick wurde einen Moment lang forschend, ehe er vor der geöffneten Autotür in die Hocke ging. „Ich bin Perun. Loren hat mich darum gebeten, mich um dich zu kümmern, da du eine Schatten-Anwenderin bist und es sieht so aus, als hätte er Recht mit seinen Bedenken. Weißt du, Prim ist meine Tochter und trotzdem sollte ich mich erst einmal um dich kümmern.“ Mit gerunzelter Stirn musterte ich das Gesicht des Älteren, die hellbraunen Augen, deren Iris von diesem typischen goldenen Ring gesäumt waren. „Du hast zu Loren gesagt, du hättest nicht wirklich etwas in diesem Kampf beigetragen, richtig? Dein Blick verrät mir, dass das nicht stimmt. Du musst dich sehr angestrengt haben, etwas zu unternehmen. Auch wenn du vielleicht nicht viel tun konntest, hast du doch zu viel von deinem Element in dir angesammelt, ob genutzt oder ungenutzt, und zumindest versucht zu helfen.“ Wieder runzelte ich die Stirn und gab dem Mann insgeheim Recht. Ich hatte mich die ganze Zeit doch stark darauf konzentriert, mein Element irgendwie zu nutzen, auch wenn ich es nicht groß hatte anwenden können, da meine Gefühle mich meist blockiert hatten. Als ich ihm nicht antwortete, nickte der Blonde einfach und fuhr fort. „Du hast durch dieses Anstauen des Schattens seinen Nebeneffekt ausgelöst. Das, was ich in deinen Augen sehe, Mädchen, ist eine Eiseskälte, die nur deinem Element inne wohnt. Du musst dir dessen bewusst werden, dass diese Distanziertheit, diese Apathie, ein Zustand ist, der nicht normal ist. Dass das nicht du bist, sondern nur dein Element. Du darfst dich darin nicht verlieren. Verstehst du, was ich sage?“ Weiterhin betrachtete ich den Mann, ließ die Augen über seinen Hals zum Kragen seines schwarzen V-Neck-Shirts wandern, an dessen Rand eine Narbe hervor spitzelte. Dann folgte mein Blick einer Kugelkette bis hin zu einer Hundemarke, wie sie Soldaten trugen, nur dass auf dieser das Symbol der Silvermoon-Gilde abgebildet war, ehe ich intensiv das Tarnmuster seiner Armeejacke beäugte. Das schien dem Mann nicht sonderlich zu gefallen, denn er hob eine Hand vor mein Gesicht und schnippte mit den Fingern, um meinen Blick auf sich zu lenken. „Mädchen, hast du mir zugehört?“ Gezwungenermaßen nickte ich, was auch den Mann nicken ließ. „Dann hör auf zu träumen und konzentriere dich. Lass dich nicht von deinem Element beherrschen.“ Ich hatte das Gefühl, dass etwas an der Aussage dran war, weshalb ich mich tatsächlich auf meine eigenen Gefühle konzentrierte. Oder eher gesagt auf das Fehlen dieser, was ich jetzt begriff. Während ich das tat, fiel mein Blick auf Mishka, der die Ohren angelegt hatte und gestresst hechelte. Verwirrt runzelte ich die Stirn. „Mishka, was ist los?“ Kurz wanderte der Blick des Mannes zu dem Kater und dann wieder zurück zu mir. „Das ist die Folge deines Kontrollverlustes über dein Element. Dein Partner wird ebenso von deinen Gefühlen beeinflusst, nur versucht er sich dagegen zu wehren, was ihn offensichtlich stresst.“ Diese Worte waren es, die mich tatsächlich wach rüttelten, da sie mir ein schlechtes Gewissen bereiteten. Mishka wehrte sich gegen die falschen Gefühle, während ich mich ihnen hingab. Und er litt dadurch. Zitternd sog ich die Luft ein und schloss die Augen, wobei ich in meinem Inneren nach etwas anderem als dieser Gefühlslosigkeit suchte. „Gut so“, hörte ich Peruns Stimme und konzentrierte mich noch ein wenig mehr. Nach einem Moment drängte sich tatsächlich ein Gefühl in den Vordergrund: Angst. Angst, die mich erzittern ließ und mir Tränen in die Augen trieb, ehe ich diese wieder öffnete. Auch wenn es ein negatives Gefühl war, so war es doch ein Gefühl und ich ließ es zu. Was dazu führte, dass der Animalist vor mir einen Mundwinkel anhob und stolz nickte, ehe er mir durch die Haare wuschelte. „Gut gemacht, Mädchen.“ Mit diesen Worten stand er auf und wandte sich ab, ehe mir Mishka halb auf den Schoß sprang und seinen breiten Schädel an meinen Bauch drückte. Und mit einem Mal wurde mir wirklich bewusst, wieso alle ständig meinten, dass das Schatten-Element gefährlich war: Man musste so viel Kontrolle an den Tag legen, da man sonst seine eigenen Gefühle verlor. Und wenn man in diese Gefühlslosigkeit abrutschte, war einem alles egal. Das eigene Leben und das anderer waren unwichtig...   Während ich diesen Gedanken nachhing und Mishka an mich drückte, schaute ich über diesen hinweg und sah, wie einige Leute sich um Prim scharten, darunter ein Mann in weißem Kittel. Juna stand daneben und wurde von Prims Vater festgehalten, damit sie dem offensichtlichen Gilden-Arzt nicht im Weg stand. Ich hatte in meiner Gefühlslosigkeit nicht einmal darauf geachtet, was um mich herum geschah und das Eintreffen des Krankenwagens und eines weiteren Fahrzeuges gar nicht bemerkt. Als Prim gerade in den Krankenwagen verladen wurde, trat Loren in mein Sichtfeld. Er blieb bei Perun stehen, während Juna mit in den Krankenwagen stieg, ehe dieser in Richtung Gilde davon brauste. Zu den beiden gesellten sich zwei weitere, schwarzhaarige junge Männer, doch konnte ich aus dieser Entfernung die Unterhaltung nicht verstehen. Einen Moment lang blieb ich noch sitzen, blinzelte gegen meine Tränen an und versuchte mich halbwegs zu beruhigen, ohne erneut in die Gefühlslosigkeit ab zu rutschen. Erst, als das funktionierte, wischte ich mir mit dem Armrücken über die Augen und schob Mishka sanft von meinem Schoß, um zu ihnen hinüber zu gehen. Als ich jedoch bei den Männern ankam, unterbrachen diese direkt ihre Unterhaltung. Ich hatte mich selten so unerwünscht gefühlt, trotzdem wagte ich mich nach kurzem Zögern weiter vor, bis ich nahe bei Loren stehen blieb, sodass sich unsere Arme bei jeder kleinen Bewegung berührten. Sein Blick, der auf mich fiel, war besorgt, doch nickte er nach einem Augenblick leicht, als wollte er mir die offizielle Erlaubnis geben, bei ihnen stehen zu bleiben, ehe er sich wieder an die anderen wandte. In mir herrschte ein Gefühlschaos, sodass ich nicht einmal einschätzen konnte, ob mich diese indirekte Erlaubnis freute oder kränkte. „Wie gesagt, die Person, die ich gesehen habe, ist mir entwicht. Es scheint, als hätte jemand ihren Fluchtweg verschleiert. Und Dew ist nicht mehr fit genug, um nach einer präzisen Spur zu suchen.“ „Spot haben sie auch zu sehr zugesetzt. Und jetzt noch einen Spürtrupp her zu rufen ist vermutlich unnötig.“ Mit einem Seufzen fuhr sich der blonde Mann durch die halblangen Haare und musterte seinen Partner, der erschöpft an seinem Bein lehnte, eine Vorderpfote blutig und erhoben. „Ach, verdammt!“ Überrascht schaute ich zu den beiden Schwarzhaarigen, die uns gegenüberstanden. Der eine hatte sein Pony zur Hälfte ins Gesicht gekämmt, was ihm – zusätzlich zu seiner Kleidung – einen klischeehaften Emo-Look verschaffte. Die beiden Schwarzhaarigen schienen Zwillinge zu sein, auch wenn der andere gefasster wirkte, was nicht nur an seinen kurzen Haaren und dem soldatenhaften Auftreten lag. Statt aufgebracht den Blick wandern zu lassen, wie es sein Bruder tat, schien er sich Gedanken zu machen. „Gut. Wenn es sowieso nichts mehr bringt, dann brauchen wir euch hier nicht mehr. Per, fahr zu deiner Tochter. Und ihr beide“, er unterbrach sich kurz, um mich einen Moment lang an zu schauen, was ein seltsames Gefühl in meinem Innern auslöste und mich den Blick unbehaglich abwenden ließ. „solltet auch in die Gilde zurück. Wir kümmern uns um alles weitere.“ Kaum hatte der Kurzhaarige diese Worte ausgesprochen, zog er ein Handy aus seiner rot-schwarz karierten Hose hervor und tippte direkt eine Nummer ein. Währenddessen legte Loren mir einen Arm um die Schulter und führte mich zu seinem Auto zurück. Doch blieb er davor ruckartig stehen. „Mist! Mein armer Kühlergrill...“ Fragend hob ich meinen gesenkten Blick an und entdeckte die eingebeulte Front des gelben Mustangs. Nach einem Moment erinnerte ich mich auch wieder daran, dass Loren eines der Finsternis-Wesen angefahren hatte, als wir hier angekommen waren. Zum Glück hatten wir schon fast gestanden, sonst wäre es nicht bei diesem doch recht leichten Blechschaden geblieben. Wenn ich so daran dachte, wie schwer im Normalfall ein Wildunfall ausging erschauderte ich unwillkürlich und mich überkamen erneut die Tränen. „Auf, einsteigen.“ Lorens Worte rissen mich aus meinen Gedanken über Wildunfälle, Totalschäden und darüber, was schlimmeres hätte passieren können und ich blinzelte die Tränen fort. „Na, komm schon, Kris. Dew und Mishka sind auch schon im Auto.“ Mit einem leichten Nicken folgte ich der Aufforderung schließlich und versuchte dabei Lorens Blick zu entgehen, der mich genauestens zu beobachten schien. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)