Expect the unexpected von Aka_Tonbo (Steve/Bucky) ================================================================================ Kapitel 4: ----------- „Wie wäre es denn mit Phil? Du weißt, er himmelt dich an.“ Steve hätte ein müdes „nicht schon wieder“ von sich gegeben können, hätte er nicht gerade ein Paar Nägel zwischen seinen Lippen, um die neuen Dachschindeln befestigen zu können. Peggy saß auf dem Giebel, da sie sich nicht damit hatte abspeisen lassen, einfach nur von unten her zuzusehen. Und Steve wusste auch warum. Sie nutzte die Zeit, um ihn erneut daran zu erinnern, dass er schon viel zu lange allein war und sich doch endlich mal einen Ruck geben sollte. Deshalb auch der Vorschlag, einmal mit Phil auszugehen. Steve mochte Phil, aber sie waren ebenso befreundet und er wollte ihm nicht das Herz brechen. Und das würde früher oder später einfach passieren. Er kannte sich selbst zu gut. „Peggs.“, gab er knapp und dieses Themas überdrüssig wieder, als sie anfing ihm von Sebastian zu erzählen, der bei ihnen in der Verwaltung arbeiten würde, und ein ziemlich netter und witziger Kerl sei. Außerdem habe er diesen niedlichen ost-europäischen Akzent der ihn nur noch sympathischer machte. „Ich schätze deinen Elan, das perfekte Date für mich finden zu wollen, aber ich habe einfach kein Interesse.“ „Das erzählst du mir seit zwei Jahren, Stuffy.“ Sie klang etwas resigniert. „Ich mache mir doch einfach nur Sorgen um dich, denn ich…wir glauben, dass dir ein Partner wirklich guttun würde.“ Peggy setzte ein leicht wehmütiges Lächeln auf. Steve wusste, was es zu bedeuten hatte. „Ich mache mir Sorgen, dass einer der wunderbarsten Menschen in dieser Stadt allein enden wird, und das wäre eine so unsägliche Verschwendung. Ich wünschte nur, du würdest einsehen, dass es keine Schande ist ein paar Schwächen zu haben. Denn du bist so viel mehr kleiner Bruder.“ Steve sagte nichts zu alle dem, denn auch wenn Peggy es so einfach klingen ließ, konnte er nicht so ohne weiteres über seinen eigenen Schatten springen. Er wollte niemanden zur Last fallen. Doch das würde er, sobald man mitbekam, dass er noch einige Geister aus seiner Dienstzeit mit sich herumtrug. Alpträume, Panikattacken, Tage, wo er einfach nur allein sein wollte. Seine Therapie hatte ihn zwar mit dem aller Schlimmsten zurechtkommen lassen, aber er wollte einfach niemandem diesen unangenehmen Teil von sich aufzwingen. Selbst für ihn war es ein anstrengender Prozess gewesen, sich damit abzufinden und dass er nun einmal lernen musste, damit zu leben. Denn wenn man es nicht verstand, konnte es schnell zu einem unüberwindbaren Hindernis in einer Beziehung werden. Und er brauchte nicht noch mehr Stress. Peggys Hand legte sich plötzlich auf die seine, hatte diese sein Abschweifen in Gedanken mitbekommen. „Komm, lass uns eine Pause machen.“, schlug sie vor und Steve nickte zustimmend. Schließlich kletterten sie zurück zur Dachluke und er ließ Peggy den Vortritt. Sein Blick schweifte über die unter ihnen liegende Nachbarschaft, als er eine Bewegung am Zaun ausmachte, der sich gegenüber der Hintertür befand. Ein Lächeln suchte sich seinen Weg auf sein Gesicht, erstarb aber rasch wieder als er erkannte das etwas nicht stimmte und Chocolate nach einem konfus wirkenden Taumeln einfach zur Seite kippte und regungslos liegen blieb. So schnell wie es ihm möglich war, kletterte Steve durch die Luke und sprintete an Peggy vorbei, die ihm ein irritiertes „Was ist denn los?“ hinterher rief, worauf Steve in seiner Hast jedoch keine Zeit zum Antworten fand. Laut knallte die Hintertür gegen die Außenwand und Steve eilte auf den leblos wirkenden Körper von Chocolate zu. Ohne die übliche Vorsicht auf ihr Reagieren sank er neben ihr auf die Knie und legte ihr eine Hand auf das braune und verklebte Fell. Ihre Augen waren geschlossen und ihre Zunge hing ein stückweit aus dem Maul hervor. Steves Augen weiteten sich in Entsetzen, als er die dunkle Schlinge erkannte, die sich um Chocolates Hals gelegt befand, die ihm durch ihr langes Fell beinahe entgangen war. Behutsam streifte er mit den Finger das Fell zur Seite und musste erkennen, dass sich der Draht schon in deren Hals geschnitten hatte, was etwas Panik in ihm aufkommen ließ. „Steve, was…?“ Peggy war an seiner Seite und schaute von Steve auf Chocolate. „Ich brauche….“ Ohne sich weiter zu erklären, suchte er sich seinen Weg zurück ins Haus und in den Keller. Irgendwo hatte er eine Zange, mit der er den Draht durchtrennen konnte. Zurück mit dem gesuchten Werkzeug, wies er Peggy an, Chocolates festzuhalten. Auch wenn sie sich nicht rührte, wollte er nicht, dass sie durch den Überraschungseffekt, den Schmerz und Verwirrung auslösen konnte, sich noch weiter verletzte. Ohne zu Zögern kam sie seiner Bitte nach. Ein bekanntes, mulmiges Gefühl durchzuckte seinen Magen, als er den Draht aus der Wunde löste, die nun etwas mehr zu bluten begann, als er ihn komplett entfernte. Chocolate hatte sich die gesamte Zeit nicht bewegt, und Steve rechnete nun doch mit dem Schlimmsten. „Sie atmet noch.“, hörte er Peggy sagen und erst jetzt erlaubte er sich einen genauen Blick auf den sich sachte heben und senkenden Katzenleib. „Wir sollten sie zu einem Arzt bringen.“, fügte sie hinzu und Steve nickte erneut stumm. In ein Handtuch gewickelt und darauf bedacht ihren Kopf so stabil wie möglich zu halten, brachte er Chocolate ins Haus und legte sie dort auf die Couch. Er gab Peggy die Aufgabe nach einer Praxis in der Nähe zu suchen, während er sich daran machte, die Wunde ein wenig zu säubern und einen Verband darumzulegen. Es war nicht viel anders, als bei einem verletzten Menschen. Silbergraue Augen öffneten sich ein Stück und fixierten Steve. Und er lächelte mitfühlend unter dem Gedanken, dass Chocolate, wenn sie könnte, ihm genau jetzt sagen würde, dass er sich verziehen solle. „Ich weiß.“, murmelte er ihr zu und streichelte ihr dennoch über ihr Fell. „Aber ertrage es nur dieses eine Mal, ok?“ Und vielleicht war es ein „na gut“ oder ein „ich kann gerade eh nichts dagegen tun“, dass sie ihre Augen kurz darauf wieder schließen ließ, ohne über Steves Streicheleinheiten zu protestieren. Er hatte sich nur einen Augenblick entfernt, als Peggy meinte, sie habe einen Arzt gefunden, den sie auch schon kontaktiert habe. Und nun schaute er auf den leeren Platz auf seiner Couch. Das Handtuch am Boden und keine Spur von Chocolate. Eilig begann er nach ihr zu suchen, doch war sie wie von Erdboden verschwunden. Unglücklich ließ er sich auf seine Couch sinken, während Peggy erneut die Praxis anrief und ihr Kommen wieder absagte. „Ich habe einmal gelesen, dass sie sich zum Sterben verkriechen, wenn sie merken, es geht mit ihnen zu Ende.“ Peggy setzte sich neben ihn und nahm seine Hand in die ihre. „Tut mir leid, Stevie. Sie schien dir ans Herz gewachsen zu sein, hm?“ „Sie gehörte dazu. Es war bereits ihr Haus, bevor ich es kaufte.“ Es erfüllte ihn mit Traurigkeit daran zu denken, dass sie nicht mehr zurückkommen sollte. „Ich werde noch einmal nach ihr suchen.“ Selbst wenn es nichts bringen mochte, es war immer noch besser, als schon völlig aufzugeben. *** Die kommenden zwei Wochen füllte Steve damit aus, sich endlich zu einem Kunstkurs einzuschreiben, den eine der Universitäten für den Abend anbot. Etwas, das er sich schon länger vorgenommen hatte, aber sich erst jetzt dazu aufraffen konnte. Das Zeichnen hatte ihm immer innere Ruhe verschafft, Ruhe von der er das Gefühl hatte, sie immer seltener für sich finden zu können. Es war außerdem eine gute Gelegenheit etwas Abwechslung in seinen Alltag zu bringen und somit auch dem Wunsch von Peggy nachzukommen, sich nicht zu sehr abzuschotten. Sam hatte ihn zu Thanksgiving mit seinen Eltern eingeladen, so wie er es jedes Jahr tat und da er sonst immer höflich abgelehnt hatte, war es an der Zeit gewesen, dem freundlichen Angebot dieses Mal nachzukommen. Peggy konnte somit die Tage mit Angie und deren Familie verbringen, ohne ihm gegenüber ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Er kannte Sams Familie gut. Zumindest einen Teil davon und er fühlte sich stets wohl und willkommen in deren Mitte. Und auch mit fast 30 Leuten, war dies keine Ausnahme. Es mochte seltsam erscheinen, doch er suchte nun mehr denn je nach diesen kleinen, liebenswerten Dingen und herzlichen Momenten im Leben, die er sich im Rückblick wie eine Decke aus wohligen Erinnerungen überlegen konnte, um sich damit in stillen und einsamen Stunden umhüllen zu können. Man sollte generell einige Augenblicke einfach mehr zu schätzen wissen. Tony hatte ihnen allen pünktlich zum ersten Dezember eine Rundmail geschickt, die darauf hinwies, dass man sich nicht in Unkosten für ihn stürzen solle, und er sich über jedes Weihnachtsgeschenk freue, solange es von Herzen komme. Es war dieselbe Mail, die er auch schon Anfang November und Anfang Oktober verschickt hatte. Über die Jahre hatte Steve gelernt, dass es Tony wirklich nicht um ein pompöses Präsent ging. Tony war darauf aus, die Leute, die er zu seinen Freunden zählte, dazu aufzufordern, ihm mit den unmöglichsten Nonsens zu beglücken und sei es ein Aquarium Kugelschreiber aus dem 10 Cent Laden. Und wenn man etwas mit Sicherheit sagen konnte, dann, dass Tony Stark zu 65% ein großes Kind war. Steve hatte sich außerdem Gedanken gemacht, wie er den Garten, der das Haus umgab im Frühjahr neu herrichten könnte, um einen Platz zur Entspannung im Freien für sich zu haben. Außerdem hatte er sich in der Nachbarschaft erkundigt, ob jemand den Ursprung dieser ausgelegten Drahtschlinge kannte, und wurde von Mrs. Parker darüber informiert, dass solch ein Vorfall nicht zum ersten Mal passiert sei. Diese barbarischen Fallen würden ab und zu auftauchen, doch niemand wusste, wer sie auslegte und was den genauen Grund für solch eine widerwärtige Tat darstellte. Deswegen gab es auch nur noch selten freilaufende Katzen in ihrer Umgebung, da die Besitzer ihre schnurrenden Vierbeiner dadurch lieber im Haus behielten. Alles andere waren meist Streuner. Steve bat dennoch, dass man die Augen offen hielt, und ihn in dieser Sache auf dem Laufenden hielt. Er fand, dass er dies Chocolate schuldig war. Sie war nicht wieder aufgetaucht. Die erste Zeit hatte er immer die Befürchtung gehabt, dass er ihren leblosen Körper irgendwo im Haus entdecken würde. Sei es unter einem Schrank oder in einer Nische im Keller oder in irgendeiner Kiste, die sie sich als letzte Ruhestätte gesucht hatte. Aber nichts. Der Gedanke sich ein anderes Haustier zu beschaffen, hatte sich mehr als einmal in seine Gedanken geschlichen, wenn er das Haus als zu ruhig und leer empfand. Das Einzige, was ihn davon abhielt war, dass es unfair gegenüber Chocolate sei, sie schon nach so kurzer Zeit einfach zu ersetzen. Steve konnte sich nicht helfen, aber er hoffte irgendwo, dass sie womöglich doch wieder erscheinen würde. *** Es war eine stürmische Nacht. Das draußen tobende Schneegestöber brachte die Scheiben des Hauses zum Vibrieren und das Holz zum Ächzen, doch nichts davon drang zu Steve in seinem unruhigen Schlaf hindurch. Das leise Dröhnen von den Rotorblättern eines Hubschraubers zog durch die flirrende Luft, die ihm das Atmen schwer machte. Krell reflektierte der Sand das unbarmherzige Sonnenlicht und brachte seine Augen zum Tränen. Und doch konnte er nichts weiter tun als abzuwarten. Darauf zu warten, dass… Das Metall seiner Waffe hatte die Hitze aufgesogen und brannte in seinen wunden, verschwitzten und blutbefleckten Handflächen. Das Gebäude, hinter welchem er in Deckung lag, war nicht mehr als eine Ruine, wie auch der Rest des Dorfes, das den Bomben nichts entgegenzusetzen gehabt hatte. Und er wartete. Ein Wimpernschlag und das Klicken eines Abzuges; kein Geräusch das folgte. Flehende, braune Augen in einem Kindergesicht, als er den Lauf seiner Waffe gegen dessen Stirn drückte. Das Klicken eines Abzuges. Kein Geräusch, das folgte. Ein Gewehr in viel zu schmalen Kinderhänden, das man auf ihn gerichtet hielt. Das Klicken eines Abzuges. Kein Geräusch, das folgte. „Ich bin kein Soldat.“ Das Klicken eines Abzuges. Kein Geräusch, das folgte. „Ich habe niemanden mehr.“ Das Klicken eines Abzuges. Kein Geräusch, das folgte. „Ihr habt versprochen, uns zu helfen.“ Das Klicken eines Abzuges. Kein Geräusch, das folgte. „Wegen euch sind sie alle gestorben.“ Das Klicken eines Abzuges. Kein Geräusch, das folgte. „Ich hasse euch.“ Das Klicken eines Abzuges. Kein Geräusch, das folgte. „Ich werde euer Feind sein.“ Das Klicken eines Abzuges. Flehende silbergraue Augen in einem Kindergesicht, ein Körper, der leblos zu Boden sackte. Sein Finger, der den Abzug gedrückt hielt. Das grelle Licht, das seine Augen zum Tränen brachte. Steve spürte seinen Herzschlag in seiner Kehle, die ihm wie zugeschnürt erschien und das Pulsieren nur noch heftiger werden ließ. Seine Augen brannten und er fühlte sich so unsagbar elend, dass er die Tränen nicht stoppen konnte. Er hasste diese Träume so sehr. Ein verzweifeltes Wimmern zwängte sich an dem Knoten in seinem Hals vorbei. Und schließlich setzte das Zittern ein, das seinen ganzen Körper erfasste und ihn einen weiteren wehklagenden Laut von sich geben ließ. Er rollte sich in sich zusammen. Er kannte diese Prozedur. Ein merkwürdiges Geräusch drang kurz darauf an seine Ohren, gefolgt von einer sanften Berührung, die über seinen Unterarm zog. Oder er bildete es sich nur ein. Nach solch einem Erwachen wünschte er sich stets etwas, das ihn zu beruhigen im Stande war, etwas…jemanden, der ihm ein wenig Halt geben würde. Unsicher, ob er sich nicht doch nur in einer Wunschvorstellung verloren hatte, hob er seinen Kopf ein Stück an. Erneut strich der dunkle Schatten an seinem Arm entlang und Steve kamen über ein erstickt klingendes Auflachen erneut die Tränen. Noch immer zwischen den Erinnerungen an diesen Traum und dem Wunsch sich davon losreißen zu können gefangen, streckte er seine Arme aus und zog das Fellbündel an sich heran. „Wo bist du gewesen?“, murmelte Steve in Chocolates weiches Fell, deren Schnurren verstummt war, als dieser sie zu greifen bekommen hatte. Ein Moment verstrich und wäre Steve bei rechten Sinnen, wüsste er, dass er sich normalerweise zu viel mit ihr erlaubte. Aber er verschwendete keinen Gedanken daran, zu sehr suchte er nach diesem kleinen Stück Nähe. Erst am folgenden Morgen würde er sich fragen, ob er es sich nur eingebildet hatte, dass Chocolate sich an ihn geschmiegt und von ihm hatte kraulen lassen, bis er durch ihr leises, einlullendes Schnurren wieder eingeschlafen war. Und ob er ihr wirklich schon gesagt hatte, dass er sie vermisst habe. *** Mit einen erleichterten Stöhnen, schloss Steve die Haustür hinter sich und entledigte sich gleich seiner vom Schnee nassen Stiefel und der dicken Jacke. Ausgerechnet heute war sein Wagen liegengeblieben und er hatte ihn in eine Werkstatt bringen lassen müssen. Er hatte dadurch zwar keine wichtigen Termine versäumt, doch auf seinen Kurs musste er heut leider verzichten. Zu allem Überfluss hatte es auch noch angefangen zu schneien, als er sich auf den Heimweg gemacht hatte. Doch selbst mit Winterstiefeln und Jacke hatte er den Frost in seinen Gliedern gespürt. Sein Plan war nun, sich ein schönes Bad zu gönnen und den Rest des Abends mit einer kuscheligen Decke und einer Tasse heißen Kakaos vor dem Fernseher zu verbringen. Doch zuerst führte ihn sein Weg in die Küche, um das aufkommende Gefühl von Hunger mit einem kleinen Snack zu besänftigen, den er sich zu seinem Bad genehmigen würde. Zufrieden summte er eine leise Melodie vor sich hin, als er das Weißbrot mit Belag versah. Ein Schmunzeln machte sich auf seinen Lippen breit, als Chocolate etwas verschlafen wirkend in die Küche geschlichen kam. Sie setzte sich demonstrativ vor ihren leeren Milchnapf und starrte Steve mit ihrem üblichen, mürrischen Ausdruck an. „Du bist die Ehefrau, die ich mir immer gewünscht habe, Darling. Denn nichts ist so reizend, wie dein liebliches Gesicht zu sehen, wenn ich erschöpft nach Hause komme.“, witzelte er vor sich hin, was Chocolate die Ohren leicht nach hinten legen ließ und sie ihre Augen etwas mehr verengte. Sie gab augenscheinlich den Eindruck wieder, als würde sie ihm deutlich machen wollen, dass er sich seine dummen Sprüche schenken konnte. Steve nahm seinen Teller und in Aussicht auf ein angenehmes Bad, setzte er an, den Raum wieder zu verlassen, als ein unangenehmes Stechen an seinem linken Knöchel ihn daran erinnerte, dass er etwas äußerst Wichtiges vergessen hatte. „Oh entschuldige mein Versäumen, Prinzessin.“ Der Kühlschrank war genau neben Steve und er brauchte nur die Tür öffnen und den Karton mit Milch herauszunehmen, um den Napf damit zu füllen. Und Chocolate zog ihre Krallen erst wieder aus seinem Hosenbein, als Steve in Anbetracht einer Milchmahlzeit, ihrer Aufmerksamkeit nicht mehr würdig war. „Ein Danke wäre ab und an nicht schlecht.“, meinte Steve mit einem Lächeln über die so eigensinnigen Allüren des Tieres, und er erlaubte sich als Gegenleistung, ihr über das weiche braune Fell zu streichen. „Und vielleicht kannst du es ja mal mit einer neuen Frisur versuchen, nur um mir zu zeigen, dass ich es dir noch wert bin, sich etwas auszuputzen.“ Nun musste er doch selbst über sich lachen, als er sich reden hörte und sich schließlich endgültig auf den Weg in das obere Badezimmer begab. Es hatte sich etwas in Chocolates Verhalten ihm gegenüber geändert und dass er sie streicheln durfte, ohne dafür mit blutigen Kratzern bezahlen zu müssen, war eine dieser Neuerungen. Das warme Wasser tat ungemein gut, wärmte es doch die Regionen, die noch immer etwas ausgekühlt waren, wieder und lockerte gleichzeitig seinen Körper auf. Nun wo er die Zeit nutzen konnte, um einfach nur zu entspannen, ging er die kommenden Tage in seinem Kopf durch, und was er noch alles zu erledigen hatte. Es war noch eine halbe Woche bis Weihnachten. Er hatte nicht vor, sein Haus zu dekorieren, denn er war schließlich allein. Das Einzige, woran er festhielt, war sich einen Weihnachtsbaum zu kaufen. Auch wenn ihn die sonstige Schmückerei nicht weiter interessierte, so war ein Baum, etwas, das er mit einem weiteren Stück glücklicher Nostalgie verband. Sam hatte ihm versprochen, ihm beim Kauf zu begleiten und zu beraten. Des Weiteren war da noch Tonys alljährliche Weihnachtsparty, die er in diesem Jahr besonders spektakulär gestalten wollte, um auch gleich die Rückkehr seines alten Freundes Rhodey zu feiern, den es nach zwei Jahren im Ausland nun wieder in die Staaten zurückgezogen hatte. Vielleicht wäre es angebracht, Kleidung zum Wechseln mit auf diese Feier zu bringen, musste man bei Tonys Partys doch mit so einigem rechnen. Dann brauchte er auch noch ein Geschenk für Sam. Zum Glück hatte er das Silberarmband für Peggy noch bekommen, von dem er wusste, dass es ihr gefiel, sie es sich selbst aber nicht kaufen würde. Er hatte sich extra mit Angie ausgetauscht, nicht dass sie ihrer Freundin dasselbe Geschenk zu machen gedachte. Für Tony hatte er eines dieser limitierten T-Shirts bekommen, auf dem im Retrodruck dieser Comic Superheld zu sehen war, von dem Tony in seiner Collegezeit sämtliche Ausgaben gesammelt hatte. Weniger aus Lesevergnügen, wie er stets gemeint hatte, sondern mehr wegen den Science Fiction Elementen, von denen er gemeint hatte, sie irgendwann tatsächlich umsetzten zu können. Die Vorstellung, Tony eines Tages in einer fliegenden Kampfrüstung zu erleben, hatte ihn Unheil ahnend das Gesicht verziehen lassen. Aber so wie es aussah, war dies doch nur eine von Tonys rebellischen Jugendideen gewesen. Und Steve war auch erleichtert darüber. Die Tür zum Badezimmer schob sich ein Stück auf, als Chocolate sich auch schon auf einer der Ablagen zu ihm gesellte. Ihr Interesse ging sofort zu der letzten Sandwischecke mit Schinken über. Eine weitere merkliche Veränderung war, dass Chocolate nun öfter seine Gesellschaft suchte. Nicht weil sie spezifisch auf Streicheleinheiten aus war. Sie suchte sich meist einen Platz, wo sie dann auch einschlief, wenn er sich in irgendeinem der Zimmer befand. Es war selten aber ab und an legte sie sich auch zu ihm, oder gar auf ihn, wenn er Fern schaute oder ein Buch las. Steve nahm an, dass sie entweder einen besonders guten oder besonders schlechten Tag hatte, wenn sie dies tat. Womöglich suchte sie aber auch nur nach einer Wärmequelle, nun wo der Winter sich breit gemacht hatte. Auch wenn er feststellen konnte, das ihr Fell mit dem sinken der Temperaturen nur noch dichter geworden war und er täglich Dutzende lose Haare zusammenkehren oder von diversen Wäschestücken fusseln konnte. Wirklich kalt dürfte es ihr eigentlich gar nicht werden können unter all dem plüschigen Pelz. Aber am Ende half ihr die gesuchte Nähe ebenso wie ihm, wenn sie sich wegen irgendetwas nicht wohl fühlen sollte, als dass es ihr um Wärme ging. Und manchmal schlief sie sogar mit in seinem Bett, und war stets zu Gegen, wenn er aus einem unruhigen Traum erwachte. Ihre Gegenwart schaffte eine beruhigende Atmosphäre und half ihm, sich schneller wieder von der Schwere in seinem Kopf und seinem Körper zu befreien. Deshalb hatte er auch ihr ein Geschenk gekauft, da er sofort an sie hatte denken müssen, als es ihm ins Auge gefallen war. *** „Allerliebst.“, meinte Sam zustimmend und schenkte Chocolate ein breites Grinsen, als er seinen Blick von Steves Handy auf sie richtete. Steve schmunzelte ebenso über das Foto, das er von ihr gemacht hatte. Es zeigte sie mit einer dieser bauschigen, silbernen Weihnachtsbaumgirlanden, die er ihr locker um den Hals geschwungen hatte, als wäre sie eine üppige, reiche Dame mit einem Nerzfell über den Schultern. „Ich hatte es noch mit einer der goldenen Schleifen versucht, die ich ihr aufsetzen wollte, aber das fand sie weniger amüsant und hat das auch schnell deutlich gemacht.“ Steve zeigte Sam die langen Kratzer auf seinem Unterarm. „Du scheinst sie ja doch ziemlich ins Herz geschlossen zu haben.“ Steve gab ein bestätigendes Summen von sich. „Man gewöhnt sich an die Gesellschaft, auch wenn sie so widerborstig sein kann. Aber ich denke, wir verstehen uns nun schon etwas besser, als zu Beginn.“ Chocolate lag auf der Fensterbank und schien zu schlafen, während er sich mit Sam unterhielt, mit dem er zusammen auf Tonys Feier fahren wollte, da sein Wagen noch immer in Reparatur war. „Wie alt ist sie eigentlich?“, erkundigte sich Sam, der nach seinem Tee griff und einen Schluck davon trank. Steve zuckte mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung.“ „Konnte der Tierarzt nichts dazu sagen?“ Steve setzte einen überlegenden Blick auf, den er auf Chocolate gerichtet hielt. „Ich war mit ihr bei keinem Arzt, wenn ich ehrlich bin. Sie macht nicht den Eindruck, als würde sie sich dazu überreden lassen.“ „Grandma Philies hatte gut fünf Katzen und mit jeder ging sie einmal im Jahr zu einer Impfung und um sie generell durchchecken zu lassen. Wenn du nicht weißt, wie alt sie ist, wäre es sicherlich nicht das Schlechteste, sie mal untersuchen zu lassen. Ich weiß zufällig auch, dass Katzendamen recht mannstoll werden können, wenn die Zeit dafür ist. Wenn du nicht aufpasst, hast du irgendwann das Haus voller Katzenbabys, mein Freund. Und dann stelle dir vor, sie kommen alle nach ihrer dominanten Mutter.“ Steve hatte sofort das Bild vor Augen, wie er von einer Herde kleiner Fellknäule mit spitzen Krallen überwältigt wurde, da deren Mutter ihn als ein passendes Übungsobjekt auserkoren hatte, an dem sich die Familie austoben konnte. „Ich hätte wohl keine ruhige Minute mehr.“ Und wie als hätte Chocolate seine Worte und den Zusammenhang verstanden, öffnete sie ihre Augen ein Stück und vermittelte Steve damit den Eindruck, dass er sich in diesem Falle, wirklich auf einiges gefasst machen könne. *** Mit einem Seufzen nahm Steve seine graue Sweatjacke auf, die er sich gestern schon auf dem Sessel in seinem Schlafzimmer zurechtgelegt hatte. Ihm kamen Tonys Worte wieder ein, als er sich daran machte, die Ansammlung an braunem Fell von seiner Jacke zu zupfen. „Andere Männer haben den Hauch eines Frauenparfumes an sich oder Lippenstift an ihrem Hemd, aber unser Captain trumpft lieber mit Katzenhaaren und Kratzspuren auf. Ein echter Tiger eben.“ Hatte dieser mit einem zu breitem Grinsen gemeint und Steve wiederholte das Kopfschütteln, dass er auf diese Worte hin gezeigt hatte. Wenn das so weiter ginge, brauchte er wirklich eine dieser Bürsten, die man in der Fernsehwerbung immer so enthusiastisch anpries. Die Katzen, die damit gestriegelt wurden, schienen immer ganz begeistert davon zu sein, warum sollte es nicht auch bei Chocolate funktionieren. Er würde sicherlich eine versöhnliche Aktion benötigen, wenn sie den Besuch beim Tierarzt hinter sich gebracht hatten. Sam hatte ihn wissen lassen, dass die Katzen seiner Grandma auch stets etwas verstimmt waren nach dieser Sache. Nur war fraglich, ob eine dieser Katzen einen ähnlichen Charakter wie Chocolate besaß. In ihrem Falle konnte er sich nicht vorstellen, dass es einfach nur bei ein paar Stunden schmollen bliebe. Sie war so unglaublich eigen, dass er sie noch immer nicht wirklich einschätzen konnte. Er dachte an das verwaiste Katzenkissen zurück, das er ihr zu Weihnachten gekauft hatte. Es schien ihm eine gute Idee, nachdem sie nun öfter im Haus blieb und stets einen warmen Platz zum Schlafen suchte. Doch das Erste, was sie getan hatte, als er es für sie aus dem Papier befreit hatte, war es kritisch zu beäugen, was so gesehen nicht ungewöhnlich erschien. Er hatte daraufhin mit Begeisterung verfolgen können, wie sie schließlich darauf gestiegen war, nur um dann mit Entsetzen die Augen zu weiten, als sie einfach nur darauf pinkelte und schließlich wieder davontrappte. Womöglich war ihr das knall pink’ne Plüsch und das in Gold darauf gestickte „Princess“ zu aufdringlich, oder es roch ihr zu fremd. Darüber hatte er gelesen. Jedenfalls hatte sie es daraufhin völlig außer Acht gelassen. Und er war schon etwas enttäuscht darüber. Vielleicht sollte er einfach einen Kissenbezug darüber ziehen, hatte Chocolate auch die Angewohnheit sich auf einem der Kopfkissen in seinem Bett zur Ruhe zu legen. Doch das konnte er alles später noch tun, jetzt hieß es erst einmal, sich so unauffällig wie möglich zu verhalten, wollte er Chocolate nicht skeptisch werden lassen. Sein Plan war es, sie in die Küche zu locken, so wie es immer funktionierte, wenn er ihr die Schale mit Milch füllte oder etwas zu Fressen für sie herausspringen konnte. Er würde dann ganz nebenbei die Tür schließen, sodass sie keine Fluchtmöglichkeit mehr hatte. Die Transportbox hatte er unter einem Laken getarnt und neben der Hintertür platziert. Die größte Herausforderung war jedoch, sie dort hineinzubekommen, ohne sie zu sehr zu verschrecken oder gar zu verletzten. Steve atmete einmal tief durch. Chocolate war wie zu erwarten zu ihrem Napf gestiefelt und Steve hatte die Tür vorsichtig geschlossen, als sie abgelenkt war. Doch kaum, dass er sich auch nur einen Meter bewegt hatte, blickte sie plötzlich auf und schaute sich eilig um. Sie nahm den typischen Blick eines gefangenen Tieres an, als sie langsam von Steve zurückwich, ihn aber keine Sekunde aus den Augen ließ. Steve tat es augenblicklich leid, sie in solch eine Situation zu bringen, aber es war schließlich auch zu ihrem besten, wenn sie einmal gründlich untersucht werden würde. Außerdem hatte er sie neulich erst mit dieser roten Katze gesehen und Sams Worte hallten seit dem beständig durch seinen Kopf. Er fühlte sich nicht wirklich dazu fähig, sich um Katzenkinder zu kümmern, sollte Chocolate ihn eines Tages damit überraschen wollen. Er kam ja mit ihr gerade so zurecht. „Hey, du brauchst keine Angst zu haben, versprochen. Ich möchte dich einfach nur mal durchchecken lassen und mir ein paar Ratschläge einholen, damit ich mich besser um dich kümmern kann.“ Steve pirschte sich unter sanften Reden auf Chocolate zu. Mit einem Satz sprang sie auf die Küchentheke und sprintete über diese hinweg, wobei sie eine Tasse zu Boden schickte, die dort zerschellte. Steve gab ein leidiges Murren von sich. Das hätte er bedenken sollen. Steve versuchte erneut auf sie einzureden, als er sich ihr wieder näherte. Ein weiterer Satz auf einen der Küchenstühle, der durch den Schwung zur Seite kippte, während sie weiter auf den Tisch sprang. Chocolate visierte den Schrank, der am nächsten an der Hintertür stand an. Kurz schätzte Steve die Situation ein und ihm wurde deutlich, auf was Chocolate aus war. Mit etwas Anlauf setzte sie zu einem erneuten Sprung an, der sie auf den Schrank und folglich auch auf eine praktische Höhe brachte, dass sie nur noch auf die Türklinge der Hintertür springen musste, um diese aufzubekommen. „Clever Prinzessin.“ Steve war jedoch schnell genug, um ihr den Weg zu blockieren, auch wenn das bedeutete, dass sie ihn anstelle der Tür anspringen würde. Das Nächste, was passierte, war jedoch nicht, das schon vertraute Brennen von Kratzern, die man ihm zufügte, sondern Finger, die sich schmerzlich in seine Schulter gruben, als wären es Krallen und das wütende Gesicht einer Person, die ihn aus wintergrauen Augen fixierte. „Verdammter, nerviger Idiot!“, fauchte man ihm regelrecht entgegen, doch Steve war wie gelähmt und schaute einfach nur aus großen fassungslosen Augen auf die Person vor sich, ohne wirklich wahrzunehmen, dass die Eckzähne, die man ihm mit drohenden Gebärden zeigte, keinesfalls zu unterschätzen sein sollten. „Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen!? Ich brauche niemanden, der an mir herumdoktert, verstanden!“ Diesen Worten wurde mit einem derben Schupps nach hinten Nachdruck verliehen, was Steve daran erinnerte, dass er sich nun vollständig gegen die Hintertür gepresst befand, und sein Hinterkopf unsanft mit dem Holz kollidierte. „Und außerdem bin ich keine Prinzessin, du ignoranter Abkömmling deiner Rasse! Mein Name ist Bucky und ich bin ein Kerl, kapiert!“ Steve spürte, wie man grob eine seiner Hände packte, und sie in Richtung Körpermitte des Fremden dirigierte und sie dort dagegen drückte. Steves Augen weiteten sich noch ein Stück mehr. „So ist es. Keine Pussy, Mister.“ Es war diese schamlose Geste, die Steve registrieren ließ, dass die Person vor ihm komplett unbekleidet war. Und nicht nur das. Auf dessen Kopf und zwischen den schulterlangen braunen Haarfluten schauten Ohren hervor. Ohren, die dort nichts zu suchen hatten und dazu denen von Chocolate ungemein ähnlich waren. So wie der lange dunkle Schwanz, der aufgebracht hinter dem Rücken des Fremden tänzelte. „Was zum…!?!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)