Walk on the Edge von ChogaRamirez (Arkham City) ================================================================================ Kapitel 1: Macht mit ihr, was ihr wollt ... ------------------------------------------- Die Sonne hatte ihren Zenit schon lange überschritten, doch die Dämmerung ließ noch eine Weile auf sich warten. Trotzdem legte sich ein bleierner Dunstschleier über »Arkham City«, der beinahe an den Übergang von Tag zu Nacht erinnerte. Hinter dem langsam dichter werdenden Nebel, der aus Richtung Osten vom Meer her auf das Festland waberte, schaffte es die Sonne nur mühsam, sich einen Weg hindurch zu bahnen, um zumindest ein wenig für Wärme im tristen Leben der Bewohner zu sorgen. Ein paar dunkle Wolken zogen zusätzlich von Nordwesten über die Stadt und drohten den Inhaftierten von »Arkham City« mit Niederschlag, der ihre Laune zu einem neuen Tiefpunkt sinken lassen wollte. Die Straßen waren ungewöhnlich leer, als die Wachablösung für eine Gruppe frierender, zum Pinguin gehörender, Männer kam. Der Anführer der neuen Gruppe löste den Anführer der bisherigen Gruppe mit einem gut einstudierten Handschlag ab, der entfernt an eine Studentenverbindung erinnerte, übernahm seine halbautomatische Handfeuerwaffe und ließ seinen geübten Blick über die Straßen der Bowery gleiten. Der stämmige, große Mann mit dem dichten dunkelbraunen Haar, der auf den Namen Ray hörte, überprüfte das Magazin, nahm die Pistole in die andere Hand und begann in einem gleichmäßigen Rhythmus auf dem Dach der »Iceberg Lounge« auf- und abzugehen. Dank seiner langjährigen Erfahrung im Bereich der »Personensicherung« hatte er sowohl seine Männer, die inzwischen ebenfalls auf ihren Positionen Stellung bezogen hatten, im Auge, als auch die umliegenden Straßen, sodass sich eigentlich Niemand ungesehen der Operationsbasis von Oswald Cobblepot nähern konnte – mal abgesehen von dem Spinner im Fledermauskostüm, der sich aber bislang noch nicht in »Arkham City« hatte blicken lassen. Und Ray legte auch keinen großen Wert auf eine Begegnung mit diesem Freak. Die Befehle des Pinguin waren mehr als deutlich gewesen. Sobald die Freundin des verrückten Clowns in der Nähe oder innerhalb des Bezirks auftauchte, sollte sie mit allen erdenklichen Mitteln festgesetzt und zur »Iceberg Lounge« gebracht werden. Cobblepot hatte extra darauf hingewiesen, dass er sie lebend brauchte. Kratzer waren in Ordnung, aber sie sollte unbedingt noch ansprechbar sein. Ray war nicht ganz so siegessicher, wie es der Pinguin war. Er war bisher weder dem Joker, noch Harley Quinn persönlich begegnet und kannte Beide nur von Aufzeichnungen und Erzählungen. Aber wenn man den Gerüchten Glauben schenken durfte, dann war Quinn mindestens genauso durchgeknallt wie der Joker – und vermutlich genauso gefährlich. Ray seufzte und gab seinen Männern über Funk ein Zeichen, dass sie sich geschlossen näher an der unsichtbaren Grenze positionieren sollten. Er selber würde auf den Dächern bleiben, um den bestmöglichen Überblick zu behalten. Cobblepot wollte mit aller Macht einen Erfolg erzielen und das am besten schon gestern. Wie sie das anstellten sollten, war dem Pinguin so ziemlich egal, solange es nur schnell ging und unauffällig war. Ray war froh darüber, dass die meisten Dächer mit Gittern untereinander verbunden waren, so dass Niemand dazu gezwungen war, erst über eine Feuerleiter ein Gebäude hinunter klettern zu müssen, nur um dann ein paar Meter weiter an einer anderen Feuerleiter wieder nach oben zu klettern. Das Spiel kostete nur wertvolle Zeit, die man im Ernstfall einfach nicht hatte. Ein paar der Gitter waren sogar mit offenen Geländern halbwegs gesichert, denn meistens reichte nur ein falscher Schritt und man hatte das Vergnügen, die Straßen der »Bowery« mit Hilfe des eigenen Körpers auszumessen. Diese Vorstellung fand Ray nicht besonders unterhaltsam, während er seinen Standort wechselte und über eine dieser Gitterbrücken lief, die Handfeuerwaffe fest im Griff und den Blick sorgsam auf die Straßen gerichtet. Als er den Befehl des Pinguin gehört hatte, Harley Quinn dingfest zu machen, fragte er sich, wie Cobblepot nur auf diese bescheuerte Idee gekommen war. Jeder, der irgendetwas mit der Untergrundszene von Gotham zu tun hatte, wusste, dass der Joker gefährlich war. Gefährlich verrückt. Und bislang hatte Ray gedacht, dass Niemand verrückt genug wäre, sich mit dem Joker anzulegen. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass der Joker der ungekrönte König von »Arkham City« war und Niemand, der sein Leben behalten wollte, stellte sich ihm in den Weg. Selbst andere namhafte Instanzen wie der Riddler oder Two-Face machten einen möglichst großen Bogen um den Clown, um nicht in sein Visier zu geraten. Auch der Pinguin hatte genau das bis vor Kurzem getan. Er und der Joker waren nie die besten Freunde gewesen und im Laufe der Zeit hatte sich eine echte Feindschaft zwischen ihnen entwickelt. Bislang musste Cobblepot immer zähneknirschend zurück stecken, da der Joker einfach die besseren Pläne und Möglichkeiten hatte, doch seit ihm zugetragen wurde, dass der Clown durch die Überdosis TITAN, die er sich im »Arkham Asylum« Höchstselbst verpasst hatte, nun krank und auf ärztliche Hilfe angewiesen war, war der Pinguin fester denn je entschlossen, den Thron an sich zu reißen. Und Ray wusste, dass er dafür auch über Leichen gehen würde. Der Plan, den Clown dort zu treffen, wo es ihm wirklich weh tat, war nicht schlecht, doch Ray war sich nicht so sicher wie der Pinguin, dass es wirklich so leicht und einfach werden würde, Quinn gefangen zu nehmen und dann auch noch den entsprechenden Vergeltungsschlag des Jokers erfolgreich abwehren zu können. Harley Quinn war zwar auf den ersten Blick ein leichtes Ziel, doch sie war mit Sicherheit nicht wegen ihres beißenden Witzes die rechte Hand des Clownprinzen. Sie konnte athletische Meisterleistungen vollbringen, die selbst geübten Turnern die Augen aus dem Kopf springen ließen und sie konnte hervorragend mit Schuss-, Stich- und Schlagwaffen jeglicher Art umgehen. Ein weiterer Aspekt, der sie sehr gefährlich machte. Und sie war anscheinend wahnsinnig. Gut, um freiwillig eine Beziehung mit dem Joker zu führen, musste man zwangsläufig nicht mehr alle Tassen im Schrank haben, aber je mehr Zeit man mit dem verrückten Clown verbrachte, desto mehr zog er Einen mit hinab in die psychopathischen Tiefen des Wahnsinn. Harley Quinn war doch das beste Beispiel dafür. So ziemlich Jeder, der schon einmal das Vergnügen hatte, seinen Wohnort ins »Arkham Asylum« verlegen zu müssen, kannte die Geschichte, wie der Joker es geschafft hatte, die Psychiaterin Harleen Quinzel auf seine Seite zu ziehen, anschließend mit ihr aus dem Irrenhaus zu fliehen und dann mit ihr gemeinsam die Straßen von Gotham City unsicher zu machen. Außerdem war Quinn sicherlich nicht so dumm, ohne Begleitschutz durch die Straßen von »Arkham City« zu spazieren. Zwar machten Alle einen großen Bogen um sie, weil sie eben die Freundin des Jokers war, doch auch sie wusste mit Sicherheit, dass die Macht des Clowns langsam aber sicher anfing zu schwinden. Noch war er gefährlich und unberechenbar, aber sobald er keine Handhabe mehr über die Geschehnisse um ihn herum hatte und sich seiner Krankheit ergab, waren sie beide quasi zum Abschuss freigegeben. Und diese Jagdsaison wollte sich der Pinguin auf keinen Fall entgehen lassen. Ray ließ einen weiteren Blick über die »Bowery« gleiten. Alles ruhig. Wie hätte es auch anders sein sollen? Der Pinguin war schließlich ebenfalls gefährlich. Vermutlich würde es Tage, wenn nicht gar Wochen oder Monate dauern, bis der Plan von Cobblepot aufging. Ray konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Jemand so irre wäre, einfach so durch das Gebiet des Pinguin zu spazieren und ihn damit so zu provozieren, dass ihm fast der Kopf platzte. Doch anscheinend meinte es das Schicksal ausgesprochen gut mit Ray. Er registrierte eine Bewegung ein paar Straßen von seinem Standort entfernt. Zielsicher und lautlos bewegte er sich über die Dächer der Bowery und näherte sich schnell dem Ursprung dieser Bewegung. Als er sich hinter einer hüfthohen Mauer duckte und vorsichtig darüber hinweg spähte, dachte er im ersten Moment, er hätte Halluzinationen. Er kniff für ein paar Sekunden die Augen zu, doch als er sie wieder öffnete, war das Ergebnis dasselbe. Es war tatsächlich Harley Quinn, die, eskortiert von zwei bulligen Männern, die sich eine Clownsfratze ins Gesicht gemalt hatten, selbstsicher durch die Straßen ging. Anhand der Richtung, in die sie sich bewegte, mutmaßte Ray, dass sie es auf die schon vor Jahren stillgelegte U-Bahn-Strecke unterhalb von »Arkham City« abgesehen hatte. Es war ziemlich clever, die alten U-Bahn-Tunnel als schnellste Möglichkeit, bis kurz vor der Tore des Stahlwerkes zu kommen, zu nutzen. Aber es war sehr unbedacht von ihr, es am helllichten Tag zu tun, auch wenn die dunklen Wolken am Himmel dem ganzen Szenario einen bedrohlichen Touch gaben. Ray informierte seine Männer per Funk darüber, was er gesehen hatte und erklärte ihnen mit so wenigen Worten wie möglich, wie sie vorgehen sollten. Es wäre ein absoluter Glücksgriff, wenn es ihnen tatsächlich gelang, Quinn zu schnappen. Ein Schmunzeln huschte beim Gedanken an den Ausdruck in Cobblepots Augen über sein Gesicht, als er so schnell es ging, vom Dach des Gebäudes herunter kletterte. Der Pinguin würde ihn sicher reichlich belohnen, wenn es ihm gelungen war, seinen Plan so schnell in die Tat umzusetzen. Es konnte nicht schaden, beim Pinguin einen Stein im Brett zu haben. Drei Minuten später erreichte Ray seine Männer und gab ihnen letzte Anweisungen. Jeder von ihnen wusste, dass jetzt Alles schnell gehen musste. Zuerst mussten sie den Geleitschutz von Quinn ausschalten und dann sie überwältigen. Drei von Rays Männern waren mit Gewehren ausgestattet, die zielsicher auf die beiden bulligen Clownsanhänger anlegten. Für einen Moment war es auf den Straßen der »Bowery« ruhig wie in einem Grab, doch nur einen Herzschlag später erfüllte der Klang der abgefeuerten Gewehrkugeln die Straßenschluchten. Fast gleichzeitig brachen die getroffenen Männer in sich zusammen und blieben an Ort und Stelle liegen. Beiden steckte eine Kugel im Kopf und sie bluteten stark aus den Einschusslöchern. Harley Quinn drehte sich beim Knall der Gewehre erschrocken und irritiert um. Sie sah nur noch, wie ihre Eskorte tot umfiel und im nächsten Moment sprangen mehrere Männer, die bis an die Zähne bewaffnet waren, aus den Schatten der umliegenden Gebäude und umzingelten sie mit den Gewehren im Anschlag. Hektisch sah sie sich nach einem Fluchtweg um, doch die einzige Möglichkeit, die sie hatte, um aus dieser misslichen Lage in einem Stück herauszukommen, war das Überraschungsmoment. Die Gegner waren in der Überzahl und sie konnte nur noch darauf hoffen, sie schnell und effizient genug ausschalten zu können, bevor es zu einer Schießerei kommen konnte. Auch Ray wusste das, als er mit einem siegessicheren Lächeln sah, wie seine Männer Quinn ins Visier nahmen. Das Clownsmädchen hatte keine Chance. Zwar wusste sie nicht, dass nicht auf sie geschossen werden durfte, weil der Pinguin sie lebend brauchte, aber er konnte allein an ihrem Blick sehen, dass sie wusste, dass sie in der Falle saß. Ray nahm sich ein paar Sekunden Zeit, Harley zu betrachten, wie sie sich hektisch umsah, und ihr damit gleichzeitig das Gefühl zu geben, dass er die Oberhand hatte. Als sein Blick über ihre wohlgeformten Rundungen glitt, fragte er sich, wie der Joker es nur geschafft hatte, dass sich diese Frau in ihn verliebt hatte. Der Clown hatte nicht unbedingt ein Gesicht, was man auf einer Reklametafel sehen wollte und er würde damit garantiert keinen Schönheitswettbewerb gewinnen. Quinn dagegen war ausgesprochen attraktiv und das war in »Arkham City« nicht gerade von Vorteil. Es gab hier nur eine Handvoll Frauen, aber dafür umso mehr Männer, die schon lange in »Blackgate« oder im »Arkham Asylum« hinter Gittern gesessen hatten und für ein Schäferstündchen mit so einer Frau ihre eigene Großmutter töten würden. Aber darum ging es Ray nicht. Er hatte Frau und Kinder, die außerhalb der Mauern von »Arkham City« ein hoffentlich ruhiges Leben führten. Seit er in »Blackgate« inhaftiert worden war, weil er bei einem kleinen Raubzug vom GCPD erwischt wurde, hatte er sie nicht mehr gesehen. Aber er war kein Triebtäter, der sich an Frauen verging. Er handelte hier nur nach dem Befehl von Cobblepot und es konnte ihm so ziemlich egal sein, was mit Quinn passierte, sobald sie in der Gewalt des Pinguin war. Sie war mit einem mordlustigen Psychopathen liiert, von daher war sie sicherlich Einiges gewohnt. Als er aus den Augenwinkeln plötzlich Bewegung vor sich registrierte, fluchte Ray innerlich, weil er sich hatte von seinen Gedanken ablenken lassen. Quinn war zum Angriff übergegangen und ihr war es in nur wenigen Sekunden gelungen, zwei seiner Männer zu überwältigen. Die Anderen konnten kaum schnell genug reagieren und auf sie zielen, als sie einem weiteren Mann erst den Ellenbogen in den Magen rammte und ihn dann mit einem gezielten Schlag ins Gesicht zu Boden schickte. Ray packte seine Waffe fester und griff ins Geschehen ein. Er schaffte es, hinter Quinn zu bleiben, sich ihr so ungesehen zu nähern und ihr dann mit dem Kolben seiner Maschinenpistole einen so harten Schlag in den Rücken zu verpassen, dass sie vornüber kippte und sich in letzter Sekunde mit den Händen abfangen konnte, bevor sie nähere Bekanntschaft mit der schmutzigen Straße machen konnte. Sie gab einen erstickten Laut von sich und war im Begriff, sich hochzustemmen, als der vor ihr stehende Mann seine Faust treffsicher an ihrer Schläfe platzierte und sie so ins Land der Träume schickte. Ray legte seine Waffe zu Seite und zog ein Bündel Kabelbinder aus seiner Hosentasche. Er ging neben Quinn auf die Knie und fesselte ihr mit einem der Kabelbinder die Hände auf dem Rücken. "Gut gemacht, Jungs", sagte er und nickte denn in Richtung seiner Männer, die Quinn überwältigt hatte. Seine Männer verstanden und machten sich daran, die bewusstlosen Gefährten zur »Iceberg Lounge« zu schaffen. Ray selber wurde die Aufgabe zuteil, die Freundin des Jokers seinem Boss auszuliefern. Er hievte sie auf seine Schulter, griff nach seiner Waffe und folgte seinen Männern. ♦ ♦ ♦ ♦ ♦ Ein triumphierendes Lächeln erhellte Oswald Cobblepots Gesicht, als er sah, wie seine Leute ihm ein Geschenk vorbei brachten. Er hatte nicht erwartet, dass sein Plan so schnell Gestalt annahm, aber seine Leute waren gut und jetzt konnte der Spaß erst richtig losgehen. Mit einem bestätigenden Nicken legte einer seiner besten Leute ihm die gefesselte und bewusstlose Harley Quinn vor die Füße. "Wunderbar ...", erwiderte der Pinguin darauf und richtete seinen Zylinder. Siegessicher schritt er um das verschnürte Bündel auf dem Boden herum, ehe er seinen Blick auf Ray heftete. "Hat sie Schwierigkeiten gemacht?", wollte Cobblepot wissen. "Nichts, mit dem wir nicht fertig werden", antwortete Ray, der in Habachtstellung dastand. Dass er früher mal beim Militär war, war unverkennbar. "Gut, gut ...", murmelte der Pinguin in seinen nicht vorhandenen Bart und wandte sich zum Gehen um. "Boss?", fragte ein eher unscheinbar wirkender Mann mit Bomberjacke und einer erstaunlich kräftigen Stimme. "Was sollen wir jetzt mit ihr machen?" Er deutete auf Harley Quinn, die zusammengekrümmt mit auf dem Rücken gefesselten Händen auf dem Boden lag. Cobblepot schnaufte und warf einen abschätzigen Blick auf die Stellvertreterin des Clownprinzen. "Ist mir völlig egal! Hauptsache, sie ist ruhig und kann nicht abhauen! Ihr könnt von mir aus mit ihr machen, was ihr wollt, solange sie am Leben bleibt! Ich brauche sie als Druckmittel!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)