Konoha Side Stories von Ace_Kaiser ================================================================================ Kapitel 53: Der ewige Chunin 12 ------------------------------- Der Tsukikage brütete über dem Bericht seiner Jounin aus dem Krisengebiet, in dem er zwei seiner besten Leute verloren hatten. Als er aufsah, nahmen Amir und Khal Haltung an. "Das ist es also? Ein paar drogensüchtige Nukenin, über die Maria und Hassin zufällig gestolpert sind? Das ist der Grund dafür, dass ich zwei Jounin verloren habe?" "Das sind die Ergebnisse, Tsukikage-sama. Es gibt bei all dem Schatten aber auch Licht. Es gelang Maria und Hassin, die stärksten Nukenin auszulöschen, was für unsere Ermittlungen ein unschätzbarer Vorteil war. Dadurch war die Verteidigung der restlichen Nukenins rund um das Dorf, in dem sie die Drogen von zum Dienst gepressten Bauern anbauen ließen, stark geschwächt. Unsere Genin und Chunin vom Untersuchungsteam haben sie beim ersten Versuch überwältigt und die Dorfbevölkerung befreien können. Aus dem Reich der Steine liegt bereits ein Dankesschreiben vor, das ich dem Bericht angehängt habe. Und, das muss ich auch noch erwähnen, Maria und Hassin gerieten in diese unvorteilhafte Situation, nachdem sie ihren Auftrag zu einhundert Prozent erledigt hatten." Der Tsukikage sah verstimmt auf. "Und das soll mich zufrieden stimmen? Wir haben nicht nur zwei wichtige Jounin verloren, sondern gute Freunde. Es fehlt jetzt ein Teil des Rückgrats von Getsugakure. Weiß der Henker, wie sich Maria bei uns so unentbehrlich machen konnte, aber es ist so. Sie war eine unserer verlässlichsten und belastbarsten Kunoichi, und ich war froh, dass wir sie und die anderen Oto-Nukenin integriert haben." Der Tsukikage rieb sich mit der Rechten die schmerzende Nasenwurzel. "Amir, Maria beherrschte die Translokation. Besteht die Möglichkeit, dass sie und Hassin die Nukenin in eine Falle gelockt haben, selbst aber fliehen konnten?" "Natürlich. Die Möglichkeit bestand, und sie besteht immer noch. Ich persönlich hoffe sehr darauf, dass dem so ist. Aber, Tsukikage-sama, verlassen können wir uns darauf nicht. Ich gebe zu bedenken, dass die beiden sich uns zu erkennen gegeben hätten, wenn sie auf diese Weise hätten fliehen können." "Was ist, wenn sie aus irgendwelchen Gründen noch immer in den Zwischendimensionen festsitzen, die Maria zwischen zwei Punkten treiben kann? Hast du daran gedacht?" "Ja, natürlich. Für den Fall, dass sie aus welchen Gründen auch immer später auftauchen werden, habe ich einige Genin stationiert, die dort einen weiteren Monat abwarten werden. Anschließend werden wir das Gelände sporadisch auf neue Spuren absuchen, und das in unregelmäßigen Abständen. Aber bedenke, Tsukikage-sama, wir haben nicht den Hauch einer Idee, wie wir sie in so einem Fall finden, geschweige denn befreien könnten. Wir könnten uns nur darauf verlassen, dass es Maria gelingen kann, ihr eigenes Jutsu irgendwann aufzuheben." "Gibt es niemanden aus den Reihen der ehemaligen Oto-Nin, die diese Fähigkeit erlernt haben oder gar anwenden können? Es ist ja nicht so, als wäre ich über wirklich alles informiert", hakte der Herr von Getsugakure nach. "Nein, Tsukikage-sama. Das können wir komplett ausschließen. Marias Fähigkeit beruht auf einem Bluterbe, und soweit wir wissen ist sie die Letzte ihrer Familienlinie, Akira einmal ausgenommen. Und Entschuldigung, aber der Kleine wird in zehn Jahren nicht soweit sein, dieses Jutsu zu erlernen oder gar anzuwenden." "Nein, Aki-chan fällt da natürlich aus." Er seufzte. "Wir haben keine Wahl, als die beiden vorerst als verschollen zu deklarieren, wie du empfohlen hast. Ich weigere mich, sie schon auf die Verlustliste zu setzen oder ihre Namen auf das Gedenkmonument setzen zu lassen." "Tsukikage-sama, du kannst ihnen diese Ehre nicht...", wagte es Khal einzuwerfen. "Nein, natürlich nicht, mein Junge. Aber hiermit ordne ich an, dass wir ein halbes Jahr damit warten, oder bis es eindeutige Beweise für ihr Ableben gibt." Die Augen des Anführers des Ninjadorfs gingen von einem zum anderen, um eventuellen Widerstand gegen seine Entscheidung sehen zu können, aber beide, sowohl der kleine, schmächtige Amir als auch der riesige, plumpe Khal schienen froh darüber zu sein, wie der Tsukikage entschieden hatte. "Ich gehe dann Hassins Frau und Sohn die schlechte Nachricht überbringen", murmelte Amir. "Entschuldige mich, Tsukikage-sama." "Und ich werde mich um Akira kümmern", sagte Khal. Er deutete eine Verbeugung an und verließ das Büro. Als der Tsukikage allein war, spürte er das drängende Gefühl, irgendetwas Schweres zu ergreifen und durch den Raum zu werfen. Selbst nach all den Jahren hatte er immer noch nicht gelernt, auf die Verluste von Untergebenen und Freunden mit Gleichmut zu reagieren. Sein Vorgänger hatte behauptet, darin würde eine Stärke liegen, aber er fühlte sich davon immer nur furchtbar belastet. Vielleicht war er doch der Falsche für den Job. *** Ich bemerkte relativ schnell, dass Kishio sich absetzte. Warum er das tat, ahnte ich auch sehr bald, und tadelte mich selbst für meine Dummheit. Ich selbst hatte ihm beigebracht, meine Anweisungen wortwörtlich umzusetzen. Also war der arme Junge, der noch immer den Befehl hatte, die Genin zu beschützen, hier mit voll aufgedrehten sensorischen Sinnen aufgetaucht. Ich konnte nicht genau sagen, was für ihn schlimmer war: Die Überflutung mit den Reizen und Eindrücken von ein paar hundert Menschen, oder die daraus resultierenden Kopfschmerzen. Ich musste ja nur selbst meinen kleinen Radius aufspannen, um eine Überforderung zu riskieren. Allerdings tat dem Jungen eine Pause mal gut, also ließ ich ihn gewähren. Vorerst. Es wurde tatsächlich langsam Zeit, dass der Junge von der Ausführung klarer Anweisungen zur Interpretation von Befehlen wechselte. Und das musste ich ihm wortwörtlich befehlen. Zwischen den Häusern, die ganze Hauptstraße hinab, hatten die Dorfbewohner Tische aufgestellt und Sitzkissen drapiert, und so eine große, lange Festmeile erschaffen. Genta setzte mich tatsächlich an ein Stirnende, das andere blieb frei. Tsubasa-sama platzierte sich links von mir und schenkte mir süßen Sake ein, Genta saß rechts von mir und dirigierte meine Begleiter an seine Seite. Neben Tsubasa nahm Koji Platz, danach folgten Suzume, Tsubasas kleiner Sohn, Tsukasa und Tsuyoshi und Gentas Leutnants. Das Essen war prächtig anzusehen. Es gab Fisch, frittiert, roh und eingelegt; es gab Reis, Reisnudeln, süße Kartoffeln und ein paar Knollen als Sättigungsbeilage, die ich noch nicht kannte, Tsubasa-sama nannte sie Mannuuk; es wurden gebratene Enten, Hühner und Schweine serviert, und vorweg eine wohlschmeckende Miso-Suppe. Junge Mädchen und Burschen trugen die Speisen auf, kaum das ich saß, und zufrieden sah ich, dass die Speisen gleichmäßig für alle verteilt wurden. Nun war ich mir endlich sicher, dass es Genta-No-Son wirklich gut ging. Vielleicht waren die Bewohner nicht reich, aber sicher wohlhabend. Also lohnte es sich in diesem Teil des Mizu no Kuni wieder, hart zu arbeiten und an sich zu glauben. Eine entsprechende Frage meinerseits bestätigte Koji mit einem Nicken und dem Hinweis, dass seine Bilanzen durch nachhaltiges Wirtschaften die seines Vorgängers, des verwöhnten Neffen des Groß-Daimyos, bereits im ersten Jahr beachtlich übertroffen hatten. Auch hatte sich die Zerschlagung der Monopolstellung einer gewissen Sake-Brauerei als befruchtend auf die Wirtschaft ausgewirkt, wie er mich wissen ließ. "Nanu?", fragte Tsubasa plötzlich. "Bei deinen Leuten fehlt aber noch jemand, oder? Uns wurden mehr angekündigt." "Kishio!", rief Kira und schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. "Ich gehe ihn holen!" "Nein, das brauchst du nicht. Ich mach das schon. Ich bin ja auch viel schneller!", ereiferte sich Mai. "Nichts da! Ich bin der Schnellste hier. Und ich habe auch keine Hemmungen, ihn notfalls an seinen Haaren herzuschleifen", behauptete Shinji. "Hinsetzen! Alle drei!", kommandierte ich. Gehorsam ließen sich meine Genin wieder auf die Sitzkissen sinken. "Wenn du erlaubst, Morikubo-sama, werde ich deinen Genin holen. Ich weiß, wo er jetzt gerade ist", bot Suirin an, die Kunoichi, die mich mit ihrem Team im Mizu no Kuni empfangen hatte. Ich musterte sie einen Moment lang. "Wollen du und deine Leute nichts essen?" Sie errötete leicht. "Ich befinde mich im Dienst, Morikubo-sama, genau wie mein Team. Aber danke für das Angebot." "Koji-tono, müssen wir das heute so streng auslegen?", fragte ich den Daimyo dieses Landstrichs. Der große Mann seufzte. "Pflicht ist Pflicht, und Schnaps ist Schnaps, das weißt du doch, Mamoru. Sake ist absolut verboten, aber ich denke, es ist nichts dagegen zu sagen, wenn sie mitessen. Oder, Tsubasa-chan?" "Nur zu. Es ist genügend da. Und wenn sie nicht mit uns am Tisch sitzen wollen, können sie ihre Wache auch mit einem Teller in der Hand halten." "Aber ich...", begann Suirin. "Setzen", befahl ich. Die junge Frau hockte sich schräg links hinter mir auf den Boden. "Jawohl, Morikubo-sama." Das war wohl das Maximum, was ich erreichen konnte. "Was Kishio angeht, werde ich ihn selbst holen." Ich formte die Zeichen für das Kage Bunshin und beschwor einen Doppelgänger. Der Schattenklon verschwand sofort per Step nach Südwesten, in Richtung des Wäldchen, das bereits einmal für mich wichtig geworden war. "Und jetzt sag mir, was ich dir auftun kann, Suirin-kun." "Jawohl, Morikubo-sama." Es wurde eine fröhliche Runde. Mir war klar, dass mein Klon und Kishio nicht sofort zurückkehren würden, daher beschäftigten mich erst einmal andere Dinge. Oder mit anderen Worten, ich beschäftigte meine Genin, indem ich sie von der Konfrontation mit den zwanzig Nukenin berichten ließ. Kira erzählte voller Stolz: "Und dann hat sie den bulligen Kerl einfach in ihrem Genjutsu gefangen! Ein Riese von Mann, mit Armen wie Baumstämmen, aber sie fängt ihn ein, nur mit der Kraft ihrer Gedanken. Das war atemberaubend, Kuzomi-chan." "Ach das", wehrte das Spinnenmädchen ab. "Der Kerl war eh nicht der Hellste. Ein Wunder, das er sich überhaupt in der Realität zurecht gefunden hat. Ich hätte ihn ewig da drin halten können, wenn er nicht so erschreckend blöde gewesen wäre, sodass ihn ein Stoß gegen sein rechtes Bein wieder geweckt hatte. Ohne meine Affen-sempais hätte ich wahrscheinlich ganz schön Federn lassen müssen." "Ja, da war noch was. Tut mir leid, Kuzomi-chan, aber ich hatte da alle Hände voll zu tun, die Tussi abzuwehren, die dich im Rücken attackieren wollte." "Was du ganz hervorragend gemacht hast, Kira-sama! Sie war größer, sie war schwerer, sie war schneller, und sie hatte das längere Schwert. Aber du hast sie gestoppt! Das war ein Anblick..." Beinahe hätte ich gelacht, als ich ihren schmachtenden Blick sah. Bisher hatte ich es für ihre Art gehalten, für ein antrainiertes Verhalten oder für eine Finte, eine Art äußeres Genjutsu. Aber je länger ich Kuzomi-chan kannte, umso mehr stellte sich die Gewissheit ein, dass... Ja, dass sie tatsächlich in Kira verliebt war. Nun, andere waren nicht so gutmütig wie ich, und das Spinnenmädchen erntete einiges an wohlmeinendem Gelächter. "Apropos Anblick!", rief Kira hastig und wandte sich von seiner Kontraktpartnerin ab, die Wangen stark gerötet. "Du hast ja einen tollen Anblick geboten, als du so geflogen bist, Windnutzer. Plus und Plus ergibt Plus, das solltest du doch wissen." "Ach, hör auf", murrte Shinji. "Da kann ich mich endlich mal mit einem Windnutzer messen, der auch noch stärker ist als ich, und ich muss mit Geschick ausgleichen, was mir an Chakra fehlt, tja, und dann kollidieren unsere Fuuton derart miteinander, das ich mich in einem Baum wiederfinde." "Sei froh. Dein Gegner hatte nicht so viel Platz, um zu manövrieren. Er ist mitten in ein Dai Endan von Mamo-chan, ich meine, Mamoru-sensei reingestolpert", sagte Kira grinsend. "Tja, Pech nenne ich das. Aber das hätten sie sich eigentlich von vorne herein denken können, wenn sie sich mit Konoha-Shinobi anlegen. Wir schlagen zurück." "Nun hebe aber nicht gleich ab", tadelte Mai und knuffte ihn schmerzhaft in die Seite. "Wir hatten Senseis Affenkrieger auf unserer Seite, und es war trotzdem noch genug für uns Genin zu tun." "Ja, vor allem du hattest gut zu tun. Erst hast du deinen Gegner auf einen Haufen Makibishi gelockt - und es geht sich wirklich schlecht, wenn man sich zwei Dutzend Spikes eingetreten hat - und dann hast du ihn mit deinem versteckten zweiten Fuusha Shuriken erledigt." "Und es wären noch ein zweiter und ein dritter dazu gekommen, wenn unsere Affen-senseis nicht so schlagkräftig gewesen wären", erklärte Mai gönnerhaft. "Und vergessen wir nicht Mamo-chan... Ich meine Mamoru-sensei und seine Kage Bunshin, die ordentlich aufgeräumt haben..." Für einen Moment betrachtete sie ihre Finger, die leicht zitterten. "Dass unser zweiter echter Kampf gleich eine kleine Schlacht werden würde... Wie war das bei dir, Sensei?" Ich lächelte still. "Mein erster Kampf war eine solche Schlacht." Ich sah kurz zur Seite, musterte Suirin. "Wir waren drei Genin und Hayate-sensei. Es war eine Transportmission. Wir wurden von acht Kiri-Nin attackiert, die in der Ware, die wir transportierten, wohl einen größeren Wert sahen als wir selbst. Mein Gegner war drei Köpfe größer als ich und gewiss viermal so schwer. Und er war ein Suiton-Nutzer, gegen das ich mein Feuer stellen musste. Besiegt und getötet habe ich ihn dann allerdings durch Taijutsu und mein Kunai." Stille breitete sich am Tisch aus. Kirigakure war das versteckte Ninjadorf des Reichs des Wassers. Ihre Ninjas, von denen Suirin eine war, hatten das Land und seine Bewohner zu schützen. Als ich begonnen hatte zu erzählen, das ich einen ihrer Ninjas getötet hatte, war ich ein Risiko eingegangen. Aber es gab keinerlei Gewähr dafür, dass sie es nicht ohnehin wussten. Jemand, der mich hier und heute nicht als Helden verehrte, hätte schon einen nichtigeren Anlass nehmen können, um mich zu attackieren. Vielleicht war ich es als Feuernutzer auch einfach nur gewohnt, lieber einmal zuviel als einmal zu wenig mit dem Feuer zu spielen. "Ich kenne die Geschichte. Acht Genin, ein Jounin. Ich weiß nicht, worum es in ihrem Auftrag ging, aber sie kamen nicht zurück", sagte Suirin leise. "Es war ein Auftrag, und sie haben ihn nicht erfüllen können. So etwas passiert, und es gibt nichts gegen die Sieger zu sagen. So sehe ich das." Sie sah auf und lächelte wehmütig. "Morikubo-sama, du brauchst dir da keine Gedanken zu machen. Das Leben als Ninja ist oft blutig und erfordert Grausamkeit. Und letztendlich hast du Kirigakure und dem Mizu no Kuni sehr viel mehr genutzt als geschadet. Man sieht es allein an diesem Dorf." Zustimmendes Gemurmel klang auf, und die eisige Klippe war umschifft. "Aber?", fragte ich sie. "Aber, was?" Sie strich sich nervös durch die kurzen blonden Haare. "Nichts. Es klang nur so, als wäre das Thema damit noch nicht beendet. Vor allem als du das Wort Grausamkeit genannt hast, klang es so, als würdest du es ausspucken." "Es... Es ist nichts, Morikubo-sama. Nichts, was dich interessieren würde." "Vielleicht interessiert es mich ja doch, Suirin-kun", sagte ich mit der Bestimmtheit eines Mannes, der dieses und ähnliches schon oft getan hatte, um bei seinen zugeteilten Genin den einen oder anderen Beweggrund für seine oder ihre Störrigkeit herauszufinden, um mit ihm oder ihr arbeiten zu können. Und dieser Frau lag definitiv etwas auf dem Herzen. "Es ist... Nun, es gibt ein Beispiel, das ich nicht verzeihen kann. Etwas, was Ninjas nicht tun sollten. Dagegen ist dein Sieg über unsere Genin schon fast eine Ruhmestat." "Ich höre", sagte ich interessiert. "Suiren, meine große Schwester, wurde in einem Einsatz getötet. Sie sollte eine bestimmte Schriftrolle aus Kumogakure erhalten und ins Dorf zurückbringen. Dabei wurde ihr Team von Iwa-Ninjas überfallen und ermordet. Auch sie wurde getötet. Dabei hatte sie, gerade sie auf das Bündnis mit Iwagakure vertraut." Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, und ihre Haut knirschte, als würde sie Leder gegeneinander reiben. "Sie hat oft davon gesprochen, dass die großen Ninja-Städte in Frieden miteinander leben sollten, und sie hatte gedacht, dass Kiri mit Iwa einen Anfang getan hätten. Es war ein unnötiger Verlust, den meine Familie hat erleiden müssen. Aber dieser Verrat hat gezeigt, dass manche von uns gar keinen Frieden wollen." "Vielleicht war das so. Vielleicht ist das so. Vielleicht wird es aber so nicht bleiben", sagte ich leise. Ich erinnerte mich daran, dass ich im Reich der Steine, als ich Orochimarus hiesiges Labor zerstört hatte, auch Iwa-Nin befreit hatte. Iwagakure stand mir gegenüber in einer Bringschuld, das war beruhigend zu wissen. Ansonsten hatte ich nicht besonders viele Berührungspunkte mit dem großen Ninja-Ort gemein. Ich konnte also nicht so recht einschätzen, was die Iwa-Nin getrieben hatte, um ihr Bündnis mit Kirigakure wegen dem Besitz einer Schriftrolle derart zu zerstören und das gegenseitige Vertrauen auf Jahrzehnte zu vergiften. War es vielleicht der Beweggrund der Iwagakure-Führung gewesen, genau das zu erreichen? Nun, vielleicht würde ich das nie erfahren. "Wie, vielleicht?", fragte Suirin verwirrt. "Ich meine damit, vielleicht hat deine Schwester ja Recht, Suirin-kun, und das, was sich Suiren-san gewünscht hat, geht doch noch in Erfüllung. Orte verändern sich. Menschen verändern sich. Kirigakure hat sich verändert, oder?" "Ja, mit Terumi-sama an der Spitze", sagte sie. "Auch Konoha kann sich jederzeit verändern, zum Guten wie zum Schlechten. Das weiß ich selbst als Erster. Wobei ich durchaus daran arbeite, dass sich Konoha stets zum Guten hin entwickelt. Und genauso verhält es sich mit Iwagakure und den anderen großen Dörfern der fünf großen Reiche." "Iwa-Ninjas und Kiri-Shinobi sollen sich eines Tages vertragen oder gar Seite an Seite kämpfen? Das klingt nach einem fernen Traum", sagte sie skeptisch. "Vielleicht auch nicht. Eventuell muss die Bedrohung nur groß genug sein, um das zu erreichen", scherzte ich. Ernster fügte ich hinzu: "Iwagakure ist ebenfalls wie Kumo, Suna, Kiri und Konoha eine der fünf großen Ninja-Städte. Kriege zwischen uns führen wegen unserer großen Zahl an Shinobi und ihrer Talente stets zu einem Desaster sondergleichen, dass alle kriegsführenden Städte hart trifft. Wir sind zu groß, um gegeneinander zu kämpfen. Deshalb habe ich durchaus Hoffnung, dass wir in einer hoffentlich nicht allzu fernen Zukunft miteinander kämpfen werden, nicht mehr gegeneinander. Immerhin komme ich heutzutage auch sehr gut mit Kiri-Nin aus, obwohl der erste, der mir begegnet ist, mir ans Leben wollte. Obwohl ich auf Messers Schneide mit Terumi-sama gekämpft habe." "Ich... Verstehe", sagte sie nachdenklich. Nun, zumindest die Sekunden, bis die relevante Information ihr Gehirn erreicht hatte. Ihr Kopf ruckte hoch und zu mir herum. "Moment mal, hast du gerade gesagt, dass du mit dem Mizukage gekämpft hast, Morikubo-sama?" "Na, damals war sie noch nicht Mizukage. Das wurde sie erst später. Aber damals war sie noch ein schrecklicher Befehlsempfänger und besessen davon, ihre Befehle wortgemäß zu erfüllen. Das hat sie jetzt zum Glück hinter sich gelassen." "Wann hast du mit Terumi-sama gekämpft, Morikubo-sama?", fragte sie entgeistert. "Als ich von den Bewohnern von Genta-No-Son angeheuert wurde, um ihre Kinder zu retten. Ich musste dafür mit meinen acht Begleitern und meinen Affenkriegern die Burg des hiesigen niederen Daimyo erstürmen", erzählte ich. "Dabei geriet ich mit Terumi-sama aneinander, die strikt ihren Befehlen folgte, und den unfähigen, korrupten Neffen des Groß-Daimyos beschützte. Leider. Aber wie ich schon sagte, heute ist sie wesentlich schlauer." "Du warst das?", fragte Suirin. In ihren Augen spiegelten sich Entsetzen, Bewunderung und eine Spur Angst wieder. Sie rückte hastig ein Stück von mir ab und verneigte sich bis auf den Boden. "Entschuldige bitte, wenn ich dir gegenüber in irgendeiner Form unhöflich gewesen sein sollte, Morikubo-sensei. Aber niemand hat mir gesagt, dass ich... Dass ich..." Nun war es an mir, irritiert zu sein. "Was genau weiß man über mich in Kirigakure, Suirin-kun? Oder vielmehr, was erzählt Mei-chan so über mich?" Die junge Frau richtete sich wieder auf und nahm ihren alten Sitzplatz wieder ein. "Dass sie nicht verstehen kann, warum Konoha einen Ninja mit deinen Fähigkeiten nicht schon lange zum Jounin ernannt hat. Mir war nur nicht klar, dass du mit dem Ninja identisch bist, der sie zur Revolution in Kirigakure animiert hat. Dann hätte ich dich..." "Mit noch mehr Gefolge empfangen? Ich habe an deinem Verhalten und an deiner Höflichkeit nichts auszusetzen, Suirin-kun. Im Gegenteil. Du hast Kiri Ehre gemacht." "Danke, Morikubo-sensei. Vielleicht stimmt es ja doch, und wir werden eines Tages tatsächlich keine Kriege mehr gegeineinander führen. Oder sogar auf Dauer Freunde werden. Vielleicht für eine Generation oder sogar zwei." "Das ist die richtige Einstellung", sagte ich lachend. "Wir sollten weiteressen, bevor die warmen Speisen kalt sind. Und Ihr, meine Genin, solltet besonders gut essen, denn wenn Ihr damit fertig seid, werdet Ihr euer Spiel beenden, das noch unentschieden steht." Mai, Kira, Shinji und Kuzomi sahen mich mit purer Freude in den Augen an. "Jawohl, Sensei!" Die Gelegenheit, das Spiel zu beenden und zu beweisen, welches Team das bessere war, ließen sie sich nicht entgehen. Sie widmeten sich dem Essen mit noch größerem Enthusiasmus. Tsubasa schenkte mir nach. "Es ist ein wenig schade, dass Hinako und Karin diesmal nicht kommen konnten. Geschweige denn Kaminari und Naruto-kun mit seinen Freunden." "Es hat sich einfach nicht so ergeben. Aber was heißt denn diesmal, Tsubasa-sama?" Die Frau des Dorfvorstehers griente mich an. "Na, im Gegensatz zu einer treulosen Tomate, die sich zwei Jahre nicht blicken lässt und mir nicht mal zur Geburt meines Sohnes gratuliert hat, waren die beiden schon ein paarmal wieder hier." Ich schluckte hart. Wo sie Recht hatte, hatte sie Recht. Ich verbeugte mich leicht vor ihr. "Ich entschuldige mich für mein Versäumis, Tsubasa-sama. Es war einfach sehr viel zu tun. Aber ich habe euch trotzdem schrecklich vermisst." "Nun, wenigstens hast du eine fadenscheinige Ausrede", konterte sie. Ihr Grienen wurde ein Lächeln. "Und immerhin bist du endlich wieder hier. Daher kann ich dir verzeihen, wenn du..." "Ja?" "Wenn du endlich aufhörst, mich mit Sama anzureden, Mamoru Morikubo. Immerhin bist du der Mann, der meinen Mann auf den rechten Pfad zurückgebracht und diesen Ort damit überhaupt erst möglich gemacht hast." Genta lachte dazu dröhnend. "Jahahaha. Goldene Erinnerungen. Was für eine schicksalhafte Begegnung das doch war!" "Tsubasa... Chan?", bot ich an. "Schon besser", lobte sie zufrieden. "Was hat Sensei gemacht?", rief Shinji aufgeregt. "Genta-sama, erzähl doch mal!" "Also, wenn euch die alte Kamelle interessiert... Sie ist aber nicht so schön. Und ich war damals auch noch nicht so schön wie jetzt. Und das verdanke ich alles eurem Sensei und meiner Tsubasa. Und meinen beiden Leutnants." Er fuhr Suzume mit der Linken durch die Haare, bis diese protestierte. "Und natürlich Suzume-chan, nicht? Also, wo fange ich am besten an?" Während Genta die alten Geschichten aufzuwärmen begann, spürte ich, wie sich mein Schattenklon auflöste. Sein Wissen und vor allem das Gespräch mit Kishio fluteten auf mich ein. Ich musste lächeln. Da hatte ich ja mal sehr gut verhandelt. Und der Junge würde endlich zu uns kommen und am Essen teilnehmen. Das beruhigte mich sehr. *** "Wenn du lieber allein sein möchtest, kann ich das verstehen", klang hinter Kishio eine Stimme auf. Erschrocken fuhr der Junge auf und spannte sein Kanshi wieder aus. "Sensei!", rief er entrüstet. Etwas kleinlaut fügte er hinzu: "Ich habe dich gar nicht kommen gespürt, weil ich meine Fähigkeiten einen Moment zurückgenommen hatte." "Ist in Ordnung, Kishio", sagte Mamoru und hockte sich neben dem Jungen nieder. Kishio war rund zwei Jahre jünger als er. Das war nicht viel, und doch wieder unendlich viel. In der Welt der Shinobi zumindest. "Zudem bin ich ja auch nur der Kage Bunshin." "Ja, ich weiß", sagte Kishio. "Das habe ich sofort erkannt, als ich meine sensorischen Fähigkeiten aktiviert habe. Wenn es darum geht, dass ich nicht beim Essen bin, dann..." "Ja, darum geht es. Aber ich denke, wir sollten vorher miteinander reden. Du hast die Bewachung der Genin bis hierhin fortgesetzt?" "Ja, Sensei. Ganz wie du es befohlen hast. Als wir aber in die Stadt kamen, wurden es einfach zu viele Eindrücke, und ich musste zumindest aus der Menge raus", gestand Kishio. "Ich verstehe." Nachdenklich rieb sich der Klon das Kinn. "Ich denke, wir müssen wirklich dringend miteinander reden, mein Junge. Gott, wie großkotzig klingt das. Ich bin vielleicht zwei Jahre älter als du, und ich benehme mich dir gegenüber wie... Wie..." "Wie ein Veteran, der in einem Ort, den er gerettet hat, einen Heldenempfang bekommt?", half Kishio aus. Mamoru lachte abgehackt. "Erwischt." Er betrachtete den Jungen einen Moment nachdenklich. "Kishio. Wie lange willst du bei mir bleiben?" "Sensei?" "Klare Frage, klare Antwort." "Solange wie es notwendig ist. Mindestens aber solange, bis ich auch dein Leben retten konnte. Außerdem ist es hilfreich, denke ich, wenn wir unsere Kräfte bündeln, denn immerhin scheinen wir beide auf der Abschussliste von Orochimaru zu stehen, diesem Bastard." Mamoru nickte verstehend. "Gut. Dann nehme ich an, dass du zumindest eine längere Zeit bei mir bleiben wirst, genau wie meine Genin. Wo möchtest du in Konoha wohnen?" "Was, bitte?" "Wo möchtest du wohnen? Das Haus, das ich mit meinen Eltern bewohne, ist jetzt nicht so groß, aber meine große Schwester zieht mit ihrem Verlobten zusammen, und sie hat sicher nichts dagegen, dass du ihr Zimmer bekommst. Dann gibt es noch Vaters alten Arbeitsraum, und... Tja. Aber wenn es dir lieber ist, kann ich dir auch ein Appartement in der Nähe besorgen. Je nachdem, wieviel Nähe du verträgst. Außerdem werde ich mich um deinen offiziellen Status kümmern, damit du bezahlt wirst, wenn du mich auf meinen Missionen begleitest. Ich werde dich als Genin anerkennen lassen. Dann bist du ein richtiger Konoha-Shinobi. Dein Vorteil: Du legst dann deine Kräfte nicht nur mit mir zusammen, sondern mit zehntausend weiteren Shinobi. Das dürfte in Zukunft hilfreich sein. Aber auch das gilt nur so lange, wie du es auch willst. Du kannst mich und Konoha jederzeit verlassen." "Äh, Sensei, nur um auf Nummer sicher zu gehen, wie meinst du dieses "dich verlassen"? Ich meine, ich habe viel über die besonderen Freundschaften zwischen männlichen Shinobi und Soldaten gehört, aber ich denke, ich..." Verblüfft sah Mamoru den Jüngeren an, bevor er schallend zu lachen begann. "Oh, keine Sorge. Ich wünsche mir dein Vertrauen und deine Freundschaft, aber bestimmt nicht deinen Körper. An dem ist nichts auszusetzen, aber wie du an Perine siehst, stehe ich doch mehr auf Frauen. Solltest du jedoch in diese Richtung tendieren, sei versichert, dass ich diese Einstellung toleriere." "N-nein, ich denke, ich... Mich zieht es wohl auch eher zu Frauen hin, Sensei", sagte er. Der Klon begann zu grinsen. "Was die Frauen angeht, kannst du dir vorstellen, dass ich von Perines Kaliber noch vier in petto habe?" Kishios Gesicht überzog sich mit gesunder Röte. "Bei dir ist alles möglich, Sensei." Mamoru lachte erneut. "Also, was wird es sein? Das Zimmer, oder lieber die Wohnung?" "Was das angeht, so würde ich dir gerne das Kopfgeld geben, das ich verdient habe. Jetzt, wo du für mich sorgst und für mich bezahlst, brauche ich das Geld nicht." "Na, das wirst du mal schön behalten, Kleiner", sagte Mamoru grinsend. "Auch wenn ich nicht danach aussehe, aber Geld habe ich genug. Meine Missionen waren stets ein wenig schwieriger als die der anderen, und ich wurde fürstlich dafür bezahlt. Das musste auch so sein, denn wenn die Affen erstmal ihre Party kriegen, dann wird mein Konto erheblich zusammengeschrumpft sein. Wie gesagt, du wirst ein Shinobi Konohas, wenn du da keine Vorurteile hast. Und dann wirst du bezahlt werden. Von Konoha. Aber um auf Nummer sicher zu gehen habe ich gegenüber Tsunade-sama klargemacht, dass du als mein Vasall anzusehen bist. Alles, was dich betrifft, geht ausschließlich über mich. Nur für den Fall, dass Danzou, der alte Sack, an dir Interesse entwickelt. Oder die Oma und der Opa im Rat. Oder die ANBU, um ihre Reihen aufzufüllen. Ja, ein sensorischer Ninja deiner Stärke wäre für die ANBU ein gefundenes Fressen." Er dachte kurz nach. "Das kannst du natürlich machen. ANBU werden, und so. Aber nur, wenn du das auch willst. Ich passe auf, dass dich niemand dazu zwingt, Kishio." "Gut. Dann nehme ich das Zimmer, wenn es dir Recht ist. Ich bin viele Menschen einfach nicht mehr gewohnt, und wenn Konoha tatsächlich zehntausend Shinobi hat, und wenn ich da noch die Zivilisten hinzurechne, dann möchte ich ungern alleine leben. In dem Gewühl kann ich ja gar nicht auf dich aufpassen, Sensei." Mamoru gluckste leise. "Oh, kein Spott, Morikubo. Du wirst wahrscheinlich noch früh genug Kishios Hilfe brauchen", tadelte er sich selbst. "Abgemacht. Ich muss das natürlich erst mit meinen Eltern abmachen, aber ich glaube nicht, dass sie uns da Steine in den Weg legen. Und mit deinen Kochkünsten wirst du bei Mutter und Yuriko bestimmt schnell Anschluss finden." "Kochen sie auch so gerne?", fragte Kishio erfreut. "Mutter hat sogar ein eigenes Restaurant, das ziemlich gut besucht ist. Du wirst deinen Spaß haben, wenn wir gerade nicht auf Mission sind", versprach Mamoru. "Kommen wir zum nächsten Punkt. Natürlich ist es wichtig für einen Ninja, einen direkten Befehl möglichst wortwörtlich auszuführen. Aber bei meinen Untergebenen wünsche ich mir, dass... Nun, dass sie wissen, wann sie einen Befehl wörtlich nehmen müssen, und wann sie interpretieren können. Zum Beispiel meine letzte Anweisung. Sie ist für dich obsolet geworden, denn meine beschworenen Affen bewachen alle vier Himmelsrichtungen. P-chan den Norden mit dem Meer, Ryoga den Osten mit der Straße nach Kumogakure, Akane den Westen mit dem Weg, den wir gekommen sind und Ranma-sensei den Süden mit dem Wald - Hi, Ranma-sensei!" "Hallo, Mamo-chan. Ich hoffe, das Essen schmeckt." "Keine Sorge, wir bringen euch bald was raus. Ich wollte ja nicht, dass Ihr Wache stehen müsst." "Du bist wie immer etwas zu weich und etwas zu gutmütig, Mamo-chan", tadelte der Affenkrieger, bevor er vor den Augen der beiden spurlos verschwand. "Ah, ja. Soviel zum Thema. Jedenfalls hast du gesehen, dass die Affenkrieger den Schutz übernommen haben. Du hättest deine sensorische Arbeit einstellen können. Wenn du dein Kanshi deaktivierst, wirst du auch nicht mit sensorischen Einflüssen überschüttet." "Das ist es nicht. Nicht nur", gestand Kishio. "Ich habe es dir schon gesagt, dass ich große Menschenmengen nicht gewohnt bin. Ich... Ich habe es mit der Angst zu tun bekommen, glaube ich. Und ich habe eigentlich keine Angst. Nicht in dem Sinne." "Verstehe. Es juckt mir in den Fingern, einmal die Welt so zu sehen, wie du sie siehst." "Wie ich schon sagte, Sensei, ich kann dir helfen, wenn wir uns einen Ort suchen, der nicht so überlaufen ist. Ich weiß nicht, wie du darauf reagieren wirst, wenn du plötzlich zweitausend Menschen in allen Facetten spüren kannst." Mamorus Miene verdüsterte sich. "Oh, ein Informationsflash, hm? Darauf kann ich getrost verzichten. Also gut, bevor wir nach Kumogakure weiterziehen, gebe ich der Sache einen Versuch." "Du wirst es nicht bereuen. Und vielleicht erweitern wir damit auch den Radius deiner sensorischen Fähigkeiten, Sensei." "Ja, das wäre ein wünschenswerter Nebeneffekt", erwiderte der Schattenklon. "Aber um nochmal aufs Thema zurückzukommen: Du bist ein aufgeweckter Junge. Aber du bist unbedingt gehorsam. Das wird dich als Konoha-Nin in Schwierigkeiten bringen. Ich will, dass du auch ab und an ausbrichst und dein eigenes Ding machst. Nein, das muss ich genauer erklären. Weißt du, der Niidaime Hokage hat mal eine Schlacht gegen Iwagakure geführt. Alles war geplant, jede Eventualität besprochen worden, und die Stärke des Feindes war bekannt. Dann kam es zur Schlacht, und alles spielte sich ab wie es sollte. Konoha war am Gewinnen. Mitten im Gefecht entdeckte aber einer seiner Jounin einen Weg, die Schlacht zu einem sofortigen Sieg zu führen. Ohne sich um den weiteren Plan zu kümmern, führte er diese Idee aus, besiegte den Feind, beendete die Schlacht und rettete damit Dutzenden Konoha-Shinobi das Leben, die wohl noch gestorben wären, wäre die Schlacht wie geplant weitergegangen. Um das auf uns umzumünzen: Klar ist Gehorsam wichtig, und ich denke mir was bei meinen Befehlen, aber wenn du dort, wo du bist, eine bessere Übersicht hast und eine Gelegenheit siehst, dann ergreife sie auch." "Das kann mich direkt in eine Falle führen", murrte Kishio. "Sicher kann es das. Aber du hast doch selbstständiges Denken gelernt, sonst hättest du nicht jahrelang allein gelebt. Klar kannst du scheitern. Deshalb denke genau darüber nach, was du tun willst, und überschaue die Situation so gut es geht, bevor du handelst. Das ist nicht mehr und nicht weniger, als ich von meinen Untergebenen verlange. Und glaube mir, ich habe schon Dutzende ausgebildet. Risiko und Schwund sind immer." "Ha, ha. Sehr witzig." Es klang spöttisch, aber Kishios Augen leuchteten dabei. "Um es zusammenzufassen, will ich dich als meinen Genin und persönlichen Gefolgsmann in meine bestehende Genin-Gruppe integrieren. Du kannst so lange an meiner Seite bleiben, wie du willst oder für notwendig erachtest. Ich sehe dich als meinen ausführenden, aber selbstständig denkenden Arm, der mich beschützt und der meinen Schutz genießen wird. Egal gegen wen. Bleib mir treu, und ich bleibe dir treu. Und solltest du eines Tages die Schnauze voll haben, werde ich dich nicht aufhalten. Aber du kannst jederzeit zurückkehren, denn jeder Mensch braucht ein Zuhause. Wenn wir nun nach Kumo weiterziehen, dann bist du nicht mehr, aber auch nicht weniger als die anderen drei. Ich werde dich ebenso wie sie ausbilden, so gut ich kann, beschützen, so gut ich kann, aber auch verlangen, dass du wie sie eigenständige Leistung erbringst. Solltest du irgendwann mal ANBU werden wollen, den Chunin-Rang oder gar den Jounin anstreben, werde ich dich unterstützen und nicht drauf beharren, dass du mein Gefolgsmann bleiben musst. Warum, fragst du dich, bin ich so großzügig? Weil du es gebrauchen kannst, Kishio. Einfach, weil du es gebrauchen kannst. Und ich habe schon viele negative Punkte auf meinem Lebenskonto, ich kann ein paar gute Taten fürs Ego dringend gebrauchen." "Negative Punkte? Wie jetzt?" Der Klon grinste. "Es führt zu weit, das alles zu erklären. Kommen wir zum letzten und wichtigsten Punkt: Du bist bei mir, nicht nur weil du bleiben wolltest, sondern auch, weil ich dich mag, Kishio. Abseits unserer Beziehung als Herr und Vasall hoffe ich, dass wir Freunde werden. Gute Freunde werden. Und ich will, dass du und die Genin Freunde werden, so die Chemie zwischen euch stimmt. Denn nichts kann ein Shinobi in dieser Welt mehr gebrauchen, als gute Ninja-Freunde, die für einen durch die Hölle gehen." "Ich kann nichts versprechen, aber ich versuche es", versprach Kishio, plötzlich schüchtern klingend. "Meinst du, wir werden gute Freunde, Sensei?" Mamoru lachte laut. "Wenn es so weiter geht wie bisher, machst du meinen beiden besten Freunden Kou und Ryu noch den Rang streitig, Kishio. Oder ich nenne dich eines Tages meinen kleinen Bruder. Also, mach einfach so weiter, und wir werden noch die dicksten Freunde." Er klopfte dem Jüngeren auf die Schulter. "Bis dahin sind wir Partner. Und ich vertraue darauf, dass du mir dabei hilfst, auf die Kids aufzupassen und sie zu beschützen. Und zu trainieren. So wie ich dich trainieren werde. Zumindest im Katon, denn dein Taijutsu ist bereits ziemlich gut. Deine Familie?" "Äh..." "Du musst da nicht drüber reden. Aber du darfst drüber reden, wann immer du möchtest. Ich will dir das nicht befehlen und muss es wohl auch nicht. Tsunade-sama hat mich bereits mit allem versorgt, was in Konoha über die Familie Moeru zu finden war, und ich konnte mir einen eigenen Reim machen. Falls du drüber reden willst, ist es gut, falls nicht, ist es auch gut." Der Klon erhob sich wieder, aber Kishio ergriff seine Hand und zog ihn wieder in die Hocke. "Ich weiß nicht, was in der Nachricht von Tsunade-sama stand, aber ich will dir nicht nur vertrauen, Sensei, ich will auch das du mir vertraust. Deshalb will ich dir erzählen, was... Was ich dir erzählen kann." "Gut. Und anschließend gehst du zum Essen rüber, okay? Ich löse das Jutsu dann auf und übertrage mein Wissen an Mamoru selbst." "Einverstanden." Kishio atmete tief ein und sehr langsam wieder aus. "Geboren wurde ich als erster Sohn von..." *** "Mamoru-sensei, ist es wirklich klug, dass...?", begann Kuzoko leise. Grinsend betrachtete ich den Hügel, den ich als Austragungsort für den entscheidenden Punkt im Erobere die Fahne-Match zwischen Team Kira/Kuzomi und Team Mai/Shinji ausgesucht hatte. Keine Deckung, keine Bäume, nur die leicht gewölbte Erde des Hügels, mit Gras bewachsen, die ungefähr ein Viertel der Lichtung ausmachte, die wir im Wald genutzt hatten. "Keine Sorge, keine Sorge, es wird schon alles gut gehen. Außerdem habe ich wieder vier Schattenklone eingesetzt, die darauf aufpassen werden, dass sie sich nicht doch verletzen." "Das meine ich nicht. Aber ist es klug, sie mit ihren Verletzungen kämpfen zu lassen?" "Wir werden sehen, ob es klug ist. Aber spektakulär wird es in jedem Fall." Ungefähr fünfzig Laternen erhellten den Hügel. Auf meine Anweisung hin waren sie rundherum als Begrenzung aufgestellt worden. Die Flaggenplätze waren eingerichtet, die Kontrahenten brannten auf die Herausforderung, und die Bewohner von Genta-No-Son warteten auf irgendetwas spektakuläres. Nun, daran würde es keinen Mangel geben. Ich gab erneut den Schiedsrichter. "Beginnt!" Wie ich erwartet hatte, hielt es keinen der vier bei den Fahnen, die es zu verteidigen galt. Sie versuchten, die Mitte zu gewinnen und dort zu dominieren. Wer die Mitte gewann, der eroberte auch die Fahne. Der Plan beider Seiten war klar: Ihre Gegner durch "Tod" auszuschalten. Mai und Shinji entschieden sich für die radikale Variante. Wie in der vierten Runde beim letzten Spiel erschufen sie Schattenklone in großer Zahl. Ich zählte achtzehn Mais und einundzwanzig Shinjis. Die Originale mixten sich dabei unter die Doppelgänger, um Kira das Leben schwer zu machen. Auf der Gegenseite erschuf auch Kira Schattenklone, und Kuzomi würde zweifellos wieder ihre Seide benutzen - dachte ich bis zu dem Moment, in dem ein gutes Dutzend Schattenklone mitten im Laufen zusammenbrach. Natürlich, so konnte man die Herde auch ausdünnen. Kira kümmerte sich um die andere Flanke und benutzte erneut sein Raiton, um den Boden unter Strom zu setzen. Damit erwischte er tatsächlich einige Klone, aber wie beim letzten Kampf warfen einige Shinjis einige Mais in die Luft, um dem Raiton zu entgehen. Prompt warfen die Mais Kunais mit Spreng-Tags, die zwischen den Schattenklonen niedergingen und sofort detonierten. Dabei tauchten sie in die Staubwolken der Explosionen ein, und einige der Laternen wurden umgeworfen und fingen Feuer. Aus der Staubwolke brandete erneut Raiton auf, und man hörte das charakteristische Geräusch, das entstand, wenn ein Schattenklon wieder verschwand. Derweil hatte es ein Shinji - das Original, wie mir meine Fähigkeiten verrieten - es mit Step geschafft, an der Flanke entlang bis ins Drittel der Gegner zu kommen; ein weiterer Step brachte ihn direkt an die Flagge. Dort schoss Kuzomi aus dem Gras und warf ihre Stahlseide auf Shinji. Ein kurzer Check meinerseits offenbarte, dass sie ein Klon war. Teufel auch, wann hatte sie das gelernt, und vor allem so schnell? Shinji schien zur gleichen Ansicht gekommen sein wie ich. Er benutzte ihren Kopf als Halt für sein Taijutsu, übersprang sie und stieß ihr sein Kunai in den Rücken. Sie verpuffte in einer Rauchwolke. Triumphierend schnappte sich Shinji die gegnerische Flagge und benutzte erneut Step. Er wurde aber aufgehalten, als eine Kugel aus Blitzenergie direkt vor ihm vorbei raste. Dem folgte Kira auf dem Fuß, und die beiden Genin tauschten einen heftigen Schlagabtausch aus. Sie ließen voneinander ab, suchten Distanz zu gewinnen und zogen ihre Waffen. Kira sein Wakizashi, das schon bald von seinen Blitzen überzogen wurde und damit tödlicher als ohnehin schon war, und Shinji sein Kunai. Ich musste mich nicht besonders anstrengen, um zu sehen, dass meine letzte Lektion, die ich ihm und Mai erteilt hatte, Früchte trug. Am Ende des Kunais prangte eine Windklinge. Keine besonders lange, gute und scharfe, instabil war sie auch noch. Aber sein Kunai war damit eine tödliche Überraschung für jeden Gegner. Mit wütenden Schreien stürzten sie aufeinander zu, ließen ihre Klingen in wilder Tötungsabsicht aufeinander niedersausen - ehrlich, man konnte einen Wettkampf auch zu ernst nehmen - und schlugen zu. Stille folgte, atemlose Stille, die die Zuschauer erfasst zu haben schien. Auf der Wiese stand einer meiner Schattenklone und hatte sowohl Kiras Klinge mit dem rechten Unterarm als auch Shinjis Windwaffe mit dem linken Unterarm aufgefangen. Wäre ich das gewesen, hätte ich mich schwer verletzt. So aber verging der Klon nur in einer Rauchwolke. Nicht das erste Mal, dass ich diese Technik zu schätzen lernte. Mit einem Step war ich selbst zwischen den beiden Jungen. "Ihr übertreibt", sagte ich vorwurfsvoll. Kira grinste, und Shinji griente von einem Ohr bis zum anderen. "Ach, Sensei, wir wussten doch, dass du auf uns aufpasst. Da sind wir halt in die Vollen gegangen." Ich schüttelte den Kopf. "Trotzdem. Ihr seid beide ausgeschieden. Beide Treffer wären tödlich gewesen." Ich streckte eine Hand nach Shinji aus, eine nach Kira. "Tot", sagte ich, dann schnippte ich beiden vor die Stirn. Die Wirkung war so beachtlich, dass ich zusammenzuckte. Shinji wurde von den Füßen gerissen, überschlug sich mehrfach, landete hart und rollte noch etliche Meter, bevor er ächzend zur Ruhe kam. Kira flog einfach nur ein Dutzend Meter, schlug hart auf, kam wieder hoch und brach erneut zusammen. "Sensei! Das hat weh getan!", rief Shinji. "Kein Grund so brutal zu werden", murrte Kira. "Wir hatten doch nicht wirklich vor, uns gegenseitig umzubringen." Irritiert sah ich von einem zum anderen. War ich das gewesen? Es schien, dass ich meine Kraft noch immer nicht richtig dosieren konnte. Zumindest bei Dingen, die ich zum ersten Mal tat. Verdammt, wie wenig Kraft hatte Kakashi wohl damals auf dem Konoha-Friedhof gegen mich eingesetzt, als sein Schnipser mich über die Gräber von Sandaime und Hayate-sensei geschickt hatte? Ich musste das unbedingt trainieren. Was für eine überraschende Waffe. "Meckert nicht. Ihr seid selber schuld. Runter vom Feld", sagte ich. "Das Match ist noch nicht vorbei." "Uff. Minute, Boss", stöhnte Shinji. Auch Kira wollte nicht so recht auf die Beine kommen. Besorgt sahen die Mädchen zu ihren Kameraden herüber. "Kuzoko. Kishio." Die beiden erschienen mit Step auf dem Schlachtfeld. Kishio stemmte sich unter Kiras Arm, und Kuzoko nahm Shinji hoch, in einer Haltung, die oft scherzhaft "Prinzessinnengriff" genannt wurde. Mit ihren Lasten verschwanden sie wieder per Step. "Weiter!", rief ich den Mädchen zu. Mai löste ihre Schattenklone auf und Kuzomi beendete ihr Jutsu. Sie trafen sich in der Mitte. "Kein Genjutsu", sagte Mai. "Okay. Keine Sprengtags und keine Shuriken", forderte Kuzomi. Die Konoha-Genin zog ein Kunai. "Wie gut ist dein Taijutsu, Spinnchen?" Auch die Kontraktpartnerin zog ein Kunai. "Wirst es gleich erleben, mein Herz." Die beiden Mädchen belauerten sich mit gezogenen Kunais. Dabei hielte sie die Griffe in der rechten Faust, und die Klinge zeigte nach unten. Klassische Ausbildung eines Shinobis Konohas für einen Kampf gegen Messer. Mit wütenden Schreien gingen die Mädchen sich an. Ihre Kunais fuhren gegeneinander. Sie drückten beide mit ganzer Kraft. "Nicht... Schlecht, Spinnchen", presste Mai hervor. "Du... Aber... Auch nicht", erwiderte sie mit zusammengebissenen Zähnen. Mai trat mit links zu, Kuzomi konterte mit dem linken Fuß. Kuzomi schlug mit der linken Faust, Mai wehrte den Schlag mit der linken Hand ab. Die Mädchen trennten sich wieder, beäugten sich misstrauisch und begannen, sich zu umkreisen. Erneut attackierten sie einander, ließen Kunai auf Kunai krachen, lösten sich diesmal aber schneller voneinander. Dies wiederholten sie noch dreimal, bevor sie sich in stillem Einvernehmen dazu entschieden, ein wenig zu verschnaufen. "Bist ein guter Taijutsu-Kämpfer, Spinnchen", sagte Mai anerkennend. "Ich muss es wissen. Ich bin ja die Taijutsu-Expertin der Truppe." "Du bist auch nicht ganz schlecht, mein Herz", erwiderte Kuzomi. "Ich muss es wissen. Ich bin die Jüngste in einem Haufen Taijutsu-Verrückter." Mai lächelte. "Wollen wir es mal mit einem neuen Trick versuchen?" Sie nahm das Kunai in die linke Hand. Kuzomi runzelte die Stirn und tat es ihr nach. Übergangslos griff Mai wieder an, und auch Kuzomi reagierte sofort. Die Kunais krachten so heftig aufeinander, dass Funken stieben. Ich machte mich mit Step auf den Weg, war aber nicht schnell genug. Derweil holte Mai mit Rechts zu einem Schwinger aus, während Kuzomi einen rechten Haken probierte. Während sie ihre linken Hände gegenseitig neutralisierten, traf Kuzomis Haken Mai nicht ganz am Kinn, aber seitlich unten am Wangenknochen. Zugleich traf Mai das Spinnenmädchen mit ihrem Schwinger teilweise am Oberkieferknochen und am Jochbein. Ihre Schläge explodierten auf den Schädeln ihrer Gegner und rissen beide von den Füßen. Ich und einer meiner Schattenklone kamen gerade noch rechtzeitig genug, um beide Mädchen aufzufangen. Sie atmeten beide schwer und erschöpft. "Weißt du was, Spinnchen?", fragte Mai zwischen zwei Japsern. "Was denn, mein Herz?", fragte sie atemlos zurück. "Was hältst du davon, wenn wir es hier gut sein lassen? Ein Unentschieden?" Kuzomi stöhnte gequält auf. "Normalerweise würde ich ablehnen. Kira-sama und so. Aber im Moment könnte mich eine Fliege töten. Entschuldige, Fliegenwitze sind populär bei uns. Auch Fliegenbeleidigungen." Mai lachte abgehackt, bezahlte das aber mit einem Hustenanfall. "Okay. Dann unentschieden." "Okay." "Unentschieden!", verkündete ich und die Zuschauer rasten vor Begeisterung. Alles in allem war es kein schlechter Tag gewesen. "Ein guter Kampf", sagte Suirin, als sie neben mir aus dem Step kam. "Man merkt, dass dies deine Schüler sind, Morikubo-sensei." Das war amüsant. "Oh, sie bringen alle von Haus aus schon eine Menge Talent mit", sagte ich, hob Mai auf meine Arme und trug sie zu den wartenden Ninjas. "Sensei, das ist mir peinlich", begehrte Mai auf. "Soll ich dich an Suirin-kun übergeben?" "Das ist mir ja noch peinlicher", erwiderte sie. Hinter mir folgte mein Schattenklon mit Kuzomi. Zumindest sie beschwerte sich nicht und freute sich über den kostenlosen Transport. Als wir den Hügel verließen, kamen ihre Kameraden freudig auf die beiden Mädchen zugestürmt. Ja, definitiv ein guter Tag. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)