Konoha Side Stories von Ace_Kaiser ================================================================================ Kapitel 49: Der ewige Chunin 8 ------------------------------ 7. Es war der dritte Morgen seit unserer Ankunft in Murata No-Son. Wir würden aufbrechen, so oder so, was vor allem Herr Kamura und seine Frau mit Bedauern aufnahmen. Kein Wunder, denn wir hatten nicht nur den geheimnisvollen Dieb entdeckt und eingefangen, wir hatten auch entdeckt, dass es zwei Diebe gewesen waren, und dass der zweite Dieb der gefährlichere der beiden gewesen war. Nun, vielleicht nicht gefährlicher, aber hinterlistiger, falscher, verbrecherischer. Ja, das konnte man so stehen lassen. Ich persönlich bedauerte Kurokos Tod nicht, der ihn ereilt hatte, als er meine Genin hatte hinterrücks attackieren wollen. Apropos Genin: Die drei hatten am gestrigen Abend alle die Baumspitze erreicht, waren aber schon wieder beim Baum, um das Erreichte zu trainieren. Einerseits fand ich das lobenswert. Ein Ninja stand und fiel mit seiner eigenen Leistung, und die erwarb er sich durch Training. Andererseits war ich etwas besorgt, dass ich mitten auf der Strecke drei erschöpfte Genin würde tragen müssen. Eine kleine Sorge, zugegeben. Es wäre natürlich klüger gewesen, gleich nach dem Frühstück aufzubrechen, um den Tag nutzen zu können, aber die Kamuras und ihre Freunde im Dorf hatten darauf bestanden, uns mit einem großen Mittagsmahl zu verabschieden. Ergo stand Frau Kamura mit ihren Freundinnen schon wieder in der Küche und arbeitete. Es wurde viel gelacht und gescherzt. Mit einem zufriedenen Blick besah ich mir die Szene in der Küche, glaubte für einen Moment sogar P-chan zwischen den Frauen zu sehen, während sie kochen half. Aber das war nicht möglich. Die Affenkriegerin ließ sich von den Genin ihre Fortschritte zeigen. Nein, das war nicht P-chan, es war... "Kishio!" Eine der Gestalten mit Kopftuch, die lachend und scherzend in der Küche arbeiteten, sah auf, den Kopf in meine Richtung gedreht. "Mamoru-sensei?" Ich runzelte die Stirn. Ich war es nicht gewohnt, Männer kochen zu sehen. Nicht, wenn man wie ich aus einem Haushalt kam, in dem es bereits zwei perfekte Köchinnen gab, die ihre Küche und Position mit dem Leben verteidigten. Aber ich hatte in meiner Zeit als Shinobi oft genug selbst kochen müssen. Also wusste ich nicht, was mich mehr irritierte: Dass ein Mann kochte, oder dass er zwischen den Frauen nicht weiter auffiel, wenn man nicht genau genug hinsah. "Kann Frau Kamura dich entbehren?" "Geh nur, Kishio-kun. Du warst uns schon eine große Hilfe", sagte Frau Kamura und schickte den jungen Mann mit einem Lächeln aus der Küche. Während der rothaarige Junge auf mich zukam zog er das Kopftuch herunter. "Mamoru-sensei?" "Du kannst gleich weitermachen, wenn du das möchtest", sagte ich und deutete auf den Raum, der uns als Wohnzimmer diente. "Ich möchte vorher nur einiges klären." "Ja, Sensei." Ich ließ mich am Tisch nieder und bedeutete Kishio, mir gegenüber Platz zu nehmen. Bedächtig sah ich den Jungen an. Er trug noch immer den Kochkittel. Und er war noch jung genug, um auf den ersten Blick als Mädchen durchzugehen. Ich ahnte ein klein wenig, welchen potentiellen Ärger ich mir mit ihm eingehandelt hatte. Gut so. Ich mochte Herausforderungen. "Kochst du gerne, Kishio?" Der junge Mann räusperte sich. "Ich habe so einiges gelernt in den letzten Jahren. Und wenn man wie ich viel allein ist, dann ist es nicht schlecht, es einigermaßen zu beherrschen. Es soll einen ja nicht nur vor dem Verhungern retten, wenn es geht soll es ja auch noch schmecken." Ich musste schmunzeln. Der Bursche würde meiner Mutter sicherlich gefallen. "Es wird nicht lange dauern", versprach ich erneut. "Und ich koche selber ab und zu, und das ziemlich gut, möchte ich behaupten." Der Junge entspannte sich sichtlich. Hatte er mit einem Tadel gerechnet? Dann hatte er wohl gelernt, dass ich nicht auf Rollenklischees versteift war. "Es geht um dich", sagte ich nachdenklich. Sofort versteifte sich Kishio. "Nicht um dich in dem Sinne. Du hast deine Vergangenheit, Kishio Moeru, und ich respektiere, dass es deine Vergangenheit ist. Die Tätowierungen, die sich über deinen Körper verteilen, sind Symbole, die ich nicht kenne. Wenn du magst, kannst du mir etwas über ihre Bedeutung verraten, oder auch nicht. Es ändert nichts zwischen uns." Für einen Moment wirkte der Junge nachdenklich. "Ja, Sensei", sagte er schließlich leise. "Mir ist klar, dass du trainiert bist. Du schmiedest Chakra, beherrschst leidlich Step und kannst mit einigen Waffen umgehen. Nicht auf eine Weise, wie man manchmal Dinge lernen muss, weil es nicht anders geht, sondern auf die antrainierte Weise. Jemand hat es dir beigebracht. Zum Beispiel mit einem Messer umzugehen. Aber auch darüber brauchst du mir hier und jetzt nichts erzählen." Kishio wurde wieder etwas steifer in seiner Haltung. "Sensei?" "Oh, ich komme gleich zum Punkt. Ich weiß, dass du sensorische Fähigkeiten hast. Fähigkeiten, die meine hoffnungslos übertreffen. Das ist nicht schwer, denn die sensorischen Fähigkeiten waren nie meine Stärke. Sie waren immer ein nützliches Anhängsel für mich, und ich habe nie gelernt, sie merklich zu steigern." "Wenn ich dir einen Tipp geben darf, Sensei, dann würde ich sagen, das liegt daran, dass..." Ich hob einen Arm, um Kishio zum Schweigen zu bringen. Ein seltsames Gefühl. Ich war bestenfalls zwei Jahre älter als der Junge, und ich behandelte ihn, als wäre ich ein Jounin, und er ein mir zugeteilter Genin, mit all der Überheblichkeit, die ich an den erfahrenen Shinobi nie gemocht hatte. "Wir werden viel Zeit haben, um darüber zu sprechen. Es gibt eine Sache aus deiner Vergangenheit, die wir hier und heute bereden müssen, Kishio." Die Anspannung wuchs. Ich erkannte keine Abwehrhaltung bei dem Jungen, aber ich sah seinen Augen an, wie er bereits sortierte, was er mir zu sagen bereit war, und was nicht. "Kishio, als du ausgebildet wurdest, hat man da deine Chakranatur bestimmt?" "Bitte, was?", fragte er verblüfft. "Deine Chakranatur. Eine Affinität zu den fünf großen Kräften. Feuer, Erde, Blitze, Wasser, Luft. Das, was dich befähigt, entsprechende Jutsus zu bilden." Für einen Augenblick sah er mich entgeistert an. Dann schlug er sich mit der Rechten sehr kräftig vor die Stirn. "Ach so! Und ich wundere mich immer, warum ich solche Sachen nicht nachahmen kann! Jetzt ist es ja klar..." Ich musste schmunzeln. "Also hat man es nicht getan." "Nein, ich war noch nicht weit genug in meiner Ausbildung, Sensei." Aha, wieder ein Bröckchen mehr. Das machte mir Mut. Fröhlich zog ich einen Umschlag aus meiner Weste und öffnete ihn. Er enthielt ein Dutzend Papierbögen. "Na, dann wollen wir doch feststellen, über welche Natur du verfügst. Dies ist Chakra-Papier. Damit erkennen wir die Natur eines Menschen. Wenn ein Wasser-Nutzer es berührt, wird es nass. Bei einem Blitz-Affinen zerknittert es. Ein Katon-Nutzer, also ein Feuer-Nutzer, lässt es brennen. Bei einem Erd-Nutzer zerfällt es, und beherrscht du Fuuton, die Windkraft, zerreißt das Papier." "Aha." Ich sah die Skepsis in seinem Blick. "Also, ich mache dir das mal vor." Ich entnahm einen Bogen Papier und legte ihn auf den Tisch. "Jetzt pass gut auf. Du brauchst nicht viel Chakra, um..." Die Stichflamme unterbrach mich. Sie hüllte fast den ganzen Tisch ein und hinterließ an der Decke einen dunklen Rußfleck. Entgeistert starrte ich auf die hauchdünne Asche, die gerade unter meiner Hand verwehte. Ich hatte wirklich nur ganz wenig Chakra benutzen wollen... Aber dann war ich auf Nummer sicher gegangen und hatte ein klitzeklein wenig mehr benutzt, nur damit Kishio den Effekt auch zu sehen bekam. Das war anscheinend schon zuviel gewesen. Er sah mich aus weit aufgerissenen Augen an. "Himmel, was war das denn? Und warum hast du es im Haus gemacht?" Seine Augen weiteten sich noch ein wenig mehr. "Hast du dich verbrannt, Mamoru-sensei?" "Äh, nein. Mein eigenes Feuer tut mir nichts, und wenn es noch so heiß ist. Hm, da habe ich wohl etwas viel Chakra geschmiedet. Ich gebe zu, es ist schon acht Jahre her, seit ich den Test das letzte Mal selbst gemacht habe. Eventuell habe ich mich ein wenig unterschätzt." "So, so, ein wenig also", sagte Kishio, rückte aber wieder an den Tisch heran. "Wird das bei mir auch so schlimm werden?" Ich lächelte. "Keine Ahnung, aber wohl eher nicht. Dein Chakra ist noch zu roh, zu ungeschliffen. Die eine oder andere Fähigkeit zu erlernen wäre genau das Richtige für dich, Kishio." Ich zog ein weiteres Blatt hervor und legte es auf den Tisch. "Nur zu. Versuche es." Zögernd legte er die Hand auf das Blatt. "Und jetzt?" "Chakra schmieden." Kishio schloss die Augen und konzentrierte sich. "Ah, das ist interessant", sagte ich. "Nimm die Hand weg." Ich erstickte das brennende Papier mit meiner eigenen Hand. Wenn man lange genug so wie ich mit Feuer gespielt hatte, dann taten einem auch fremde Flammen nicht mehr so viel, solange sie nicht zu heiß waren. "Du bist also wie ich Feuer-affin. Ein Katon-Nutzer. Das ist gut." "Feuer also? Warum ist das gut, Sensei?" "Weil Feuer ja auch meine Hauptaffinität ist. Ich werde dir alles beibringen können, was ich weiß." Die Augen des Jungen leuchteten auf. "Du bringst mir Feuer-Jutsu bei? Wirklich?" "Das muss ich sogar. Wie willst du denn in der Gruppe mithalten, wenn du kein Ninjutsu beherrschst? Komm, schiebe den Küchendienst auf, und ich bringe dir dein erstes Katon bei. Es ist das Katon Endan, der Feuerball. Wir Katon-Nutzer erlernen alle dieses Ninjutsu als erstes. Ich zeige dir, welche Fingerzeichen du brauchst und was du tun musst. Dann schauen wir mal, ob du nicht bis zum Mittag was Neues lernst." Freudig sprang Kishio auf. "Sofort, Sensei!" Er schälte sich aus der Schürze, griff nach seinem Hemd aus Spinnenseide und war schon halb aus dem Zimmer. "Wir gehen trainieren, Frau Kamura!" "Ist schon recht." Sehr gut. Die Wunden waren an ihm gut genug verheilt, sodass er sich wieder normal bewegen konnte. Er zeigte keine Beeinträchtigungen mehr. Wenn ich ihn nun noch ein wenig schonte, war er bald wieder gesund. Zum Glück war es nicht sehr weit bis zu Gentas Dorf. "Ich habe den Tisch versengt und die Decke angekokelt, Frau Kamura", sagte ich. "Ist in Ordnung. Ich habe es schon gerochen. Aber ich nehme an, es ist jetzt aus?" Ich schluckte bei so viel Ruhe. "Ja, es ist aus." "Dann mach dir keine Sorgen, mein Junge. Der Tisch ist eh alt, und die Decke gehört gestrichen." "Danke, Frau Kamura." "Ach, da nicht für. Trainiert schön, ja?" Die Kamuras waren doch richtig nette Leute, fand ich. *** Mit einer gehörigen Portion Stolz beobachtete Shinji, wie seine beiden Kameraden die große Pappel erklommen, indem sie den Stamm in aller Gemütsruhe hinauf stolzierten, anstatt wie zuvor daran hochzulaufen. Etliche Schnitte in der Rinde markierten ihre Steigerungen in den letzten beiden Tagen, zu denen er Kira und Mai angetrieben hatte. Dies tat er übrigens, während er kopfüber unter dem Ast einer Eiche klebte. Neben ihm hing Perine-sama und beobachtete ebenfalls das Geschehen. "Das ist ja richtig gut. Und das alles in zwei Tagen", stellte sie fest. "Tja, man muss die Dinge eben einfach nur richtig angehen. Für mich war es leicht, weil mein großer Bruder mit mir oft meditiert. Das hilft meiner Chakra-Kontrolle, sagt er immer. Was soll ich sagen, Onii-chan hatte Recht. Mai-chan war nach mir die Nächste, die es begriffen hat. Aber ihr ging immer bei halber Strecke die Puste aus. Und Kira wurde davon, der Letzte zu sein, so sehr angestachelt, dass er sich mal richtig Mühe gegeben hat. Sonst ist er ja nur mit halbem Herzen bei der Sache, aber diesmal hat er richtig Leidenschaft gezeigt. Finde ich." Perine-sama lachte leise. "Mir ist klar, dass der richtige Weg, um Kira-kun anzutreiben, sein Ehrgeiz ist. Wenn er erst mal sieht, was er mit Fleiß und Anstrengung erreichen kann... Du siehst es ja selbst, in fünfzehn Metern Höhe." Dort in der Krone der Pappel hatten Kira und Mai erneut die Spitze erklommen. Sie lachten vor Freude und hielten sich dabei an den Händen. "Okay, das reicht!", rief die Affenkriegerin den beiden zu. "Wollen wir dem Training einen krönenden Abschluss verpassen?" Die beiden Shinobi sahen zu ihr herüber. "Wie das?", fragte Mai. Perine-sama deutete nach Osten, wo sich in mehreren Kilometern Entfernung eine Felswand erhob. Sie ragte steil und mit etlichen Überhängen fast zweihundert Meter in die Höhe. "Wollen wir da rauf klettern?" "Also, ich bin dabei!", rief Kira freudig, stieß sich von der Pappel ab und landete auf beiden Beinem und einem Arm am Fuß des Baums. Mai war nicht ganz so enthusiastisch. "Ist das nicht etwas zu schwierig? Und außerdem, wenn man hier fällt, fangen einen die Äste auf. Da aber fängt einen nichts auf." Perine-sama rollte die Augen. "ICH fange euch auf, versprochen. Also, bist du dabei, Mai-chan?" Zweifelnd warf sie einen weiteren Blick zur Felswand. "Und du bist sicher, wir haben die Zeit? Was, wenn Sensei uns frühzeitig zurückruft?" Irgendwo südlich von ihnen erklang eine Detonation. Eine Stichflamme erschien über den Baumkronen, die sich aber rasch verlor. Die drei Genin starrten entgeistert auf die Rauchwolke, die anstelle der Explosion langsam verwehte. "Oh, keine Sorge, bis zum Mittag ist der beschäftigt, wie es aussieht", sagte sie wissend. "Kommt, beeilen wir uns." "Ja, Perine-sama." An der Spitze der Genin-Gruppe diktierte Perine die Geschwindigkeit beim Step. Mai war die Letzte, die ihr folgte. Zweifelnd sah sie die Felswand an, während die Genin ihr immer näher kamen. *** "Ist das nicht ein klein wenig hoch?", fragte Mai zögerlich. Vom Fuß der Felswand aus wirkte sie gleich noch mal eine ganze Ecke höher, und wesentlich bedrohlicher als aus der Ferne. Sie betrachtete die fast senkrechte Wand und die vielen Vorsprünge, die es zu überwinden galt. "Was, wenn einem von uns mittendrin das Chakra ausgeht?" "Ach komm, Mai. Du wirst doch nicht kneifen?", rief Shinji enthusiastisch. "Ich meine, wenn wir diese Wand hochkommen, sind wir einen Riesenschritt weiter, um auf Wasser laufen zu lernen!" Kiras Augen begannen zu leuchten, als er das hörte. "Genau! Das bisschen Felsen hier, das ist doch nur ein kleines Hindernis! Das schaffen wir! Wir haben so lange trainiert, so hart gearbeitet..." "Aktuell habt Ihr zwei Tage hart gearbeitet", erinnerte Perine. "Aber sehr, sehr hart in den zwei Tagen", erwiderte Kira trotzig. Die Affenkriegerin lächelte. "Das ist unbestritten. Also, meine Genin, lasst mich die Früchte eurer Arbeit sehen." "Sofort, Sensei!", rief Shinji, nahm Anlauf, und begann, die fast senkrechte Wand hinauf zu laufen. "Ich auch!", rief Kira aufgeregt, nahm Anlauf, und folgte dem Freund. "I-ich auch!", rief Mai. Sie überwand sich, nahm Anlauf und sprang auf die Wand. Dort angekommen konsolidierte sie ihren Chakra-Fluss und begann ebenfalls zu laufen. Das war vollkommen anders als auf dem Baum zu laufen. Es war... Besser. Leichter. Aber auch höher. Sie lief nicht mit voller Kraft, weil sie Angst hatte, dass sie sich zu schnell verausgaben würde. Über ihr wurden Shinji und Kira immer kleiner, aber sie wurde mit jedem Schritt sicherer. "He, Jungs! Wartet auf mi...!" Sie stockte mitten im Lauf. Oh nein, nicht hier, nicht jetzt, nicht an dieser Stelle, einhundert Meter über dem Boden! Ihre Kraft verließ sie, schien geradezu aus ihr herauszuströmen. Sie schaffte es nicht mehr, Chakra in ausreichendem Maße zu schmieden und in ihre Füße zu senden. Sie fühlte sich, als würde ihr Herz aussetzen. Beinahe konnte sie dabei zusehen, wie ihre Füße den Halt zur Felswand verloren. Wie sie, den Kopf voran, in die Tiefe stürzte. Hatte sie ihre Schwäche also doch erwischt, und das zur schlimmsten aller Zeiten. Sie war kraftlos, absolut kraftlos, unfähig zu atmen, geschweige denn sich zu bewegen. Sie fiel. Einhundert Meter in die Tiefe. Das war dann wohl Schicksal. "MAI!", hörte sie Shinji rufen. Er war umgekehrt und rannte mit allem was er hatte zurück zu ihr, während sie die Felswand hinab stürzte. Dabei wurde er von Kira überholt, der noch ein ganzes Stück schneller war als der dickliche blonde Shinobi. Er rannte auf sie zu, sprang, und bekam ihre Hände zu fassen. Dabei versuchte er, mit seinen Füßen wieder Kontakt auf dem Felsen zu bekommen, um sein Chakra einsetzen zu können. Aber es gelang ihm nicht. Nun war Shinji heran, sprang ebenfalls, umfasste die beiden und drehte die Gruppe so, dass er als Erster aufschlagen musste. Er wollte sie retten und sich selbst dabei opfern. Nein!, schrie es in Mai. Nicht für sie, nicht für diesen Grund und nicht hier! Sie wollte es sagen, schreien, wollte etwas, irgendetwas tun, aber ihr fehlte die Kraft. Ihr Wille focht mit ihrem Körper, aber sie war reduziert darauf, eine bloße Puppe zu sein! Wegen ihr würde Shinji sterben! Tränen füllten ihre Augen. "Nein, du Idiot! Ich...!", rief Kira, der mit Shinjis Handeln auch nicht einverstanden war. Doch da war es schon zu spät. Ein heftiger Ruck durchfuhr alle drei. "Nett, wirklich nett, euer Zusammenhalt und so", sagte Perine mit spöttischem Tonfall in der Stimme. "Aber euer Gedächtnis ist schon etwas kurz, oder?" Mai blinzelte. Die Affenkriegerin hatte sie alle drei aufgefangen. Sie klebte an der Felswand, und in genau diesem Moment ging sie, alle drei haltend, zum Boden zurück. "Ich habe euch doch gesagt, ich fange euch auf." Sie erreichten den Boden, und die Affenkriegerin setzte sie ab. "Shinji, Kira, tretet beiseite." Sie legte ihre sanften, warmen Hände auf Mais Körper. Beinahe sofort durchfuhren den Körper der Genin wohlige, warme Schauer. "Habe ich es mir doch gedacht. Kein Chakra mehr. Du hast dich überanstrengt, Mai-chan." "Sensei", fragte Shinji in fast weinerlichem Tonfall, "wird sie wieder?" "Keine Sorge. Gleich ist sie wieder fit wie ein Fisch im Wasser. Nur klettern sollte sie heute nicht mehr." Perine sah Mai in die Augen. "Willst du es ihnen nicht langsam mal sagen?" Mai erschrak bei diesem Gedanken. Ihnen berichten, von ihrer Krankheit, von ihrer Schwäche? Von ihren potentiellen Fehlern? Ihr Vertrauen enttäuschen, sie enttäuschen? "I-ich... Ich..." "Gut, sie kann wieder sprechen. Das ist ermutigend", kommentierte Perine. "Will uns was sagen?", fragte Kira argwöhnisch. "Nicht so wichtig, Kira-kun", wiegelte die Affenkriegerin ab. Aber Mai legte eine Hand auf ihren Unterarm. "Es ist gut." "Oh, die Hände kannst du auch schon wieder bewegen. Ja, es geht voran." Mai schüttelte nachdrücklich den Kopf. "Nein, die andere Sache ist gut." Sie atmete tief durch, sah ihre beiden Kameraden an, und dann begann sie die ganze Geschichte zu erzählen. Auch wenn Shinji und Kira sie fortan hassen würden. *** Wir erreichten eine große Lichtung. Und mit groß meinte ich wirklich groß. Sie durchmaß über achtzig Meter, und die Stumpfe abgeschlagener Bäume sagten uns, wie sie entstanden war. Hier hatten Eichen gestanden. Zweifellos waren sie mittlerweile Möbel-, oder Bauholz. Zum Glück hatten die Holzfäller noch nicht mit dem Wiederaufforsten begonnen, sodass das Einzige, was ich hier in Brand setzen konnte, das Gras war. "Ich führe es dir einmal vor", sagte ich zu Kishio, der mit großer Erwartung mit seinen Blicken an mir hing. "Katon: ENDAN!" Ich sammelte Öl in meinem Mund, das metaphorisch für mein geschmiedetes Chakra stand, spie es aus und entzündete es dabei mit meinem Katon-Talent. Das Ergebnis war ein Feuerball von einer Größe, der durchaus als Dai Endan, die große Version dieser Kunst, durchgehen konnte, und der mit einem gewaltigen Rumms auf der Wiese einschlug. Mist, wieder übertrieben. Das war in mehrerlei Hinsicht ärgerlich, denn es gehörte zu den Fähigkeiten eines Shinobi, seine Ninjutsu wohldosiert einsetzen zu können. Aber in letzter Zeit nutzte ich immer viel zu viel Chakra bei meinen Katon-Jutsu. Ich reduzierte und reduzierte, bis ich meinte, das ich kaum noch genügend Chakra für das Jutsu übrig hatte, aber es kam immer noch so etwas heraus. Mir war klar, dass das vor allem daran lag, dass ich mein Chakra immer besser kontrollieren konnte. Und jetzt, wo mich Asuma die Windnatur lehrte, würde sie noch besser werden, und ich würde noch weniger Chakra verbrauchen, um ein einfaches Endan zu erzeugen. Spätestens vorletzte Nacht, als ich Gast der Spinnen gewesen war, war mir das klargeworden. Ich musste selbst einige Zeit üben, um wieder mit meiner Kraft umgehen zu können. Außerdem war da noch das Fuuton-Jutsu, das Asuma mir gezeigt hatte, und das ich dringend trainieren musste. "Soll ich es dir noch mal zeigen?", fragte ich den Jungen. Kishio schreckte auf. Anstatt mir zuzuhören, war er schon eifrig dabei, meine Technik zu imitieren. "Äh, was?" "Nichts, schon gut. Mach weiter so. Du scheinst auf einem guten Weg zu sein. Ich werde derweil drüben am anderen Rand der Lichtung ein Wind-Jutsu einüben, das ich neulich erlernt habe." "Meinst du denn, ich kann das alleine?", fragte Kishio unsicher. "Oh, du hast schon eine kleine Flamme erzeugt. Das reicht vollkommen. Jetzt musst du daran arbeiten, dass das Entzünden des Öls, also des Chakras, für dich normal wird. Dann wirst du die Stärke heraufsetzen müssen. Das ist vor allem eine Konzentrationsfrage und eine Sache des Willens. Falls du Fragen hast, ruf einfach. Aber eigentlich heißt für dich die Devise jetzt: Probieren, probieren, probieren." Immer noch ein wenig unglücklich sah Kishio mich an. "Okay, ich probiere es." Er wandte sich um, sah in Richtung der Bodensenke, die mein Endan geschlagen hatte, und versuchte sich erneut am Endan. Ich beobachtete ihn bei den ersten Versuchen recht zufrieden. Wer immer ihn trainiert hatte, hatte großartige Grundlagen geschaffen, damit er eines Tages ein erstklassiger Ninjutsu-Anwender werden konnte. Dann aber hatte einfach niemand weiter mit ihm gearbeitet. Das unterschied ihn frappierend von meinen Genin. Das verschaffte ihm einen großen Vorteil ihnen gegenüber. Ich hatte keine Zweifel, das er relativ fix zu ihnen aufschließen würde. Wahrscheinlich würde er sie überholen, wie es seinem Alter entsprach. Aber erst einmal musste ihm ein Katon Endan gelingen. Ich nickte zufrieden, bevor ich mich auf den Weg in meine Ecke der Lichtung machte. Als Asuma mir die neue Technik gezeigt hatte, war ich begeistert gewesen. Ich kannte seine Windklingen, mit denen er seine Chakramesser unsichtbar auf das Doppelte verlängern konnte und hatte deshalb schon eine Ahnung davon gehabt, was man mit Wind-Jutsu alles anstellen konnte. Aber niemand hatte mich auf das Fuujin no Jutsu vorbereiten können. Diese Technik, die einen tödlichen Strahl aus Staub erzeugte, der alles zerstörte, was er traf, war einfach atemberaubend und zerstörerisch. Eingestuft war diese Kunst als A-Klasse, und mir war klar, wie lange ich üben musste, um die Technik auch nur halb so gut wie Asuma zu beherrschen. Ich war damit in der gleichen Lage wie Kishio und meine Genin. Ich musste meine Fuuton-Künste von Grundauf erwerben. Allerdings hatte ich mir fest vorgenommen, meinen Wind-Nutzern das Fuujin noch nicht beizubringen. Es war etwas zu zerstörerisch, und ihre Chakra-Nutzung war noch lange nicht ausgereift. Das änderte nichts daran, dass ich viel zu üben hatte, um es im Kampf nutzen zu können. Ich formte die Fingerzeichen, konzentrierte mich, visierte einen alten, umgestürzten Baum an. "FUUJIN NO JUTSU!" Der Staubstrahl, den ich ausspie, hatte mit dem tödlichen Orkan Asumas nicht viel zu tun, und auch die Reichweite war nicht gerade berauschend. aber es reichte für die Distanz von fünzehn Metern bis zum Baumstamm. Und das Jutsu hinterließ da, wo es den Baum traf... Nichts. Als wäre da nie etwas gewesen, als hätte der umgestürzte Baumriese schon immer diese Kerbe getragen. Sie war nicht groß, vielleicht eine Handspanne weit. Aber sie war ein sichtbares Zeichen meines Erfolges. Meine ersten Versuche waren nicht über die Länge eines Kunais hinaus gegangen. Dennoch, wenn ich Asuma als Maßstab nahm, brauchte ich ein gutes Jahr, um annähernd so effektiv zu sein wie er. Es im Kampf einsetzen konnte ich auch noch nicht wagen. Ich brauchte noch zu lange, um die Fingerzeichen zu formen und Fuuton-Chakra zu schmieden. Aber das war alles eine Frage der Übung. Wieder einmal. Ich seufzte und probierte es erneut. "FUUJIN NO JUTSU!" Das Loch, das der Strom aus Mahlstaub hinterließ, unterschied sich nicht besonders vom ersten. Ich wusste, mir stand ein langer Weg bevor. Kurz vor Mittag war mein Jutsu noch immer nicht zerstörerischer geworden, aber ich hatte die Reichweite leicht erhöhen können, und das Schmieden von Fuuton-Chakra fiel mir ein klein wenig leichter. Tja, wenn man nur beharrlich genug blieb. Auch Kishio machte gute Fortschritte. Hätte er bis zum Abend Zeit gehabt, hätte er eventuell ein Endan hinbekommen, das ich als solches hätte durchgehen lassen. Aber auch so waren seine Fortschritte beachtlich. "Sie kommen", sagte er unvermittelt. Ich schrak aus den Vorbereitungen meines zweihundertsten Versuch auf. "Eh?" "Die Genin und Perine-sama", sagte er. "Sie kommen hierher. Es ist etwas passiert." "So, so." Da Perine bei ihnen gewese war, konnte es nicht schlimm gewesen sein. Dachte ich zumindest, bis ich sie selbst erfasste und erkannte, dass Mai getragen wurde. Nun war ich doch etwas besorgt. Ich kam zu Kishio zurück, und kurz darauf traten die vier auf die Lichtung. Perine lächelte mich an, und Mais Chakra-Fluss war stabil. Vielleicht war es doch nicht so schlimm. "Wo wart Ihr?", fragte ich. "An der Felswand. Klettern üben. Mai-chan hatte auf halber Strecke einen Schwächeanfall. Die Jungs wollten sie auffangen, und ich habe sie alle drei aufgefangen." Ich hätte jetzt darüber reden können, dass Mai einen Schwächeanfall gehabt hatte, so wie sie immer befürchtet hatte. Ich hätte darüber reden können, dass Kira und Shinji dabei versagt hatten, die abstürzende Mai zu retten, und dass sie dafür Perines Hilfe gebraucht hatten, was durchaus angebracht gewesen wäre. Stattdessen entschied ich mich für den positiven Aspekt der Geschichte, damit die beiden Jungs nicht noch verlegener wurden. "Auf halber Strecke? An dieser Felswand?" Ich kratzte mich gespielt erstaunt am Ansatz meines Stirnbandes. "Junge, Junge. Für jemanden, der erst seit zwei Tagen weiß, wie man Chakra in die Füße schickt, ist das eine solide Leistung. Ich gratuliere." Mai wurde rot. "D-danke, Sensei." "Das ist doch noch gar nichts!", rief Shinji begeistert. "Ich meine, wäre ihr nicht unterwegs das Chakra ausgegangen, wäre sie bis zur Spitze gekommen! Ich war schon fast da, und Kira nur kurz hinter mir!" Das war in der Tat eine beachtliche Leistung der drei Genin. "Herausragend. Ich habe große Hoffnungen in euch drei. Wenn Ihr so weitermacht, lernt Ihr das Wasserlaufen vielleicht sogar ohne fremde Anleitung. Ihr wisst ja, eine gute Chakra-Kontrolle ist das A und O für einen Ninja, und speziell für seine Ninjutsu." Ich nickte Perine unmerklich anerkennend zu. Sie hatte ihre Aufgabe hervorragend erfüllt. Aber einen schmerzhaften Punkt musste ich dennoch anschneiden, jetzt nach dem Zuckerbrot. "Der Schwächeanfall, Mai-chan...", begann ich vorsichtig. Sie wirkte recht kleinlaut, als sie antwortete. "I-ich habe Kira und Shinji alles gesagt. Von meinem Krankenhausaufenthalt und meinen Schwächeanfällen und so. Ich habe nichts ausgelassen. Und jetzt sind sie... Sind sie..." Sie verstummte und schluckte hart. "Ist ja wohl auch wahr", sagte Shinji verstimmt. "Das hättest du uns ruhig erzählen können. Als wenn wir dich in Stich lassen würden, oder sowas." "Hast du eventuell geglaubt, wir würden dich als Last empfinden?", sagte Kira mit ärgerlichem Ton in der Stimme. "Mai-chan, wir sind Kameraden. Jeder von uns hat seine Fehler und Schwächen. Dass wir deine akzeptieren, ist doch wohl klar. Vor allem, nachdem wir zusammen so viel erlebt haben wie sonst in einem Jahr an der Akademie. Wir sind ein Team!" Freudige Röte huschte über Mais Wangen. "Danke, Jungs", hauchte sie. "Perine-sensei, lässt du mich bitte runter? Ich kann wieder alleine gehen." "Da ist auch wichtig. Immerhin wollen wir nach dem Essen sofort aufbrechen." Ich runzelte die Stirn. "War es ein Schwächeanfall?" "Nein, eigentlich nicht. Ihr Chakra war plötzlich alle. Das war alles. Mehr habe ich nicht erkennen können", sagte Perine nachdenklich. Kishio hielt dem Mädchen ein Stück Tuch hin, in dem etwas eingewickelt war. "Das kenne ich. Der Blutzucker war zu gering. Ist meinem Onkel häufig passiert, und deshalb hatte er immer was zu essen dabei." "Danke." Mai nahm das Tuch entgegen, wickelte es aus und entdeckte darin eingewickelt eine Zuckerstange. "Hä?" "Ha-hat mir Frau Kamura geschenkt, weil ich gestern in der Küche geholfen habe. Nimm nur, ich habe noch eine", sagte er und wandte sich von dem Mädchen ab, damit sie nicht sehen konnte, wie peinlich ihm die Geschichte war. "Blutzucker?", fragte ich. "Perine, denkst du, er hat Recht?" "Es würde zumindest einiges erklären. Auch deine früheren Anfälle, Mai-chan. Du solltest immer was Süßes bei dir haben, denke ich." Das Mädchen nickte bestätigend, während sie an dem Zuckerstück zu lutschen begann. Mit Mühe hielt sie ihre Tränen zurück. "Dange", murmelte sie noch einmal mit vollem Mund. Derweil klopften Kira und Shinji ihre Taschen auf der Suche nach weiteren Süßigkeiten ab. Besonders Shinji hätte dabei fündig werden können, aber anscheinend hatte er seine Ration bereits weggeputzt. Kira hatte etwas mehr Erfolg und zog einen Bonbon hervor. Aber leider war das Einwickelpapier weich geworden und pappte nun an der Zuckermasse. Nichts, was man einem Mädchen schenkte. Die beiden sahen sich ernst an und nickten. Ich ahnte schon, dass sie in Zukunft immer irgendetwas zu essen mit sich tragen würden, damit sie es Mai schenken konnten. Sehr gut. Auf diese Weise hatten sie für den Notfall auch etwas für sich selbst dabei. "Was habt Ihr hier eigentlich gemacht?", fragte Perine mit einem Blick auf brennendes Gras und die deutlich sichtbaren Kerben im umgefallenen Baum. Ich räusperte mich und bedeutete ihr, den Baum zu ignorieren. "Kishio hat Katon Endan trainiert. Kishio, zeig uns mal das Resultat deines Trainings." "Soll ich wirklich?", fragte er ein wenig ängstlich. "Aber es ist noch nicht gut." Ich schüttelte den Kopf. "Nimm nicht mich als Maßstab. Das wäre etwas viel verlangt. Ich trainiere das Endan seit sieben Jahren. Du erst seit ein paar Stunden." Das schien ihn zu überzeugen, wenn auch nicht ganz. Nun, niemand blamierte sich gerne, und natürlich wollte Kishio vor den Genin gut dastehen, nachdem sie sich mit ihm gestern so vorbildlich solidarisiert hatten. "KATON! ENDAN!", rief er und spie den Feuerstoß aus. Er erreichte etwa eine Länge von drei Metern bei einem Durchmesser von etwa einem halben Meter. Shinji sah den Jungen entgeistert an. "Und du kannst das wirklich erst seit heute? D-das ist... Beachtlich!" Kira war ein wenig blass geworden. "Doch, ganz annehmbar. Wenn man bedenkt, dass du älter bist als wir, sollte man das aber auch erwarten." Nur Mai hielt nicht mit Lob zurück. "Kishio, das war super! So ein großes Endan von einem Totalanfänger ist doch eine Riesenleistung! Wenn du lang genug übst, machst du vielleicht auch so große Flammenstöße wie Sensei!" Das große Lob ließ ihn lächeln, aber dann sah er mich mit zweifelndem Blick an. "Ich kann das irgendwie nicht ganz glauben. Sein Endan hat so eine große Reichweite und so viel Kraft..." Perine begann zu kichern. "Es ist alles eine Frage der Übung. Habt Ihr eigentlich schon Mamorus Dai Endan gesehen?" Sie deutete nach Süden, wo der Baum lag, den ich eingekerbt hatte. Eine bessere Gelegenheit, die Beweise unauffällig verschwinden zu lassen bekam ich wohl nicht. Ich konnte Mai und Shinji ja wohl schlecht ein A-Klasse-Jutsu beibringen, mit dem sie sich womöglich noch selbst umbringen würden. "Wollt Ihr mein Dai Endan sehen?", fragte ich gutgelaunt. "Zu Studienzwecken wäre das sinnvoll", sagte Kishio zurückhaltend. Zweifellos befürchtete er eine gesteigerte Erwartungshaltung, wenn ich zu sehr vorlegte. Immerhin, ich trainierte mein Katon schon seit einer gefühlten Ewigkeit. "Ich will es sehen!", rief Shinji aufgeregt. "Damals beim Kampf um die Glöckchen hast du ja nur dein Endan gezeigt!" "Hm, da bin ich aber wirklich gespannt, Sensei. Sollten wir sicherheitshalber die Lichtung verlassen?", fragte Kira. Es wirkte spöttisch, aber da war kein Spott in seiner Stimme gewesen. Wie interessant. "Nein, die Lichtung verlassen braucht Ihr wohl nicht. Aber stellt euch hinter mich." Gehorsam traten die Genin, Perine und Kishio hinter mich "KATON! DAI ENDAN!" Ich spie das entzündete Öl aus. Da ich eine Show bieten wollte, strengte ich mich leidlich an. Das Ergebnis war eine Feuerlohe, die über fünfzig Meter weit reichte und einen Durchmesser von beinahe zehn Metern am stärksten Punkt hatte. Zum Glück hatte ich mich diesmal nicht verkalkuliert und den Waldrand verschont. Aber zwischen mir und dem Ende des Dai Endan hatte ich alles zu Asche verbrannt. Auch den Baumstamm mit den verräterischen Fuuton-Spuren. Ach ja, das erinnerte mich daran, dass ich mit Mai und Shinji noch ein einfaches Fuuton trainieren wollte. Heute Abend, bei unserer ersten Rast. "Das war beeindruckend, Mamo-chan. Aber warum hast du dich zurückgehalten?", fragte Perine mit einem Augenzwinkern. "Ich wollte halt nicht den ganzen Wald anstecken. Herr Kamura wäre sicher nicht erfreut, wenn ich ihm einen Hektar Holz wegbrennen würde." "D-das war zurückgehalten?", fragte Kira ungläubig. "Also, da will ich aber nicht reingeraten." "Das solltest du auch besser nicht", sagte Shinji, der sich vor Begeisterung fast überschlug. "Weil, man sagt, Senseis Feuer ist eines der heißesten in ganz Konoha! Sieh nur, alles ist Asche! Sogar der Baumstamm, der da lag, ist weg! Oh, ich wünschte, ich wäre auch ein Katon-Nutzer! Dann könnte ich das von Sensei lernen!" "Du kannst ja Katon als zweite Natur trainieren", stichelte Mai. "Ich habe mir sagen lassen, dass es von einem Jounin erwartet wird, mindestens zwei Naturen zu beherrschen. Und du willst doch Jounin werden, nicht?" "Ich will das auch lernen!", sagte Kira hastig. "Wenn man zwei Naturen braucht, und Feuer ist sehr eindrucksvoll!" "Und wie willst du dein Raiton mit Katon kombinieren, Dummkopf?", fragte Shinji tadelnd. "Das wirst du schon sehen, Dicker! Ich werde einfach neue Jutsu erschaffen!" Ich klopfte den beiden auf die Schultern, bevor es in einem Streit ausarten konnte. "Verschieben wir das. Lasst uns zurückgehen. Gleich ist Essenszeit." "Ja, Sensei", murrten sie. Als wir gingen, starrte Kishio noch immer auf die Stelle, an der mein Dai Endan eingeschlagen war. "Kommst du?", rief ich. "J-ja, Sensei!" Hastig schloss er zu mir auf. "Kann ich das auch mal lernen?", fragte er aufgeregt. "Wenn du hart und lang genug trainierst, sicherlich." "Das werde ich!", versprach er. "Garantiert, Sensei!" Innerlich musste ich grinsen, während ich nach außen nur lächelte. Kishios angefachter Ehrgeiz würde es sein, der auch meine Genin mit sich reißen würde. Mehr und mehr entpuppte es sich als gute Idee, Kishios Begleitung zu akzeptieren. Aber ich wartete auf die negativen Momente. Sicher würden sie irgendwann einmal kommen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass es so perfekt und so gut laufen konnte. Zumindest nicht für immer und überall. *** Nach einem üppigen Mittagsmahl, das nebenbei auch noch sehr exzellent war, brachen wir schließlich auf. Die Verabschiedung durch das Dorf Murata No-Son war spektakulär und hatte Volksfeststimmung. Besonders der Dorfvorsteher und seine Frau, die Kamuras, waren bei der Verabschiedung solange beharrlich, bis wir verprochen hatten, auf dem Rückweg noch mal für ein oder zwei Nächte vorbei zu schauen. Verabschiedet wurden wir mit viel Lärm und guten Wünschen für unsere weitere Reise. Als wir das Dorf weit genug hinter uns gelassen hatten, ließ ich halten. "Kira?" "Ja, Sensei?" "Dein Auftritt." "Wie, mein Auftritt? Habe ich was verpasst?", fragte er irritiert. "Na, dein Auftritt halt." "Ich komme da nicht hinterher, Sensei. Wieso mein Auftritt?" "Mensch, bist du langsam", sagte Shinji tadelnd. "Du sollst Kuzomi beschwören! Die Zeit ist um, sie ist wieder geheilt, und sie soll ja laut ihrem Vater was bei uns lernen." Er hieb sich mit der flachen Hand an die Stirn. "Ach, Kuzomi beschwören. Ich wusste doch, das ich noch was vorhatte!" Er biss sich in den Daumen, quetschte etwas Blut hervor und drückte die Hand auf den Boden. "Kuchiose no Jutsu!" Die charakteristische Rauchwolke entstand. Als sie sich verzogen hatte, stand ein blasses junges Mädchen zwischen uns. Wobei ich feststellen musste, dass der Kontrast der tiefschwarzen Haare und der nicht kränklich blassen, sondern vornehm weißen Haut sehr interessant war. Sie trug Hosen, einen Pullover und eine grüne Weste im Stil Konohas. Reisekleidung. "Kira-sama!", rief sie aufgeregt und fiel dem jungen Yamada um den Hals. "Du hast Wort gehalten! Oh, ich weiß, wir werden viel Spaß haben auf der Reise!" "Kuchiose nu Jutsu", sagte ich mit trockener Stimme. Aus meiner Beschwörung trat Kuzoko hervor. Wie ich jetzt im Tageslicht erkannte, waren ihre langen Haare hellbraun, und ihre Augen hatten ein angenehmes gelbgrün. Sie trug fast die gleiche Kleidung wie ihre kleine Schwester, aber während die grün bevorzugte, waren Kuzokos Sachen schwarz. "Kuzoko-chan? Was machst du denn hier?", fragte Kuzomi verdutzt. "Das hat dir Vater wohl nicht gesagt, was?", spöttelte sie. "Ich bin hier, um auf dich aufzupassen." "Um auf mich aufzupassen?", fragte sie beinahe beleidigt. "Aber ich habe doch schon Kira-sama!" "Den du übrigens langsam mal wieder loslassen kannst!", sagte sie mit ärgerlicher Stimme. "Ja, um auf dich aufzupassen. Auf dich und auf diesen Menschen. Ist dir das gar nicht peinlich, mitten in der Öffentlichkeit von einem Mädchen umarmt zu werden?" Kira runzelte die Stirn. "Hä? Sollte es das?" Kuzoko wurde rot. "I-i-ist er etwa...?" "Ahahahaha", lachte Shinji gekünstelt, trat an die größere Schwester heran und zog sie mit sich. "Ich glaube, ich muss dir was erklären, Kuzoko-chan." Sie war neugierig, deshalb ging sie mit. Aus der Unterhaltung der beiden hörte ich ihre Antworten laut zu uns herüber schallen. "Echt jetzt?" "Gibt es so einen überhaupt?" "Wie, er versteht es nicht?" "Was?" "Wie, er hängt hinterher?" Als sie zurückkehrten, hatte sich Kuzokos Stimme merklich aufgehellt. Aber nur für einen Moment. "Jetzt kannst du ihn aber mal loslassen, Schwesterchen." "Was? Oh, gar nicht gemerkt. Das hat sich so gut angefühlt." Sie löste die Umarmung und lächelte Kira verschmitzt an. Dabei blitzte einer ihrer Reißzähne über der Unterlippe auf. "Nicht, Kira-sama?" "Es war auf jeden Fall warm", erwiderte er, sichtlich mit der Situation nicht vertraut. "Wir werden euch also begleiten, um zu prüfen, ob du als permanenter Kontraktpartner der Spinnen in Frage kommst, Kira", sagte Kuzoko mit ernster Stimme. "Und meiner Meinung nach besteht da nicht viel Hoffnung. "Onee-chan, hast du nicht was vergessen?" "Wie, was vergessen?", fragte sie verdutzt. "Sicher, Kira-sama ist nur ein provisorischer Kontraktpartner, aber er ist ein Kontraktpartner. Und du weißt, was das bedeutet." "Äh, wir müssen doch nicht formeller als das Protokoll werden, Kuzomi-chan..." "Das sagst ausgerechnet du, Onee-chan?" "Ich bin sicher, ab und an eine Ausnahme schadet nicht." "Onee-chan, du lässt es an Respekt missen." "Dass DU das eines Tages mal zu MIR sagen würdest..." "Onee-chan!" "Gut, gut! Ich habe es ja verstanden." Ärgerlich sah sie zu Kira herüber, der unwillkürlich einen halben Schritt zurücktrat. "K-kira... Kira-sama! So, Kuzomi-chan, bist du jetzt zufrieden?" Lächelnd deutete die kleine Schwester auf mich. "Hast du nicht was vergessen? Zum Beispiel, wer dich beschworen hat?" Ärgerlich sah sie die Jüngere an. Dann sah sie zu mir. War das möglich, dass da etwas Respekt in ihren Augen schimmerte? Sie sank auf das linke Knie und stemmte die rechte Faust auf den Boden. "Verfüge über mich, Morikubo-sama." "Mamoru reicht", sagte ich, peinlich berührt. "Du bist nicht mein Schüler." "Ich bevorzuge Mamo-chan, Kuzoko-chan", half Perine lächelnd aus. "Mamo-chan? Ist das nicht respektlos gegenüber dem Kontraktnehmer, Perine-tono?" "Meinetwegen auch Mamo-chan", sagte ich. "Also, ich finde Mamo-chan toll!", rief Kuzomi. "Für dich heißt das Mamoru-sensei. Immerhin hat dich mein Schüler beschworen." "Oh. Ach ja. Mamoru-sensei also. Klingt doch auch nicht schlecht." Ich lächelte zufrieden. "Gut. Da wir nun alles geklärt haben, ziehen wir weiter. Ich will heute noch ein Gasthaus an der Grenze zum Land der Reisfelder erreichen." Verstohlen beobachtete ich Kishio, als ich das sagte, aber der Name des fremden Landes löste keine Reaktion bei ihm aus. "Gehen wir." "Jawoll, Sensei!", rief Shinji und streckte eine Faust in die Luft. Erstaunlicherweise folgten ihm die anderen dabei. Na, das versprach ja eine mehr als lustige Reise zu werden. *** Mit einem Stirnrunzeln betrachtete Amir die zehn Meter große, unregelmäßige Grube, die von mehr als zwei Dutzend Spreng-Tags ausgehoben worden war. Die Spezialisten waren noch dabei zu recherchieren, was hier passiert war, aber es hing eindeutig mit dem Verschwinden der beiden Getsugakure-Jounin Maria und Hassin zusammen. Diese Stelle hier, und noch ein Dutzend weiterer. Er wandte den Kopf, als Khal an ihn herantrat. Dabei übergab er einen gut verschnürten Mann an die Verhörspezialisten. Der Bursche war eindeutig ein Nukenin. "Gibt es etwas Neues?", fragte Amir den Riesen. "Wie man es nimmt. Es scheint so, als wären Maria und Hassin eher zufällig über diese Nukenin gestolpert. Aber sie hatten es in sich. Wir haben bereits einige Gräber exhumiert, die von ihren Opfern stammen. Wir haben aber auch Gerippe von Toten in en Wäldern entdeckt. Sie müssen sie getötet und dann einfach liegengelassen haben. Eine verrückte Bande, wenn du mich fragst." "Warum hat man Wahnsinnige dieses Kalibers nicht schon längst ausgelöscht? Sie müssen hunderte Menschen und Shinobi getötet haben." "Das ist die zweite Neuigkeit. Sie haben ein kleines Seitental beschützt, in dem sie ein ganzes Dorf dazu gezwungen haben, eine Drogenpflanze anzubauen, die sie anschließend über dunkle Kanäle in die halbe Welt verkauft haben. Die Menschen waren sehr froh, als wir kamen und die restlichen Nukenin besiegt haben." "Tja, unterschätze eben nie eine offizielle Untersuchung von Getsugakure", sagte Amir spöttisch. "Das Ergebnis?" "Acht weitere Tote und sieben Gefangene. Das Gros aus ihren Besten hat Hassin und Maria gejagt, wie es scheint. Die Zahlen waren wohl zwanzig gegen zwei. Und sie hatten ihre eigenen Drogen geschluckt, um die beiden erbarmungslos hetzen zu können. Aber du siehst ja, was es ihnen genützt hat." Er deutete auf den Sprengkrater, in dem vereinzelt vollkommen verdrehte Waffen und Knochenreste zu finden waren. "Einer von ihnen muss sich geopfert haben, um die Nukenin alle an einem Punkt zu konzentrieren." "Unwahrscheinlich. Dann wäre der andere noch in der Nähe, und wir hätten ihn gefunden. Wir..." "Amir-sama!", rief einer der Ninjas, die die Grube untersuchten. "Unsere Spezialisten haben im Zentrum des Lochs eindeutig Restspuren von Maria-samas und Hassin-samas Chakra festgestellt!" Amir fühlte, wie eine eiskalte Hand nach seinem Herzen griff und es zusammendrückte. "Was ist, wenn sie mit Marias Portalkunst entkommen konnten?", gab Khal zu bedenken. "Was, wenn sie keine Zeit dafür hatte, einen Weg zu schmieden? Sie standen unter enormen Druck, wie du sehen kannst. Und das über einen langen, nicht unterbrochenen Zeitraum. Außerdem, würden sie nicht zu uns kommen, wenn sie noch am Leben wären?" "Du bist zu pessimistisch." "Ich bin Realist. Mir wäre es auch lieber, wenn Hassin noch leben würde, aber die Wahrscheinlichkeit spricht einfach dagegen. Ich setze sie auf die Vermisstenliste." "Auf die lange, oder auf die kurze?" "Auf die kurze. Wenn wir bis zum Ende der Untersuchung kein Lebenszeichen von ihnen finden, müssen wir sie für tot erklären. Keine Sorge, ich erzähle es seiner Familie." Khal atmete auf. Für einen Moment hatte er wirklich befürchtet, dass er der Unglücksbote sein müsste. "Aber es gibt noch Hoffnung." "Hoffnung gibt es immer. Aber sie ändert die Realität nicht ab. Bis zum Ende der Untersuchung, Khal. Benachrichtige Getsugakure. Es müssen Vorbereitungen für Akira-chan gemäß Marias Testament getroffen werden." "Ich schicke sofort einen Boten", versprach der Riese. Er warf einen letzten Blick in die Grube, schauderte beim Gedanken, welche Gewalten dort gewütet haben mussten, und machte sich auf den Weg, um seine Aufgaben zu erledigen. Dann würde er sich wieder den Suchtrupps anschließen, die verzweifelt versuchten, die beiden Vermissten zu finden. Doch mit jeder Stunde sank die Hoffnung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)