Konoha Side Stories von Ace_Kaiser ================================================================================ Kapitel 42: Der ewige Chunin 1 ------------------------------ Prolog: Ich blicke zurück über den Abgrund der Zeit, und sehe auf mein jüngeres Ich. Ich betrachte ihn, und frage mich, was er damals hätte besser machen können, was er besser hätte machen sollen, und was wohl genau richtig gelaufen war. Früher, fünf Jahre in der Zukunft, hätten die Kategorien eins und zwei wohl über neunzig Prozent ausgemacht. Heute, in einer Zeit, in der ich gealtert, gereift, aber auch gefestigt und bestätigt bin, macht Kategorie drei die neunzig Prozent aus, und die zwei hat bestenfalls zwei Prozent Gesamtanteil. Will sagen: Ich denke, dass viele Fehler, die ich gemacht hatte, gar nicht so schlimm waren, und einige waren sogar richtig produktiv für mich. Weil, aus Fehlern konnte man lernen, besser werden, sich verstärken. Eine kluge Frau hat mal gesagt - sie ist ein Kino-Sternchen: "Wenn ich könnte, würde ich alle meine Fehler noch mal machen, aber früher, damit ich mehr von ihnen habe." Nun, ich würde nicht alle meine Fehler wiederholen wollen, aber ich würde vielleicht meinem jüngeren Ich wünschen, etwas früher ein wenig von dem Selbstvertrauen, der Selbstverständlichkeit, der Sicherheit zu besitzen, die ich im Alter von fünfundzwanzig Jahren endlich erreicht hatte. Apropos Fehler: Meinen größten Fehler darf man nicht vergessen. Nebenbei ist es aber auch mein liebster, mein allerliebster Fehler. Es war etwa eine Woche, nachdem ich vom Chunin-Examen in Suna zurückgekehrt war. Tsunade-sama hatte mich dazu verdonnert, eine Genin-Gruppe frisch von der Akademie zu trainieren. Sprich, ihnen die Grundlagen beizubringen, für sie das zu sein, was Hayate-sensei für mich, Karin und Hanako gewesen war. Diese Aufgabe wurde normalerweise von einem Jounin übernommen. Vornehmlich, damit die jungen Genin ihre eigenen Fehler, die anfangs in Massen auftreten, zu überleben. Ich hatte zuvor nie eine schrecklichere Zeit, aber sie wurde die beste Zeit meines bisherigen Lebens. Hatte ich zuvor Genin trainiert, die teilweise erheblich älter als ich waren, in Zusammenarbeit und in Kommunikation der Fähigkeiten, die jeder einzelne besaß, so musste ich all dies erst einmal bei meinen drei Genin heraus kitzeln. Egal, für wie gut sie sich schon hielten. Ach ja, und ich hatte herauszufinden, was sie tatsächlich schon mitbrachten. Diese drei Genin, die mir schnell ans Herz gewachsen sind, sollten mit mir an der Spitze durch etliche Gefahren gehen, bevor sie sich selbst qualifizieren konnten, um Chunin zu werden. Dass sie es überhaupt bis zum Versuch schafften, war nach unserer ersten Begegnung noch nicht abzusehen gewesen... 1. Mit einem wohligen Laut streckte Shinji Nanahara sich mit nach oben verschränkten Armen. Als er meinte, nun ginge es ihm gut genug, schritt er zum Tresen des öffentlichen Bades von Konoha. "Eine Erdbeermilch, Frau Yamada." Die Frau am Tresen lächelte ihn verschmitzt an. "Die sollst du haben. Und die geht auf mich, Shinji-chan. Weil du doch jetzt die Prüfungen bestanden hast." "Ui, danke! Das ist aber nett von Ihnen!", rief der Junge erfreut. "Keine Ursache. Kira-chan und du habt doch so gut zusammengearbeitet, da ist so eine Kleinigkeit doch selbstverständlich." Die hübsche Frau mittleren Alters durchsuchte den Kühlschrank hinter ihrem Tresen. "Schade, hier habe ich nichts mehr. Aber ich kann hier auch nicht weg." Sie wandte sich Richtung Tür. "Kira-chan!" Die Schiebetür des Eingangs öffnete sich, und ein schlacksiger blonder Junge trat ein, in der Hand einen Besen. "Ja, Okaa-chan?" "Zieh doch bitte mal eine Erdbeermilch für Shinji-chan aus dem Automaten. Die habe ich ihm versprochen, wegen eurer tollen Zusammenarbeit." Sie schob eine Münze über den Tresen, die der etwas zu kräftige Blondschopf Shinji mit äußerstem Wohlwollen betrachtete. Kira nahm die Münze auf und ließ den Besen stehen. "Es war doch nur diese eine Genjutsu-Prüfung, von der wir beide keinen Plan hatten", murrte er halblaut. Etwas zu laut, denn seine Mutter, eine liebenswürdige weißhaarige Frau - den Haarton verdankte sie ihrem Clan, den Hatakes, während ihr Sohn das blonde Haar ihres Mannes geerbt hatte, denn für weiße Haare war sie definitiv noch zu jung - räusperte sich. "Kira-chan, was sage ich dir immer im Bezug auf deine Freunde?" "Aber ich habe keine Freunde", erwiderte Kira trotzig. "Eben", sagte seine Mutter mit einem energischen Ton in der Stimme. "Shinji-chan ist wohl am nächsten dran an dieser unmöglichen Aufgabe, also mach es ihm nicht so schwer. Was, wenn Ihr in eine gemeinsame Gruppe kommt und aufeinander angewiesen seid?" Shinji betrachtete den Gleichaltrigen mit funkelnden Augen. "Keine Sorge, Frau Yamada, ich werde schon auf ihn aufpassen." Kira lachte rau. Er trat vor Shinji, und die beiden sahen sich in die Augen. "Wer wohl auf wen aufpassen muss, du kleiner Fettsack." "Pass mal auf, was du sagst, Funkenjunge, sonst übernehme ich nach deinem Fegen noch das Wischen, um deine Reste zu entfernen." Frau Yamada klatschte in die Hände, und die beiden zukünftigen Genin fuhren erschrocken zusammen. "Hach, ihr versteht euch ja schon so gut. Was wünsche ich mir, dass Ihr Freunde werdet und in eine Gruppe kommt. Vielleicht steckt man euch ja mit Konohamaru-chan zusammen. Das wäre doch schön." Sie lächelte liebenswürdig, mit leicht zusammengekniffenen Augen. Aber wer genauer hinsah, der erkannte, dass sich ihre Rechte um einen zerbrochenen Bleistift spannte. "Kira-chan, die Milch." Sie schob eine weitere Münze über den Tisch. "Hier, trink auch eine, und mach ein paar Minuten Pause, um mit deinem Freund zu reden." "Er ist nicht...", begann Kira, aber das Lächeln seiner Mutter ließ ihn erblassen. Letztendlich war sie eine Hatake, und vor ihrer Hochzeit eine aktive Medi-Nin gewesen, und solch einem Menschen widersprach man nicht. Mit gesenktem Kopf kam er zum Tresen und nahm die Münze auf. "Danke, Okaa-chan." "Gut", erwiderte sie. Sie wandte sich um, und damit waren sowohl Kira als auch Shinji aus dem Schneider, denn Shinjis Mutter, ebenfalls eine ehemalige Medi-Nin, war die Ausbilderin von Kiras Mutter gewesen. Und die beiden Frauen verstanden sich vor-züg-lich, was wohl auch zum Wunsch von Kiras Mutter beitrug, dass die beiden zukünftigen Genin mehr freundschaftliche Zeit miteinander verbrachten. Eingeschüchtert schlichen die beiden zu den Automaten. Kira zog zweimal Milch. Einmal Erdbeer für Shinji, und einmal eine normale für sich selbst. "Hier." Er reichte sie dem anderen. "Danke." Als Shinji zugriff, ließ Kira aber nicht los. Nicht sofort. "I-ich wollte dir nur sagen, das mit dem Fettsack, das habe ich nicht so gemeint." "Keine Sorge, ich kenn dich doch. Und wenn es dich beruhigt, ich hab's auch nicht ernst gemeint. Aber wenn mir jemand auf die Füße steigt, dann reagiere ich immer gleich. Mutter sagt immer, ich schlage damit so sehr aus der Art, und ich soll mir doch ein Beispiel an Kawada-nii nehmen. Aber irgendwie schaffe ich das nicht. Ist bestimmt irgend ein Trick dabei." Kira öffnete seine Milch und setzte sich auf eine nahe Bank. Dabei lachte er. "Dein Bruder ist neun Jahre älter als du. Der hat seine Sturm- und Drang-Zeit schon hinter sich und ist in der Chakra-Forschung. Kein Wunder, dass er ruhiger ist. Und disziplinierter. Und stärker. Und erfahrener. Und..." Shinji sah den anderen Jungen gequält an. Kira schoss kurz peinliche Röte über die Wangen, als er seinen Fehler bemerkte. "Was ich sagen will, das ist ganz einfach, dass Ältere fast immer besser sind als Jüngere. Du bist leider keine Ausnahme." "Okay, das kann ich akzeptieren." Shinji öffnete ebenfalls seine Milch, und trank einen kräftigen Schluck. "Aaaahhhh, eisgekühlte Erdbeermilch, es gibt nichts Besseres nach einem heißen Bad. Sag mal, warum arbeitest du überhaupt? Alter, du bist jetzt ein Genin." "Ach, halt die Klappe. Ich habe keine Angst davor, zu arbeiten, im Gegensatz zu dir. Du bist ja nur am Lesen, wenn du nicht gerade wie ein Verrückter durch die Gegend rennst." Shinji zuckte die Schultern. "Du hast es doch selbst gesagt. Ich muss eine Menge aufholen, wenn ich den Stand meines Bruders erreichen will. Und ich habe vor, da nicht stehen zu bleiben, sondern es bis zum Voll-Jounin zu schaffen." Der blonde Junge legte beide Hände hinter den Kopf und sank gegen die Wand. "Morgen, also. Meinst du, wir kommen tatsächlich in ein Team? Nach unserer Kooperation bei der Genjutsu-Prüfung kann ich mir das gut vorstellen." "Weiß nicht. Du bist mir auf jeden Fall lieber als Konohamaru und seine beiden Spinner. Der hält sich ja für was Besseres, weil er der selbsterklärte kleine Bruder von Naruto Uchimaki ist." "U-zu-maki", verbesserte Shinji. "Naruto Uzumaki! Der Mann, der gegen das einschwänzige Bijou gekämpft hat! Der Schüler vom legendären Sannin Jiraiya-sama!" "Ja, ja, stell mal 'nen Ton leiser. Du und dein Jounin-Tick, Ihr geht mir auf die Nerven. Aber ich sage dir was. Dein Naruto ist auch nur bloß ein Genin." "Aber das wird er nicht mehr lange bleiben", sagte Shinji im Brustton der Überzeugung. "Ich gehe fest davon aus, dass er nach seiner Reise mit Jiraiya-sama so verdammt stark ist, dass er all die anderen hoffnungsvollen Genin mit einen Wink beiseiteschieben kann." Kira lachte laut. "Na, dann hoff mal lieber, das er nicht ausgerechnet auf deiner Chunin-Prüfung antritt, und dich mit beiseite schiebt." "Oh." "Ja, daran hast du nicht gedacht, eh?", erwiderte Kira grinsend. "Aber das ist doch toll! Stell dir vor, ich darf gegen Naruto antreten, das ist doch..." Kira seufzte auf. "Dir und deinem Jounin-Tick ist echt nicht mehr zu helfen." "Ach was", meinte Shinji grinsend. "Ein wenig mehr Begeisterung würde dir auch gut tun. Wenn du mich fragst, fängt das damit an, dass du deine Verbissenheit endlich los wirst." Kira sah auf seine Hände. "Leichter gesagt als getan. Für mich ist sie die Motivation, überhaupt weiter zu kommen. Ich habe die ganze Akademie-Zeit wie an mich vorbei plätschern gesehen. Als es dann ernst wurde, da..." Er ballte die Hände zu Fäusten. "Ich wusste, dass ich Shinobi werden will, um eines Tages in der Lage zu sein, meine kleine Schwester zu rächen. Oder wenigstens zu verhindern, dass so etwas noch mal in Konoha passiert." "Lobenswert", sagte Shinji ungewöhnlich ernst. "Aber damit du als Einzelner was erreichen kannst, musst du schon Jounin werden." Kira zuckte mit den Schultern. "Das habe ich doch sowieso vor." Die beiden Jungen tauschten erneut einen langen Blick aus. "Dann sind wir Rivalen, Alter", sagte Shinji schließlich. Er reichte ihm die rechte Hand, genauer gesagt den kleinen Finger. "Los, wir werden gemeinsam Jounin, und scheiß auf die anderen. Wer es nicht schafft, muss eintausend Nadeln essen." "Da bin ich dabei. Jetzt, wo es um was geht, habe ich wenigstens einen Grund, mich ins Zeug zu legen." Er hakte seinen kleinen Finger bei dem von Shinji ein, und beide sangen den Sermon von den eintausend Nadeln, die ihr Versprechen absicherten. Als sie geendet hatten, widmeten sie sich wieder der Milch. "Also, warum arbeitest du heute?" "Frau Kubo ist krank, und meine Mutter bezahlt mein Taschengeld. Alles klar?" "Oh, wie nett." "Ja, genau das. Ist egal. Ich habe das hier schon oft gemacht." Kira trank aus und stellte die Glasflasche im bereit stehenden Kasten ab. "Hm, wenn ich es mir wünschen könnte, hätte ich gerne Yumi in unserer Truppe. Man macht ja immer gemischte Trupps, und Yumi hat schon richtig Busen." "Yumi?" Shinji verdrehte gespielt die Augen. "Was findest du denn an Busen?" "Gar nichts. Aber Kakashi hat mir gesagt, dass das für uns Jungs noch mal ein wichtiges Thema werden wird. Besser, wir sind vorbereitet." "Äh, hast du auch nur den leisesten Hauch einer Ahnung, warum Hatake-sensei dir das gesagt hat?" Kira seufzte über diese dumme Frage. "Na, weil es für uns WICHTIG sein wird. Darum." Shinji lachte prustend. "Na ja, wir sind auch erst zwölf." "Frau Yamada?", klang eine helle Frauenstimme aus dem Bad auf. "Ich habe mein Wasser fallen gelassen. Haben Sie bitte einmal Besen und Kehrblech für mich?" "Ach, baden Sie einfach weiter, Fräulein Akimichi. Ich schicke jemanden, um das aufzukehren." "Oh, danke. Sehr freundlich, Frau Yamada." "Keine Ursache. Sie sind heute hier Gast, Fräulein Akimichi. Sind Sie denn gar nicht mit Herrn Morikubo hier?" "Nein, der hatte keine Zeit." Die helle Frauenstimme seufte. "Für nichts. Darum bin ich mit Hana-chan hier." "Mit der besten Freundin zu baden ist doch auch was feines. Die Männer können bei so einem kultivierten Ereignis gar nicht mithalten, denke ich." Shinjis Augen strahlten. "Mensch, das wusste ich ja gar nicht! Karin Akimichi und Hanako Yodama sind bei dir im Bad?" "Ja. Und? Außerdem ist es nicht mein Bad", erwiderte Kira. "Ich arbeite nur dreimal die Woche hier." "Aber... Aberaberaber, die beiden sind Chunin! Chunin, verdammt! Und sie haben geholfen, als Morikubo-sama Otogakure ausgelöscht hat! Der Mamoru Morikubo, der, der Affenkrieger beschwören kann! Begeistert dich das denn überhaupt nicht?" Kira zögerte. "Nun, mir ist bekannt, was er geleistet hat, und das er ein guter Shinobi ist. Aber bedenke, das er wirklich glaubt, Tsunade-sama hätte ihn tatsächlich noch elf weitere Jahre von der Beförderung zum Jounin ausgeschlossen. Das klingt nicht sehr erwachsen." "Ach, Papperlapapp, jeder darf seine eigenen Macken haben! Sag mal, hättest du da keinen Spaß dran, Affenkrieger zu beschwören? Es gibt nur zwei Kontraktpartner insgesamt in den Ländern, und Morikubo-sama ist einer davon! Das macht ihn fast unbesiegbar!" Shinjis Augen begannen zu strahlen. "Ich würde sofort einen Kontrakt mit den Affen unterschreiben." "Nee, das ist nicht meins. Ich habe es mehr mit den Hunden, oder noch besser, mit den Wölfen oder den Katzen." "Aber... Aber stell dir doch mal vor, wir kriegen ihn zu unserem Sensei! Wenn wir seine Genin-Truppe werden, dann macht er einen oder alle von uns vielleicht zu Kontraktpartnern!", rief Shinji aufgeregt. Dies ließ Kira nur schmallippig lächeln. "Eher würde ich Tsunade-sama fragen, ob ich einen Kontrakt mit den Schnecken kriegen kann, bevor ich..." Eine gut gezielte Bürste, der Kira ziemlich genau am Hinterkopf traf, beendete den Satz. "KIRA!", rief seine Mutter mit zorniger Miene. "Wirst du endlich herhören?" "Autsch! Ich meine, ja, was ist denn, Okaa-chan?" "Ich rufe dich schon seit zwei Minuten!", sagte sie böse. "Ja, aber du hast mir doch gesagt, ich soll mit Shinji quatschen", entschuldigte er sich. Dies ließ die böse Miene vom Gesicht seiner Mutter wieder verschwinden. "Ach, na gut. Geh bitte ins Frauenbad und kehre dort das Glas zusammen. Akimichi-chan hat eine Wasserflasche fallen lassen." "Ist gut. Komme." Kira sprang auf und wollte zu seiner Mutter eilen, aber Shinji hielt ihn fest. "Sag mal, bist du wahnsinnig? Du kannst doch nicht ins Frauenbad gehen!" "Was? Wieso nicht?" "Schau dir mal die Schriftzeichen der Tücher über den Türen an! Das da liest man "Mann", und das da liest man "Frau". Was denkst du, zu welcher Sorte du gehörst, Alter?" "Und? Was willst du mir damit sagen?" "Also, das verstehe wer will. Da möchtest du Yumi-chan wegen ihrem Busen im Team haben, und dann verstehst du nicht, worauf ich hinaus will?" Shinji seufzte. "Du hast wahrscheinlich Recht. Geh ruhig." "Danke für deine großzügige Erlaubnis", brummte Kira. "Und mach dir keine Sorgen, ich gehe jedes Mal, wenn ich hier arbeite, ins Frauenbad. Das hat noch niemanden gestört. Ich bin doch erst zwölf." Er ging weiter, um Kehrblech und Handfeger zu holen. "Ja, und Konoha reicht das Alter aus, um dich zum Genin zu machen", murmelte Shinji ihm hinterher. *** Im Frauenbad ließ sich Karin wieder ins heiße Wasser sinken, direkt neben Hanako. "Frau Yamada ist richtig nett. Sie sagt, ich brauche mich um nichts zu kümmern. Sie schickt jemand zum Auffegen." Hanako kicherte. "Vor drei Jahren hätte sie Mamo-chan schicken können. Der hätte sich überhaupt nichts dabei gedacht, hier rein zu kommen." "Ach, Quatsch", widersprach Karin. "Erinnerst du dich nicht mehr an die Szene im Frauenbad in Kumogakure? Da ist er beinahe am Blutverlust gestorben, als Omoi ihn als Frau verwandelt mitgeschleppt hat. Was eine Frau ist, das wusste er damals schon." Die beiden Mädchen grienten sich an. Anschließend streckten sie sich wieder genüsslich im Wasser aus. Dabei wurden sie von einem mageren Mädchen beobachtet, das, ein Badehandtuch um den Körper geschlungen, bis zur Nase ins Wasser gesunken war, und mit den Nasenlöchern Blasen produzierte, während sie die beiden Chunin neidisch beobachtete. Hanako reckte sich genießerisch, und ließ dabei einen Laut äußersten Wohlbehagens hören. Dann sah sie zu dem jungen Mädchen herüber. "Ja, Mai-chan? Was hast du denn?" Das Mädchen wurde knallrot, und versuchte noch tiefer unterzutauchen. Dabei bekam es Wasser in die Nase, und musste wieder hochkommen, um es auszuniesen. Karin sah ihr dabei interessiert zu. Sie lächelte nachsichtig. "Mai-chan?" "Ach, sie kauft immer im Blumenladen der Hauptfamilie ein. Ich helfe da öfters, seit Ino auch eine Shinobi geworden ist und weniger Zeit für das Familiengeschäft hat. Sie ist so ein nettes, wohlerzogenes Mädchen. Und sie hat die Prüfung der Akademie abgeschlossen, nicht wahr, Mai-chan?" "Ja, habe ich", erwiderte sie in einem trotzigen Ton. "Dann freust du dich also auf deine eigene Gruppe und deinen eigenen Jounin?" "Weiß nicht", murmelte sie. "Wir werden sehen, was passiert." "Oh, glaub mir", sagte Hanako lächelnd, "mit der eigenen Gruppe beginnt dein Leben als Ninja überhaupt erst. Du wirst viel Spaß haben, durch viele Gefahren kommen, viel von der Welt sehen - vorausgesetzt, du kriegst einen guten Jounin als Sensei. Na, Konoha hat ja nur gute Jounin." "Ja, und Mamo-chan", kicherte Karin. "Ob er es jemals merken wird?" "Du meinst, ob er jemals aufhören wird, es zu ignorieren", erwiderte Hanako in tadelndem Ton. "Also, Mai-chan, du darfst dich ruhig freuen. Ich wette, deine Teamkollegen werden dir aus der Hand fressen. Alleine schon wegen der niedlichen Sommersprossen." Diese Worte brachten die junge Frau dazu, wieder tiefer ins Wasser einzusinken. "Ich mag die Sommersprossen nicht. Sie machen mich so kindisch. Und außerdem habe ich nicht... Habe ich nicht... Nicht..." "Du hast was nicht?", hakte Karin nach. Sie fuhr aus dem Wasser und stand nun vor den beinen Chunin. "Na, na, na, ich habe nicht DAS!" "Oh, du meinst das", sagte Hanako amüsiert, und griff sich mit beiden Händen an ihren Busen. "Du meinst, das unterscheidet dich von einem Kind, wenn du auch welche hast?" "Komisch, der Ansatz ist doch schon da, Mai-chan", sagte Karin. "Das sehe ich doch auch durch das Handtuch. Der wird schon noch wachsen. Oder meinst du, wir beide hatten großartig Brust, als wir Genin geworden sind?" "Da wart Ihr zwölf! Aber ich bin doch schon dreizehn!", rief sie aufgebracht. "Oh, mit dreizehn hatte ich noch keine Brust", kommentierte Karin. Sie drückte ihre große Oberweite zusammen. "Das hier ist erst gekommen, als ich begonnen habe, weniger Akimichi-Techniken einzusetzen, oder sie mit Hilfe von Hayate-sensei zu modifizieren. Aber so einen Busen solltest du dir besser nicht wünschen, Mai-chan. Du glaubst ja gar nicht, was der wiegt, und wie das auf den Rücken geht. Ich hätte lieber sowas wie Hana-chan. Wann ist er denn bei dir gewachsen?" "Oh, ich muss zugeben, das ging mit dreizehn los. Aber seit der Chunin-Prüfung ist nicht mehr viel dazu gekommen. Zwei Körbchengrößen, etwa." Misstrauisch beäugte sie ihre Brust. "Meinst du, da kommt noch was? Ich nehme Rückenschmerzen jederzeit gerne in Kauf, wenn ich auf E aufsteigen kann." "Oh, glaub mir, das tust du nicht", erwiderte Karin lächelnd. Hanako schmunzelte. "Käme auf einen Versuch an." "Entschuldigt mein Eindringen", klang eine Jungenstimme vom Eingang auf. Kira Yamada, bewaffnet mit einem Kehrblech und einem Handfeger, trat in den Waschraum ein. "Wo hast du das Glas denn fallen gelassen, Karin-chan?" Die Akimichi drehte sich im Becken und reckte sich ein Stück über den Rand. "Beim hintersten Waschplatz links. Von mir aus gesehen. Danke für's Auffegen, Kira-chan." "Oh, gern geschehen, Karin-chan." Karin wälzte sich wieder auf den Rücken. Dabei fiel ihr Blick auf die junge Mai. "Was hast du denn, Mädchen?" "Also, so ist sie schon, seit Kira rein gekommen ist", murmelte Hanako. Mai war erstarrt. Eine Hand hatte sie angstvoll um ihr Handtuch gelegt, die andere deutete in den Raum mit den Waschplätzen. Ihre Augen waren unnatürlich weit aufgerissen, und ihre Lippen zitterten. "D-d-d-d-da...", stotterte sie. "M-m-m-m-m-mann!" "Wo?" Karin wandte sich wieder um. "Kira, siehst du einen Mann in unserem Bad?" Der Gefragte drehte sich mehrfach um, bückte sich, guckte unter die Tische. Schließlich schüttelte er den Kopf. "Nein, kein Mann im Raum." "Doch! DU bist im Bad, Kira!", rief Mai entrüstet. Dies ließ für einen Moment alle Gespräche im Becken verstummen. Dann begannen alle Frauen zu lachen. "Aber das ist doch bloß Kira. Der kommt hier öfters rein", beschwichtigte Karin das Mädchen. Nun, zumindest versuchte sie es. "Ö-ö-öfters? Kira, ich hatte keine Ahnung, dass du so..." "Hä? Ich bin doch erst zwölf. Was interessieren mich Frauen? Und du interessierst mich schon mal gar nicht." "Hä?" Entsetzt sah sie den Jungen an. "Nichts könnte mir egaler sein, ob du dich für mich interessierst oder nicht, aber deshalb bleibst du trotzdem ein Mann!" Sie fuhr sich mit der Linken fahrig über ihre von der Stirn nach hinten geflochtenen Haare. "Ach, feg einfach auf und geh, Kira. Geh, und..." Ungefähr in diesem Moment rutschte ihr Handtuch, das nun nicht mehr von ihrer linken Hand gestützt wurde. Erschrocken kreischte Mai auf, und schaffte es gerade so, zu verhindern, dass es ganz fiel. "N-nicht gucken, du Perverser!" rief sie mit hochrotem Kopf. "Warum sollte ich gucken? Nicht, dass mich Frauenbrüste überhaupt interessieren, aber du hast ja noch nicht mal welche!", murrte der Junge. Mais Hände ballten sich zu Fäusten. Ihr Kopf wurde tiefrot vor Wut. Reflexartig griff sie hinter sich, um die Tasche mit ihren Shuriken zu erreichen, aber natürlich trug sie die nicht im Bad. Also entspannte sie sich und öffnete die Fäuste wieder. "Ach, Kira, hier ist noch etwas, was du mitnehmen solltest", flötete sie in freundlichem Ton. "Ja? Was denn? Ich bin immer hilfreich, wenn ich kann", sagte er, und trat bis an das Becken heran. "Ach, nur eine Ohrfeige." "Eine was?" Da knallte es aber auch schon, und Mais Hand zeichnete sich weiß vor einer roten Wange ab. "Ach das", nuschelte Kira. *** Shinji kringelte sich vor Lachen am Boden. "Ich habe es dir doch gesagt", ächzte er zwischen zwei Lachanfällen. "Irgendwann musste das ja passieren. Aber das du ausgerechnet Mai-chan erwischst... Und dann machst du dir nicht mal was aus Frauen." Kira, der neben ihm auf der Bank saß, und sein blessiertes Gesicht mit einem Steak kühlte, murmelte: "Keine Sorge, an Mai-chan ist auch nichts Frauliches dran." Diese töricht ausgesprochenen Worte hatten zur Folge, dass der Kopf der besagten Mai Kobashi herum ruckte und Kira mit einem stechenden Blick fixierte. Dazu entrang sich ihrer Kehle ein angriffslustiges Knurren. Kira wurde blass. Er hatte nie wirklich gelernt, sich gegen Frauen zu wehren, und das wurde jetzt zu einem richtigen Nachteil. Seit seine kleine Schwester eher nebensächlich in der Schlacht um Konoha getötet worden war, hatte er nicht mal einen Gedanken daran verschwendet, jemals eine Frau auch nur hart anzufassen. Und das, obwohl er ihre Mörderin anschließend eigenhändig mit einem Wakizashi erstochen hatte. Dies gereichte ihm nun zum Nachteil. Unter dem zwingenden Blick der Akademie-Abgängerin machte er sich klar, dass das ein tödliches Defizit war, das er sich da aufgehalst hatte. Shinji hörte auf zu lachen. Er erhob sich wieder, und ging auf Mai zu. "Hör mal, Mai-chan, du weißt doch hoffentlich, dass Kira noch viel zu doof ist, um..." "Ja, das weiß ich!", fauchte sie. "Und wahrscheinlich wird er so den Rest seines Lebens bleiben! Aber was er über mich gesagt hat, das... Das..." "Ach, verdammt, dann entschuldige ich mich eben dafür, dass ich gesagt habe, dass du so fl..." "Ach, ist es denn schon so spät?", rief Hanako, und schnitt Kira das Wort im Mund ab. "Da sollten wir wohl besser nach Hause gehen. Mai-chan, wir haben doch den gleichen Weg. Bitte begleite mich. Karin, kommst du?" "Ja, natürlich." Hanako hakte sich rechts bei Mai ein, Karin links. Dabei tauschten sie einen sehr amüsierten Blick aus, weil ihnen die Situation sehr vertraut war. Kichernd schickten sie sich an, das öffentliche Bad zu verlassen. "Guten Abend noch, Frau Yamada." "Guten Abend noch, Fräulein Yodama, Fräulein Akimichi, Mai-chan." Dann waren sie draußen, und genossen die laue Luft des Frühjahrs, das in den Sommer überging. "Puh", machte Karin. "Zum Glück haben wir es raus geschafft, bevor unser kleiner Schatz hier richtig durchgedreht ist." Mai errötete, diesmal vor Verlegenheit. "I-ich weiß doch, das ich nicht so weit bin wie die anderen in meinem Alter. Aber dass dieser Idiot so absolut keine Rücksicht nimmt, das ist... Das ist so gemein." "Das erinnert mich an Mamo-chan", sagte Hanako mit einem Seufzer. "Wollen wir ihr die Geschichte erzählen?" Karin nickte lächelnd. "Ja, vielleicht geht es ihr dann besser. Mai, gehen wir ein Stück." "Was für eine Geschichte?", fragte Mai interessiert, während die beiden Frauen sie mitzogen. "Ach, weißt du, als wir beide Genin geworden sind, da wurde uns Mamo-chan zugeteilt." Sie stutzte. "Mamoru Morikubo aus dem Nara-Clan. Hast du schon von ihm gehört?" "Flüchtig. Er soll Affen beschwören können, und er hat Otogakure zerstört. Ein guter Shinobi." Karin lächelte und schnaubte amüsiert. "Ja, so kann man das nennen. Und das war auch schon alles." "Wie jetzt?" Hanako tätschelte Mais Hand. "Ach, weißt du, als ich Mamo-chan kennen lernte, da dachte ich, dass er ein ruhiger, etwas zurückgebliebener Zeitgenosse wäre. Wie er die Prüfungen geschafft hat, war mir damals schleierhaft. Er war jemand für mich, den ich rumkommandieren konnte. Schließlich musste ja einer das Denken übernehmen, und das war ich. Aber er hat so eine Art, so ein Wesen, dass..." "Ich war sofort in ihn verliebt. Von der ersten Sekunde, als ich ihn einmal sein Endan abfeuern gesehen habe", warf Karin ein. "Man sagt sich nicht ohne Grund, das sein Feuer eines der heißesten in ganz Konoha ist. Leider betrifft das nur sein Katon. Damals zumindest." Hanako lächelte. "Ich habe mich in ihn verliebt, als wir überfallen wurden, und uns Hayate-sensei zurück geschickt hat. Ich wollte beim Sensei bleiben, und hätte ihn als kleine Genin damit unnötig gefährdet. Also hat Mamoru mich gezwungen - GEZWUNGEN - nach Konoha zu fliehen. Ich dachte mir, Wow, ist das wirklich dein Fußabtreter, der ein bisschen dämlich geblieben ist? Ab dem Moment entdeckte ich mehr und mehr von seinem wahren Ich. Und bevor ich mich versah, waren wir Konkurrentinnen, Karin und ich." Die Akimichi griente die Freundin an. "Aber leider gab es ein Problem." Hanako seufzte bei diesen Worten. "Ja, ein Riesenproblem." "Und das war?", fragte Mai interessiert. "Mamo-chan hat nicht gemerkt, was wir für ihn empfinden", sagte Hanako. "Jahrelang nicht. Ich meine, wir haben ihn geküsst, auf den Mund. Wie oft eigentlich?" "Oft genug", erwiderte Karin. "Und es hat nichts genützt. Für ihn waren Frauen... Ich weiß nicht, Shinobi mit einer anderen Bezeichnung?" Karin lachte leise. "Unsere Sensei hatten schon befürchtet, das er niemals Interesse an Frauen entwicken würde, und diese Vorstellung war für Hana-chan und mich einfach schrecklich. Aber wir gaben nicht auf. Und da wir keine Rivalen sein konnten, weil es nichts gab, warum man Rivalin sein konnte, beschlossen wir zumindest dafür zu sorgen, dass sich Mamo-chan ausgerechnet dann, wenn ihm klar wird, was Frauen sind, nicht einfach in irgendeine Frau verliebt, sondern in eine von uns." "Und stell dir vor, als er endlich gemerkt hat, dass Kunoichi sich frappierend von Shinobi unterscheiden, da hat er sich mit uns beiden hingesetzt, und uns seine Liebe gestanden", erzählte Hanako seufzend. "Unsere Hoffnung wurde nicht enttäuscht. Und ich denke, bei Kira-chan ist auch noch nicht Hopfen und Malz verloren gegangen." Mai schoss vor Verlegenheit noch mehr Röte in die Wangen. "I-ich will doch gar nichts von Kira! Ich meine, er ist zwölf! Und wenn, dann mag ich Shinji ohnehin lieber!" Hanako und Karin kicherten. "Was wir dir erklären wollten", begann Karin, "das ist, das auch jemand wie Kira-chan irgendwann einmal nicht nur weiß, was eine Frau ist, sondern dass er ihr gegenüber auch delikater werden wird. Das heißt, irgendwann kann er das Frauenbad eben nicht mehr einfach so betreten. Und dann wird er sicher auch merken, dass man eine Frau nicht auf ihre Brüste reduzieren kann." Verstohlen fasste sich Mai an den Brustkorb. "Es ist mir egal, was Kira denkt. Ich will nur nicht, das er mich wie ein Kind behandelt, weil ich wie eines aussehe. Oder dass er mich für schwach hält. Das bin ich nämlich nicht", sagte sie trotzig. Ein wenig leise fügte sie hinzu: "Meint Ihr, da wächst doch noch was?" Hanako lachte leise. "Du bist dreizehn, Mai-chan. Natürlich wächst dir da noch was. Schau dir doch deine Mutter mal an. Oder die Schwester deines Vaters. Auf beiden Seiten der Familie haben die Frauen Busen. Du kriegst auch noch einen, versprochen." "Und wenn die ganze Krankengesch... Ich meine, ich bin doch so dünn geworden. Wenn sich das auch auf die Brust auswirkt..." "Oh, das hat nichts damit zu tun. Aber es schadet sicher nichts, wenn du ein wenig fett isst, und jeden Tag Milch trinkst", sagte Karin. "Oh. Hast du das damals gemacht, Karin-sempai?", fragte sie, plötzlich aufgeregt, und starrte auf ihren Busen. "Oh ja, jeden Tag einen Liter, um genau zu sein", sagte sie mit großem Ernst. "Und das mache ich heute noch." "Wenn ich einen Busen habe, dann nehmen sie mich auch ernster", sagte Mai entschlossen. "Und vielleicht verschwinden dann auch diese dämlichen Sommersprossen." "Ganz bestimmt. Und für die Sommersprossen musst du Buttermilch trinken, und aus der Sonne bleiben", erklärte Hanako. Die drei Frauen hielten an. "So, Endstation für dich." Hanako ließ ihren Arm fahren. "Geh früh schlafen, denn morgen ist ein wichtiger Tag, wenn deine Gruppe zusammengestellt wird. Da musst du fit und munter sein." "Ja, da hast du wohl Recht, Karin-chan." Sie löste sich auch von Hanako. Die kleine Gruppe stand vor dem Haus ihrer Familie. "Ich gehe am besten sofort schlafen", versprach sie. "Gute Nacht!" "Gute Nacht, Mai-chan", sagte Hanako, und winkte ihr hinterher. "Gute Nacht, Mai-chan", sagte Karin. Als sich die Tür hinter dem Mädchen geschlossen hatte, gingen die beiden Mädchen weiter. "Das erinnert mich doch sehr an unsere Anfänge, Karin." "Was du nicht sagst, Schatz. Sie wird mit ihrer Gruppe viel Spaß haben." Die Akimichi kicherte leise. "Mindestens so viel Spaß wie wir damals." Hanako fiel ein. "Komm, gehen wir weiter. Ich muss dir noch erzählen, was Samui mir geschrieben hat..." *** Am nächsten Morgen ging Mai Kobashi mit zwiespältigen Gefühlen zur Ninja-Akademie. Einerseits war sie sehr gespannt darauf, mit wem sie in ein Team kommen und wer ihr Jounin werden würde. Andererseits machte sie sich Gedanken über den gestrigen Abend im Bad. Sie haderte mit sich selbst, weil sie Kira geohrfeigt hatte, und dann auch noch wegen so einer Lappalie. Im Grunde hatte er ja vollkommen Recht, wenn er absolut kein Interesse für ihren Körper aufbrachte. Immerhin dachte sie ja selbst nicht besonders gut über sich selbst, zumindest was ihre weiblichen Reize anging. Aber es ärgerte sie schon, dass sie sich mit ihren dreizehn Jahren von ihren Klassenkameradinnen, die alle ein Jahr jünger als sie waren, nur durch ein paar Zentimeter mehr Körpergröße unterschied. Schuld daran war nur diese vermaledeite Krankheit, die sie ein geschlagenes Jahr ans Bett gefesselt hatte. Auch daran, dass sie immer noch nicht weiblich aussah, und deshalb grundsätzlich weite Klamotten tragen musste. Die Krankheit hatte sie ausgezehrt, und um ein Haar ihren Wunsch zunichte gemacht, eines Tages Kunoichi zu werden, weil sie kaum noch in Form und bei Kräften gewesen war. Aber wenn man sie sich heute ansah, auf ihrem Akademie-Abschlusstag, dann musste doch jeder sehen, welche unglaublichen Mühen sie auf sich genommen und gemeistert hatte, um so weit zu kommen. Schade nur, dass es nie jemand außerhalb ihrer Familie erfahren würde. Sie hatte ihr Bestes gegeben, um allen einzuschärfen, dass es ihr peinlich war, ein Jahr krank gewesen zu sein. Darum galt sie für diesen Zeitraum als "verreist". Hauptsache, es spielten alle mit. Und Hauptsache, sie erlitt nicht wieder einen dieser Schwindelanfälle, die sie die erste Zeit nach dem Krankenhaus sporadisch gehabt hatte. Daher konnte Kira doch gar nichts von ihren inneren Dämonen wissen. Und hatte die Ohrfeige eventuell unverdient erhalten. Andererseits hatte er sie flach wie ein Brett genannt, und das war eigentlich unverzeihlich, denn sie hatte sehr wohl Busen! Er war halt noch sehr klein... Oh, es war zum Verrücktwerden! "Mai-chan?" Die Kunoichi schreckte auf. "Was?" Neben ihr stand Moegi, eines der wenigen Mädchen, mit denen sie überhaupt zurecht kam. Was wohl daran lag, dass Moegi genau wie sie die Gesellschaft von Jungs denen von Mädchen vorzog. Sie war grundsätzlich mit Konohamaru und Udon unterwegs. "Ah, Moegi-chan. Guten Morgen." "Guten Morgen, Mai-chan." Das Mädchen mit der buschigen, zu zwei hohen Strängen gebundenen Frisur lächelte sie fröhlich an. "Bist du auch schon so aufgeregt wie ich? Wir kriegen heute unseren Jounin." "Es geht so", murmelte sie. Kein Wunder, sie war in Gedanken ja vollkommen woanders. "Was? Interessiert es dich gar nicht, mit wem du in ein Team kommst?" "Mit wem du in ein Team kommen willst, steht ja außer Frage", erwiderte Mai schelmisch grinsend. "Und wer weiß, vielleicht hat ja Konohamarus Onkel was gedreht..." Nachdenklich verschränkte Moegi ihre Hände ineinander und streckte sie vor sich. "Na ja, ich fände es schon Klasse, mit Konohamaru-chan und Udon-chan in ein Team zu kommen. Aber manchmal muss man sich ja auch auf was Neues einlassen können, oder?" Mai hob die Schultern. "Ich glaube, neuer als bei mir geht es gerade nicht. Ich hoffe nur, ich werde nicht mit allzu unfähigen Idioten zusammengespannt, auf die ich dann aufpassen muss." "Hast du da wen Bestimmtes im Sinn?", fragte Moegi. "Yumi zum Beispiel." Das andere Mädchen seufzte. "Ach, du wieder. Du findest doch alle Mädchen als Klotz am Bein. Du bist eine richtige Frauenhasserin. Gibt es auch nur ein Mädchen, das vor deinen Augen Gnade finden würde?" "Ja, du, Moegi-chan." Das brachte Moegi zum Lächeln. "Ich hätte nichts dagegen, mit dir ein Team zu bilden, Mai-chan." Okay, zumindest mit einer Frau verstand sie sich. Als sie den Klassenraum betraten, befand er sich noch im Aufruhr. Die fünfzehn Schüler, die dieses Jahr fünf Teams bilden würden, plapperten aufgeregt miteinander. Mai ließ das kalt. Egal mit wem sie zusammen kommen würde, bis zu einem gewissen Punkt konnte sie jeden mit durchziehen. Davon war sie fest überzeugt. "Mai-chan!", hörte sie Shinji rufen, und sah auf. Er saß auf der obersten Bank des Raums, und winkte ihr zu. Erst wollte Mai zurück winken, aber dann erkannte sie Kira neben ihm, und mürrisch zu ihr herab sehen. Mit einem Misslaut der Verachtung wandte sie sich ab, und nahm ihren eigenen Platz in der ersten Reihe ein. Dieser Platz hatte ihr überhaupt erst ermöglicht, ihr Nachholjahr durchzustehen. Sie würde ihn vermissen. Jedenfalls mehr als diesen Idioten Kira. Shinji schon ein klein wenig mehr. Aber man traf sich ja immer wieder in Konoha, oder? "Wäre echt schön, wenn wir in ein Team kommen", sagte Moegi noch mal und lächelte pausbäckig. Mai versuchte, Zustimmung zu heucheln, denn sie war sich sehr sicher, dass Konohamarus Team schon feststand. "Ja, das wäre super, Moegi-chan. Ich drücke uns beiden die Daumen." "Wird schon schief gehen", erwiderte sie, griente sie an wie ein Stück Sachertorte, und ging zu ihrem eigenen Platz zwischen Udon und Konohamaru. Kurz darauf betrat Iruka-sensei den Klassenraum. "Morgen. Ich werde jetzt die Aufstellung der Teams verkünden, die Ihr bilden werdet. Anschließend bleibt Ihr so lange hier, bis euer Teamchef euch abholt. Ich sage euch gleich, das kann bei einigen dauern." Der Sensei setzte sich, und kramte eine Akte aus seiner Tasche hervor. "Die erste Gruppe besteht aus Konohamaru, aus Udon und aus Moegi." Mai verkniff sich ein zustimmendes Schnauben. Hatte sie es doch gewusst. Aber sie gönnte es den dreien. Sie klebten ohnehin wie Pech und Schwefel aneinander. Von ihrem Platz hier unten konnte sie die drei aufgeregt miteinander plappern hören, als ihr Traum erfüllt wurde. "Euer Sensei wird Ebisu sein." "Was? Wieso denn Ebisu-san?", rief Konohamaru aufgeregt. "Den kenne ich doch schon!" "Eben gerade drum. Ein Siegerteam soll man nicht auseinander brechen", erklärte Iruka-sensei grinsend. Dann widmete er sich wieder seiner Akte. "Die zweite Gruppe besteht aus Kira..." Mai spitzte die Ohren. Gut, war der Bursche schon mal aus ihrem Sichtkreis raus. "Shinji..." Ob das gut ging? Die beiden verstanden sich zwar, aber Kira hatte oft so eine ablehnende Art, und ob sich das mit Shinjis strahlendem Wesen vertrug? Außerdem neigten sie ständig dazu, miteinander zu konkurrieren, und... "...und Mai." "Hääää?" Mai war aufgesprungen, und für einen Moment dachte sie, sie selbst hatte gerufen. Aber wenn sie genauer darüber nachdachte, dann war es von oben gekommen. Sie wirbelte herum, und sah, das Kira auch aufgesprungen war. "Ich werde doch nicht mit der..." Mai blies ärgerlich die Wangen auf. "Ich werde auf keinen Fall mit dem da..." Dazu hockte Shinji wie zwischen zwei Fronten, und versuchte beide zu beruhigen. "Versuchen wir es doch mal miteinander." "Ach, ich bitte euch!", rief Iruka-sensei. "Wir stellen die Gruppen so zusammen, sodass ihre Kampfstärke möglichst ausgeglichen ist, und sich die Fähigkeiten der Gruppe ergänzen. Dazu kommt, dass zwei von euch, nämlich Shinji und Mai, Fuuton-Charakter haben. Euer Sensei ist gerade dabei, sich ein zweites Element anzueignen, und das ist zufällig Fuuton. Und für dich, Kira, ist entscheidend, das er zu den guten Schwertkämpfern Konohas gehört. Das wird dich im Taijutsu weiter bringen." Mai schnaubte überheblich, und verschränkte die Arme vor der Brust. Oben hörte sie Kira einen ähnlichen Laut von sich geben. "Echt jetzt? Ein zweites Element? Heißt das, wir kriegen einen Voll-Jounin, keinen spezialisierten?", rief Shinji aufgeregt. Himmel, war der Junge leicht zu begeistern. "Äh, nein, das heißt es nicht wirklich. Euer Sensei ist nur ein Chunin, und er übernimmt eure Gruppe auf Befehl von Tsunade-sama." Das brachte die anderen Abgänger zum Kichern. Nur ein Chunin. Mai duckte sich ein wenig, denn irgendwie schämte sie sich gerade ein bisschen und fühlte sich selbst wie Ausschussware, weil sie keinen eigenen Jounin bekommen würde. Oben auf der Bank von Shinji und Kira erklang ein sehnsuchtsvolles Schluchzen. "Dann... Dann ist es also wahr? Wir kriegen ihn? Sensei, kriegen wir wirklich ihn?" "Kommt drauf an, wen du mit "ihn" meinst, Shinji", sagte Iruka-sensei amüsiert. "Na, ihn! Den Affenkrieger-Kontraktträger! Der Mann, der mit acht Ninjas eine Burg erobert hat! Den Vernichter von Otogakure!" Mai sah erneut hoch zu den Jungs, die nun, tja, den Rest ihrer Gruppe bildeten. Shinji schien regelrecht in Ekstase zu geraten, während Kira eher die Hand vor die Augen hielt und leise flehte: "Oh nein, bitte nicht dieser leichtgläubige Idiot." "Ihr bekommt Mamoru Morikubo", verkündete Iruka-sensei. Shinji quittierte das mit einem triumphierenden Freudenschrei, und wurde mit dem neidischen Gemurmel der anderen belohnt, denn die Vernichtung Otogakures war Teil des Lehrstoffs gewesen. Kira stieß einen Seufzer absoluter Entsagung aus, weil das Schicksal so grausam zu ihm war. Und Mai erinnerte sich gerade daran, woher sie den Namen kannte. Nicht nur aus dem Lehrstoff, sondern vor allem - von gestern Abend, als sie mit Karin und Hanako nach Hause gegangen war. "Ausgerechnet der?", rief sie erstaunt. Okay, ab hier wurde die Sache interessant. "Keine Widerrede. Ihr seid so aufgestellt, wie es für euch das Beste ist", mahnte Iruka-sensei. Dabei war sie erstaunt gewesen, und hatte mitnichten versucht zu protestieren. "Kommen wir zur nächsten Gruppe..." Aber da hörte Mai schon nicht mehr zu. Etwa eine Stunde später saßen Shinji, Mai und Kira allein im Klassenraum. Nur Iruka-sensei war noch da und wartete mit ihnen. Entschuldigend sagte er: "Ich habe euch gewarnt. Jeder von uns Shinobi hat auch Pflichten, die er erfüllen muss. Und Mamo-chan, ich meine Morikubo-tono ist ein hoch geschätzter Gruppenführer, der meistens mit Neuner-Teams unter sich eingesetzt wird. Ihr seid zwar seine neueste Aufgabe, das aber erst, wenn er durch diese Tür kommt, und euch mitnimmt." Er sah auf seine Uhr. "So, ich muss los. Auf mich wartet Unterricht. Viel Glück, und viel Spaß wünsche ich." Die drei murmelten ihre Verabschiedungen mehr gequält - wenn man davon absah, welche gute Laune Shinji hatte, und welchen Elan er an den Tag legte. Selten war seine gute Laune weniger hilfreich gewesen. Als sie alleine waren, rieb sich der etwas dickliche Junge die Hände. "Also, was tun wir? Machen wir die Tür einen Spalt weit auf und klemmen einen schmutzigen Tafelschwamm dazwischen, damit er Morikubo-sama auf den Kopf fällt, weil er so spät dran ist?" "Kindischer geht es wohl nicht", murrte Mai. "Richtig. Es reicht vollkommen, wenn sich unser neuer Gruppenführer wie ein Kind benimmt und seinen Pflichten nicht nachkommt", stimmte Kira ihr zu. Die beiden sahen sich zufrieden an, und nickten sich zu. Bis sie merkten, was sie taten, und sich wieder brüsk voneinander abwendeten. "Leute. Leute!" Shinji legte beiden eine Hand auf die Schulter. "Wir sind ab jetzt ein Team. Eine Mannschaft. Ein Körper mit drei Köpfen, sechs Armen und sechs Beinen. Wir müssen wie eine gut geschmierte Maschine sein, wenn wir die Welt der Shinobi überleben wollen. Da ist es ein ganz schlechter Start, wenn wir das gleich mit einem Streit tun. Könnt Ihr nicht wenigstens versuchen, miteinander auszukommen?" Kira blinzelte vorsichtig hinter sich. "Wenn... Wenn sie nicht so schnell beleidigt ist in Zukunft, wenn man mal die Wahrheit sagt..." "Hm", machte Mai. "Wenn dieser Idiot eventuell, und ich meine wirklich nur eventuell begreifen könnte, was es mit Frauen an sich auf sich hat, und wie man sie richtig behandelt, dann ganz vielleicht." "Normalerweise töte ich sie", entfuhr es Kira. Mai schreckte auf. "Was?" "Ahaha! Ahahahahaha! Mai-chan, komm doch mal mit!" Hastig zog Shinji sie ein paar Schritte fort. "Pass auf, das ist jetzt ziemlich wichtig. Damals, als Suna und Oto Konoha angegriffen haben, wurde seine kleine Schwester getötet, weil sie von der Evakuierungsgruppe getrennt wurde. Eine Oto-Nin hat sie umgebracht. Kira gibt sich daran heute noch die Schuld. Ach, und dann hat er die Kunoichi mit einem Wakizashi erstochen. Seither hat er es nicht so mit Frauen." "D-du meinst, er hat schon mal getötet?" "Ja, das meine ich. Aber das Wichtige hier ist, dass du das Thema besser... Aussparst, bis er selbst drauf zu sprechen kommt. Bitte? Ich meine, jeder von uns hat doch irgendeine Macke." Das erinnerte Mai an ihre Macke, Frauen betreffend, und ihre körperliche Schwäche nach der Krankheit, die sie immer noch nicht ganz in den Griff gekriegt hatte. "Okay?", fragte Shinji hoffnungsvoll. "Okay", sagte Mai, und ging mit dem Jungen zurück zu Kira. Sie sah zur Seite, streckte aber die Rechte aus. "I-ich entschuldige mich für die Ohrfeige. U-und ich wünsche uns eine gute Zusammenarbeit im neuen Team." Misstrauisch beäugte Kira die ausgestreckte Rechte. "Shinji, was hast du ihr gesagt?" "Dass du eine ehrliche Entschuldigung annehmen kannst, zum Beispiel?" Für einen Moment rang er mit sich, dann aber schlug er ein, und sie schüttelten sich die Hände. Als sie sich wieder voneinander lösten, scharrte er verlegen mit den Füßen. "U-und mir tut es leid, was ich über dich gesagt habe. Ich meine, dass du so flach wie ein Brett bist, und so. Ich habe das nicht böse gemeint. Ehrlich nicht. Und ich verspreche dir, ab jetzt achte ich darauf, was sich bei dir tut. Und ich freue mich mit dir über jeden Zentimeter Umfang. Ich meine, das wird schon, vertrau mir. Ich... Ist was?" Shinji hatte beide Hände vor dem Gesicht zusammengeschlagen und schüttelte in stillem Leiden den Kopf, während Mai ihre Linke schützend vor ihren Brustkorb gelegt hatte und mit der Rechten ausholte. "Kiiiiiiiraaaaaaaa..." "Autsch!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)