Diamonds and Rust von Shirokko (Manche Dinge sind für die Ewigkeit und so dauerhaft wie Diamanten, während andere vom Rost der Zeit befallen werden und zerbröseln...) ================================================================================ Unter dem Tarnumhang -------------------- Titel: Diamonds and Rust Kapitel: Begegnung 11: Unter dem Tarnumhang Autoren: abranka und Shirokko Pairing: Draco / Harry Beschreibung: Die Fanfic spielt zeitlich nach dem 4. Buch, sprich hat Harry gerade die Begegnung bei der Auferstehung Voldemorts hinter sich. Die Ferien sind fast vorbei und er ist in der Winkelgasse, um auf seine Freunde zu warten, als er Draco sieht und sein Hass auf die Todesser ihn überwältigt. Es führt zu einer ganz neuen Erfahrung für den Blonden. In vielerlei Hinsicht… Den Rest solltet ihr schon selbst lesen… Warnung: Angst, Depri, Shonen-Ai, Kariesgefahr. Leute, deckt euch ausreichend mit Zahnpasta und Klobürsten ein. Und mit Schokolade, sie soll angeblich gegen Schocks helfen… vielleicht hat auch noch einer die eine oder andere Flasche Rohrreiniger da. Bemerkungen: Schuld an sämtlichen Logikfehlern sind die Protagonisten, die während des Schreibens allzu oft beschlossen haben, unsere Pläne zu durchkreuzen und getan haben, was sie wollten. Und nein, das ist keine Ausrede! *sich leicht wütend zu Harry und Draco umdreh und sie anfunkel* Nicht wahr? Hm, natürlich leugnen sie… Wie auch immer. Für eventuell anfallende Zahnarztkosten übernehmen wir keine Verantwortung. Edelkitsch garantiert. Disclaimer: Äh… ja, die Leute aus Harry Potter gehören natürlich nicht uns. Sie gehören sich selbst oder vielleicht auch dieser Frau, die sich Joanne K. Rowling nennt. Der Liedtextauszug ist in diesem Fall von Lifehouse - Trying. Widmung: Unserer Freundschaft und dem einjährigen Jubiläum. Begegnung 11: Unter dem Tarnumhang Zu spät! Eine ganze Stunde! Verdammt! Das Training hatte zu lange gedauert und er hatte zu lange gebraucht, um herzukommen! Verdammt, verdammt, verdammt! Er hastete den letzten Gang entlang, hätte fast noch sein Buch verloren, doch er fing es mit einer reflexartigen Geste wieder auf. Wann kam denn endlich diese bescheuerte Tür! Der Gang war doch sonst nie so lang gewesen! Als er sie endlich erreichte, riss er sie auf und stürmte in den Raum. „Entschuldige, ich…“ Er erstarrte mitten in der Bewegung, als sein Blick auf den Blonden auf dem Sofa fiel. Malfoy schlief? Wenn er sich mit ihm treffen wollte? Das war doch nicht möglich! Ein leichtes, glückliches Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als er näher an den Tisch zwischen den Sesseln trat und seine Sachen einfach darauf fallen ließ. Dracos Sachen lagen ungeordnet und chaotisch durcheinander auf dem Sofatisch, alle möglichen Bücher aufgeschlagen, massenweise Pergamentrollen, alle mehr oder minder gefüllt... Du meine Güte, wie lange war der Blonde denn schon hier? So viele Dinge hatte er geschafft? Respekt! Das Lächeln wurde breiter, als er den anderen noch einmal betrachtete. Kein Wunder, dass er so müde war. War ja auch fleißig gewesen. Und jetzt lag er dahinten auf dem Sofa, eingerollt wie ein kleines Kind, die Beine angezogen, die Hände locker neben dem Kopf drapiert, das Gesicht entspannt… Ihm war wohl zu warm gewesen, so leicht wie er bekleidet war… Und das Hemd war ihm aus der Hose gerutscht. Wie süß… Schön war dieses Bild und irgendwie wünschte er sich, davon ein Foto machen zu können. So schnell würde solch ein Anblick wohl nicht wiederkommen. Leise setzte er sich in seinen Sessel, packte seine Sachen aus. Was musste er doch gleich noch mal machen? Zaubereigeschichte, kurze Zusammenfassung des 411. Trollkriegs. Verteidigung gegen die Dunklen Künste, Grundregeln des Duellierens; Taktiken. Verwandlung… er konnte sich nicht erinnern, aber auch da war was gewesen… Würde er sich später bei Hermione nach erkundigen. Und natürlich einen zweimeterlangen Aufsatz Strafarbeit für Snape. Toll. Als hätte er nicht schon genug Arbeit! Wofür genau war das eigentlich? Dafür, dass er sich hatte helfen lassen? Würde er in Zukunft dran denken. Nächstes Mal würde er den Nebel einfach nicht beachten und wie gewohnt weiterkochen. Er entschied sich dafür, gleich mit diesem Aufsatz anzufangen, aber bevor er das tat, warf er noch mal einen Blick zu Draco hinüber. Das Vertrauen, das ihm dieser entgegenbrachte, machte ihn überglücklich. Auch wenn es natürlich sein konnte, dass er einfach nicht mehr mit ihm gerechnet hatte. Aber die erste Möglichkeit gefiel ihm besser! Viel besser! Einen Impuls unterdrückend, einfach aufzustehen und zu ihm hinzugehen, sich vor ihn zu setzen und ihn einfach anzuschauen, riss er sich fast gewaltsam von dem friedlichen Bild los und widmete sich seiner Strafarbeit. Aber er ließ es sich nicht nehmen, immer wieder mal zu ihm hinzuschauen. Jedes Mal, wenn er an dieser vermaledeiten Aufgabe zu scheitern drohte, einfach den Stift hinschmeißen wollte, aufgeben wollte, blickte er einfach nur für ein paar Minuten zu dem Blonden hinüber und er konnte regelrecht fühlen, wie dieser ihm Kraft gab. Für ihn machte er diese Aufgabe. Für ihn und für sich selbst, damit er besser wurde, damit Dracos Mühe mit ihm nicht umsonst war. Irgendwann schlug die Turmuhr zehn und Harry fiel fast aus allen Wolken. Verdammt! Er hatte völlig die Zeit vergessen! Sie mussten längst wieder zurück in ihren Gemeinschaftsräumen sein! Hermione würde schimpfen! Schnell rollte er seine Strafarbeit zusammen, packte seine Sachen in seine Tasche, dann stand er auf. Und nun? Malfoy wecken…? Wieder war das Lächeln da. Nicht einmal die Glocke hatte er gehört. Muss ziemlich müde sein…, dachte er, ließ sich vor ihm auf die Knie fallen, betrachtete noch einen Moment das weiche Gesicht. Keine Sorgenfalten, keine Wut, kein Hass, keine Verbitterung, keine Traurigkeit zu sehen. Wenn es doch immer so sein könnte… Dann würde es Malfoy sicherlich besser gehen. Sein Mund war ganz leicht geöffnet, die Augenlider zitterten leicht. Ob er träumte? Wenn, dann wovon wohl? Wäre sicherlich interessant, in diesen Träumen mal zu spicken… Harry hob eine Hand, wollte damit eine Strähne aus dem blassen Gesicht streichen, um durch sie nicht behindert zu werden, doch wieder war da diese unsichtbare Mauer, die es ihm verbat. Sekunden schwebte seine Hand in der Luft, bevor er sie zurückzog und leise seufzte. „Malfoy?“, flüsterte er leise, lächelnd. „Hey, Malfoy! Du musst aufwachen. Wir sind zu spät!“ ~*~*~*~ Draco schlief tief und fest. Obwohl dieser Tag so ereignisreich gewesen war und er eigentlich ganz viel hätte träumen können - vielleicht auch sogar müssen -, träumte er nichts. Er hörte weder, wie Harry in den Raum kam, noch wie die Glocke zehn Uhr läutete. Seltsamerweise gelang es aber dann Harrys leiser Stimme, ihn zu wecken. Langsam schlug er die Augen auf und blickte den Gryffindor an. Dieser lächelte und unwillkürlich zogen sich auch Dracos Mundwinkel nach oben. Diese grünen Augen... Beinahe konnte man darin ertrinken... Er richtete sich langsam etwas auf und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Wie spät haben wir denn?“ ~*~*~*~ Die Lider öffneten sich, offenbarten trübe, graue Seelenspiegel und Harry lächelte. Schade eigentlich, dass das friedliche Gesicht nicht mehr da war… Aber er wurde entschädigt. Durch ein Lächeln. Es stand ihm, ohne Frage, aber so ein Lächeln zeigte er viel zu selten… Dann richtete er sich auf. Wild sah er aus. Das hatte gerade gar nicht so ausgesehen, da waren die Haare noch ganz glatt gewesen… In Harry machte sich wieder diese Unruhe bemerkbar… und zwar so hinterlistig, dass er es kaum wahrnahm. „Kurz nach zehn.“, antwortete er. „Die Glocke hat gerade geläutet.“ ~*~*~*~ „Oh... Entschuldige...“ Dracos Lächeln wurde verlegen. „Ich war so müde...“ Ein Blick auf Harrys Sachen verriet ihm, dass der Gryffindor offenbar schon länger hier war - und ihn schlichtweg hatte schlafen lassen. „Warum hast du mich nicht eher geweckt?“ Er lehnte sich wieder auf dem Sofa zurück und machte keine Anstalten aufzustehen. Er fühlte sich gerade schlichtweg... gut. Ein wenig matt, etwas müde noch, aber einfach gut. Ruhig und friedlich. Und er wusste, sobald er dort hinausging, würde er wieder Spannung aufbauen und erneut das Gefühl haben, am Limit zu stehen... ~*~*~*~ Harry zuckte die Schultern, blickte ihn unbekümmert an. „Dir kann es gar nicht schaden, wenn du mal ein bisschen schläfst.“, antwortete er ehrlich. „Du sahst heute Morgen so müde aus, dass es wirklich ein Weltwunder war, dass du nicht in dein Müsli gefallen bist.“ Er grinste frech. ~*~*~*~ „Danke.“, erwiderte Draco trocken. „Deine Sorge um mich ist wirklich umfassend.“ Er streckte sich und rutschte vor, um anzufangen, seine Sachen zusammenzupacken. „Bist du mit deinen Hausaufgaben vorangekommen? War der Aufsatz für Snape ein Problem? Oder hast du den noch nicht fertig?“ Themenwechsel zu etwas Alltäglichem. Bei dem anderen... Jetzt kamen ihm seine Worte von gerade unpassend vor. Missverständlich... Aber warum? Er hatte doch nur wieder seiner Vorliebe Ironie freien Lauf gelassen, nicht wahr? ~*~*~*~ Grinsend erhob sich Harry. „Nein, noch nicht fertig. Hab erst einen Meter und fünfzehn Zentimeter.“ Er hob die Hände und streckte sich wie eine zufriedene Katze. Dracos Aktion hatte ihn angesteckt. Irgendwo in seinem Rücken knackte ein Wirbel, aber das ignorierte er. Dann setzte er sich neben ihn auf das Sofa und schaute ihm dabei zu, wie er zusammenpackte. Er hatte keine Lust zu gehen. Es war doch schön hier, jetzt, einfach so beisammen zu sein, diesmal stand nichts zwischen ihnen. „Wie geht es deiner Schulter? Konnte Poppy helfen?“ Bewusst nannte er den Namen, den Dumbledore immer verwendete. ~*~*~*~ Draco hielt in der Bewegung inne, blickte Harry an und sagte: „Alles wieder voll und ganz in Ordnung.“ Er lächelte und schob den Ärmel seines Hemdes zum Beweis hoch. Auf seiner Schulter sah man nichts mehr außer helle, gesunde Haut. Keine Schwellung, keine Verfärbung mehr. „Und die Tirade hielt sich zum Glück auch in Grenzen... Noch eine hätte ich wirklich nicht vertragen können.“ Und er wusste, dass dann wieder die Gefahr da gewesen wäre, das Problem mit dem Zauberstab zu lösen. Was nicht sein durfte, aber was dennoch so nahe lag... ~*~*~*~ „Freut mich!“ Immer noch grinste Harry, dann lehnte er sich zurück, verschränkte seine Arme hinter dem Kopf. „Aber mal ganz im Ernst. Du solltest nicht so viel darauf geben, was die anderen sagen. Du hast doch selbst gesagt, dass dich das nervt. Denk dir doch einfach, dass sie reden sollen, wenn sie wollen, und stell dir vor, du stündest in diesem Moment im Garten und könntest den Himmel sehen… oder so was. Das muss doch helfen.“ Gut, bei ihm half es nicht, aber von der Theorie her sollte es gehen. ~*~*~*~ „Denkst du daran, wenn du so seltsam lächelst?“ Draco schwieg einen Augenblick und fuhr dann fort: „Im Moment ist es... schwer die Selbstherrschung in einigen Gebieten zu behalten.“ Er starrte vor sich hin, zog den Zauberstab aus der Tasche und drehte ihn in den Fingern. Es war so einfach, ihn zu benutzen... So einfach... Er verstand immer mehr, warum Snape seinen Stab verhext hatte. So konnte er wenigstens nicht mehr so viel Schaden anrichten. „Ich bin bei Snape heute wieder durchgedreht...“ Er wusste nicht, warum er es sagte. Er würde es noch nicht einmal Blaise erzählen. Aber andererseits... Blaise würde er auch angreifen... Bei Harry sah er die Gefahr nicht. Noch nicht? ~*~*~*~ „Du hast ihn angegriffen?“ Unglaube, er lachte, hätte er sich das doch niemals getraut. Und dann erst kam ihm, welche Information er da erhalten hatte. Schwarze Magie. Er nahm die Arme herunter und schlang sie sich um den Körper, als wäre ihm kalt. Enttäuschung machte sich in ihm breit. Malfoy hatte nicht auf das gehört, was er gesagt hatte… „Warum?“, fragte er leise, seine Augen baten um eine Erklärung. Er wollte es so gerne verstehen, um ihn nicht verurteilen zu müssen. ~*~*~*~ Harrys Verblüffung sorgte bei Draco für ein schwaches Lächeln. Er selbst konnte es ja auch nicht so recht glauben. Und doch... Die Szene bei Snape hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt, unauslöschbar. „Ich sah keine andere Lösung... Dazu dieser Rausch...“ Draco starrte auf den Stab, ließ seine Fingerspitzen darüber wandern. Wieder und wieder. „Er hat gedroht, mich an den Dunklen Lord zu verraten. Zu verraten, dass ich beginne auf der Seite von Harry Potter zu stehen...“ Und er hat dich genau an deinem wunden Punkt gepackt. Harry Potter... Denn du drehst nur durch, wenn es um Harry Potter geht... „In dem Moment, als ich gezaubert habe, musste ich an das denken, was du gesagt hast... Aber es war zu spät. Es gab kein Zurück mehr... Gibt es das überhaupt noch?“ Draco blickte auf. In seinen grauen Augen stand ein seltsamer Ausdruck, der Melancholie mit der Suche nach Antworten vermischte. ~*~*~*~ Die Antwort ließ Harry sich aufrichten. „Er hat…“, wollte er nachfragen, doch Draco redete schon weiter und diese Worte ließen ihn vergessen, dass er damit eine vielleicht wichtige Antwort für Sirius bekommen hatte. Er hatte an seine Worte gedacht? Er hatte daran gedacht, aber zu spät? Ob es ein Zurück gibt? „Wie meinst du das mit dem Rausch?“ ~*~*~*~ „Schwarze Magie...“ Dracos Blick wanderte ins Leere. „Sie ist... etwas vollkommen anderes als die Magie, die wir normalerweise verwenden. Wenn du sie benutzt, zieht sie dich in ihren Bann. Es ist wie eine Droge... Wenn man einmal davon gekostet hat, wenn man auf den Geschmack gekommen ist, drängt sie sich auf, wann immer sie kann... Sie verführt, macht süchtig...“ Er hatte bisher zwar nur zweimal diese Magie eingesetzt und doch hatte er begriffen, wo die Gefahr lag. Diesem Rausch zu erliegen hieß, Schwarze Magie ständig einzusetzen und süchtig nach ihr zu werden. Der Blonde schaute wieder auf seinen Zauberstab. „Snape hat ihn mit einem Bann belegt.“ - Er hob den Zauberstab ein wenig an. - „Damit ich keine Schwarze Magie mehr verwenden kann... Er hat gesagt, dass ich damit eine Gefahr für meine Umwelt bin.“ Draco lachte heiser. „Bin ich auch. Aber auch für mich selbst...“ ~*~*~*~ Sucht? So hatte er das bisher nie betrachtet. Hatte er mit seiner Vermutung etwa Unrecht gehabt? Waren die Zauber in ihrer Entstehung etwa nicht alle gleich? Waren sie wirklich böse? Oder war es Malfoy, der sich irrte, der einfach bemerkt hatte, dass es einfacher war Schwarze Magie einzusetzen, weil es erstens keiner erwartete und zweitens kaum jemand hier eine Abwehr dagegen parat hatte? Wollte er die Magie vielleicht einfach deshalb einsetzen, den einfachen Weg gehen und bezeichnete es als Sucht, um etwas zu haben, mit dem er sich rechtfertigen konnte? Eigentlich hatte er nicht dieses Gefühl, aber er hielt Magie auch nicht für böse. Nur dem ausführenden war die Bösartigkeit zuzuschreiben. Und Snape hatte es unterbunden. Er verschloss die Augen davor, dass es Malfoy nicht half, wenn man ihm einfach nur den Zugang verwehrte. Der Blonde musste von alleine einsehen, dass es auf Dauer nicht sinnvoll war, sich auf den leichten Weg zu verlassen. Aber er antwortete nicht gleich. Malfoy war eine Gefahr, ja. Na und? Aber was sollte er dazu schon sagen? Dass er Recht hatte? Dass es besser werden würde? … Dass er ihm helfen wollte… würde, wenn er konnte? „Ich will nicht, dass du das weiterhin machst, wenn es dir schadet.“, sagte er leise, blickte auf seine Hände hinab. „Da finde ich es richtig gut, dass er diesen Bann gesprochen hat.“ ~*~*~*~ Dracos graue Augen weiteten sich bei Harrys Worten verblüfft. Der Gryffindor sorgte sich wirklich um ihn. Um ihn! Weich blickte er den Gryffindor an, der noch immer auf seine Hände starrte. Ein warmes Gefühl überkam ihn. Er brauchte einen Augenblick, um wieder in der Lage zu sein, zu sprechen und räusperte sich dann. „Wahrscheinlich hast du Recht... Ich weiß nicht, ob ich allein der Versuchung widerstehen könnte.“ Wieder dieses heisere Lachen. „Es ist erbärmlich, wie schwach ich bin...“ Ja, schwach. Aber er war doch immer schwach gewesen. Hatte sich im Schatten seines Vaters versteckt, hatte sich bemüht eine Fassade aufrecht zu erhalten, die nicht wahr war. Und jetzt bemühte er sich seit kurzer Zeit, seinen eigenen Weg zu gehen, stolperte von einer Katastrophe in die nächste und wunderte sich letztlich darüber, dass das endgültige Desaster bisher ausgeblieben war. Schwäche war da vielleicht nur natürlich. Aber er konnte sie sich nicht erlauben. Er konnte nicht schwach sein, durfte nicht schwach sein! „Und dabei sollte ich doch gerade jetzt stark sein, nicht wahr? Dort draußen wird es niemanden geben, der Rücksicht nimmt. Dort draußen warten Leute vom Schlag wie Warrington... oder wie mein Vater. Und weißt du... Irgendwie werde ich ihnen entgegentreten und stark sein. Sie werden nicht merken, wo meine Schwächen sind. Sie werden sie nicht sehen. Aber dennoch... sind sie da...“ Er brach ab und fragte sich, was er da eigentlich redete. ~*~*~*~ Nachdenklich sah Harry ihn an. Schwach? Nachdem er endlich begann, alleine zu leben? Nachdem er sich nicht mehr an seinen Vater und dessen Macht krallte? Sicher doch. Körperlich schwach. Magisch. Aber geistig doch nicht. „Benutzt du deshalb Schwarze Magie? Weil du dich schwach fühlst? Weil du glaubst, dass sie dich stärker macht?“ ~*~*~*~ „Nein.“ Draco schüttelte den Kopf. „Ich benutze sie, weil...“ Er brach ab, starrte nachdenklich auf seinen Zauberstab. Ja, warum? Weil er es gelernt hatte, nicht wahr? „Ich habe sie gelernt, sobald ich zaubern konnte. Trocken. Mein Vater wollte, dass ich sie kann. ‚Eine Vorbereitung für die Zukunft’, hat er immer gesagt.“ Einen Augenblick lang hielt er inne und fuhr dann fort. „Ich habe sie gegen Warrington das erste Mal in meinem Leben wirklich angewandt. Das ist etwas, das du mir glauben musst.“ Er lächelte leicht, als er den Gryffindor anschaute. Einen Sekundenbruchteil später verschwand das Lächeln wieder von seinem Gesicht und machte einem eher sorgenvollen Ausdruck Platz. „Schwarze Magie ist unglaublich mächtig... Und in den Augenblicken, als ich sie eingesetzt habe, konnte ich nur damit genau die Wirkung entfalten, die ich haben wollte: Umfassende Verletzung, umfassende Zerstörung.“ ~*~*~*~ Das Ziel also erfüllt. Als hätte er Weiße Magie eingesetzt. Interessant. Aber dass Malfoy genau das gewollt hatte, erschreckte ihn. Es tat ihm weh, denn wenn man an das blasse, friedliche Gesicht vorhin dachte, als der Blonde geschlafen hatte, würde man ihm das nicht so ohne Weiteres zutrauen. Jetzt schon, früher sowieso, aber vorhin… Es tat ihm leid, dass Malfoy das als einzigen Ausweg sah… Seine Gefühle bezüglich dieser Tatsache spiegelten sich in seinem Gesicht wider: Schmerz und etwas, das Unverständnis doch recht nahe kam. Allerdings… er wollte die Todesser doch auch bestrafen. Mit Verletzung und Zerstörung… mit Tod… Durfte er es sich da erlauben, Malfoy zu verurteilen, weil er sich gewehrt hatte? Eigentlich nicht. Oder? So schwieg er. ~*~*~*~ Draco betrachtete Harrys Gesicht, seine Reaktion. Er wurde nicht schlau daraus. Nein, ganz und gar nicht... Und er wusste auch selbst nicht, wie er mit diesen Gefühlen umgehen sollte. Mit der Nähe zu Harry Potter einerseits, die ihm ein seltsamer Halt geworden war, und mit seinem maßlosen Zerstörungsdrang andererseits... „Was denkst du jetzt?“, fragte er leise, zögernd. Die Antwort war ihm wichtig. Wichtiger, als ihm lieb war. Wie konnte er sich denn, wo er doch gerade eine Abhängigkeit versuchte hinter sich zu lassen, erneut von einem Menschen abhängig machen? Und genau auf diesem Wege war er... Er musste aufpassen... ~*~*~*~ Gute Frage, dachte Harry. Wirklich gute Frage. Was dachte er genau? Was spukte ihm im Kopf herum und ließ sich nicht formulieren? Er zog die Beine hoch und faltete sie zum Schneidersitz. „Es ist weniger ein Gedanke.“, sagte er dann zögerlich, nahm Malfoy seinen Zauberstab aus der Hand, drehte das schwarze Holz in der Hand. Er war schwerer als sein eigener… „Es ist mehr ein Gefühl. Ich bin mir nicht sicher, was es zu bedeuten hat, aber es sagt mir, dass du… dich veränderst. Ich weiß nicht, nicht negativ… irgendwie… du bist…“ Er verstummte, blickte zu dem anderen auf, Verzweiflung in seinem Blick. Wie sollte er ihm denn sagen, dass er nicht glaubte, dass er schwach war, dass er nicht glaubte, dass er auf Dauer bei der Schwarzen Magie blieb, dass er glaubte, er wäre auf dem richtigen Weg? Sollte er ihm vielleicht sagen, dass er wollte, dass er sich änderte? Dass er sich offen zur guten… zu seiner Seite bekannte? Das konnte er doch nicht tun! Das ging nicht, denn dann würde er Forderungen an ihn stellen, was er nicht wollte, weil er nicht wie sein Vater sein wollte, der ihm immer alles vorgeschrieben hatte. „Ich will, dass du… glücklicher wirst, als du jetzt bist…“, flüsterte er schließlich leise, senkte wieder den Blick auf seine Hände und den fremden Zauberstab in seiner Hand. ~*~*~*~ Widerstandslos ließ Draco sich seinen Zauberstab aus den Fingern nehmen. Normalerweise hätte er das wohl kaum zugelassen. Ja, er veränderte sich wirklich. Draco wusste das. Und er wollte es auch. Er wollte nicht mehr der Gleiche bleiben. Aber wo wollte er hin? Es war eigentümlich, Harry so zu ihm reden zu hören. Es wirkte, als wenn es den Gryffindor wirklich interessierte, was mit ihm geschah. Als wenn es ihn etwas anging, ihn berührte. Und das wiederum ging ihm nahe... Es war schön, dass es jemanden gab, den es offenbar doch interessierte, was mit ihm geschah - und dem er selbst es auch glauben konnte. Der Blonde lächelte sanft bei Harrys letzten Worten. „Das ist mehr, als jemals irgendjemand für mich wollte.“, erwiderte er. Und es ist seltsam, sie ausgerechnet von jemandem zu hören, der noch vor kurzem mein Erzfeind war... ~*~*~*~ War das so? Malfoy hatte niemals jemanden gehabt, der ihn glücklich sehen wollte? Wie fies diese Welt doch war. Einfach ungerecht. Gut, auch im war dieses Glück nur selten beschieden gewesen, aber Sirius, Ron, Hermione und auch andere… Es gab genug, die sein Glück sehen wollten. Gab es bei Malfoy wirklich gar niemanden? Es war traurig, aber er nickte leicht. Immerhin gab es jetzt ihn. Er würde sich anstrengen… wie auch immer… Es war nur… Wollte er seine Hilfe überhaupt? „Wirst du mir sagen, wenn ich dir helfen kann?“, fragte er, blickte ihn dabei an, erwiderte etwas schüchtern das unerwartete Lächeln. Er bot seine Hilfe nicht oft an, zwar half er immer jedem, der es wollte, aber er bot sie nie an… Warum eigentlich jetzt? Weil Malfoy von sich aus niemals fragen würde, oder? ~*~*~*~ Wirklich verblüffend dieser Harry Potter. Wirklich. Eine solche Frage, ein solches Angebot - das hätte Draco niemals erwartet. Nicht seit damals. Seit der Zurückweisung im ersten Schuljahr. Auch nicht vor dem Hintergrund der Veränderung ihrer Beziehung. „Okay.“ Draco lachte leise. Dann streckte er die Hand aus und bot sie Harry an. Ein Handschlag. Das war es, was Harry ihm damals verwehrt hatte. Jetzt war es ein erneutes Freundschaftsangebot. ~*~*~*~ Lächelnd ergriff Harry die Hand und als er die weiche Haut berührte, durchströmten Glücksgefühle seinen Körper, ließen sein Herz vor Freude hüpfen. Es war fast, als hätte er etwas Unschätzbares gewonnen! Vertrauen! Wenn Malfoy von sich aus versprach, dass er seine Hilfe in Anspruch nehmen würde, wenn er sie brauchte, dann war das doch so was wie Vertrauen, nicht? Und in diesem Moment schlug die Glocke Zwölf. Harry erstarrte. „Auweia!“ Erschrocken blickte er zu Malfoy hin. „Hermione wird mich killen!“ ~*~*~*~ Dracos Lächeln wurde noch breiter, als Harry seine Hand ergriff und sie drückte. Das war es doch, was er gewollt hatte. Damals schon... Und vielleicht auch die letzten Jahre über... Irgendwie, auf eine verdrehte Art und Weise... Es fühlte sich gut an, dieses Versprechen zu besiegeln - und damit auch zu besiegeln, dass sie wohl wirklich Freundschaft geschlossen hatten. „Dann sollten wir uns auf dem Weg machen. Wenn uns Filch erwischt - oder Snape - wird das sicher kein Spaß...“ Ein wenig zögernd ließ er Harrys Hand los und packte anschließend den Rest seiner Sachen ein. ~*~*~*~ Harry stand auf, legte Dracos Zauberstab auf den Tisch. Das wohlige Gefühl, das sich in den letzten paar Minuten gebildet hatte, war einem mulmigen gewichen. Dass Filch oder Snape ihn erwischten, hielt er für unwahrscheinlich, aber Hermione… die machte ihm da mehr Sorgen, auch wenn sie ihm dafür wohl keine Punkte abziehen würde…. Ihre Fragen waren das Problem und belügen würde er sie nicht… Er ging zu seiner Tasche und holte den Tarnumhang heraus. Und da kam ihm ein Gedanke. „Soll ich dich nach Hause bringen? Hiermit erwischt uns keiner!“ Und er hielt den Tarnumhang in die Höhe. ~*~*~*~ Draco steckte seinen Zauberstab weg. Komisches Gefühl, dass ihn jemand anderes so lange in der Hand gehalten hatte... „Was ist das?“ Der Blonde runzelte die Stirn. Harry hielt einen Umhang in die Höhe, als wenn dieser die Lösung ihrer Probleme, ungesehen in ihre Gemeinschaftsräume zurückzukommen, in der Hand hielt. „Ein... Tarnumhang?“ Wenn Harry Potter so etwas besaß... Kunststück, dass er sich in diesem Schloss so verblüffend gut auskannte. Dann hatte er eindeutig genügend Möglichkeiten gehabt, um sich ausgiebig umzusehen. Solch einen Umhang hätte sich Draco auch dann und wann gewünscht. Um sich vor seinem Vater und seinen ewigen Forderungen zu verstecken, um einfach mal seine Ruhe zu haben... ~*~*~*~ „Ein Tarnumhang.“, bestätigte der Schwarzhaarige ernst. Noch immer wartete er auf eine Antwort. Da Malfoy das Teil zu kennen schien, brauchte er es ja nicht zu erklären. ~*~*~*~ „Okay. Wenn es dir keine Umstände macht... Oder du damit deine Chancen, Granger zu entgehen, schmälerst. Ich glaube, Snape möchte ich heute nicht noch einmal sehen. Genauer gesagt, möchte ich ihn eine ganze Weile nicht mehr sehen.“, nahm Draco Harrys Angebot an. ~*~*~*~ Harry begann glücklich zu lächeln, nahm Draco doch jetzt zum ersten Mal seine Hilfe willentlich in Anspruch und das freute ihn ungemein. Er schnallte sich die Tasche auf den Rücken und schüttelte dann den silbrig glänzenden Umhang aus. „Also dann. Lass uns gehen, damit Mione ins Bett gehen kann.“ Er lachte. „Wahrscheinlich wartet sie noch auf mich, weil sie sich Sorgen macht.“ Er warf sich den Umhang um die Schultern und hielt dann einladend einen Zipfel nach oben. ~*~*~*~ Draco zögerte noch einen kleinen Augenblick, dann trat er zu dem Jungen-der-lebt unter den Umhang und rückte seine Tasche zurecht, damit diese nicht irgendwie rausgucken konnte. Er stand zwangsweise recht eng bei Harry und konnte dessen Wärme nur allzu deutlich spüren... Zum Glück war er ein bisschen größer als der Schwarzhaarige, sodass er ihm ganz gut über die Schulter schauen konnte. Harrys Haare kitzelten seine Wange, während er einen Ort suchte, wie er sicher unter dem Umhang verborgen blieb. „Okay... Dann los.“ ~*~*~*~ In Harry stieg das beklemmende Gefühl wieder auf, als Draco unter seinem Arm hindurchtauchte, verdrängte die Ruhe, die Gelassenheit von eben. Er spürte Widerstand an seinen Haaren, fühlte warmen Atmen, fühlte Druck an seiner Schulter. Etwas breitete sich in seinem Magen aus, das sich unter die Fröhlichkeit mischte… Unruhe. Aber das konnte eigentlich nicht sein. Er freute sich doch, dass er da war, oder nicht? Harry nahm den Arm wieder runter und schloss die beiden Knöpfe des Umhangs. „Ist alles klar? Können wir los?“ Er strich sich eine störende Strähne aus dem Gesicht, bemerkte wieder, dass seine Hände feucht waren. Das war doch schon mal so gewesen? Heute Mittag. Irgendwie kam ihm das komisch vor. Vielleicht sollte er sich mal von Pomfrey untersuchen lassen, damit sie ihm bestätigen konnte, dass er nicht allergisch gegen Malfoy war… Als der Blonde nickte, wagte er ein paar Schritte und es ging tatsächlich, ohne dass sie sich zu sehr ins Gehege kamen. Und sie mussten ja nur soweit unter dem Ding bleiben, wenn jemand kam. Leise und vorsichtig öffnete er die Tür und spähte hinaus. Es war niemand da oder zumindest niemand zu sehen. Was für ein Glück! Und auch der Gang war leer und still. Ihre Schritte dafür machten einen Höllenkrach, obwohl sie sich bemühten, leise zu sein. Und die ganze Zeit über war sich der Schwarzhaarige der Anwesenheit von Draco übermäßig bewusst. Es machte ihn nervös, ihn so dicht bei sich zu haben, wobei ihn genau dieser Umstand wunderte, weil es ihm auch unglaublich gefiel. Es machte ihn glücklich, dass der andere sich auf ihn verließ, ihm vertraute. Und trotzdem… Gedankenverloren wanderte er weiter, eine Treppe hinunter, eine zweite, eine dritte, und dann plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen. Filch! Und diese verdammte Katze! Rückzug! Gegen Filch war ein Tarnumhang ja gut, aber gegen Mrs Norris? ~*~*~*~ In einer ungewohnten Nähe zueinander bewegten sie sich durch die Gänge des Schlosses. Eine solche nächtliche Wanderung hatte wirklich einen gewissen Nervenkitzel. Und die Nähe zu Harry... Irgendwie war sie angenehm... Er roch gut, wie Draco feststellen musste - und was ihn daraufhin sofort verblüffte. Wann hatte er schon mal darüber nachgedacht, wie jemand roch? Seltsam. Sie begegneten niemanden - bis Harry auf einmal am Fuße einer Treppe wie angewurzelt stehen blieb. Draco konnte gerade noch verhindern, in den Schwarzhaarigen hineinzulaufen und kam ihm unbeabsichtigt noch näher. Filch kam dort den Gang entlang - mit Mrs Norris. Der Hausmeister war nicht das Problem, der konnte sie ja nicht sehen. Aber Mrs Norris? Dieser verdammten Katze traute er alles zu. Sie war einfach zu unnormal, um als gewöhnliche Katze durchzugehen, die man ignorieren konnte. Rechts von ihnen war eine Ritterrüstung, links eine Säule und dahinter wiederum eine schmale Nische. Er schlang den Arm um Harrys Taille und zog ihn sanft, aber bestimmt in diese Nische. „Still... Wir warten, bis sie weg sind. Ich trau dieser Katze nicht. Tarnumhang hin oder her...“, raunte er dem Gryffindor so leise wie nur irgend möglich ins Ohr. Er selbst stand nun mit dem Rücken zur Wand gepresst, den Gryffindor fest an sich gezogen in der schmalen Nische hinter der Säule. Nun konnten sie nichts anderes tun, als zu warten... ~*~*~*~ Bevor Harry überhaupt reagieren konnte, handelte Draco hinter ihm. Eine Hand an der Taille, ein leichter, drängender Druck und sein Gehirn setzte aus. Das war zu nah. Viel zu nah. In seinem Bauch explodierte etwas und er hatte das Gefühl, er sollte schnellstens Insektenvernichtungsmittel schlucken. Dann war alles vorbei. Malfoy hatte ihn in den Armen. Und das einzige, das noch zwischen ihnen war, waren seine Unterarme, die er vor Schreck schützend vor die Brust gezogen hatte. Seine Augen waren weit aufgerissen, starrten die Wand an, die so dicht vor seiner Nase war. Irgendwo an seinem Ohr kitzelte es, doch er wagte nicht, sich zu rühren, um zu sehen, was genau das war. Und noch etwas fiel ihm auf: seine Fersen berührten nicht mehr den Boden, nur noch seine Zehen. Malfoy trug ihn halb. Harry fiel nicht auf, dass er den Atem anhielt, dass er völlig vergaß, wo er war, was los war. Dracos Anwesenheit überschwemmte ihn. Er nahm den Duft wahr, der aus den Haaren drang, die Stärke der Arme, die ihn hielten, die Zartheit der Haut, die sein Kinn streifte, die Wärme des anderen Körpers und das Geräusch des sanften Atems. Sein Körper reagierte darauf mit Hitze und Nervosität. Aber er hielt still. Irgendwo in einer Ecke seines Kopfes war der Befehl, von Draco angekommen: Warten, bis sie weg sind… ~*~*~*~ Draco hielt Harry fest umschlossen und spähte über dessen Haarschopf hinter der Säule hervor. Filch quatschte über irgendetwas mit Mrs Norris und blieb immer wieder stehen. Das konnte offenbar noch eine Weile dauern... Er wandte den Kopf leicht, schaute auf den schwarzen Kopf, der fast an seiner Brust ruhte. Er konnte Harrys schnellen Herzschlag spüren, fühlte, wie er sich mit seinem eigenen vermischte. Diese Nähe, diese unglaubliche Nähe, war eine eigentümliche Erfahrung. Er hatte nie etwas auf die Nähe irgendeines Menschen gegeben. Mit einem Mädchen rumgemacht - klar. Er war ein Teenager - natürlich hatte er das getan. Aber das war anders gewesen... Das hier... Bei Merlin, er hatte wirklich noch nie einen Menschen so in seinem Arm gehalten. Egal aus welchen Gründen. Vorsichtig verlagerte er sein Gewicht etwas und verstärkte dann seinen Griff noch ein wenig. Nicht, dass sie noch eine unbedachte Bewegung verriet. Für einen kurzen Moment schoss ihm der Gedanken durch den Kopf, was wäre, wenn sie entdeckt würden. Das hier war eine Sache, die man schwerlich erklären konnte... Kuschelstunde mitten in der Nacht in einer Nische im zweiten Stock. Da gab es auch wohl kaum Raum zur Interpretation... Er drehte den Kopf wieder, spürte, wie Harrys Haare ihn an der Wange kitzelten, und spähte erneut zu Filch und Mrs Norris hinüber, die nun die Höhe ihres Verstecks erreicht hatten. ~*~*~*~ Als der Griff noch ein bisschen enger wurde, schloss Harry schließlich die Augen, atmete zitternd aus. Er wollte hier weg. Und dann auch wieder nicht, denn es war angenehm. Irgendwo. Oder? Auch nicht wirklich und doch… Letztendlich ergab er sich. Er ließ sich fallen und stellte für sich fest, dass es gar nicht so schlimm war. Sein Bauch rumorte, doch es konnte vom Hunger kommen, er hatte lange schon nichts mehr gegessen. Sein Herz klopfte laut, doch das konnte einfach daher kommen, dass Filch da war und dass es ihm einigermaßen peinlich war, von einem Jungen – von überhaupt irgendwem! – so gehalten zu werden. Sein Kopf war leer, was er auf die Sehnsucht nach jemandem schob, der ihn hielt. Wäre es Sirius, würde er doch sicher etwas Ähnliches fühlen. Das Zittern nahm ab. Es hieß warten und solange konnte er das hier auch genießen. ~*~*~*~ Filch und Mrs Norris standen eine ganze Weile vor der Nische und der Hausmeister redete ausgiebig auf die Katze ein, die den Kopf schräg gelegt hatte und ihm sichtlich lauschte. Dann, genauso langsam und gemächlich, wie sie den Gang entlang gekommen waren, gingen sie die Treppen hinauf. Der Slytherin legte den Kopf schief, um besser lauschen zu können und schmiegte seine Wange damit unbeabsichtigt an Harrys Haarschopf. Er konnte hören, wie Filch wieder etwas brabbelte von wegen: „...noch eine Treppe höher... Wir gucken bei den Ravenclaws vorbei...“ Dann waren sie weg. Ganz behutsam ließ er Harry los. Es tat ihm richtig Leid, diese Nähe jetzt beenden zu müssen. Es war auf eine seltsame Art... schön gewesen. Und dennoch führte daran nichts vorbei. Kein Moment war für die Ewigkeit gedacht. „Alles okay... Sie sind weg...“ Er lächelte den Gryffindor zuversichtlich an. ~*~*~*~ Harry trat einen halben Schritt zurück, seine Augen ruhig und geduldig, leicht nachdenklich. Er wusste nicht, was er davon halten sollte, dass er Malfoy gerade noch mit Sirius verglichen hatte. Aber es war genauso angenehm gewesen. Er nickte kurz. „Lass uns gehen, bevor der zurückkommt.“ Leise, nicht besonders enthusiastisch, einfach nur eine Idee, geäußert, um irgendwas zu sagen. ~*~*~*~ Beinahe tat es weh zu sehen, wie Harry zurücktrat. Beinahe... „Okay...“ Draco schob den Gryffindor ein wenig aus der Nische heraus. Als er sich dann selbst bewegte, knackte sein Rücken hörbar. Seine Position war offenbar doch nicht übermäßig bequem gewesen. Komisch, dass er es gar nicht bemerkt hatte. Aber in dieser Situation hatte er natürlich anderes im Kopf gehabt. Filch zum Beispiel. Und... Nein, das nicht. Schweigend gingen sie weiter. Noch immer dicht an dicht. Das einzige Geräusch in den Korridoren waren ihre widerhallenden Schritte. Etwas, das sich nicht verhindern ließ. Dennoch erreichten sie unbehelligt die Kerker. Vor der Wand, die den Gang zu dem Slytheringemeinschaftsraum verbarg, blieben sie stehen. „Danke.“ Draco lächelte. „Komm gut nach oben... Pass auf dich auf.“ ~*~*~*~ Schweigend nickte Harry, lächelte leicht und nickte ihm einmal zum Abschied zu, bevor er den Umhang wieder über seinen Kopf zog, sich umdrehte und den gleichen Weg zurückging. Nachdenklich, langsam. Weit nach eins kam er im Gryffindorgemeinschaftsraum an, taperte - ohne es zu bemerken - an einer schlafenden Hermione vorbei hinauf ins Schlafgemach der Fünftklässler und setzte sich ans Fenster, nachdem er den Umhang mit mechanischen Bewegungen ordentlich zusammengefaltet und in seiner Tasche verstaut, sich umgezogen hatte. Er wollte noch nicht ins Bett und schlafen… Lieber wollte er hier sitzen. Gedankenverloren starrte er hinaus. Noch immer konnte er Malfoy überall spüren. Den Druck seiner Arme in seinem Rücken, die weiche Haut an seiner Wange… Er hatte sogar noch seinen Geruch in der Nase. Ein leises Tock ertönte, als sein Kopf gegen die kühlende Scheibe fiel. Die Wärme war so angenehm gewesen. Selten hatte er sich so wohl gefühlt. Sirius’ Anwesenheit war eigentlich als einzige mit diesem Gefühl vergleichbar gewesen… Geborgenheit. Sicherlich wäre es bei seinen Eltern ähnlich gewesen. Familie… Ob sich so Familie anfühlte? Ob Menschen, die eine Familie hatten, sich immer so fühlten? Harry Lippen verzogen sich zu einem friedlichen Lächeln, als er die Sterne draußen beobachtete. Wann hatte es denn aufgeklart? Aber das war gut so, denn so konnte er jetzt in aller Seelenruhe zusehen, wie sie still vor sich hinglitzerten, sich ihnen ein bisschen überlegen fühlen, denn sie waren immer alleine da oben. Und er… er hatte heute jemanden gehabt, der ihn mochte, mit dem er endlich Freundschaft geschlossen hatte… Das Lächeln wurde breiter, als er schließlich einschlief. ~*~*~*~ Draco schaute noch zu, wie sich Harry den Umhang über den Kopf zog - und verschwand. Es war eigenartig zu sehen, wie jemand von einem Augenblick zum anderen nicht mehr da war. Erschreckend... Er wandte sich um, murmelte leise das Passwort und trat ein. Niemand war mehr im Gemeinschaftsraum. Leise schritt er zu dem Fünftklässlerschlafraum. Alles schlief bereits. Was auch gut so war, denn er wollte nicht mit irgendjemandem reden... Kurz blieb er neben Blaises Bett stehen und blickte auf den Freund herab. Es tat ihm Leid, dass er jetzt einfach nicht in der Lage war, mit ihm zu reden. Blaise hatte versprochen, an seiner Seite zu stehen, was auch immer er tat. Also würde Blaise auch bleiben. Selbst dann, wenn Draco einfach nicht in der Stimmung war, um zu reden. Er legte die Tasche neben seinem Bett auf den Boden und hockte sich auf die Bettkante. Umhang, Hemd, Krawatte, Schuhe, Socken und Hose landeten auf dem Boden. Dann kroch er unter die Decke. Wieder keine Lust auf Schlafanzug. Boxershorts waren definitiv genauso gut zum Schlafen... Wenn er die Augen schloss, dann fand er sich in dieser Nische wieder, Harry Potter im Arm, sein Haar an seiner Wange, den schmalen Körper dicht an seinem... Diese Umarmung berührte ihn, hatte ihn mehr berührt als der letzte Kuss von Pansy - oder einer ihrer Vorgängerinnen. Diese Umarmung hatte ihn mehr berührt als alles andere zuvor. War das auch Freundschaft? War das das Gefühl, jemandem vollkommen zu vertrauen? Und Vertrauen hatte er, musste er haben. Nach dem, was er Harry dort oben in dem Raum der Wünsche alles erzählt hatte... Draco schloss die Augen und langsam, ganz allmählich, kam der Schlaf. ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Could you let down your hair be transparent for awhile Just a little while To see if your human after all Honesty is a hard attribute to find When we all want to seem like We've got it all figured out Well let me be the first to say that I don't have a clue I don't have all the answers Ain't gonna pretend like I do ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ ----------__-----------__------------__-----------__-----------__------------ Shi-chan: *lach* Die sind doch knuffig. Ich stell mir das Bild so schön vor, wie Draco auf der Couch liegt und Harry sich nicht traut, ihn zu berühren… Das hat irgendwie was. Und ich freu mich über Dracos nette Offensive! *grins* abby: *sichshi-chananschließ* Ich find sie süß. ^.^ Und langsam nähern sie sich an... Das Vertrauen wächst. ^.^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)