Kurzgeschichten von Baerchi (aus dem Leben) ================================================================================ Kapitel 4: Mobbing ------------------ Eine große Wiese, unter einem hohen alten Baum liegt eine Wolldecke. Die Sonne scheint. Romantik und Ruhe pur. Einfach schön. Nur selten hatte sie in letzter Zeit diese Ruhe und das Gefühl von Zufriedenheit verspürt. Auch wenn der Wecker sie in nächster Zeit rabiat aus dem schönen Traum wecken sollte, so war es für sie doch eine erholsame, und auch willkommene Abwechslung, eine Nacht mal nicht von Alpträumen geplagt zu sein oder vor lauter Sorge und Beklemmung nicht einschlafen zu können. Mühevoll kletterte sie aus dem Bett, streifte mit der Hand durch ihr langes, aber in letzter Zeit leider strohiges Haar, schaltete auf dem Weg ins Bad beiläufig den CD-Player an und blickte schließlich in den Spiegel. Sie sah sich an. Von oben nach unter musterte sie sich, so, wie es auch nachher wieder passieren würde. "Häßlich" ging ihr durch den Kopf "Häßlich". Ihr Augen waren immernoch rot, denn gestern war sie wie immer öfter in letzter Zeit unter Tränen eingeschlafen. Aus dem selben Grund sah sie tiefe Augenringe. "Häßlich"... Früher stand sie oft allein vor dem Spiegel, weinte hilflos. Mit ihrer Mutter hatte sich nie darüber reden können. Aber inzwischen wurde sie auch mutlos, und teilweise kam sogar Wut hoch, die aber ebensoschnell abebbte, denn, was bringt das schon? Doch heute hatte sie nur einen Gedanken: "Häßlcih. Es ist genug." "Schatz, du musst los!" sagte ihre Mutter wie jeden morgen, wenn sie ihre Selbstzweifel plagten. Sie atmete tief durch "Ja, ich weiss". Sie ging in ihr Zimmer, und zog sich ihre Klamotten von gestern an, während aus dem Radio Kittie mit einer nicht ganz falschen Passage tönte: She is not scared to die... The best things in life drive her to cry. Crucify then learn.. take so much away from inside you, makes no sence you know he can't guide you, he's your fucking shoulder to lean on, be strong! I'd like to take you down, and show you deep inside, my life my inner workin so smell and lack of inner pride, to touch upon the surface, is not for what it seems, I take away my problems, but only in my dreams. "Schatz, mach bitte die schreckliche Musik aus!" schrie ihre Mutter chancenlos gegen die Gitarrenriffs an. "Und zieh dir was anderes an, die Klamotten sind dreckig!" - "Ich weiss... macht keinen Unterschied..." Unmotiviert das Haus verlassend zog sie die Tür zu. Noch hatte sie Ruhe. Noch... Auch im Bus sollte sich das nicht ändern. Immerhin lag ihr Dorf so abgelegen, dass sie noch nie jemanden mit bei sich zu Hause hatte. Und das hätte sicher auch keiner gewollt. Denn zumindest in der Schule wollte niemand mehr viel mit ihr zu tun haben. Nach einer halben Stunde näherte sich der Bus der Schule. Die Sonne hatte sich schon langsam über die Felder erhoben, und so die Stadt in Morgengrauen getaucht. Der Bus bog um die letzte Kurve, hielt an, und sie stieg aus. "Nur noch 8 Stunden" ging es ihr durch den Kopf... Sie schlenderte durch das Schulgebäude in Richtung ihres Klassenraumes. Dort saß nur Sven, wie immer in der ersten Reihe und grüßte sie beiläufig, denn er war gerade dabei, Karinas Deutschhausaufgaben zu kopieren. Sandra wollte sich grade setzen, als sie die Reißzwecke auf ihrem Stuhl entdeckte. "War ja klar" dachte sie bei sich. Nachdem das bereinigt war, wollte sie sich setzen, da stand schon Karina vor ihr: "Na, haste mir was mitgebracht?" fragte sie. "Nein" antwortete Sandra. Karina packte sie an ihrer Bluse und drückte sie gegen einen Schrank. "Du kleine dreckige... Was bildest du dir eigentlich ein?" Drohend ballte sie ihre rechte Hand. "Dann mach jetzt wenigstens meine Hausaufgaben, Schlampe!" sie ließ von Sandra ab, die steif vor Angst zu Boden sackte. Sie hörte nur noch, wie Karina ihr Heft auf Sandras Platz legte, und dann mit ihrer besten Freundin weiter über sie herzog. Sie musste sich sehr zusammennehmen. Martin war inzwischen auch dazugekommen, und wollte ihr aufhelfen. "Warum sagtste das niemanden?" - "Mir hilft eh keiner. Auch du hast schön zugeschaut" - "Aber..." - "nichts aber. Ich bin dir nicht böse..." Sie setzte sich und starrte auf Karinas Heft. Rosa... Sie hasste es... Der Unterricht hatte grade angefangen, da blickte sie zu Karina, mit dem Heft winkend. Dann riss sie es in Stücke, so, dass Karina es sehen musste, der Lehrer es aber nicht sehen konnte. Karina schien wütend und sprach sich mit ihren Freundinnen ab. In der Pause blieb Sandra meist sitzen. Karina machte Anstalten, zur Tür zu gehen, versperrte sie dann aber mit einem Stuhl. Sie und ihre zwei Freundinnen gingen auf Sandra zu. Die eine hielt sie links, die andere rechts fest. Karina schlug immer wieder auf sie ein. Ins Gesicht, in den Magen. Sandra fing an zu weinen. Die letzten Schläge vollführte Karina mit der Faust. Dann kam ein Lehrer rein. "Was macht ihr da?" Die beiden Mädels hatten natürlich längst losgelassen, so dass der Lehrer nur Karina und Sandra zur Verantwortung ziehen konnte. Letzten Endes erhielt Sandra einen Schulverweis. Bevor sie aber das Gelände verlassen konnte, schwor sie Rache. Normalerweise hatte sie sowas immer kindisch gefunden. Aber heute würde sie Ernst machen. In der Stadt ging sie zunächst zu einem Kücheneinrichter, und suchte sich ein Messer aus. Es war lang, nicht teuer, aber scharf genug. Und für Karina würde es allemal reichen. Sie hatte die selben Stunden wie Karina, und daher wusste sie, wann sie etwa in dem kleinen Wäldchen vor der Schule vorbeikommen würde. Außerdem war sie die einzige, die diesen Weg ging. Die Sonne senkte sich bereits, als Karina endlich durch das Wäldchen kam. Sandra sprang kurz vor ihr auf den Weg, das Messer bereits in der Hand. "Wer ist jetzt hier die Schlampe?" Sie war auch in Sport besser als Karina, daher blieb Karina ruhig stehen. Im Laufen hatte sie keine Chance. "Leg dich auf den Boden, mit dem Gesicht nach oben." Befahl ihr Sandra. Karina tat wie ihr geheissen, da kniete sich Sandra auf Karinas Arme. Langsam führte sie das Messer an Karinas Gesicht. "Bald bist du nicht mehr so schön... Dann wirst du sehen, wie es ist, nicht gut auszusehen..." Karina spürte die Klinge an ihrer Haut, und versuchte sich vergebens zu wehren. Sandra schnitt tief in Karinas Gesicht, Blut floss über den Boden. Karina schrie vor Schmerzen. Als Sandra aufstand hielt sie sich das Gesicht. "Ich bin keinen deut besser als ihr... Nicht einen..." stammelte Sandra benommen und von dem Bewusstsein über das, was sie getan hatte, geschockt... "Es... es... es.."... Sie wusste nicht mehr weiter. Sie sah sich die Klinge an... Oft schon hatte sie sich den Arm geritzt, aber noch nie mit einem solchen Messer... Karina hatte inzwischen ihr Handy herausgekramt, und einen Krankenwagen gerufen, bevor sie ohnmächtig wurde. Sandra drehte das Messer, dachte an ihre Freunde, die sie nie hatte, niemand, den es je interessiert hätte, was sie tut. "Und zu wissen, dass ein Schlaf das Herzweh und die 1000 Stöße endete, ist's ein Ziel, aufs innigste zu wünschen." Diese Zeile hatten sie erst vor kurzem in Hamlet besprochen. Unter Schmerzen aber in dem Gewissen, das es nur besser werden konnte trieb sie das Messer immer tiefer in ihren Körper, bis auch sie ohnmächtig niederfiel, auf eine Wolldecke unter einem hohen alten Baum... Der Wecker klingelte und mühevoll kletterte sie aus dem Bett, streifte mit der Hand durch ihr langes, aber in letzter Zeit leider strohiges Haar, schaltete auf dem Weg ins Bad beiläufig den CD-Player an und blickte schließlich in den Spiegel... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)