Der Tag an dem Sesshomaru "komisch" war von Weissquell ================================================================================ Kapitel 12: Wieder normal?! --------------------------- Sämtliche Augen sind nun auf den hochgewachsenen Youkaifürsten gerichtet und gemeinsam erfassen die Anwesenden den neuen Sachverhalt der zudem noch ein, dezent ausgedrückt, beunruhigendes Problem mit sich bringt: Der Youkai-Prinz ist nun ganz offensichtlich wieder Herr seiner selbst und außerdem kocht er vor Wut! Kagome und die anderen ertappen sich dabei, dass sie nicht wagen auch nur einen Muskel zu rühren, um den ohnehin schon aufgebrachten Youkai, nicht noch zusätzlich zu reizen. Sesshomaru spürt seine vor Wut verkrampften Muskeln in jeder Faser seines Körpers. Ihm wird abwechseln heiß und kalt und er muss sich zwingen, regelmäßig ein und auszuatmen. In seinem Kopf überschlagen sich die Gedanken. Das darf nicht wahr sein! Das darf nicht wahr sein! Immer wieder wiederholt er innerlich diese Worte und am liebsten möchte er jedes einzelne Wort davon betonen. Ja, er ist wieder klar im Kopf, Tensaiga sei dank! Dieses verwünschte Schwert seines Vaters! Wer hätte gedacht, dass es ihm einmal so sehr dienlich sein würde und ihn aus einer derart erniedrigenden Situation heraushelfen würde! Als Tessaigas Energiewelle ihn traf, da entfaltete das Schwert, dass er unwillkürlich als Schutz benutzt hatte, seine heilende Macht und rettete nicht nur sein Leben vor der tödlichen Kraft der Attacke, sondern es kurierte auch das, was auch immer in den letzten Stunden seinen Verstand durcheinander gebracht hat. Nun hat er sein Gedächtnis endlich wiedergefunden und, oh ja, er erinnert sich wahrlich an alles! Erbittert knirscht Sesshomaru mit den Zähnen. Mit gebleckten Zähnen steht er da und muss es über sich ergehen lassen, dass jeder peinliche Moment des letzten Tages noch einmal vor seinem inneren Auge Revue passiert. Bei sich verflucht er die Tatsache, dass Youkais ein solch ausgezeichnetes Gedächtnis besitzen. Seine Atemfrequenz steigt immer mehr an und sein Gesicht verzieht sich, als hätte er körperliche Schmerzen. Noch niemals zuvor hat er sich dermaßen gedemütigt gefühlt. Es ist das unangenehmste Gefühl, an das er sich je erinnert und irgendjemand muss dafür verantwortlich sein und wird dafür bezahlen! Mit einem Ruck fliegt nun sein Kopf herum. Seine Miene ist zu einer zornigen Grimmasse verzerrt, seine Reißzähne ragen hervor und seine Augen leuchten bedrohlich rot. Ein paar Schritte entfernt steht noch immer Inu Yasha und schaut verwirrt und matt zu ihm hinüber. Über sein Gesicht laufen Schweißperlen und er atmet schwer. Gewaltsam löst Sesshomaru seine verkrampfte Faust und lässt die Knöchel knacken. „Du!!!“, ist alles was er zischt und dann springt er auf seinen Bruder zu. Erschrocken schreit Kagome auf und auch die anderen reagieren, doch noch immer macht sich das lähmende Gift des Skorpions bei ihnen bemerkbar. So können sie nur hilflos beobachten wie der weißhaarige Youkai auf seinen Bruder zurast, der ihm seinerseits nur regungslos entgegensieht. Mit tödlicher Entschlossenheit packt Sesshomaru Inu Yasha am Hals und zwei Schritte später presst er ihn gewaltsam gegen einen der Felsbrocken, die durch den Riesenskorpion aufgeworfen wurden; der Hanyou lässt es wehrlos mit sich geschehen. Jegliche Kraft hat seinen Körper verlassen, das Gift des Monsters zeigt seine verheerende Wirkung. Entwaffnet blickt er seinen Bruder an; fast scheint es, als könne er nicht recht erfassen wie sich die Situation gerade verändert hat. Die Augen des Youkais funkeln wie flüssiges Gold und versprühen auch beinah so viel Hitze. Mit gefletschten Zähnen starrt er seinen Bruder an und seine kräftige Hand hält den Hals des Hanyous wie in einem Schraubstock fest. Dabei atmet er schwer ein und aus. „Du!“, quetscht Sesshomaru erneut hervor und man hat den Eindruck, als müsse er sich schwer zusammennehmen um seinem Bruder nicht das Genick zu brechen. Die Bilder vor Inu Yashas Augen verschwimmen immer mehr. Er spürt die spitzen Krallen seines Bruders an seinem Hals und sein restlicher Körper besteht aus einem dumpfen, bohrenden Schmerz. Doch trotzdem kann er den Blick nicht von seinem Bruder wenden. Auf irgendeine makabere Weise ist es faszinierend dem regen Wechselspiel der Mimik des Youkais zuzusehen. Er hat seinen Bruder noch niemals so hin und hergerissen erlebt; zumindest nicht wenn er normal war. Doch gerade im Augenblick wechselt sich unkontrollierte Wut mit plötzlicher Ratlosigkeit und urplötzlichem Erröten ab. Zu gerne möchte er wissen was seinem Bruder gerade durch den Kopf geht. Seine Lippen sind trocken und seine Zunge ist schwer, doch er erwidert: „Was ist... mit mir?“ Was mit dir ist? Möchte Sesshomaru am liebsten schreien, doch er kann sich gerade noch zusammenreißen. Selbst du müsstest dir das doch denken können! In den letzten Stunden wurde ich von dir und deinen Freunden derartig erniedrig, dass es mich ganz krank macht dich auch nur lebendig zu wissen! Ihr habt meine vorübergehende Verfassung dazu genutzt, mich von einer peinlichen Situation in die Nächste zu bringen. Ich wurde von euch mit kindischen Pflastern verarztet, und wie ein kleines Kind mit Süßigkeiten verhätschelt. Du hast mich verspottet und mit einem absolut unangebrachten Spiel böswillig erniedrigt. Du wurdest sogar Zeuge, als ich mir wie ein kleines Baby... Nein, diesen Gedanken wagt Sesshomaru gar nicht erst zuende zu denken. Schon jetzt krampft sich ihm deshalb wieder schmerzlich der Magen zusammen. Wie konnte ihm das bloß passieren? Schon die kleinste Erinnerung daran lässt ihm unwillkürlich die Schamesröte ins Gesicht schießen. Der Griff um den Hals seines Bruders wird fester. Diese erbärmliche Kreatur in seinen Klauen war Zeuge seiner nicht abreißen wollenden Serie an Peinlichkeiten. Vor ihm hat er gelacht, vor ihm hat er sich wie toll aufgeführt, ja, vor ihm hat er sogar geweint! Geweint, man stelle sich das vor! Sesshomaru kann die wenigen Male in seinem Leben, wo er geweint hat, an einer Hand abzählen und hier und heute hat er sich doch tatsächlich als regelrechte Heulsuse entpuppt. Und das sogar vor Inu Yasha! Wie konnte er nur jemals so tief sinken? Diese schreckliche Gemütsverfassung war der reinste Alptraum und sie hat ihm seit langer Zeit auch wieder wahrhaftige Angst spüren lassen. Dieser mehr als unbedeutende Dämon hat ihn doch tatsächlich in eine äußert unangenehme Situation gebracht und sein Bruder war Zeuge davon. Dieser Tag muss ein wahres Freudenfest für ihn gewesen sein. Mit Sicherheit hat er die ungeschickten und ausgelassenen Spielerein seines Bruders mit vollster Zufriedenheit und Genugtuung ausgekostet und dafür schon allein, sollte er ihm am besten sofort den Kopf abreißen, und doch... Schwer atmend durchbohrt Sesshomaru den halbbesinnungslosen Hanyou mit stechenden Blicken. Inu Yasha blinzelt ihm unter halbgeschlossenen Lidern hervor. Nur noch der stählerne Griff des wütenden Youkais, hindert seine Knie daran, nachzugeben. Noch einmal beißt Sesshomaru die Zähne zusammen. Dann quetscht er hervor: „Warum?“ Inu Yashas Augen öffnen sich ein wenig. „Warum was?“, murmelt er kraftlos. Wieder verkrampft sich Sesshomaru sich innerlich. Dann flüstert er bedrohlich: „Warum hast du das getan?“ Was Inu Yashas Lippen nicht sagen können, steht ihm im Gesicht: „Was getan?“ Sesshomaru senkt den Blick und unterdrückt einen Wutschrei. Ich hasse dich! schreit er innerlich. Ich hasse dich mit jeder Faser meines Körpers! Und du empfindest genau so, das weiß ich! Den ganzen Tag muss ich für dich eine einzige Belustigung gewesen sein und schon der Gedanke daran, will mich schier zerreißen! Ich war dir völlig ausgeliefert und mehr als einmal hattest du jede Gelegenheit der Welt, dich meiner endgültig zu entledigen. Du hättest mich jederzeit töten können; ich war völlig wehrlos. Ich war ein Opfer meiner eigenen Beschränktheit. Aber... selbst als ich dich angegriffen habe und dabei beinah tötete, hast du dich nicht gerächt. Du... du... du warst die ganze Zeit über freundlich zu mir und das will mir einfach nicht in den Kopf! Ihr alle... ihr wart freundlich zu mir! Völlig ohne Grund! Ihr seid alles Narren! Ich hätte euch alle sofort erledigt an eurer Stelle! Aber ihr habt euch im Gegenteil um mich gekümmert... ganz gleich... was passiert ist. Wieder gehen Sesshomarus Gedanken zu seiner kleinen Hakama-Aktion zurück. Es schüttelt ihn. Ein Schauer der Angewidertheit überzieht seinen Körper. Dann schluckt er schwer. Ihr wart selbst dann noch rücksichtsvoll mit mir, als ich mich selbst so erniedrigte indem ich über die Verletzungen, die ich Inu Yasha zufügte, weinte. Er schaut wieder zu dem wehrlosen Hanyou in seiner Klaue auf. Du hast dich hinterher nicht gerächt, obwohl es dein gutes Recht gewesen wäre. Im Gegenteil du standest mir im Kampf gegen den Dämon bei, der mich in meiner wehrlosen Verfassung in Bedrängnis brachte. Und obwohl du wegen mir schwer verletzt warst und nur schlecht kämpfen konntest, hast du mich verteidigt. Ja, sogar als mein schwächlicher Zustand Schuld daran war, dass mein eigenes Schwert mich kontrollierte, hast du trotz deiner Verletzungen nicht gezögert mir zu helfen. Wieder schüttelt es ihn. Warum? Warum hast du das getan? Was sollten diese Worte: Ich lasse nicht zu, dass du meinen Bruder tötest. Nur über meine Leiche? Was hatte das zu bedeuten? Warum hast du das getan? Warum hast du mich aus dem Weg gerissen, als der Skorpion mich angriff? Ich verstehe es einfach nicht! Warum hast den giftigen Stachel abgefangen, der für mich bestimmt war? Warum hast du, selbst als du schon völlig am Ende warst, noch deine letzten Kräfte mobilisiert, um mich mit deinem Kaze no Kizu zu retten? Und warum hast du hinterher noch gefragt ob ich in Ordnung bin? Warum, verdammt, hast du mich Sesshomaru-chan genannt? Ich versteh es nicht! Ich könnte noch tausend ‚Warums’ fragen und doch keine Antwort erhalten und ich hasse dich dafür! Ich sollte dich einfach töten! Ich sollte... aber es lässt mir keine Ruhe! Warum hast du das getan? Schweigend halten sich Sesshomaru und Inu Yasha mit den Augen gefangen. Die anderen halten währenddessen angespannt den Atem an. Anscheinend hat Sesshomaru vorerst davon Abstand genommen, Inu Yasha sofort zu töten. Irgendetwas geschieht dort drüben. Zwischen den beiden Brüdern scheint ein reger Gedankenaustausch vonstatten zu gehen der offenbar nur über die Mimik ausgetragen wird. Aber zu welchem Ergebnis werden sie kommen und werden sie eingreifen müssen, ehe ein Unglück geschieht? Das Verhalten des Youkai-Prinzen ist unmöglich vorauszusagen. Inu Yasha betrachtet das Gesicht seines Bruders. Sein Verstand wird immer mehr von einem grauen Dunst umnebelt aber er bekommt noch mit, wie sich Sesshomarus Mine allmählich in hoffnungslose Ratlosigkeit verwandelt mit leicht hektischen Augenbewegungen. Seine letzte Frage, offenbar sucht er darauf verzweifelt eine Antwort ehe er entscheidet ob er seinem Bruder den Rest gibt oder nicht. Noch einmal vernimmt er die drängende Frage des Youkais mit dem Blick der Steine schmelzen könnte: „Warum?“ Wenn der Youkai auch nicht mehr sagt als nur dieses Wort, weiß Inu Yasha trotzdem ganz genau was sein Bruder wissen will. Er kann seine Verwirrung gut vollziehen, ihm geht es nicht anders. Und zum ersten Mal hat Inu Yasha das Gefühl, dass er seinen Bruder ein bisschen versteht. Und kurz bevor sein Bewusstsein davon driftet, beschließt er doch noch, ihm eine aufrichtige Antwort zu geben: „Ich weiß es wirklich nicht!“ Dann sinkt sein Kopf zur Seite und alle Kraft verlässt seinen Körper. Einen Augenblick lang hält Sesshomaru den erschlafften Körper seines Bruders noch in der Klaue. Kein Wort kommt über seine Lippen, aber sein Beben hat aufgehört und sein Atem normalisiert sich langsam. Bernsteinfarbene Augen mustern die schlaffe Gestalt in seiner Hand. Dann öffnet er die Faust und der bewusstlose Hanyou plumpst zu Boden. Hoch aufgerichtet steht Sesshomaru da und schaut auf seinen Bruder herab. Inu Yashas Körper überläuft ein unkontrolliertes Zittern und er ist schweißgebadet. Er blutet noch immer aus vielen Wunden; das Gift behindert seine Heilkräfte. „Erbärmlich!“, sagt Sesshomaru mit kalten Goldaugen. Ohne dass er es gleich bemerkt, verkrampft sich seine Faust erneut. Er atmet einmal tief durch und starrt wieder auf seinen Bruder. „Mit diesen Verletzungen zu kämpfen, war töricht von dir“, murmelt er, „Du bist nur ein Hanyou. Schon die Verletzung, die ich dir zugefügt habe, hätten dich töten können. Es war töricht von dir, weiterzukämpfen. Warum bloß war ich dir so verdammt wichtig?“ In diesem Moment bemerkt er hinter sich eine Bewegung und vernimmt einen Ruf: „Inu Yasha!“ Es ist Kagome. Da es aussieht, als würde Sesshomaru keine weiteren Anstalten machen, Inu Yasha zu schaden, kommt sie rasch angelaufen um sich von seinem Gesundheitszustand zu überzeugen. Ihre Freunde folgen ihr dicht auf dem Fuß. Hastig läuft das Mädchen aus der anderen Zeit an dem Youkai-Prinzen vorbei und geht neben ihrem Freund in die Knie. Ernste Besorgnis steht ihr ins Gesicht geschrieben. „Inu Yasha! Inu Yasha, nun sag doch was!“, vorsichtig rüttelt sie ihn und zuckt leicht zurück als sie spürt wie heiß sein Körper ist. Er glüht förmlich. Ohne dass sie es verhindern kann, treten ihr Tränen in die Augen. Das sieht gar nicht gut aus; der Hanyou ist in einer äußerst schlechten Verfassung. Nun umringen ihn auch die anderen. „Er muss eine Menge Gift abbekommen haben!“, vermutet Sango und ihre Stimme schwankt ein wenig. „Können wir denn gar nichts für ihn tun?“, will Kagome aufgewühlt wissen. „Wir müssen darauf vertrauen, dass sein Körper sich selbst hilft“, versucht Miroku sie zu beruhigen, „Immerhin ist er ein halber Dämon.“ „Und du weißt doch selber wie zäh Inu Yasha sein kann“, setzt Sango nach. Auch sie ist bemüht ihre Freundin zu trösten. Doch ganz überzeugt ist sie selbst nicht davon. Der Hanyou ist noch immer besinnungslos und schweißgebadet, außerdem geht sein Atem flach und schnell und noch immer hören seine Wunden nicht auf zu bluten. Auch Kagome ist das nicht entgangen: „Aber sieh ihn dir doch an! Es geht ihm schlecht und wir können gar nichts für ihn tun“, Tränen stehen ihr in den Augen, „Wenn wir nichts unternehmen, könnte er vielleicht sterben!“ „Mit Sicherheit!“, kommt die kühle Bemerkung hinter ihnen. Alle drehen sich um. Ein paar Schritt entfernt steht Sesshomaru und schaut ausdruckslos zu ihnen herüber. „Er hat viel Gift abbekommen“, fügt er nun hinzu, „Er ist nur ein Hanyou. Diese Giftmenge wird er nicht überleben.“ Kagome erbleicht. Einen Momentlang bleibt ihr die Sprache weg als sie versucht sich mit dieser Vorstellung auseinander zu setzen. Doch dann schüttelt sie sich. Nein, das wird sie nicht akzeptieren! Mit großen, feuchten Augen schaut sie den stolzen Youkai an: „Kannst du nicht irgendwas tun? Bitte, hilf ihm!“ Unwillkürlich beißt Sesshomaru die Zähne aufeinander und seine Mine verfinstert sich. Vernehmlich schnauft er aus. Dann nach einem langen Augenblick des stillen Ringens tritt er auf die Gruppe zu. „Geh aus dem Weg!“, grollt er ärgerlich und hastig macht Kagome ihm Platz. Ein weiterer verächtlicher Schnaufer entfährt ihm während er auf den jungen Hanyou zu seinen Füßen starrt, der gerade wieder von Fieberkrämpfen geschüttelt wird. Dann zieht er mit einer eleganten Geste Tensaiga aus seiner Schwertscheide und mit einem kurzen, scharfen Schwung durchtrennt das magische Schwert Inu Yashas Hals, ohne ihm natürlich tatsächlich zu schaden. Im Gegenteil! Die zahlreichen Wunden auf Inu Yashas Körper sind verschwunden und das Zittern hat aufgehört. Auch sein Atem geht jetzt ruhiger und entspannter und zu ihrer grenzenlosen Erleichterung beginnt Inu Yasha sich nun zu regen. Dann schlägt er die Augen auf und blickt ein wenig desorientiert in die Runde. „Inu Yasha!“, strahlt Kagome und fällt ihm stürmisch um den Hals, „Du bist wieder geheilt! Dir geht es wirklich wieder gut! Ich bin so erleichtert!“ Irritiert lässt Inu Yasha die Umarmung über sich ergehen. „Is ja gut!“, bringt er mühsam hervor, „Ich bin ok, krieg dich wieder ein! Du bist ja noch schlimmer als Sesshomaru!“ Doch kaum hat er das gesagt, spürt er auch schon einen vernichtenden Blick auf sich ruhen. Unsicher schaut er auf. Sesshomaru starrt ihn an, als würde er ihm liebend gern jedes überstehende Körperteil abreißen. Doch kein Wort kommt über seine Lippen. Stattdessen steckt er nun geschmeidig Tensaiga zurück in seine Scheide und meint schließlich bitter: „Damit sind wir wohl quitt!“ Perplex schaut Inu Yasha ihn an. Dann wendet er sich an Kagome: „Hat er das gemacht?“ Das Mädchen nickt: „Er hat dich gerettet! Deine Verletzungen waren so schwer, dass du sonst gestorben wärst, also hat er dich mit Tensaiga geheilt.“ „Echt jetzt?“, Inu Yasha ist verblüfft. Wieder geht sein Blick zu dem Youkai hinüber. Verlegen kratzt er sich nun am Kopf: „Na ja, also... ähm... dank...!“ Doch Sesshomaru unterbricht ihn giftig: „Komm ja nicht auf die Idee, mir zu danken! Ich bring dich auf der Stelle um, wenn du das tust!“ Achselzuckend bläst Inu Yasha eine Backe auf: „Pff, dann eben nicht!“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren wendet Sesshomaru sich ab. Er macht ein paar Schritte im Gras und dann bückt er sich. Mit festem Griff hebt er das zu Boden gefallene Toukijin auf. Augenblicklich flammt die purpurne Dämonenaura um die Klinge auf und versucht erneut sich über den Arm des Youkais auszubreiten, doch diesmal ist Sesshomaru weit davon entfernt, sich solche Sperenzchen gefallen zu lassen. Der Griff seiner Faust wird fester und ein bedrohliches Grollen entfährt seiner Kehle. Mit flammendroten Augen starrt er auf die Klinge des Schwertes und diesmal dauert es nur wenige Augenblicke bis der stille Kampf um das Sagen von dem grimmig entschlossenen und zu allem bereiten Youkai-Prinz gewonnen wird und die Dämonenaura des Schwertes vor dem eisernen Willen Sesshomarus kuscht und sich buchstäblich verflüchtigt. Wortlos steckt der Youkai das Schwert zurück in seinen Gürtel. Wehe dem, der ihn heute noch einmal herausfordert! Er steht mit dem Rücken zu der kleinen Gruppe die ihn nur wachsam beobachtet. Nun strafft er sich und ruft: „Jaken, Rin! Wir gehen! Wir haben genug Zeit hier verschwendet!“ Die beiden Angesprochenen heben aufmerksam den Kopf und folgsam wie gewöhnlich machen sie sich daran, ihrem Herrn zu gehorchen. Jaken ist mehr als froh darüber, von dieser Menschengruppe wegzukommen. Noch immer spürt er die missmutigen Blicke die man ihm wegen der Verbands-Geschichte zuwirft. Rin hingegen macht ein ziemlich bekümmertes Gesicht. Ihr tut es doch ziemlich leid, ihre neuen Freunde schon so rasch verlassen zu müssen. Besonders Kagome hat sie inzwischen ins Herz geschlossen und der Gedanke, nun Abschied zu nehmen, macht sie traurig. Doch ihr Herr ist unerbittlich, das weiß sie aus Erfahrung. Sein Wort ist Gesetz und sie tut gut daran, sich daran zu halten. Ein wenig lässt sie den Kopf hängen als sie zu ihm hinüberhumpelt. Was auch immer mit ihrem Herren heute los war, nun ist er wieder normal. Er ist wieder so wie immer, kühl und erhaben. Nun lächelt er auch nicht mehr. Sie muss zugeben, dass ihr das ein bisschen leid tut. Vorhin hatten sie doch noch solchen Spaß und nun ist wieder alles beim alten. Nun ist er wieder ihr starker, unbezwingbarer Meister, der sie vor allem beschützen kann. Nun ist er wieder so wie er sein sollte. Ohne dass sie versteht warum, spürt sie Tränen in sich aufsteigen und sie muss heftig schlucken um sie wieder herunterzuzwingen. Ihr Herr soll nicht denken, dass ihr der Abschied von diesen Menschen leid täte. Sonst glaubt er vielleicht noch, sie würde nicht mehr bei ihm sein wollen. Tapfer zwingt sie ihre Traurigkeit runter und gesellt sich zu dem hochgewachsenen Youkai. Wortlos schauen Kagome und die anderen zu ihnen herüber. Irgendwie weiß keiner so recht was er nun sagen soll. Die vergangenen Stunden mit dem stolzen Youkai gehören zu den angenehmsten, aufregendsten und erstaunlichsten Momenten die sie jemals mit ihm erlebt haben. All die vergangenen Ereignisse werden ihnen für immer in Erinnerung bleiben; in angenehmer Erinnerung und das will bei Sesshomaru schon einiges heißen. Eigentlich bedauern sie es, dass das alles nun endgültig vorbei ist. Was für ein Wort des Abschiedes wäre für diese Situation angemessen? So ganz schlüssig ist sich keiner von ihnen darüber. Sesshomaru nimmt ihnen diese Entscheidung ab. Bevor er geht dreht er sich noch einmal zu der kleinen Gruppe um und funkelt sie finster an. Mit erstaunlich ruhigem Tonfall sagt er: „Euch dürfte klar sein: Niemand erfährt jemals von den heutigen Ereignissen! Muss ich noch mehr sagen?“ Die jungen Leute schütteln die Köpfe. „Mach dir keine Sorgen!“, ruft Kagome ihm nach, „Wir erzählen es niemandem!“ Sesshomaru wendet sich zum gehen. „Da mach ich mir keine Sorgen!“, sagt er ernst. Dann setzt er sich in Bewegung und verlässt, seine beiden Gefolgsleute im Schlepptau, ohne sich noch einmal umzudrehen die Lichtung und ist nur kurz darauf im Wald verschwunden. „Lügner!“, grummelt Inu Yasha leise, „Klar macht er sich Sorgen. Der Kerl hat eine Heidenangst davor, dass wir plaudern könnten.“ „Aber das tun wir natürlich auch nicht!“, bemerkt Kagome neben ihm deutlich. Aufmerksam beobachtet sie das Gesicht des Hanyous; Inu Yasha grinst gedankenverloren in sich hinein. Ganz offenbar ist er gerade mit einer sehr amüsanten Wunschvorstellung beschäftigt. Da vernimmt er plötzlich Kagomes Stimme neben sich: „Inu Yasha...?“ Er wendet sich zu ihr um: „Hm? Was?“ „SITZ!“ Augenblicklich knallt er vor ihr zu Boden. Ärgerlich wettert er zu ihr hoch: „Hey, wofür war das denn jetzt schon wieder?“ Skeptisch betrachtet das Mädchen ihn. Du hast doch wohl nicht vor, Sesshomaru bei irgendwem zu verpetzen!“ „Spinnst du?“, faucht Inu Yasha, „Wie kommst du darauf? Das hab ich niemals gesagt!“ „Jaaa, aber gedacht!“ „Ged...!!! Sag mal, hast du sie noch alle? Woher willst du wissen was ich denke?“ Ärgerlich springt der Hanyou auf. Kagome hebt überlegen die Augenbrauen: „Ich kenn dich eben gut genug!“ „Pah! Hätt’ste wohl gern! Und überhaupt, was ich denke ist ja wohl meine Sache! Das fehlte ja noch, dass du dich da auch noch einmischst!“ „Ach ja, wo misch ich mich denn sonst noch ein?“ „Na, in alles eben! Das war doch auch deine Idee, dass wir uns um Sesshomaru kümmern sollten. Und ich hab dir gleich gesagt, dass das ne bescheuerte Idee ist!“ „Also wir gehen dann schon mal schlafen!“, bemerkt Miroku in das Wortgefecht der beiden Streithammel während er und Sango damit beginnen, die verwüstete Lichtung zu einem Lager umzufunktionieren, die verstreuten Juwelensplitter einzusammeln und ein Feuer für die Nacht zu entfachen. „Kannst du nicht einmal einsehen, dass du im Unrecht warst?“, gellt Inu Yashas Stimme über den Platz, „Wenn du in der Lage bist, deine Launen unter Kontrolle zu bringen!“ „Von wegen Launen! Ich zeig dir gleich mal Launen!“ „“Ach, tatsächlich?“ „Jaaa, du Nervensäge!“ „SITZ!“ „Autsch...!“ Dann kehrt allmählich Ruhe ein über die kleine Lichtung, über der nun die ersten Sterne zu funkeln beginnen. Die Schwärze der Nacht macht sich hier im Wald besonders bemerkbar. Sesshomaru beeindruckt das keineswegs. Seine goldenen Auge durchforschen die Nacht und suchen ihm sicher seinen Weg durch die zunehmende Finsternis. Seine Begleiter haben da nicht so viel Glück. Mühsam versuchen sie mit den festen Schritten ihres Herren mitzuhalten. Sesshomaru nimmt darauf keine Rücksicht. Er ist zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Immer wieder und wieder suchen ihn die Erinnerungen des heutigen Tages heim. Er erinnert sich an alles und es raubt ihm fast den Verstand. Hätte er das alles nicht gnädig vergessen können, wie einen bösen Traum oder eine Halluzination? Doch soviel Glück hat er nicht. Das alles ist tatsächlich passiert. Fast kann er noch die Blumen auf der Wiese riechen und die Farben des Schmetterlings sehen. Er spürt das Kribbeln der winzigen Füße auf seiner Nase und noch immer kann er den Geschmack dieser seltsamen, braunen Süßigkeit schmecken. Er schüttelt leicht den Kopf, wie um diesen Gedanken loszuwerden. Mit einer fast beiläufigen Geste wirft er einen Blick auf seinen Handrücken; noch immer klebt das Pflaster, mit dem kleinen Hund, darauf. Bisher ist es ihm nicht gelungen das unliebsame Ding irgendwie abzustreifen; es klebt hartnäckig fest. Und einen seiner Begleiter möchte er nicht darum bitten also wird er das kleine Erinnerungsmerkmal noch eine Weile dulden müssen. Nur äußerst ungern erinnert er sich an das Stöckchenspiel mit seinem Bruder. Warum, um alles in der Welt, hat ihm das bloß solchen Spaß gemacht? Dann gleiten seine Gedanken weiter zu dem was danach passiert und wieder verdrängt er es gleich wieder. Wie peinlich! Aber diese Leute haben seine Kleidung ohne irgendwelche Einwende gereinigt. So sauber und frisch war sein Hakama schon lange nicht mehr und diese Leute haben nicht mal ein Dankeschön erwartet. Er begreift das alles nicht. Aber was ihm noch weitaus am meisten zu schaffen macht, ist die Tatsache, dass das alles recht angenehme Erinnerungen sind! Wenn mal davon absieht, dass das alles entsetzlich demütigend für einen Youkai-Fürsten war, dann muss er doch gestehen, dass er an diesem Tag viel Spaß gehabt hat. Er ballt erneut die Faust. Verdammt, wie konnte ich daran nur Spaß haben? Aber es war so! Das Stöckchenspiel und die Schokolade und die Pflaster und der Fön, das alles hat ihm Spaß gemacht. Wann hatte er davor zum letzten Mal Spaß gehabt? Seltsam, das fällt ihm nicht mehr ein. Und auch das Farbenspiel mit Rin hat Spaß gemacht. Er mag es sich kaum eingestehen, doch er hat es wirklich genossen mit der Kleinen zu spielen und mit ihr zu lachen und sich mit ihr zu beschäftigen. Es war irgendwie so... entspannend und angenehm. Aus den Augenwinkeln gestattet er sich einen kurzen Blick auf das kleine Mädchen hinter sich. Die Kleine bemüht sich mit zusammengebissenen Zähnen, nicht den Anschluss zu den anderen Beiden zu verlieren. Ihr rechter Knöchel ist dick angeschwollen und bei jedem Auftreten zuckt das Mädchen zusammen. Es ist ihr deutlich anzusehen, dass sie Schmerzen hat. Sesshomaru mustert ihr Gesicht. Die kleine Rin beißt sich mit den Zähnen auf die Lippe um den Schmerz zu unterdrücken. Unter ihren Augen liegen dunkle Ringe der Müdigkeit und ein paar helle Streifen auf dem dreckigen Gesicht lassen erkennen, dass nicht alle Tränen sich tapfer verkneifen ließen. So humpelt das Mädchen mehr schlecht als recht hinter den beiden her und unter ihrem leisen Schnaufen entflieht ab und zu ein kleines Wimmern der Erschöpfung und Schmerzen ihrer Kehle. Sesshomaru bleibt stehen. Langsam dreht er sich um und beobachtet schweigend wie die Kleine heranhinkt. Seine Augen werden schmal. Als sie sieht, dass er auf sie wartet, huscht ein leichtes Lächeln über ihr Gesicht und sie beschleunigt ihren Schritt um rasch aufzuschließen. Noch immer betrachtet Sesshomaru das kleine Mädchen vor sich. Eine weitere Erinnerung flattert vor seinem inneren Auge vorbei. Es tat mir wirklich, schrecklich leid, dass ich ihn verletzt hatte! gesteht Sesshomaru sich innerlich ein. Ich war... froh, dass sie da war! Dann hebt er langsam den Kopf. „Rin, komm her!“, sagt er ernst. Die Augen des Mädchens weiten sich. Was kann ihr Herr von ihr wollen? Zögernd humpelt sie näher, unsicher was von ihr verlangt wird. Doch zu ihrem großen Erstaunen verschwindet auf einmal kaum wahrnehmbar der Ernst in Sesshomarus Mine und ein leicht milder Zug legt sich auf sein Gesicht. „Komm schon her!“, wiederholt er, diesmal ein wenig wohlwollender. Irritiert kommt Rin auf ihm zu. Nun steht sie direkt vor dem großen Youkai-Prinzen und muss fast ihren Kopf in den Nacken legen um ihm ins Gesicht zu sehen. Was passiert nun? Einen langen Augenblick betrachtet Sesshomaru sie schweigend. Was er denkt, ist nicht zu erahnen. Dann bückt er sich und mit einem sicheren Griff hebt er das kleine Mädchen hoch und setzt es sich auf seine Hüfte. Erstaunt blickt Rin ihren Herren an. Was hat das zu bedeuten? Sprachlos schaut sie ihm ins Gesicht; seine goldenen Augen leuchten selbst im Dunkeln noch eigenartig warm. Er verzieht keine Mine aber er erwidert für einen langen Moment einfach ihren Blick. Dann sagt er fast schon sanft: „Du musst müde sein! Du solltest schlafen! Wir haben noch einen weiten Weg und je schneller dein Fuß wieder gesund wird, desto besser! Du kannst... meinen Pelz als Decke verwenden.“ Es ist ihm sichtlich anzumerken wie schwer ihm der letzte Satz über die Lippen gegangen ist. Mit weitaufgerissenen Augen und Mund starrt Jaken seinen Herren an. Mit allem hat er gerechnet, aber nicht damit! Sein Herr hat sich dazu herabgelassen das verletzte Menschenmädchen zu tragen. Aber eigentlich dürfte ihn ja heute nichts mehr überraschen. So fügt er sich nur hilflos fiepend in sein Schicksal und folgt seinem Herren, der nun seinen Weg wieder aufgenommen hat. Das kleine Mädchen auf der Hüfte, wandert Sesshomaru weiter durch die dunkle Nacht, ohne sich um seine zusätzliche Bürde weiter zu kümmern. Eine kleine Weile blickt Rin noch zu dem ebenmäßigen Gesicht des Youkais hoch, das selbst noch in der immer mehr zunehmenden Finsternis leicht zu schimmern scheint; die Augen unbeirrt nach vorne gewandt. Sie kann es kaum fassen. Er hat sich um sie gekümmert! Sie ist ihm nicht egal! Ihr kleines Herz pocht wohlig in ihrer Brust. Sie spürt die Wärme seines Körpers und in ihrem Rücken seinen starken Arm und daneben den dichten, warmen Pelz den er über der Schulter trägt. Sie schluckt einmal und trotzdem läuft ihr eine kleine Träne über das Gesicht. Sie ist glücklich! „Ich hab dich lieb, Sesshomaru-sama!“, flüstert sie. Für einen kurzen Moment wendet der Youkai ihr den Kopf zu. War das ein kurzes Lächeln, das da gerade über sein Gesicht gehuscht ist? Sie ist sich nicht sicher; es ist ihr egal! Im Augenblick fühlt sie sich wohl. Behaglich kuschelt sie sich nun in den flauschigen Pelz ihres Meisters und mit einem seligen, kleinen Lächeln auf dem Gesicht ist sie auch schon gleich eingeschlafen. Sesshomaru wirft noch einmal einen kurzen Blick auf das kleine Geschöpf in seinem Arm. Welche Ironie! Ein kleines, wehrloses Menschenmädchen fühlt sich geborgen in den Armen eines eiskalten Youkai-Fürsten.. Sie hat ihn lieb, hat sie gesagt. Darauf erwartet sie doch hoffentlich keine Erwiderung. Nun wendet er seinen Blick wieder nach vorne in die Dunkelheit und setzt unbeirrt und zügig seinen Weg fort. Nur ganz behutsam zieht er das kleine Mädchen noch ein Stückchen näher an sich, und diese beiläufige Geste macht jede Erwiderung völlig überflüssig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)