Chiisana LOVE-STORIES von Ditsch (Die ultimative Anime-Crossover-Dating-Fanfic) ================================================================================ Kapitel 47: Ginga und Bouquet - Kein Spiel ------------------------------------------ Von Diesmal haben wir die Charaktere nach ungewöhnlichen Kriterien ausgewählt: Wir haben geschaut, welche Anfangsbuchstaben von Vornamen der bisher verkuppelten Figuren noch nicht vorkamen und darunter waren die Anfangsbuchstaben B und G. Also haben wir lange überlegt und sind schließlich auf Bouquet und Ginga gestoßen, die uns ganz gut zusammenzupassen schienen. Lasst euch nicht davon abhalten, wenn ihr die Charaktere nicht kennt, wie immer ist die Geschichte so geschrieben, dass man auch als vollkommener Neuling in beiden Serien (hoffentlich) alles versteht. Übrigens hier noch eine allgemeine Empfehlung: Die zweite Staffel von Blue Dragon, „Tenkai no Shichiryuu“ (hier übersetzt als „7 Dragons of the Sky“), auf der die Geschichte basiert, ist wirklich interessant und abwechslungsreich, selbst, wenn ihr die Hauptcharaktere nicht so mögt (so wie ich). Metal Fight Beyblade möchte ich dagegen niemandem empfehlen, da die Story sich um Folge 14 als absoluter Schwachsinn herausstellt. Ginga ist aber trotzdem ganz nett, also lasst euch davon jetzt nicht davon abhalten, diese cyberspacige Geschichte zu lesen. Viel Spaß damit! Kein Spiel „Gingaaa! Guten Morgen!“ Kenta Yumiya kam munter wie immer die kleine Wendeltreppe herunter, die in den Keller unter dem Laden B-Pit führte. Der Angesprochene, ein Junge von rund 14 Jahren mit feuerrotem, wild nach oben stehendem Haar, saß halb auf dem kleinen Sofa, das er Nachts auch als Schlafstätte benutzte. Er machte sich über ein paar Sandwiches her, die auf einem kleinen Teller vor ihm gestapelt waren. „Aah, Kenta. Morg'n.“, rief er mit vollem Mund und hob eine Hand zum Gruß, während er sich mit der anderen das nächste Sandwich griff. Kenta trappelte zu dem kleinen Tisch vor dem Sofa und begrüßte auch Madoka, deren Vater der Laden gehörte, unter dem sie sich gerade befanden. Sie lächelte und wünschte ihm ebenfalls einen guten Morgen. „Warum bist du denn heute schon so früh hier?“, fragte sie interessiert. Auch Ginga beobachtete seinen kleinwüchsigen Freund in dem zitronengelben T-Shirt mit unverhohlenem Interesse, aß dabei aber weiter. Kenta grinste. „Das errätst du nie“, behauptete er aufgeregt. Madoka lächelte. „Es hat bestimmt was mit Beybladen zu tun“, vermutete sie und stützte ihr Kinn auf eine Hand. Kenta schüttelte sofort den knallgrünen Haarschopf. „Nein, zur Abwechslung nicht“, sagte er. „Ich wusste gar nicht, dass du dich noch für was anderes als Beybladen interessierst“, stellte Madoka überrascht fest. Ginga dagegen senkte den Blick und widmete sich der Aufgabe, mit den Fingerspitzen die restlichen Krümel und Kerne von seinem Teller aufzupicken. Wenn es nicht um Beyblade ging, war es für ihn sowieso nicht interessant. „Hey, Ginga, hörst du mir zu?“, fragte Kenta. Ginga hob träge den Kopf und bemerkte, dass der Kleine ein bisschen enttäuscht zu sein schien, dass er sich gar nicht für seine große Neuigkeit interessierte. „Ja, ich hör zu“, behauptete er. Die Miene des Grünhaarigen hellte sich auf. „Dann schau her! Das ist das Spiel das Jahres“, rief er und zauberte hinter seinem Rücken eine Plastikverpackung in Buchgröße hervor, auf der vorne ein buntes Bild unter einem großen Logo der Aufschrift „Blue Dragon – 7 Dragons of the Sky“ prangte. Ginga runzelte die Stirn. „Was ist das?“, fragte er der Form halber. Kenta legte die flache Packung auf den Tisch und klopfte stolz darauf. „Das ist ein brandneues Videospiel! Heute wurde es ausgeliefert und ich hab es geschafft, gleich eins davon zu bekommen! Ich habe seit vier Uhr Morgens vor dem Kaufhaus dafür angestanden!“ Madoka legte den Kopf schief. „Ich habe auch schon davon gehört, die Fans sind schon ganz wild darauf gewesen, weil es der zweite Teil dieser Videospielreihe ist und der Vorgänger wohl sehr beliebt war...“, steuerte sie bei. Kenta sah sie begeistert an. „Genau! Ich hab das alte Spiel mal bei Tsutomu zu Hause ausprobiert und es war total toll! '7 Dragons of the Sky' soll sogar noch besser sein, was die Grafik und das Gameplay angeht. Die Trailer sahen jedenfalls toll aus.“ Ginga lehnte sich im Sofa zurück. „Ich versteh nicht, warum du deswegen so ausflippst“, gab er zu, „es ist doch nur ein Videospiel.“ Kenta sah ihn enttäuscht an. „Du musst es selber mal ausprobieren, bevor du irgendwas dagegen sagen kannst, Ginga“, murmelte er. „Das ist eine gute Idee. Wir könnten es sofort machen“, schlug Madoka vor und stand auf, um zu dem Computer zu gehen, der in einer Ecke des kleinen Raumes, den sie normalerweise als Werkstatt benutzte, stand. Nachdem sie diverse Geräte, die sie zum Analysieren und Reparieren von Beyblades benutzte, zur Seite geschoben hatte, hockte sie sich vor den Schrank und zog aus einer der Schubladen eine Xbox hervor, um sie schnell und geschickt an den Computerbildschirm anzuschließen. Ginga rutschte nur ein bisschen tiefer in die Sofapolsterung und seufzte. Irgendwelche neuen Videospiele auszuprobieren war eigentlich das Letzte, was er in diesem Moment tun sollte... Kenta hüpfte neben Madoka, wo er die Schutzhülle um das Spiel mit etwas Mühe abriss und dann die Schachtel öffnete, in der die CD mit dem Spiel lagerte. Dann legte er sie ein. Beide traten ein Stück zurück, während auf dem Bildschirm das Logo des Herstellers aufleuchtete. Ginga gähnte verhalten. Nach einer kurzen Eingangssequenz, in der zu einer poppigen Eingangsmelodie die Charaktere des Spiels – der Hauptcharakter war offenbar ein Junge mit braunem, widerspenstigem Haar, der von einem blauen geflügelten Drachen begleitet wurde – durcheinanderwirbelten, tauchte das Menü auf, das nur aus den Punkten >Neues Spiel beginnen und >Einstellungen bestand. Kenta drehte sich um. „Ginga, los komm! Du darfst auch anfangen“, schlug er vor. Der Rothaarige verdrehte innerlich die Augen. Er mochte Kenta, weil er immer so geradeheraus ehrlich und ehrgeizig war, aber er hatte eben keine Ahnung, warum er auf keinen Fall seine Zeit mit Videospielen vergeuden wollte. Doch Madoka unterstützte Kenta in diesem Fall: „Eine halbe Stunde oder so mit dem Spiel zu verbringen wird dir nicht schaden“, bemerkte sie. Ginga wollte nicht gern widersprechen, schließlich waren die beiden immer nett zu ihm gewesen: Madoka ließ ihn schon seit über zwei Wochen bei sich wohnen und versorgte ihn die meiste Zeit mit Essen, während Kenta ihn mit sämtlichen Beybladern der Stadt bekannt gemacht hatte und sein bestes gab, um ihm kein Klotz am Bein zu sein. Irgendwie hatte er das Gefühl, ihnen dafür einen Gefallen tun zu müssen, und wenn es nur rund eine halbe Stunde Videospielen war. Er erhob sich umständlich vom Sofa und ließ sich vor der Konsole auf den Hosenboden fallen. „Na, dann wollen wir mal“, murmelte er, griff nach dem Controller und wählte die Option Neues Spiel beginnen. „Ginga...!“, rief Kenta gerührt. Wie Ginga sich gedacht hatte, allein schon der Ansatz genügte, um Kenta einen Gefallen zu tun. Das Spiel begann mit dem Hauptcharakter Shû, der, wie der Prolog erklärte, ein Schattenbändiger gewesen war und so die Fähigkeit besessen hatte, aus seinem Schatten einen großen blauen Drachen, Blue Dragon, zu beschwören und mit diesem zu kämpfen. Diese Fähigkeit hatte er allerdings im finalen Kampf gegen das Böse verloren, sodass er zu Beginn nur noch ein ganz normaler 14-jähriger Junge war. Der Einstieg bestand aus einem Kampf Shûs gegen die Truppen des Generals Logi, den Ginga ausfechten musste, indem er die Kontrolle über Shû übernahm. Mit Kentas Ratschlägen, wie er sich am besten bewegen und welche Knöpfe er drücken musste, gelang es ihm trotz ein paar Patzern und einem Gameover am Anfang recht schnell, sich in das Spiel hineinzufinden. Eigentlich ging es nur darum, einen aus der speziellen Rüstung, die Shû trug erscheinendes Schattenmonster zu lenken und es mit seinem Schwert die Gegner angreifen zu lassen. „Ich wusste es, Ginga! Du bist der geborene Videospieler!“, jubelte Kenta, als er dem letzten Gegner den Gnadenstoß verpasste. „Ja, du bist wirklich gut“, stimmte Madoka zu. Ginga grinste unwillkürlich. Irgendwie machte es ja schon Spaß. „Darf ich noch weiterspielen?“, fragte er verlegen. „Klar, solange du willst“, sagte Kenta. Er hatte schon seit Tagen das Gefühl, dass Ginga irgendetwas unglaublich Ernstes mit sich herumschleppte, von dem er sich einfach nicht lösen konnte, auch wenn er einen Bey-Battle austrug. Jetzt allerdings wirkte er zwar konzentriert, aber nicht mehr so innerlich angespannt, wie zuvor. Kentas Plan, das durch das Spiel zu erreichen, war also voll aufgegangen. Ginga wandte er sich wieder dem Bildschirm zu, wo der nächste Teil der Geschichte in einer animierten und synchronisierten Videosequenz erzählt wurde: Shû und seine anhängliche Begleiterin Bouquet beobachteten, wie ein roter Meteorit vom Himmel fiel und begegneten in dem dadurch entstandenen Krater einem kleinen grünhaarigen Jungen, der sich als Neu vorstellte. Als sie daraufhin von einem roten Drachen angefallen wurden, stellte Neu die Fähigkeiten von Shû wieder her, seinen Drachenschatten zu rufen und Ginga musste sich erneut einem Kampf stellen. Ginga begann den Kampf, indem er Blue Dragon immer wieder blaue Energiestrahlen auf seinen Gegner abschießen ließ. Während Kenta wie gebannt auf den Bildschirm starrte, um jede der Bewegungen Blue Dragons zu beobachten und hin und wieder kleine Tipps an Ginga zu murmeln, beobachtete Madoka den rothaarigen Beyblader. Sein Blick hing wie hypnotisiert am Bildschirm, seine Finger flogen immer schneller über die Tasten des Controllers, bis es fast unmenschlich wirkte, wie schnell er sich bewegte. Madoka schluckte und tippte ihn vorsichtig an, was er nicht einmal zu registrieren schien. Er war vollkommen in dem Geschehen versunken, feuerte gegen den roten Drachen, wich aus und startete erneute Angriffe. „Wow, du bist sauschnell!“, rief Kenta fasziniert, der noch gar nicht bemerkt hatte, was vor sich ging. Ginga reagierte nicht auf seinen Ausruf. Madoka wurde das Ganze langsam unheimlich. „Ginga!“, rief sie, aber auch darauf regierte er nicht. Kenta allerdings hörte sie und drehte sich um. Wie in einem schrecklichen Alptraum, in dem man einfach an seinen Platz gefesselt ist und nur passiv zusehen kann, wie die schrecklichsten Dinge passieren, waren die beiden viel zu überrascht um etwas zu tun, als Ginga auf einmal rückwärts auf den Boden fiel. Seine Augen schlossen sich, der Controller entglitt seinen Händen und landete mit einem viel zu lauten Klacken auf dem Boden. Dann rührte er sich nicht mehr. Die beiden anderen brauchten mehrere zähe Sekunden, um zu realisieren, was soeben passiert war. Dann stürzten beide neben Ginga und riefen seinen Namen. „Ginga! Wach auf!“, rief Kenta und schüttelte den Rothaarigen. Sein Kopf ruckte dabei hin und her, aber er kam nicht wieder zu sich. Sofort bildeten sich Tränen in den Augenwinkeln des Grünhaarigen. „Ginga! Was ist los mit dir?“, rief er verzweifelt. Madoka schluckte ihre eigene Unsicherheit hinunter und fühlte unter Gingas Schal nach seinem Puls. Sie brauchte viel zu lange, um ihn zu finden, aber schließlich spürte sie doch das Pochen unter ihren Fingerspitzen. „Er atmet noch“, versicherte sie Kenta mit unsicherer Stimme. Der nickte, aber er sah nicht wirklich beruhigt aus. „Ginga...“, murmelte er. Madoka schluckte und stand auf. „Ich werde einen Krankenwagen rufen“, sagte sie so gefasst wie möglich und eilte dann zur Treppe nach oben. Kenta sah ihr kurz nach und blickte dann wieder seinen Freund an, der sich weiterhin nicht rührte, aber immerhin ruhig atmete. Fast schien es, als würde er schlafen. Ginga, du hast dich so toll geschlagen!, tönte auf einmal eine Mädchenstimme an Kentas Ohr. Sie kam aus den Boxen des Computers, auf dem immer noch das Videospiel lief. Langsam drehte sich Kenta um. Hey, ich konnte ihn nicht mal besiegen. Ich bin voll der Anfänger, sagte Gingas Stimme. Auch sie kam aus dem Spiel. Kenta traute seinen Augen nicht, als er erkannte, dass auf dem Bildschirm eine Zeichung von Ginga zu sehen war, der von Bouquet umarmt wurde. Dann wurde das Bild durch das des kleinen Neu ersetzt. Ihr wisst hoffentlich, dass das erst der Anfang war, sagte er. Gleichzeitig erschien der entsprechende Text in einer dunklen Blase unten auf dem Bildschirm. Als nächstes wurde das Bild eines großen Fluggeräts eingeblendet. Da kommen die Truppen von General Logi, sie wollen bestimmt untersuchen, was hier passiert ist, sagte Bouquet, deren Gesicht nun wieder auf dem Bildschirm erschien. Logi? Das ist doch der, gegen den ich eben gekämpft habe, sagte nun Ginga, der genau wie die anderen Spielecharaktere auf dem Bildschirm eingeblendet war. Kenta sah ihn an, während der von ihm gesprochene Text wortwörtlich auf dem Bildschirm angezeigt wurde, dann drehte er sich wieder zu seinem Freund um, der sich weiterhin nicht rührte. Wie seltsam...! Du bist Bouquet, stimmt's?, tönte Gingas Stimme nun aus dem Lautsprecher. Natürlich, Ginga! Wir kennen uns doch schon so lange!, kam es verständnislos zurück. Offenbar hatte Ginga die Rolle des Hauptcharakters Shû eingenommen, aber wie war das möglich? „Hey, Ginga, hörst du mich?“, fragte Kenta ohne große Hoffnung. Ahaha, natürlich, wir kennen uns ja hier schon voll lange, sagte Ginga zu Bouquet. Er klang ein bisschen verlegen dabei. Madoka kam die Treppe wieder runter. „Sie sind gleich da“, verkündete sie. Kenta nickte und deutete wortlos auf den Bildschirm, wo nach ein paar Sätzen von Neu schon wieder Gingas Bild erschienen war. Madokas Augen weiteten sich. „Wa- was ist das denn?“, stieß sie aus. „Irgendwie sieht es so aus, als wäre Ginga jetzt der Held von 'Blue Dragon'“, sagte Kenta tonlos. Madoka hockte sich neben den richtigen Ginga und schüttelte ihn vorsichtig, aber natürlich erfolgos. „Das … ist einfach unglaublich“, sagte sie leise. Kenta nickte stumm. Beide schwiegen eine Weile und schauten dem Spiel zu, das ohne ihr Zutun weiterlief. Ginga, Bouquet und Neu entfernten sich von dem großen Krater und beobachteten von hinter einem Felsen, wie Logis Truppen die Einschlagstelle untersuchten. Dann kam Madokas Vater die Treppe hinuntergetrampelt und eilte zu ihnen. „Er ist ja wirklich ohnmächtig“, stellte er fest und kniete sich neben Ginga. Wer zum Teufel bist du denn?, fragte Ginga im Spiel. Ihm gegenüber stand nun ein rothaariger Mann mit spitz zulaufenden Ohren, der ähnliche Kleidung wie Neu trug. Mein Name ist unwichtig, aber wenn du ihn unbedingt wissen willst... ich bin Michael. Ich würde gerne deine Stärke sehen, Schattenbändiger Ginga Hagane. Madoka drehte sich zu ihrem Vater um. „Siehst du? Er ist irgendwie in dem Videospiel gelandet“, sagte sie missmutig. „Das klingt fast zu unglaublich, um wahr zu sein...“, murmelte er. Auf dem Bildschirm setzte ein Kampf zwischen Michael und Ginga an. Doch der Gegner war stark und beschwor einen roten Drachenschatten, dem Blue Dragon nicht viel entgegenzusetzen hatte. „Ginga...!“, rief Kenta, als der Charakter auf dem Bildschirm durch die Luft geschleudert wurde und verletzt am Boden landete. „Was passiert wohl mit Ginga, wenn er Gameover ist?“, fragte Madoka und rutschte unruhig auf dem Boden hin und her. Keiner beantwortete ihre Frage. Alle drei sahen nun zu, wie Ginga sich wieder hochkämpfte und Blue Dragon schwer atmend befahl, wieder anzugreifen. „Können wir denn nichts tun?“, fragte Kenta leise und griff nach dem Controller. Madoka zog die Anleitung aus der Packung, der keiner von ihnen bisher einen großartigen Blick gewidmet hatte und begann eilig zu blättern. Erneute Stille kehrte ein bis sie schließlich die lauten Sirenen des Krankenwagens hörten. Madokas Vater stand auf, um den Sanitätern den Weg zu zeigen, die kurz darauf im Keller erschienen und Gingas leblosen Körper zu zweit die Treppe hoch schleppten. Die beiden Jugendlichen sahen ihnen nach, doch als Madokas Vater sie fragte, ob sie nicht mit ins Krankenhaus kommen wollten, verneinten sie. „Ich glaube, wir müssen erst mal dafür sorgen, dass Ginga hier im Spiel nicht besiegt wird“, sagte Madoka ernst, „außerdem kann es sein, dass wir das Spiel erfolgreich beenden müssen, damit er wieder aufwacht. Wir wissen ja nicht, was passiert, wenn wir das Spiel abbrechen. Vielleicht stirbt er dann!“ Kenta war anzusehen, dass ihm diese Perspektive ziemliche Angst machte, denn er stimmte ihr sofort ohne Wenn und Aber zu. Der Erwachsene seufzte, aber er sah ein, dass die beiden von ihrer Position sehr überzeugt waren. Da ihm auch nichts Besseres einfiel, ließ er sie im Keller zurück, um dafür zu sorgen, dass Ginga ohne Probleme abtransportiert wurde. „Ah! Ich hab was! Kenta, wenn du die Start-Taste drückst, kannst du den Charakter wechseln!“, rief Madoka nur wenige Sekunden später. Kenta tat sofort wie geheißen. Charakter wechseln zu Bouquet?, fragte der Text auf dem Bildschirm. Kenta drückte die „Bestätigen“-Taste. Irgendwie setzte das eine neue Spielszene in Gang. Neu, ich muss Ginga irgendwie helfen! Was soll ich tun?, rief Bouquet. Der kleine Grünhaarige sah sie zerknirscht an. Okay, ich kann dir helfen. Pass auf, sagte er und trat einen Schritt zurück. Wie sich zeigte, war Ginga damit erst mal gerettet: Neu konnte Bouquet nicht nur ihr wie ein Nilpferd aussehendes Schattenmonster Hippopotamas wiederherstellen, sondern ihr auch noch die Fähigkeit verleihen, mit Ginga zu fusionieren. Dadurch erlangte Blue Dragon eine Rüstung, die ihn so stark machte, dass er Michael zumindest zurückschlagen konnte. Ich habe mich entschieden, Ginga Hagane, verkündete dieser im Anschluss. Nun beginnt das Training. Mach dich bereit!. Damit verschwand er. Nicht nur Ginga, Bouquet und Neu auf dem Bildschirm, auch Kenta und Madoka vor der Konsole stießen laute Seufzer der Erleichterung aus. Ginga war ein bisschen genervt, als die nun vierköpfige Gruppe sich wieder auf den Weg machte. Nachdem sie gegen den mysteriösen Michael gekämpft hatten, waren sie aufgebrochen, so genannte alte Freunde wieder aufzusuchen, die man wohl aus dem Vorgängerspiel hätte kennen müssen. Der erste von ihnen war Marumaro gewesen, ein kleinwüchsiger gelbhäutiger Junge mit langen Ohren und einer ziemlich perversen Vorliebe für hübsche Frauen. Sein Schattenmonster, Saber Tiger, war allerdings äußerst stark und vor allem schnell. Marumaro hatte sich der Gruppe liebend gern wieder angeschlossen, auch wenn er sich zunächst mit Neu nicht besonders gut verstanden hatte. Nun waren sie auf der Suche nach einem weiteren alten Freund, Jiro, von dem sie eigentlich kaum wussten, wo sie ihn suchen sollten. Ich kann langsam nicht mehr...!, jammerte Neu. Ginga warf ihm einen genervten Blick zu. Er wusste schon, warum er im realen Leben lieber allein unterwegs war. Jetzt reiß dich zusammen, wir sind noch den ganzen Tag unterwegs, sagte er scharf. Bouquet seufzte und hakte sich bei ihm ein. Mensch Ginga, warum bist du immer so genervt?, fragte sie. Früher warst du so ein toller Anführer und alle waren gerne mit dir zusammen. Wenn du so weitermachst vergraulst du Neu-chan und Marumaro noch wieder und Jiro hat dann auch keine Lust, uns zu begleiten... Ginga verdrehte nur die Augen. Bouquet gehörte immerhin noch zu denen in ihrer Gruppe, die er einigermaßen mochte. Sie war süß, kümmerte sich immer rührend um ihn und bemühte sich ernsthaft, ihm keine Umstände zu machen. Ganz im Gegensatz zu Neu, der sich oftmals wie ein verwöhntes Kind benahm, und Marumaro, der ständig zwischen Heißhunger und dämlichen Baggerattacken auf unbescholtene junge Frauen schwankte. Er hoffte, dass sich wenigstens dieser Jiro als einigermaßen erträglicher Zeitgenosse herausstellen würde. Sein einziger Trost war, dass dies ja nur ein Videospiel war und er sich keineswegs ewig mit den Charakteren abgeben müsste. Er schritt ein bisschen forscher aus und hängte die nörgelnden Neu und Marumaro ein bisschen ab. Nur Bouquet hielt mit ihm Schritt und griff wie sonst auch immer nach seinem Arm, um sich an seine Schulter zu schmiegen. Ginga...?, fragte sie zögernd. Er sah sie aufmerksam an. Irgendwie mochte er sie als Charakter – sie war ganz hübsch mit ihren dunklen Haaren und den amethystfarbenen Augen und bewies auch einen ansehnlichen Geschmack für Kleidung mit ihrem rosa Oberteil und Rock, den brombeerfarbigen Stulpen und der hübschen hellroten Schärpe. Ginga war zwar kein Modefanatiker, aber Marumaros Kleidung – nicht mehr als eine rote Hose und ein gleichfarbiger Umhang – oder die von Neu – ein grün-schwarz kariertes Wams mit einem ekligen großen Auge auf der Brust – fand er ziemlich hässlich. Was ist denn, Bouquet?, fragte er freundlich. Sie errötete. Ginga, ich... vielleicht mache ich mir ja auch falsche Hoffnungen, aber du bist in letzter Zeit so nett zu mir geworden..., erklärte sie verlegen und sah ihn schüchtern an. Ginga blieb stehen und sah sie befremdet an. Er hatte eine dunkle Ahnung, was jetzt kommen würde, hoffte aber, dass sie sich nicht bewahrheiten würde. Ginga, ich hab dich so wahnsinnig gern!, sagte Bouquet und umarmte ihn. Das war genau das, was er befürchtet hatte. Nicht, dass es ihm nicht gefiel, von ihr umarmt zu werden, aber... Ginga drückte Bouquet von sich weg. Jetzt mach aber mal halblang, wir sind hier doch nicht in einer Dating-Sim!, grummelte er. Sie sah ihn verständnislos an. In einer was? Ginga schloss die Augen und seufzte. Also, so langsam habe ich auf dieses Spiel doch keine Lust mehr, verkündete er. Bouquet, Marumaro und Neu sahen ihn fragend an. Was denn für ein Spiel, Maro?, fragte Marumaro, der die lästige Angewohnheit hatte, in jeden Satz irgendwo ein sinnloses „Maro“ einzubauen. Ginga sah verwirrt in die Runde. Schon beim Kampf gegen Michael war es ihm ein wenig seltsam vorgekommen, wie real sich alles angefühlt hatte und wie leicht es ihm gefallen war, Blue Dragon zu lenken, aber erst jetzt merkte er, dass er nicht einfach nur voll auf das Spiel konzentriert war, sondern dass er weder einen Controller in der Hand hatte noch sich im Keller des B-Pit zwischen Madoka und Kenta befand. Und wieso wurde er eigentlich Ginga genannt, wo er doch eigentlich der Hauptcharakter Shû hätte sein müssen? Ginga schluckte. War es wirklich möglich, dass er irgendwie in dem Spiel gelandet war? „Irgendwelche Neuigkeiten?“, fragte Madoka, als ihr Vater den Keller mit einem Tablett mit Keksen und Saft betrat. Er schüttelte den Kopf. „Die Ärzte haben keine Ahnung, was mit ihm los ist. Rein theoretisch müsste er wach sein, sagen sie. Er braucht ja auch keine lebenserhaltenen Maßnahmen oder sowas...“ Er stellte das Tablett auf den Tisch vor dem Sofa und hockte sich zwischen Kenta und Madoka. Auf dem Bildschirm flogen schon wieder die Fetzen. Ginga kämpfte mit Blue Dragon und Kenta hatte die Kontrolle über Marumaro übernommen, während sie zu zweit gegen eine auf seltsame Art und Weise zum Leben erwachte Pyramide angingen, die sich immer mehr der Stadt näherte, die sie zu verteidigen versuchten. Madoka seufzte. „Ich fürchte, wir müssen wirklich das Spiel bis zum Ende durchspielen“, stellte sie fest. „Ihr könnt aber doch unmöglich vierundzwanzig Stunden am Tag wach bleiben und spielen“, sagte ihr Vater streng. „Wir wechseln uns eben ab“, sagte Kenta, ohne den Blick vom Bildschirm zu lösen. „Madoka ist ja auch geschickt genug. Wir müssen nur dafür sorgen, dass Ginga bis zum Schluss am Leben bleibt.“ Dennoch wirkte Madokas Vater nicht überzeugt. „Ihr macht euch damit nur kaputt“, mutmaßte er. Madoka sah ihn ernst an. „Aber es ist der einzige Weg, Ginga zu helfen“, sagte sie. „Übrigens habe ich die Presse angerufen“, sagte Madokas Vater, nachdem er mehrere Minuten abwesend auf den Bildschirm gestarrt hatte. „Sie interessieren sich für den Vorfall und wollten nachher vorbeischauen, um sich zu überzeugen, dass ich die Wahrheit gesagt habe.“ Madoka spielte abwesend mit der Schutzbrille, die sie immer in den Haaren trug. „Die haben dir das geglaubt?“, fragte sie. „Offenbar ist Ginga kein Einzelfall. Die Frau von der Zeitung, mit der ich telefoniert habe, hat gesagt, sie würde die Geschichte schon das dritte Mal hören und so langsam würde sie nicht mehr an einen Scherz glauben.“ Madoka machte große Augen. „Dann liegt es also an dem Spiel?“ „Vermutlich schon“, sagte er und erhob sich ächzend wieder, „auf jeden Fall werde ich jetzt noch mal beim Spielehersteller anrufen und ihnen die Sache schildern. Irgendwas müssen die doch dagegen machen können.“ Er verschwand nach oben und ließ Kenta und Madoka wieder allein, wo sie gemeinsam das Kampfgeschehen verfolgten. Saber Tiger, gesteuert von Kenta, stürzte sich wieder auf die Pyramide, als auf einmal ein großer Felsbrocken von dieser aus auf ihn geschleudert wurde. „Kenta!“, kreischte Madoka. Er versuchte noch, auszuweichen, doch sein Charakter wurde frontal getroffen und stürzte in den Sand. Seine Lebensenergieleiste sank komplett auf Null. Ginga hielt inne, doch ein neuer Angriff mit Felsbrocken zwang ihn, sich wieder auf den Kampf zu konzentrieren. Marumaro!, rief er dennoch, während er unablässig mit Blue Dragons Schwert die auf ihn zuschießenden Felsbrocken traktierte. Bouquet, die mit Saber Tiger verschmolzen war, um ihn zu stärken, wurde aus der Verbindung geworfen und erschien neben Marumaro, über den sie sich verzweifelt beugte. Marumaro! Hörst du mich!?, rief sie schrill. „Eigentlich sterben Charaktere nur, wenn das von der Spielgeschichte so vorgesehen ist, oder?“, fragte Madoka vorsichtig. „Eigentlich schon“, nickte Kenta unsicher, „aber irgendwie ist das hier sowieso ganz anders... ich kann ja auch nicht beeinflussen, wie schnell das Spiel läuft und sowas.“ Marumaro! Das kann doch nicht wahr sein!, rief auch Neu, der den Kampf von der Stadtmauer aus beobachtet hatte. Ginga wurde derweil immer öfter von heranfliegenden Geschossen getroffen, auch wenn keines davon ihn ernsthaft verletzte. Neu! Was muss ich tun um dieses Ding aufzuhalten?!, schrie er aus dem Kampfgeschehen heraus. Ja, los, tu was!, brüllte Legolas, ein alter Freund der Gruppe, den sie in der Stadt unerwartet wieder getroffen hatten, und der ziemlich hilflos neben Neu stand und dem Kampf nur zusehen konnte. Er packte Neu am Kragen und schüttelte den kleinen Grünhaarigen kräftig durch. Dieser röchelte. Ich- ich weiß doch auch nicht, was wir machen sollen! Keine Ahnung!, schrie er verzweifelt. „Kenta, was ist das da oben auf der Pyramide? Dieses rote Ding?“, rief Madoka. Kenta sah sofort, was sie meinte. „Das habe ich schon die ganze Zeit im Auge, aber wie soll ich Ginga denn klarmachen, dass er das angreifen soll?“,sagte er verzweifelt und schüttelte den Controller. Madoka rückte neben ihn. „Hast du schon versucht, den Charakter zu wechseln?“, fragte sie. „Ich kann doch nur Bouquet übernehmen! Sie könnte höchstens mit Ginga fusionieren, aber davon weiß er immer noch nicht, was er machen soll!“, protestierte der Kleine mit einem Anflug von Panik. „Egal!“, rief Madoka und schnappte ihm den Controller aus der Hand, um den Knopf zu drücken, mit dem man einen Charakterwechsel vornahm. Zu ihrer beiden Erstaunen erschien nicht nur die Option, zu Bouquet zu wechseln, man konnte auch Neu auswählen. Madoka tat dies sofort. Natürlich, das ist es!, rief Neu und Legolas setzte ihn endlich wieder am Boden ab. Der Kleine kletterte auf eine Burgzinne und kniff die Augen zu, um das rote Ding an der Pyramidenspitze zu inspizieren. Tatsächlich, es ist eine Dragon Scale!, rief er. Gingaaa! Konzentrier' dich auf das rote Ding an der Spitze! Der Kämpfer fuhr herum und nickte. Das ist doch mal ein Anhaltspunkt. Los, Blue Dragon!, stieß er aus und machte einen Satz nach oben. Warte, Ginga, ich helfe dir!, rief Bouquet und sprang auf. Marumaro hatte sich noch nicht wieder gerührt. Los geht’s, Hippopotamas, befahl sie und verschwand in einem rosa Wirbel, der sich um Blue Dragons Oberkörper legte und einmal mehr zu seiner Rüstung wurde. Ginga ließ Blue Dragon mit seinem großen Schwert ausholen. Blue Dragon! Shining Blue Blaster!! Aus dem Schwert löste sich ein Energiestrahl, der das rote Ding, das die Form eines zusammengerollten Drachen hatte, frontal traf und vollkommen zersplittern ließ. Der Kampf war vorbei. Madoka und Kenta fielen sich erleichtert in die Arme. Allerdings war noch nicht alles vorbei: Marumaro! Jetzt wach doch auf, rief Ginga und beugte sich über den bewegungslosen Gelbling. „Sollte er wirklich tot sein?“, fragte Madoka. Kenta schluckte. „Das kann eigentlich nicht sein. Wenn Charaktere sterben, gewinnt man normalerweise die Oberhand im Kampf und dann setzt eine Videosequenz ein, wo er getötet wird. Nicht einfach so durch Verlust der Lebensenergie.“ Das änderte allerdings nichts daran, dass Marumaro sich weiterhin nicht rührte und das Spiel damit weiterging, dass der Kleine in der Wüste begraben wurde. Bei der Beerdigung weinten Bouquet und Neu sich regelrecht die Augen aus, während Ginga unbeteiligt daneben stand und ein wenig verloren aussah. „Das sollte nicht passieren“, sagte Kenta leise, „Marumaro war ein guter Kämpfer. Ohne ihn könnte das Spiel ziemlich schwierig werden.“ Madoka nickte nur langsam und griff dann hinter sich. „Einen Keks?“, fragte sie kleinlaut. Die Stimmung war gedrückt, als die kleine Gruppe, bestehend aus Ginga, Bouquet und Neu, durch den Wald stapfte. Sie befanden sich auf dem Weg nach Moa, wo sie hofften, irgendwelche Antworten zu finden. Die "Oberen", zu denen auch Michael gehörte, hatten nach dem Krieg der Weißen Brigade gegen die Truppen des Generals Logi beschlossen, dass die Menschen es nicht mehr wert wären zu leben. Ginga und seine Freunde wussten, dass es nur einen Weg gab, der Vernichtung der Erde durch diese Drachenwesen zu entgehen, und der war, sie von der Gutartigkeit der Menschen zu überzeugen. Wie, das wussten sie leider nicht, und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als suchend durch die Lande zu ziehen in der Hoffnung, dass das Schicksal ihnen einen Wink zukommen lassen würde. Warum müssen bloß alle sterben...?, fragte Bouquet leise, als sie einen kurzen Halt an einer Hügelkuppe machten, von der aus man einen Blick über ein weites, grünes Tal hatte. Irgendwo weit unten lagen kleine Dörfer, umgeben von Feldern, auf denen sich die Menschen emsig mühten. Bouquet griff unwillkürlich nach Gingas Hand. Er drückte sie dankbar. Ich konnte überhaupt nichts tun, sagte er leise. Es war genauso wie bei seinem Vater – er hatte tatenlos zusehen müssen, wie jemand vor seinen Augen sein Leben aushauchte. Jiro war im vorhergegangenen Kampf von einer verirrten Attacke der Sleipnir-Monster unter Logis Kommando in den Rücken getroffen worden. Die Schattenbestie von Klug, einem friedfertigen Mädchen, das Ginga angeblich schon seit frühester Jugend kannte, war von den Angriffen der Weißen Brigade erwischt und beseitigt worden. Der junge Andropov, dem Klug so viel bedeutete, hatte allein versucht, sie zu verteidigen. Doch seine ohnehin schon schwächliche Konstitution hatte ihren Tribut gefordert: Mitten im Kampf war er einfach vor Erschöpfung zusammengebrochen und nicht wieder aufgewacht, sodass auch Klug schließlich den Schwerten ihrer Gegner zum Opfer gefallen war. Bouquet umarmte Ginga vorsichtig. Er war froh, dass zumindest sie immer noch bei ihm war, denn wenn er ehrlich war, mochte er sie gerne – für einen Videospielcharakter natürlich. Aber gerade deshalb fand er es auch besser, dass sie ihr Liebesgeständnis vom Anfang nicht noch mal wiederholt hatte. Er hätte ehrlich nicht gewusst, was er darauf erwidern sollte. Einerseits mochte er sie ja, aber sie war doch nur eine Figur in einem Spiel. Hier läuft einfach alles schief, sagte er leise. Neu verschränkte die Arme, trat nachdenklich ein paar Schritte vorwärts und sah starr über die Berge. Es läuft wirklich nicht gerade günstig für uns. Wenn es so weitergeht, werden die Oberen bald wirklich die ganze Menschheit auslöschen, sagte er ernst. Das ist alles wegen mir, murmelte Ginga. Bouquet löste sich vorsichtig von ihm und sah ihn fragend an. Aber Ginga, du kannst doch nichts dafür, dass sich die Oberen gegen uns gewendet haben, sagte sie vorsichtig. Ginga schüttelte den Kopf. Er konnte nicht genau sagen, wie lange er schon mit den beiden unterwegs war, aber es waren bestimmt mehrere Monate. Manchmal, vor allem am Anfang, hatte er sich noch Gedanken darüber gemacht, was Madoka oder Kenta wohl gerade machten und wie viel Zeit für sie wohl verging, aber in letzter Zeit kamen ihm die beiden immer seltener in den Sinn. Seine Begleiter waren jetzt nun einmal Bouquet und Neu und er vertraute ihnen so, wie sie ihm auch. Es war wohl an der Zeit, wirklich ehrlich zu ihnen zu sein. Das passiert alles nur, weil ich hier bin. Wäre Shû hier, wäre bestimmt alles anders gelaufen, sagte er. Seinen Begleitern war das Unverständnis ins Gesicht geschrieben. Wer zum Teufel ist Shû?, erkundigte sich Bouquet vorsichtig. Ginga strich sich abwesend durch die Haare. Es ist jetzt vielleicht etwas schwer, euch das zu erklären, aber ihr seid meine Freunde, also will ich es versuchen..., kündigte er an. Es wird allerdings eine ziemlich lange Geschichte... Die drei ließen sich auf ein paar Baumstümpfen nieder und Ginga begann ruhig, ihnen zu schildern, wie er bei ihnen gelandet war und was er darüber dachte. Neu kratzte sich die ganze Zeit nachdenklich am Kinn, Bouquet dagegen wurde von Minute zu Minute unruhiger und wackelte die ganze Zeit mit den Füßen. Als Ginga schließlich zu verstehen gab, dass nun alles Wichtige gesagt wäre, sah sie ihn traurig an. Wenn das wirklich stimmt... Sind wir dann etwa nicht echt?, fragte sie bedrückt. Ginga wich ihrem Blick aus. Keine Ahnung..., murmelte er unverbindlich. Bouquet stand auf und sah zu Boden. Ihre Hände zitterten ein wenig. Es macht Sinn, du bist nämlich ganz anders, als ich mich an dich von früher erinnere, sagte sie langsam. Vermutlich sind das Erinnerungen an „Shû“, stimmte Neu ihr bei. Ginga nickte stumm. Ginga... heißt das denn auch, dass du mich nicht liebst?, fragte Bouquet mit zittriger Stimme. Er sah zögerlich zu ihr auf und bemerkte Tränen in ihren Augenwinkeln. Sein Inneres zog sich schmerzlich zusammen. Er wollte sie nicht weinen sehen, aber er wusste auch beim besten Willen nicht, was er tun sollte, um sie zu trösten. Auf Neu konnte er in so einer Situation sowieso nicht zählen. Der Kleine starrte nur auf seine Füße und wartete ab, was passierte. Bouquet drangen die Tränen mehr und mehr aus den Augen. Du denkst bestimmt, du bist was Besseres, weil du „echt“ bist und wir nur Figuren in einem Spiel, oder?, fragte sie mit schwacher Stimme. Bevor Ginga etwas dazu sagen konnte, drehte sie sich weg und verschwand mit eiligen Schritten im Wald. Neu und Ginga sahen sich besorgt an. Ich glaube, du solltest ihr nachlaufen, suggerierte Neu. Ginga erhob sich. Es war wohl doch keine so gute Idee, es euch zu erzählen, sagte er und schlug seinen Schal zurück. Neu wiegte nachdenklich den Kopf. Ich bin mir nicht sicher, aber es ändert doch nichts an der jetzigen Situation, oder?, fragte er. Ginga nickte missmutig. Okay, es war ein Fehler. Ich gehe ihr nach, nicht, dass ihr noch was passiert. Oder willst du mitkommen?, meinte er. Neu überlegte kurz. Ich glaube, das solltest du mit ihr allein klären. Ginga nickte entschlossen und schlug sich in die Büsche, immer der Spur an geknickten Zweigen folgend, die Bouquet hinterlassen hatte. „Mensch, Ginga...“, murmelte Kenta und kratzte sich am Kopf. „Das ist wirklich eine ungewöhnliche Entwicklung. Verliebt er sich etwa in das Mädchen aus dem Videospiel?“, fragte eine Frauenstimme hinter ihm, die er stur ignorierte. Irgendwann gegen Mittag war die junge Reporterin Mine bei ihnen im Keller erschienen, hatte sie mit Fragen zu Details des Geschehens bombardiert und sich schließlich regelrecht häuslich bei ihnen eingerichtet, um live dabei zu sein, wenn irgendetwas Wichtiges passierte. Auch die Entwickler des Videospiels hatten sich kurz blicken lassen, genauso wie zwischendurch noch ein paar andere Reporter und die Eltern von zwei anderen Jugendlichen, die auf ähnliche Weise in das Spiel hineingezogen worden waren. Mittlerweile saßen sie bereits den ganzen Tag vor dem Spiel und es war später Abend. Immerhin hatten ihnen die Erfinder des Spiels einige wertvolle Tipps dagelassen, wie das ganze am Ende ausgehen sollte, allerdings waren Dinge wie die Tode der anderen Hauptcharaktere ursprünglich nicht vorgesehen gewesen, sodass auch sie nicht genau gewusst hatten, ob das Spiel unter den gegebenen Umständen zu schaffen wäre. „Oh oh“, machte Kenta laut. Madoka, die schon seit zwei Stunden mehr oder weniger vor sich hin döste, weil sie vorhatte, Kenta demnächst abzulösen, sah auf. „Was ist?“, fragte sie träge. „Jetzt wird auch noch Bouquet angegriffen. Verdammt, Hildegard taucht auch immer dann auf, wenn man ihn am wenigsten braucht“, knirschte Kenta. Mine zog sofort ihren Notizblock hervor. „Das könnte spannend werden. Wird Ginga sie noch retten können?“, murmelte sie vor sich hin. Madoka warf ihr einen genervten Blick zu und rutschte dann neben Kenta. „Wieso ist Bouquet denn alleine unterwegs?“, fragte sie müde. „Ginga hat ihr erzählt, dass das alles nur ein Videospiel ist und das fand sie nicht so toll...“, deutete er an und verkrampfte seine Finger um den Controller. Madoka stöhnte. „Das hat uns gerade noch gefehlt!“ Ginga horchte auf, als er auf einmal durch die Büsche hindurch eine Frauenstimme vernahm, die ihm auf unangenehme Weise bekannt vorkam. Er verlangsamte seinen Schritt und bewegte sich von da an vorsichtiger, bis er langsam richtige Worte ausmachen konnte. ... lieber nicht sagen sollen. Jetzt bist du dran!, dröhnte eine Männerstimme klar und deutlich. Er versteifte sich. Es musste Hildegard sein, einer der Oberen, der zwar auf den ersten Blick aussah wie eine Frau, aber oft genug auch mit einer Männerstimme sprach und vermutlich ein Mischwesen aus beiden Geschlechtern war. Hatte er gegen ihn überhaupt eine Chance? Aber andererseits musste er Bouquet retten – sie auch noch zu verlieren wäre wirklich zu viel. Blue Dragon!, rief Ginga. Der Drache platzte über ihm in die Baumkronen und riss ihn an seinem Schatten vorwärts auf die nächste Lichtung, wo Bouquet sich hinter Hippopotamas versteckte. Vor den beiden stand aufrecht und mit beiden Händen in die Hüfte gestemmt Hildegard, ein menschlich aussehendes Wesen mit langem, dunkelgrünem Haar, das ungnädig auf das Mädchen und ihren Begleiter herabsah. Ginga stürmte mit Blue Dragon vor Bouquet. Wag es nicht, ihr auch nur ein Haar zu krümmen!, rief er böse. Bouquet richtete sich mühsam auf. Ginga...!, murmelte sie überrascht. Willst du mich etwa besiegen, Schattenbändiger Ginga Hagane?, fragte Hildegard mit seiner Männerstimme, um dann im weiblichen Tonfall fortzufahren: Du solltest wissen, dass ihr keine Chance gegen uns Obere habt. Ginga brachte sich dennoch in Kampfposition und zeigte dem Gegner einen entschlossenen Gesichtsausdruck. Ginga, bitte hör auf. Du hast doch selbst gesagt, dass ich nur eine Figur in einem Spiel bin!, rief Bouquet, die in der Zwischenzeit wieder auf die Beine gekommen war. Ginga drehte sich nicht zu ihr um, aber seine Worte waren deutlich an sie gerichtet: Das heißt aber nicht, dass ich dich hier einfach so sterben lassen kann! Ein kräftiger Windstoß kam auf, der kräftig an Gingas feuerrotem Haar und dem weißen Schal um seinen Hals riss. Auch Hildegards Haare wurden davon ganz schön durcheinander gewirbelt. Bouquet schluckte. Dann trat sie neben Ginga. Wenn du schon kämpfst, dann wenigstens mit mir zusammen, sagte sie tapfer. Ginga sah sie mit einem Blick an, in den er all seine Gefühle steckte – vor allem die Dankbarkeit, dass sie die ganze Zeit da war, aber auch ein nicht unerheblicher Teil von Zuneigung. Er mochte sie eben, egal ob sie eine Videospielfigur war oder nicht. Sie deutete den Blick offenbar richtig, denn sie lächelte ihn glücklich an, bevor sie sich entschlossen zu Hildegard drehte. Zusammen werden wir es dir zeigen!, verkündete sie und breitete die Arme aus. Hippopotamas, auf geht’s! Der Nilpferdschatten ballte entschlossen die Fäuste. Wie du befiehlst!, rief er motiviert und verschwand mit ihr zusammen, um wie so oft in einem Kampf zu einer Rüstung für Blue Dragon zu werden. Ginga hatte fast den Eindruck, die Kraft die ihn durchströmte, als sich die Verstärkung um seinen Schatten legte, wäre stärker als sonst. Ein breites Lächeln lief über seine Lippen. Natürlich war die Kraft stärker. Schließlich waren diesmal nicht nur ihre Körper, sondern auch ihre Gefühle vereint. Dir zeig ich's, Hildegard!! Der Kampf verlief überraschend schnell – und siegreich für Ginga. Es war schwer zu sagen, was dazu geführt hatte. Vielleicht war Hildegard einfach überrumpelt, vielleicht hatte er die Kraft Gingas unterschätzt oder dieser war durch die Fusion tatsächlich sehr viel stärker geworden als sonst. Jedenfalls dauerte es keine zehn Minuten und Hildegard lag, obwohl er sich vollständig in seine stärkste Form, die eines grünen Drachen, verwandelt hatte, am Boden. Blue Dragon verpasste ihm mit seinem Schwert ohne viel Federlesens den Gnadenstoß. Bouquet löste sich aus der Fusion und landete neben Ginga, um ihm schon im nächsten Moment um den Hals zu fallen. Ginga, du warst fantastisch!, rief sie und drückte ihn so fest an sich, dass er fast schon befürchtete, sie würde ihn zerquetschen. Hey, das hab ich doch nur mit deiner Hilfe geschafft, protestierte er. Sie ließ ihn ein bisschen los und sah ihn mit geröteten Wangen an. Er erwiderte ihren Blick sanft. Ja, er mochte sie. Schon von Anfang an. Und jetzt war es ihm sogar egal, dass sie eine virtuelle Figur war. Virtuell hin oder her – sie fühlte sich vollkommen echt an, als er sie in den Arm nahm und sich ihr näherte. Da wurde auf einmal alles um ihn herum dunkel. Das Ruckeln kam plötzlich und mit voller Gewalt. Mine schrie am lautesten auf und versteckte sich sofort unter dem dafür eigentlich viel zu kleinen Tisch. Madoka klammerte sich unwillkürlich an Kenta, der selbst vom Schock wie erstarrt dasaß und nur sehr entfernt registierte, wie das Regal mit dem Computer und Madokas wertvollen Geräten hin und her schwankte. Dann flackerte das Licht über ihnen. Im nächsten Moment war es stockfinster. Das Bild von Bouquet und Ginga auf dem Computerbildschirm erlosch. Als das Erdbeben vorbei war, ließ Madoka wieder los und atmete langsam ein. „Der Strom ist ausgefallen“, sagte sie überflüssigerweise. Da es mittlerweile auf elf Uhr zuging, kam auch von oben kein zusätzliches Licht. „Was wird jetzt aus Ginga?“, fragte Kenta. Madoka sprang auf. „Wir müssen ins Krankenhaus!“, rief sie und begann sich systematisch in Richtung Wendeltreppe zu tasten. Kenta klammerte sich hinten an ihrem T-Shirt fest, um den Weg ebenfalls zu finden. „He- hey, wartet auf mich!“, bat Mine und versuchte aufzustehen, wobei sie allerdings den Tisch, unter dem sie gesteckt hatte, so aus dem Gleichgewicht brachte, dass die noch darauf stehende Karaffe mit Saft umkippte und ihren Inhalt über sie ergoss. Kenta und Madoka bekamen davon sowieso nichts mehr mit, da sie gerade da die Treppe erreicht hatten. Madokas Vater war zum Glück im Laden und brachte sie so schnell er konnte in seinem Auto zum Krankenhaus. Unterwegs begegnete ihnen das helle Chaos auf den Straßen. Ein paar Menschen liefen aufgeregt auf den Straßen hin und her, die meisten Ampeln waren ausgefallen und dunkel war es auch noch. Immerhin schienen keine Gebäude Schaden genommen zu haben. Im Krankenhaus erkundigten sie sich nach dem Zimmer, in dem Ginga lag, um dann so schnell sie konnten ohne irgendwelche Ärzte und auf Krücken durch die Gänge Humpelnde umzurennen dort hin zu eilen. Nach dem Erdbeben wirkte hier schon wieder alles relativ normal. Sogar Strom gab es schon wieder, Madokas Vater vermutete, dass es für Notfälle ein Notstromaggregat gab. Vor dem Raum, in dem Ginga lag, kam es dann noch zu einem Zusammenstoß. Kenta hatte geglaubt, der Arzt, der eilig vor ihnen den Gang entlanggeschritten war würde an Gingas Tür vorbeigehen, doch genau das tat er nicht. Stattdessen blieb er direkt davor stehen, so dass der kleine Grünhaarige geradewegs in ihn hineinschlitterte, als er ebenfalls vor der Tür halten wollte. „Hoppala!“, rief der Arzt, den ein Schild an seinem Kittel als den Oberarzt Dr. Oisumi auswies. „Entschuldigung“, kam es von Kenta. Oisumi schien ihm das aber gar nicht übel zu nehmen, sondern er winkte freundlich ab. „Seid ihr Freunde von Ginga?“, fragte er. Madoka und Kenta nickten nervös. „Ich habe gerade von meiner Krankenschwester mitgeteilt bekommen, dass er offenbar wieder aufgewacht ist“, erklärte der Arzt, „Ich wollte gerade zu ihm rein, kommt doch mit.“ Damit stieß er die Tür auf. Kenta und Madoka drängelten sich sofort an ihm vorbei und stürzten in den sterilen weißen Raum, in dem nur ein einziges Krankenbett stand. In diesem loderte der feuerrote Schopf Gingas, der sich aufgesetzt hatte und gerade mit einer älteren Krankenschwester sprach, die neben seinem Bett stand und sich Notizen dazu machte. „Ginga!“, rief Kenta überglücklich und stieß sogar die Schwester zur Seite, um seinem Freund direkt um den Hals zu fallen. Madoka erschien neben dem Bett und konnte eine kleine Freudenträne nicht unterdrücken. „Hey, Kenta, Madoka, lange nicht gesehen“, sagte Ginga. Er wirkte ein bisschen erschöpft und nachdenklich, aber ansonsten vollkommen fit. Kenta drückte ihn noch einmal und schob sich dann wieder auf den Boden. Oisumi und Madokas Vater traten leise dazu und beobachteten, wie die Jugendlichen erst einmal mehrere glückliche Blicke austauschten. „Wir hatten echt Angst um dich“, sagte Madoka leise. Ginga kratzte sich verlegen am Kopf. „Ich bin doch ganz gut klargekommen...“, meinte er. „Ja, aber nur, weil Kenta die ganze Zeit die Nebencharaktere gesteuert hat, damit du das Spiel überstehst“, bemerkte Madoka. Ginga sah erst sie, dann Kenta erstaunt an. „Ihr wart das?“, fragte er verblüfft. Beide nickten. Er lächelte schmal. „Hey, dann muss ich euch ja echt dafür danken. Es war allerdings nicht gerade schön, dass alle gestorben sind.“ Kenta seufzte. „Es ging nicht anders. Sonst wärst du noch Gameover gegangen und wir wussten nicht, was dann passiert. Ich hatte eben auch schon Angst, dass du jetzt gar nicht mehr aufwachst!“ Ginga sah ihn freundlich an. „Hey, nicht weinen, Kenta!“, sagte er. „Ich... weine doch gar nicht“, stammelte der Kleine und wischte sich eilig die Tränen aus den Augen. Madoka kicherte leise. Dann sah sie Ginga fragend an. „Was ist mit Bouquet...?“, erkundigte sie sich vorsichtig. Ginga schloss die Augen und lehnte sich ein Stück in die Kissen zurück. „Sie war doch nur ein Spielcharakter“, meinte er tonlos. „Da hast du vorhin aber noch was anderes gesagt“, widersprach Madoka vorsichtig. Er sah sie nicht an, aber sein Gesicht zeigte einen schmerzlichen Ausdruck. „Ihr habt echt alles mitgekriegt, was?“, fragte er und schwieg dann eine ganze Weile. „Ich mochte sie gerne, ja“, sagte er schließlich, „aber wenn die Bouquet, die ich kennengelernt habe, tatsächlich irgendwo weiter existiert, dann hat sie jetzt ihren Shû wieder und wird sich an mich gar nicht mehr erinnern. Sie ist bestimmt glücklich.“ Kenta und Madoka sahen sich kurz an, dann nickten sie einstimmig. „Bestimmt“, sagte Madoka abschließend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)