Chiisana LOVE-STORIES von Ditsch (Die ultimative Anime-Crossover-Dating-Fanfic) ================================================================================ Kapitel 46: Zero und Haine - Warmer Sommerregen und kalte Schulter ------------------------------------------------------------------ Von Erstmal: Tut mir leid, dass die Geschichte schon wieder so spät kommt! Na ja, hierbei handelt es sich um das Wunschpairing von . Wir fanden das Pairing ganz gut, weil die beiden ungefähr im selben Alter sind und wir sie uns auch gut zusammen vorstellen konnten^^ Auch das Problem, dass sie in verschiedenen Welten leben, gab es nicht. Aber das heißt natürlich nicht, dass der Beziehung der beiden nichts mehr im Wege steht! Wenn ich irgendwelche Charaktere falsch dargestellt habe, tut es mir leid. Weder Shinshi noch Vampire Knight gehören zu den Mangas, die ich besonders oft gelesen habe... Warmer Sommerregen und kalte Schulter Es war schon dunkel, als die schwarze Limousine vor dem dreistöckigen Gebäude hielt. Ihre Scheinwerfer durchschnitten die Dunkelheit und tauchten den geteerten Parkplatz in ihr künstliches Licht. Bis auf ein paar erleuchtete Rechtecke, hinter denen sich wohl die Zimmer des Gebäudes befanden, war kaum etwas zu erkennen, denn die Wolken verdeckten den sowieso nur sichelförmigen Mond und ließen daher kaum Licht zur Erde durchdringen. „Immerhin hat es aufgehört zu regnen“, stellte Haine, eine der sechs Insassen des Luxusgefährts, bei einem Blick durch die dunkel getönte Scheibe fest. „Das ist sicherlich ein gutes Zeichen!“, betonte Maora, der neben ihr saß, und streckte sich. Die über fünfstündige Autofahrt hatte sie alle geschafft und sie waren froh, ihr Ziel endlich erreicht zu haben. Als der Chauffeur ihnen von außen die Tür öffnete, stiegen sie aus und atmeten die Nachtluft ein. Nachdem es den ganzen Tag geregnet hatte, war sie erfüllt von allen möglichen verschiedenen Düften. „Weiß der Direktor Bescheid, dass wir kommen?“, fragte Maguri, der wie alle anderen ein Mitglied des Schülerrates der Kaiserlichen Privatakademie war. „Ich habe mir erlaubt, Kurosu-san über unsere Ankunft zu unterrichten“, erwiderte der Chauffeur, der gerade den Kofferraum öffnete, um das Gepäck der fünf Jugendlichen auszupacken. Er sprach vom Direktor der Cross Academy, deren Gelände sie gerade erreicht hatten. „Er hat versprochen, Sie hier zu empfangen und Ihnen Ihre Schlafplätze zu zeigen.“ Shizumasa, der Vorsitzende des Schülerrates und Kaiser der Akademie, nickte ihm zu. „Ihr habt ihn gehört“, wandte er sich dann an die anderen. „Kurosu-san wird gleich hier erscheinen, wir sollten also schon unser Gepäck ausladen.“ Dem stimmten die anderen zu, also hievte jeder seinen Koffer heraus – Haine war die einzige, die mit einer kleinen Reisetasche ausgekommen war – und zogen diese in Richtung der kleinen Eingangstür, die sie inzwischen erblickt hatten. „Ziemlich unspektakulär für den Eingang zu so einer großen Schule“, kommentierte Haines beste Freundin Ushio diese. Shizumasa, der anscheinend deutlich besser informiert war als die anderen, erklärte: „Dies hier ist nur der Eingang zum Internatsgebäude. Man kann dieses auch umfahren und gelangt dann über eine Brücke zum Schulgebäude. Ich hielt es für logischer, heute Abend nicht dorthin zu fahren, da wir ja heute Abend ohnehin außer den Zimmern nichts mehr sehen wollen.“ Gähnend stimmte Haine ihm zu. Sie hatte zwar im Auto schon ein wenig gedöst, freute sich aber trotzdem auf ein heißes Bad und ein kuscheliges Bett. Sie wollte dies gerade kundtun, als sich die Tür vor ihnen öffnete und zwei Personen heraustraten, die aufgrund der Tatsache, dass sie nur von hinten durch das Flurlicht beleuchtet wurden, nur als Silhouetten erkennbar waren. „Herzlich willkommen!“, begrüßte die eine, höher gewachsene Gestalt die Ankömmlinge. Da es wie eine Männerstimme klang, nahmen sie an, dass es sich hierbei um den Direktor, Kurosu, handeln musste. „Kommt doch herein, ihr müsst doch nicht draußen in der Dunkelheit stehen.“ Er und die andere Person traten zur Seite, sodass die fünf Schülerratsmitglieder eintreten konnten. Der Chauffeur verabschiedete sich mit einer Verbeugung und stieg wieder in die Limousine. Haine winkte ihm hinterher, als er die Scheinwerfer aufleuchten ließ und davonfuhr. Nachdem Kurosu die Tür geschlossen hatte, wandte er sich strahlend an seine Gäste. Diese musterten erst ihn, einen jugendlich wirkenden Mann mit blonden Haaren, dann das etwa fünfzehnjährige Mädchen neben ihm, interessiert, wobei letzterer besonderes Interesse galt. „Guten Abend“, begrüßte sie die anderen höflich und verbeugte sich. Die anderen taten es ihr gleich und ließen ihren Blick weiter über sie schweifen. Sie hatte dunkelbraunes, etwa schulterlanges Haar, dass ihr über die schwarze Jacke dessen fiel, was wohl die Uniform dieser Schule war. Nachdem die Schüler der Kaiserlichen Privatakademie sich und der Direktor seine Tochter Yûki – das Mädchen an seiner Seite – vorgestellt hatten, machte die Gruppe sich sogleich auf den Weg in den ersten Stock des Gebäudes, in dem man Zimmer für sie hergerichtet hatte. Anscheinend hatte Shizumasa die Aufteilung schon festgelegt und an den Direktor der anderen Schule geschickt, denn an drei der Zimmertüren hingen bunte, mit ihren Namen versehene Schilder. „Wir sind in einem Zimmer, Ushio!!“, freute Haine sich und fiel ihrer Freundin um den Hals. Diese schüttelte nur den Kopf über diese Reaktion, da sie beide immerhin die einzigen Mädchen der Gruppe waren und es daher gar keine andere Möglichkeit gab, als dass sie beide auf das gleiche Zimmer kamen. „Gute Nacht, Shizumasa-sama“, wünschte Haine ihrem Senpai und Schwarm. Dieser erwiderte den Gruß nur murmelnd und betrat dann mit seinem Koffer in der Hand das Zimmer, das für ihn vorgesehen war. Während Haine später ein Bad für sich und Ushio einließ, listete sie in ihrem Kopf noch einmal auf, was für die nächsten drei Tage alles bevorstand: Ihre Schule und die Cross Academy wollten – nach einer Idee Kurosus – ein gemeinsames Schulfest veranstalten. Dieses sollte von den Schülerräten der beiden Schulen geplant und soweit vorbereitet werden, dass die weiteren Informationen an alle anderen Schüler und Schülerinnen weitergeleitet werden konnten. Sie mussten also ein Motto festlegen, Ausgaben berechnen, Veranstaltungen organisieren, Plätze verteilen... Eine ganze Menge für nur drei Tage. Aber andererseits, so dachte Haine, war ja Shizumasa dabei, und mit ihm konnte gar nichts schief gehen. Am nächsten Morgen versammelten sich die beiden Schülerräte schon früh in einem leeren Klassenraum. Alle stellten sich kurz vor, dann stellte Shizumasa, der sich selbst zum Leiter des Projekts ernannt hatte, sich an die Tafel, um dort die wichtigsten Ideen zu notieren. Haine saß am Rand der Delegation der Kaiserlichen Privatakademie, daher saß auf ihrer anderen Seite ein Schüler der Cross Academy. Sein Name war Zero Kiryû und er war Haine schon beim Frühstück aufgefallen, da seine silberweißen Haare aus der Masse der dunkelhaarigen Schüler und Schülerinnen stark hervorstachen. Da er nun neben ihr saß und sie von Natur aus neugierig war, fragte sie sofort: „Sind die Haare gefärbt? Sie sehen so echt aus!“ Er warf ihr nur einen bösen Blick aus seinen wässrig violetten Augen zu, der sie sofort überrascht verstummen ließ. Dieser Typ jagte ihr fast schon ein wenig Angst ein, doch da sie ihm das natürlich nicht zeigen wollte, wandte sie sich einfach nur beleidigt ab. Doch ihr Schweigen ihrem Sitznachbarn gegenüber hielt nicht lange an. Sie alle machten fleißig Vorschläge für das Schulfest, sammelten Ideen und legten ihre persönlichen Ideen dar, um zu einem möglichst guten Ergebnis zu kommen. Sie alle hatte augenscheinlich der Ehrgeiz gepackt, das beste Schulfest der Geschichte zu organisieren – nur einen nicht: Während all der Gespräche saß Zero nur mit verschränkten Armen dort. Allein daran, dass seine Augen sich stets in die Richtung desjenigen bewegten, der gerade sprach, war zu erkennen, dass er seine Umgebung überhaupt wahrnahm. „Sag mal, was soll das eigentlich?!“, schrie Haine ihn irgendwann an, denn es nervte sie ziemlich, dass er nicht mitarbeitete, da sie bei so einer kleinen Gruppe jeden brauchten, um alles organisieren zu können. Er sah sie halb fragend, halb drohend an. Auch die Blicke aller anderen Anwesenden hatten sich auf Haine gerichtet, was sie jedoch in ihrer Rage gar nicht bemerkte. „Warum bist du überhaupt hier? Wir wollen doch alle ein schönes Schulfest vorbereiten, also sollten wir auch alle unsere Ideen einbringen, damit alle Spaß haben können!“ Zero zuckte unbeeindruckt die Schultern. „Mir ist egal, was wir machen“, murmelte er – das erste Mal, dass Haine überhaupt seine Stimme hörte. „Was machst du dann hier? Als Mitglied des Schülerrates hast du auch eine gewisse Verantwortung, der du gerecht werden solltest.“ „Ich bin nur Guardian, kein Schülerrat. War nicht meine Idee, hier mitzumachen.“ „Was zur Hölle ist ein Guardian?“ Nun meldete sich Yûki, die Tochter des Schulleiters, die auf der anderen Seite von Zero saß, zu Wort: „Wir haben an unserer Schule zwei Guardians, Zero und mich, die dafür sorgen müssen, dass die Schüler unserer Schule nicht mit denen der Nachbarschule in Kontakt kommen.“ Haine blickte sie verdutzt an. „Wieso das denn?“ Yûki schien einen Moment lang zu überlegen, dann sagte sie: „Befehl meines Vaters. Die anderen Schüler sollen nicht... belästigt werden.“ Haine verstand zwar noch immer nicht so recht, was das bedeuten sollte, fragte aber nicht weiter nach. Sie ärgerte sich nur noch mehr über Zero, da Yûki sich ja, auch wenn sie anscheinend auch nur ein Guardian war, im Gegensatz zu ihm die ganze Zeit an der Diskussion beteiligt hatte. Eigentlich wollte sie ihn auch noch darauf ansprechen, doch in dem Moment bat Shizumasa um Ruhe, da es einen straffen Zeitplan einzuhalten galt, und Haine wagte es nicht, sich seinem Befehl zu widersetzen. Da Zero jedoch bis zur Mittagspause nichts an seiner Haltung änderte, hielt sie ihn, während die anderen sich auf den Weg zur Mensa machten, am Arm fest und sagte: „Wenn dich das alles hier so wenig interessiert, dann könntest du ja auch einfach ganz normal zum Unterricht gehen, wie deine Mitschüler auch. Ich werde gleich zu Kurosu-san gehen und ihm die Situation erklären.“ Wieder zuckte Zero nur mit den Schultern, was die Wut, die in Haines Innerem brodelte, nur noch verstärkte, und murmelte: „Tu was du nicht lassen kannst. Aber es war seine Idee, mich hier hinzuschicken.“ „Das werden wir ja sehen!“, rief sie ihm hinterher, als er mit den Händen in den Hosentaschen davonschlenderte. Wenig später musste sie allerdings einsehen, dass er recht gehabt hatte. Der Schulleiter bestätigte ihr, dass er Zero gerne im Komitee haben wollte, auch wenn er dort vielleicht nicht die größten Beiträge leistete – bei dieser Formulierung musste Haine zornig schnauben – da er als Guardian einen wichtigen Teil der Schule repräsentierte. Als Haine dieses Argument damit konterte, dass er die Schule nicht repräsentieren konnte, wenn er nichts sagte, fügte Kurosu mit einem Zwinkern hinzu: „Ich wollte ihm einfach nicht die Gelegenheit nehmen, in Yûkis Nähe zu sein – wenn du verstehst, was ich meine.“ Daraufhin verließ Haine sein Büro, denn sie wusste nur zu genau, wovon er sprach, da sie auch im Grunde nur im Schülerrat war, um bei Shizumasa sein zu können. „Aber ich verhalte mich im Gegensatz zu ihm wenigstens meiner Stellung entsprechend...“, flüsterte sie beleidigt. Den Rest des Tages verbrachte Haine damit, sich darauf zu konzentrieren, Zero zu ignorieren. Sie hatte mit Ushio die Plätze im Konferenzraum getauscht, um nicht die ganze Zeit aus dem Augenwinkel sein gelangweiltes Gesicht zu sehen und engagierte sich noch mehr darin, all ihre Ideen, Einwände und Argumente vorzubringen, damit das Schulfest trotz dieses Idioten ein Erfolg wurde. So kam es auch, dass sie am Abend, als sie nach dem gemeinsamen Abendessen und einer kurzen Bilanzziehung durch Shizumasa, völlig ausgelaugt ins Bett fiel. „Du solltest dich wenigstens umziehen“, riet Ushio, die gerade aus dem gemeinsamen Badezimmer kam, ihr. Sie hatte sich gleich nach dem Essen hierhin zurückgezogen und war daher schon im Bad gewesen, als Haine das Zimmer betreten hatte. „Muss das sein?“, grummelte Haine, raffte sich aber trotz des Protests ihres Körpers auf und schlurfte zum Bad. Im Grunde hatte sie sich heute körperlich kaum angestrengt, aber all die Diskussionen und Debatten reichten schon, um ihren Kopf fast platzen zu lassen. Sie war froh, dass die Vorbereitungen nur drei Tage dauerten – und bei diesem Tempo waren sie wahrscheinlich sogar eher fertig! – denn länger hätte sie das bestimmt nicht ausgehalten. Als sie das Badezimmer nach zehn Minuten wieder verließ, war Ushio schon eingeschlafen. Das ließ ein Lächeln auf Haines müdem Gesicht erscheinen. Ihre Freundin hatte zwar die ganze Zeit unbeeindruckt getan, aber Haine war sich sicher, dass sie mindestens genauso fertig war wie sie. Sie wollte gerade auch endlich ins Bett gehen, als sie sah, dass das Fenster noch einen Spaltbreit offen war. Es war zwar warm und Einbrecher waren auf dieser Höhe unwahrscheinlich, aber anscheinend hatte es gerade angefangen zu regnen, daher ging sie, um es zu schließen. Von dort aus konnte man die Brücke überblicken, die über das Meer zum etwa dreihundert Meter entfernten Schulgebäude führte. An ihrem Geländer sah sie einen hellen Punkt, den sie erst, als er sich bewegte, als einen Menschen erkennen konnte. Als sie genauer hinsah, erkannte sie silbernes Haar über der schwarzen Schuluniform der Cross Academy – Zero! Was zur Hölle tat er da draußen? Es war immerhin schon zehn Uhr – das Abendessen war dadurch, dass sie noch viel zu klären gehabt hatten, um einiges nach hinten geschoben worden – und soweit Haine das verstanden hatte, sollten um diese Zeit alle Schüler in ihren Betten sein. Wütend darüber, dass er sich schon wieder den Regeln widersetzte – und sich noch dazu eine Erkältung einfangen konnte – riss sie das Fenster auf, um ihn anzubrüllen. In dem Moment hob er seine Hand und blickte den im schwachen Mondschein blitzenden Gegenstand, der darin lag, an. Eine Pistole?, schoss es Haine durch den Kopf. Es hatte eindeutig die Form einer solchen, auch wenn sie auf die Entfernung natürlich keine Details erkennen konnte. Ohne länger nachzudenken, schob sie das Fenster noch ein Stück weiter auf, stieg auf die Fensterbank und ließ sich dann leichtfüßig auf den etwa einen halben Meter tiefer gelegenen Vorsprung fallen, von dem sie fast abrutschte, und sprang dann auf den gepflasterten Weg herab. Sie mochte Zero zwar nicht, aber sie würde ihn sich trotzdem nicht einfach umbringen lassen! Dafür war es ihr auch egal, wenn ihre nackten Füße ein wenig zerkratzt wurden oder er sie ihm kurzen Schlafhemd zu Gesicht bekam. „Hey! Was tust du da?“, rief sie ihm zu und beeilte sich, zu ihm zu kommen. Überrascht zuckte er zusammen und hob den Blick von seiner Pistole, die aus der Nähe noch bedrohlicher aussah als zuvor. Als Zero sie finster anblickte, das Haar vom Regen, der sich schon nach wenigen Sekunden zu einem Platzregen entwickelt hatte, an der Stirn klebend, fragte Haine sich, ob sie sich nicht viel eher um ihre eigenen Sicherheit sorgen sollte. Trotzdem lief sie weiter auf ihn zu und blieb erst einen Meter vor ihm stehen, ohne in ihrem Gesicht ein Anzeichen von Furcht zu zeigen. „Dasselbe könnte ich dich fragen“, murmelte Zero genervt und blickte mit leicht gehobenen Augenbrauen an ihr herab. Wütend stemmte sie die Hände in die Hüften. „Glaubst du, ich lass dich hier einfach mit ’ner Knarre in der Hand rumstehen? Tu die gefälligst weg!“ Zero wandte den Blick wieder dem Geschütz zu, über dessen Schaft in geschnörkelter Schrift „Bloody Rose“ geschrieben worden war, und drehte es in der Hand hin und her, während der Regen auf sie beide niederprasselte und alle anderen Geräusche verschluckte, sodass Haine auf einmal ein Gefühl völliger Verlassenheit ereilte. „Was glaubst du, was ich damit vorhabe?“, fragte er. Sie schnappte nach Luft, sagte aber nichts. Wenn sie ihn jetzt anschrie, würde er am Ende wirklich noch von der Waffe Gebrauch machen – gegen wen auch immer. Sie musste sich beruhigen. Nachdem sie einmal tief durchgeatmet hatte, gelang es ihr sogar, ihm ein halbwegs freundliches Lächeln zuzuwerfen. „Bitte, gib mir die Waffe. Du solltest nicht so leichtfertig mit deinem Leben umgehen.“ Vorsichtig streckte sie ihm die Hand entgegen. „Ich wollte mich nicht umbringen, keine Sorge“, murmelte Zero und verstaute die Pistole unter seiner Jacke. Davon war Haine nicht so überzeugt. Sie hatte viel eher das Gefühl, dass er sie abwimmeln wollte, um dann seinen Plan in die Tat umzusetzen. Er war so schweigsam, dass wohl kaum einer wusste, was wirklich in ihm vorging. Zwar schien ihm alles gleichgültig zu sein, aber vielleicht versteckte sich in seinem Inneren irgendein Schmerz, von dem keiner wusste? Haine stellte sich neben ihm an die Brüstung und starrte auf das Meer hinaus, in das der Regen tausende von ineinander verschlungenen Kreisen zeichnete und hin und wieder den Glanz des Mondes reflektierte, dessen Licht Mühe hatte, die dichten Regenwolken zu durchdringen. „Weißt du...“, murmelte sie, „früher ging es mir auch nicht gut. Mein Vater hat mich, als ich zehn war, an einen anderen Mann verkauft, weil ich ihm wohl nicht gut genug war, um später den Konzern zu übernehmen. Dieser andere Mann war zwar sehr nett und wurde mit der Zeit wie ein richtiger Vater für mich, aber er war eben nicht mein leiblicher Vater. Vielleicht kannst du dir vorstellen, wie ich mich damals gefühlt habe?“ Haine blickte Zero an, doch er verzog keine Miene, daher erzählte sie weiter: „Na ja, mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt und vier Jahre lang ging es mir auch wirklich gut, aber dann hat mein Ziehvater eine Frau geheiratet, die schon einen Sohn hatte. Die beiden sind sehr nett, aber ich war damals ziemlich eifersüchtig, weil es dann eben mein neuer Bruder war, der die Firma meines Ziehvaters übernehmen würde, auch wenn ich schon viel länger bei ihm lebte. Über all das war ich so wütend, dass ich nachts durch die Straßen ging und wahllos Leute verprügelte. Ich wusste eben nicht, wohin mit all den Aggressionen... Wenn ich Shizumasa-sama nicht getroffen hätte, würde es mir wohl immer noch so gehen.“ Der Gedanke daran zauberte ein breites Lächeln auf ihre Lippen. „Ja, Shizumasa-sama hat mich damals gerettet. Er hat mir beigebracht, dass ich nicht so einfach aufgeben darf.“ Erst jetzt bemerkte sie, dass Zero sie die ganze Zeit aufmerksam betrachtet hatte. Sie lachte verlegen. „Na ja, ich wollte damit nur sagen, dass du auch nicht einfach aufgeben solltest. Das Leben kann so schön sein! Du hast doch Freunde, oder? Zum Beispiel diese Yûki, und der Schulleiter scheint sich auch gut um dich zu kümmern. Du hast doch überhaupt keinen Grund, dir das Leben zu nehmen, oder kannst du mir einen nennen?“ Verblüfft sah Zero sie an, noch immer schweigend. Der Regen ergoss sich noch immer über ihn, seine Schuluniform war inzwischen fast komplett durchnässt. Auf seinen Lippen zeigte sich auf einmal etwas, was fast an ein Lächeln erinnerte. „Siehst du?“ Haine grinste. „Ich wollte mich nicht umbringen“, sagte er schließlich. „Ich bin ein Guardian, es ist meine Aufgabe, hier Wache zu halten.“ Er sah ihr in die Augen und öffnete noch einmal den Mund, schloss ihn aber wieder, ohne etwas zu sagen – oder hatte er etwas gesagt, das unter dem lauten Prasseln des Regens untergegangen war? Dann drehte er sich um und ging ohne ein weiteres Wort davon. Haine seufzte erleichtert auf. Sie glaubte ihm nicht, dass er sich nicht hatte umbringen wollen, aber sie war sich sicher, dass sie ihn überzeugt hatte, dass es falsch wäre. Daher drehte sie sich nun auch um und ging zurück. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie sich noch gar keine Gedanken darüber gemacht hatte, wie sie eigentlich in ihr Zimmer zurückkam. Sie hoffte inständig, dass die Eingangstür um diese Zeit noch offen war... Am nächsten Morgen war Haine zwar müde und ziemlich erschöpft, da sie in der Nacht noch die Hausfassade hatte hochklettern und sich etwas neues zum Anziehen hatte suchen müssen, aber sie war so gut gelaunt wie eh und je. „Guten Morgen, Zero-kun!“, rief sie dem Silberschopf mit einem breiten Grinsen zu, als er beim Frühstück an ihrem Tisch vorbeikam. Er nickte ihr zu, da anscheinend selbst er nicht so unhöflich war, einen Gruß einfach so zu ignorieren. „Warst du nicht gestern noch so wütend auf ihn?“, fragte Maora, der Haine gegenüber saß, überrascht. Haine kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Sie hatte beschlossen, niemandem von dem Vorfall der vorigen Nacht zu erzählen, da es sicherlich nicht in Zeros Interesse war, dass die ganze Schule von seinen Selbstmordgedanken erfuhr. Besonders dann nicht, wenn er sie nun sowieso schon abgelegt hatte. Daher erwiderte Haine ausweichend: „Na ja, ich denke, er ist einfach so. Außerdem hat der Schulleiter anscheinend gegen seinen Willen bestimmt, dass er im Schulfestausschuss sitzen soll.“ Maora sah sie zweifelnd an. „Aber findest du nicht auch, dass er sich trotzdem ein wenig einbringen sollte? Es geht ja schließlich darum, dass alle Spaß haben sollen.“ „Er ist doch wirklich alt genug, um selbst zu entscheiden, was er tut, oder?“ Überrascht blickte Maora Haine an, die ihn nun fast schon böse anblickte. Ihm war anzusehen, dass ihr Verhalten ihn verwirrte. Auch andere Mitglieder des Schülerrats warfen Haine verwunderte Blicke zu, was sie allerdings nicht im Geringsten störte. Während der Besprechungen zum Schulfest lief alles gut, doch in der Mittagspause machte Maora Haine darauf aufmerksam, dass eine Gruppe von Schülerinnen der Cross Academy sich an einem Tisch in der Ecke der Mensa versammelt hatten, aufgeregt miteinander tuschelten und dabei immer wieder Blicke in Richtung des Tisches ihrer Gäste warfen. „Was ist mit ihnen?“, fragte Haine überrascht. Maora seufzte. „Was glaubst du, über wen sie reden?“ Verwundert sah sie erst die Mädchen, dann den Kaiser des Schülerrates an. „Über Shizumasa-sama natürlich! Wer sonst zieht die Blicke der Mädchen so sehr auf sich.“ Maora schüttelte den Kopf und auch Ushio stieß einen tiefen Seufzer aus. „Sie reden über dich“, erklärte die beste Freundin Haine schließlich. „Soweit ich das mitbekommen habe, glauben sie, dass du mit Zero zusammen bist.“ „Wie kommen die denn auf sowas?“, fragte Haine, während sie sich eine frittierte Garnele in den Mund schob. „Ich kann Zero nicht ab, außerdem kenn ich ihn erst seit gestern. Und ich liebe niemanden außer Shizumasa.“ Damit war die Sache für sie erledigt, doch die anderen schien dies noch weiter zu beschäftigen, denn nun brachte sich auch Maguri, der Haine gegenübersaß, in die Diskussion mit ein: „Ich denk mal, sie haben gehört, dass du ihn heute Morgen so vehement verteidigt hast und haben sich gedacht, dass zwischen euch irgendwas passiert sein muss.“ Haine verschluckte sich an ihrer Garnele und begann zu husten. Daran, dass die anderen möglicherweise solche Schlüsse ziehen würden, nur weil sie sich ein wenig anders verhielt als am Vortag, hatte sie gar nicht gedacht. Aber was ging es irgendwelche fremden Schülerinnen überhaupt an, wie sie sich Zero gegenüber verhielt? Und woher wussten die überhaupt, dass sie sich gestern noch über ihn beschwert hatte? Keine von denen, die dort hinten am Tisch saßen, waren im Schülerrat. Oder hatte es etwa jemand weitergesagt? Kurzerhand stand Haine auf und sagte: „Ich sage ihnen einfach, dass ich nichts von Zero will.“ Und bevor sie irgendjemand davon abhalten konnte, war sie auch schon auf den Mädchentisch zumarschiert und hatte mit lauter Stimme gefragt: „Wie kommt ihr darauf, dass ich mit Zero zusammen wäre? Wir kennen uns erst seit gestern, ich mag ihn überhaupt nicht, und außerdem bin ich in einen anderen verliebt.“ Mit großen Augen ob ihrer Direktheit sahen die Mädchen sie an. Als sie die Überraschung überwunden hatten, sagte eine von ihnen grinsend: „Man hat euch gestern Abend gesehen, also verleugne nicht, dass da was gelaufen ist. Wer sich nachts in aller Heimlichkeit trifft, muss doch was zu verbergen haben! Oder schmuggelt ihr etwa Drogen?“ Sie kicherte. „Nein!“, widersprach Haine. „Ich habe ihn da draußen gesehen und mich gefragt, was er da macht, also bin ich hingegangen und hab ihn gefragt. Er hat mir gesagt, dass er Guardian ist und hat mir das erklärt. Und das war’s auch schon.“ Ihr Herz klopfte, als sie diese Lüge erzählte, doch sie hatte das Gefühl, einigermaßen überzeugend gewesen zu sein. Doch der skeptische Ausdruck in den Gesichtern der Schülerinnen bewies ihr das Gegenteil. „Warum bist du aus dem Fenster gesprungen? Bist du bescheuert?“ Die anderen lachten. Wütend sah Haine sie an. „Ich wusste nicht, ob die Tür unten noch offen war.“ Sie war selbst erstaunt darüber, dass ihr so schnell eine Ausrede eingefallen war. „Ja, ja, schon klar“, murmelte eins der Mädchen. „Ich sage die Wahrheit, aber wenn ihr das nicht glauben wollt, ist das euer Problem“, sagte Haine schließlich, da sie verhindern wollte, dass diese Mädchen in fünf Minuten halbtot auf dem Boden lagen. Sie drehte sich weg und kehrte zu ihren Mitschülern zurück, die sie überrascht ansahen. Anscheinend hatten sie alles mitbekommen, denn sie stellten keine Fragen. Nur Shizumasa warf Haine hin und wieder Blicke zu, die so aussahen, als wäre er böse auf sie. Sie fragte sich, ob er eifersüchtig war, und nahm sich vor, ihm nach der Mittagspause noch einmal zu erklären, dass sie niemanden außer ihm liebte. Allerdings wurde sie dann, als sie gerade zu ihm aufschließen wollte, unsanft von Maora am Ärmel gepackt. Verwirrt blickte sie ihn an. Er wartete, bis die anderen Mitglieder des Schülerrats der Kaiserlichen Privatakademie den Speisesaal verlassen hatten, dann riet er ihr eindringlich: „Du solltest dich von diesem Zero fernhalten.“ „Warum?“, fragte sie. „So schlimm ist er nun auch nicht.“ Maora verdrehte die Augen. „Diese Mädchen machen auf mich den Eindruck, als wären sie Zeros Fanclub. Und verliebte Mädchen sind zu allem fähig, glaub mir.“ Diese Drohung ließ Haine nur unbeeindruckt mit den Schultern zucken. „Na und? Ich hab auch einiges auf dem Kasten. Außerdem hab ich ihnen doch gesagt, dass da nichts ist. Sie können ja auch Zero fragen, wenn sie wollen.“ Maora packte sie an den Schultern. „Tu mir den Gefallen und lass ihn in Ruhe! Shizumasa findet das sicher auch besser. Außerdem hast du doch vorhin selbst gesagt, dass du ihn nicht magst.“ Wütend stieß Haine Luft aus ihrer Nase aus. „Ich änder doch nicht mein Verhalten, nur weil andere wollen, dass ich das tue. Ich kann reden mit wem ich will.“ „Haine, bitte!“ Doch sie ließ sich nicht überzeugen, egal wie oft er ihr erklärte, wie dumm sie sich eigentlich verhielt. Im Grunde genommen steigerte das ihre Sturheit sogar noch und am Ende weigerte sie sich, Maora überhaupt zuzuhören, befreite sich von seinem Griff und ging schnellen Schrittes davon. Allerdings hatte Haine während der nächsten Zusammenkunft der beiden Schülerräte das Gefühl, als hätte Maora auch mit Zero geredet. Zumindest sagte dieser die ganze Zeit kein Wort, auch wenn sie die ganze Zeit krampfhaft versuchte, ein Gespräch mit ihm anzufangen. Das konnte Shizumasa als Sitzungsleiter natürlich nicht gutheißen, daher wurde Haine an das andere Ende des Raumes verbannt und bekam den Auftrag, still zu sein und alle Übereinkünfte und Beschlüsse zu notieren. Dies trug natürlich nicht im Geringsten dazu bei, dass sie sich ein wenig beruhigte – ganz im Gegenteil: die Tatsache, dass Zero ihr nur wegen ein paar Gerüchte auswich und sie jetzt auch noch von Shizumasa getadelt wurde, machte sie nur noch zorniger. Das war dann auch der Grund dafür, dass sie ihn gleich in der nächsten Pause zur Rede stellte. Während die anderen an die frische Luft gingen, da die Wolken sich gerade gelichtet hatten, zog sie ihn beiseite und brachte ihn in einen Gang, der um diese Zeit – also während des regulären Unterrichts – menschenleer war. „Was soll das?“, fragte sie ihn sogleich. Zero verdrehte kaum erkennbar die Augen und wandte seinen Blick von ihr ab. „Hey!“ Sie packte ihn am Kragen, um seine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. Wenn man mit jemandem sprach, hatte man ihm in die Augen zu sehen. Wenigstens zu so viel Höflichkeit sollte er doch eigentlich imstande sein... „Was willst du von mir?“, fragte er und starrte finster auf sie herab, wobei der harte Griff ihrer Finger an seinem Hemd ihn gar nicht zu stören schien. „Warum gehst du mir aus dem Weg? Du weißt doch, dass diese Gerüchte nicht stimmen, also lass dich doch von sowas nicht verunsichern.“ „Die Gerüchte sind mir egal“, sagte er. Überrascht ließ sie ihn los. „Warum ignorierst du mich dann?“ Er zuckte mit den Schultern. „Du nervst mich einfach. Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe?“ Empört schnappte sie nach Luft, lockerte aber den Griff um seinen Kragen, sodass er sich befreien konnte. „Ich nerve dich?“, fragte sie verdattert. „Ja“, sagte er nachdrücklich. Als sie ihn daraufhin nur mit offenem Mund anstarrte, wandte er sich ab und ging davon. Er hat sich nicht einmal dafür bedankt, dass ich ihm gestern das Leben gerettet habe..., beschwerte sie sich in Gedanken. Doch ihre Wut verflog schnell, als sie in den nächsten Stunden – während die anderen weiter die Details des Schulfestes besprachen – noch einmal gründlich über alles nachdachte. Wie sie schon ziemlich schnell festgestellt hatte, war Zero ein unnahbarer Typ, der niemanden an sich heranließ. Selbst mit dem Mädchen, Yûki, für das er anscheinend etwas mehr als Freundschaft empfand, schien er genauso kühl umzugehen wie mit allen anderen. Aber hinter dieser Fassade des gefühllosen Klotzes steckte, da war sich Haine sicher, ein weicher und vor allem verletzlicher Junge, sonst hätte er wohl nicht versucht, Selbstmord zu begehen. Auch die Tatsache, dass ihm die Gerüchte über eine Beziehung zu Haine ihm so viel ausmachten, zeigte doch nur, wie wichtig es ihm eigentlich war, von allen akzeptiert zu werden, auch wenn es ihm nicht gelingen mochte, freundlich mit seinen Mitschülern umzugehen. Zwar war Haine immer noch ein wenig wütend darüber, dass er sie einfach so hatte abblitzen lassen, nur weil er zu feige war, ihr seine wahren Gefühle zu offenbaren, doch wollte sie gleichzeitig auf jeden Fall dafür sorgen, dass er auf dem kommenden Schulfest den größtmöglichen Spaß hatte, sodass sie sich am letzten Tag der Konferenz so richtig ins Zeug legte, um das Beste daraus zu machen. Dass er an diesem Tag nicht einmal mehr zu den Treffen kam, wunderte sie nicht besonders. Während der Wochen, die auf den dreitägigen Ausflug des Schülerrates folgten, ertappte Haine sich öfter dabei, wie sie an Zero dachte und sich fragte, ob es ihm wohl gut ging. Ohne dass sie es wollte, machte sie sich Sorgen, dass die Selbstmordgedanken zurückkommen würden, auch wenn sie sie fürs Erste vertrieben hatte. Zu gerne hätte sie Shizumasa gefragt, ob er irgendwelche Nachrichten von der Cross Academy bekommen hatte, doch sie traute sich nicht. Maora hatte schon irgendwie recht gehabt: Wenn sie ein zu großes Interesse an Zero zeigte, würde Shizumasa ihr bald den Posten als seine Leibwächterin entziehen und sie würde wieder so weit von ihm entfernt sein wie eh und je. Also versuchte sie, so zu strahlen wie immer, schaffte es dabei aber dieses eine Mal nicht, der Sonne Konkurrenz zu machen, die jetzt immer öfter hinter den Regenwolken hervorblitzte. Schließlich war es dann endlich soweit: zum zweiten Mal fuhr die Limousine des Schülerrats der Kaiserlichen Privatakademie auf den Hof vor dem Wohngebäude der Cross Academy. Haine, die schon während der ganzen Fahrt ziemlich aufgeregt gewesen war, sprang sofort auf und war in Windeseile ausgestiegen. Eiligen Schrittes gelangte sie zum Hof vor dem Schulgebäude, der schon mit lauter bunten Ständen zugestellt war, die die Schüler und Schülerinnen der Cross Academy in den letzten Wochen hier aufgebaut hatten. Zusammen mit den Mitgliedern der Kaiserlichen Privatakademie, die wenige Stunden zuvor mit einem großen Bus angereist waren, trafen sie die letzten Vorkehrungen für das Fest, das schon bald eröffnet werden sollte. Erst wollte Haine sich auf die erstbeste Cross Academy-Schülerin stürzen, die ihr über den Weg lief, um sie nach Zeros Aufenthaltsort zu befragen, doch auf einmal bemerkte sie, wie bescheuert das eigentlich war. Ihm würde schon nichts passiert sein. Bestimmt lag er oben in seinem Zimmer und blies Trübsal, nur darauf wartend, dass das Fest endlich vorbei war. Einen Moment lang zweifelte sie sogar daran, dass sie das Richtige tat, wenn sie ihn dazu zwang, mal ein bisschen Spaß zu haben, aber die Zweifel verflogen schnell wieder und sie setzte sich in Bewegung in Richtung seines Zimmers, nachdem ein Mädchen ihr verraten hatte, wo sich dieses befand. Dort klopfte sie an und öffnete dann, nachdem sie einen Moment gewartet hatte, die Tür. Zero saß an seinem Schreibtisch vor dem Fenster und drehte den Kopf zu ihr um, als sie eintrat. Sein Gesichtsausdruck war mürrisch wie immer und veränderte sich auch nicht, als er sie sah, was Haine aber keineswegs beunruhigte; er war eben so. „Hallo, Zero“, begrüßte sie ihn grinsend und kam ein paar Schritte auf ihn zu. Er verdrehte die Augen und drehte sich wieder von ihr weg. „Verschwinde“, murmelte er. Haine stemmte die Hände in die Hüften und beschwerte sich: „Wie kannst du nur so gemein sein?“ „Ich habe dir doch gesagt, dass du mich nervst. Bist du denn so schwer von Begriff?“ Haine seufzte. „Du brauchst mir nichts vorzumachen, Zero. Ich weiß doch, wie einsam du eigentlich bist, sonst hättest du ja wohl nicht versucht, Selbstmord zu begehen. Bestimmt -“ „Das habe ich nicht!“, widersprach er in scharfem Ton und drehte sich nun auf seinem Schreibtischstuhl doch wieder zu ihr herum. Seine Augen blitzten zornig zu ihr hinauf. „Lass mich einfach in Ruhe, jemand wie du kann mich nicht verstehen.“ Die Art, wie er mit ihr sprach, stachelte ihren Widerstand erst recht an und sie packte ihn am Oberarm, um ihn auf die Beine zu ziehen. „Komm schon, sei doch nicht so störrisch! Heute ist immerhin unser Schulfest, willst du denn keinen Spaß haben? Ich sage ja gar nicht, dass ich dich komplett verstehe, aber ich bin mir sicher, dass du im Grunde jemanden brauchst, der an deiner Seite steht.“ Zero schwieg, was Haine als ein gutes Zeichen sah. Daher warf sie ihm einen aufmunternden Blick zu und machte mit dem Kopf eine Bewegung in Richtung Tür. „Komm mit, wir gehen etwas essen. Was hältst du von Takoyaki? Ich geb dir was aus!“ Zero seufzte, aber scheinbar war es Haine tatsächlich gelungen, seinen Widerstand zu brechen, denn er folgte ihr, wenn auch noch immer grimmig dreinblickend, die Arme lustlos in den Hosentaschen vergraben und den Gang schlurfend. Zufrieden grinsend ging Haine mit ihm im Schlepptau die Treppen herab und sie betraten gemeinsam das Schulfestgelände. Sie war total begeistert davon, was die beiden Schulen gemeinsam auf die Beine gestellt hatten und zerrte ihn von einem wunderschön dekorierten Stand zum nächsten, vorbei an gefühlten tausend Schülern, die ebenfalls all das sehen wollten, was ihre Mitschüler erarbeitet und aufgebaut hatten. „Sieh mal, dort kann man Goldfische fangen. Hast du Lust?“ Zero verdrehte die Augen, aber da er nicht direkt widersprach, packte sie ihn am Handgelenk und zog ihn in Richtung des Standes. „Sag mal, willst du nicht lieber mit diesem Shizumasa rumlaufen?“, murmelte Zero und ließ Haine unwillkürlich zusammenzucken, da es das erste war, das er seit einer ganzen Weile zu ihr sagte. „Warum sollte ich?“, fragte sie und hielt ein paar Schritte vor dem Goldfisch-Stand, mitten in der Menge, inne. „Du scheinst ihn ja so toll zu finden, diesen perfekten Herrn Schülersprecher.“ Seine Stimme klang dabei so verächtlich, dass Haines Augen wütend zu funkeln begannen. „Warum sagst du sowas?“ Zero zuckte mit den Schultern. „Na ja, ich versteh nicht, was an ihm so toll sein soll. Findest du nicht auch, dass er absolut arrogant ist? Ohne dass ihn irgendwer gefragt hat, tut er einfach so, als wäre er der Boss und fängt an, uns alle rumzukommandieren. Dabei ist er doch im Grunde auch nichts Besonderes. Er hält sich nur dafür, weil er der Sohn irgendeines ach-so-berühmten Unternehmers ist.“ Empört schnappte Haine nach Luft, doch bevor ein Wort des Protests ihre Lippen verlassen konnte, sprach Zero schon weiter: „Und glaubst du tatsächlich, jemand, der sich praktisch für einen Gott hält, würde sich ernsthaft mit jemandem wie dir abgeben? Egal was du tust, bei dem wirst du nie eine Chance haben.“ Dieser Redeschwall ließ Haine eine Weile verstummen, da es sie ziemlich überraschte, so etwas von einer sonst so schweigsamen und zurückhaltenden Person wie Zero zu hören. Doch sein letzter Satz brachte ihre Gedanken in Bewegung und auf einmal ging ihr ein Licht auf: Zero wollte eigentlich nur, dass sie Shizumasa aufgab, damit er endlich eine Chance bei ihr hatte. Er hatte sich in sie verliebt, weil sie ihm das Leben gerettet hatte und ihn verstand, und als er bemerkt hatte, wie wichtig ihr Shizumasa war, war er eifersüchtig geworden... Doch diese Erkenntnis machte sie nur noch zorniger. Er mochte zwar schüchtern sein und nicht gerne über seine Gefühle reden, aber das war noch lange kein Grund, Shizumasa schlecht zu machen! Wenn er wirklich in sie verliebt war, dann sollte er das gefälligst auch so sagen, und es nicht ihr selbst überlassen, das herauszufinden. „Weißt du was? Verkriech dich doch einfach in deinem Zimmer, wenn dir das Spaß macht! Ich werde jedenfalls nicht mehr versuchen, dich glücklich zu machen!“, schnauzte sie ihn an, drehte sich dann schwungvoll herum und wühlte sich durch die Menge in Richtung eines menschenleeren Ortes, an dem sie ein wenig allein sein konnte. Diesen fand sie auch, als sie nach einer Weile in dem Wald stand, den man durchqueren musste, um die Cross Academy zu erreichen. Hier war es, im Gegensatz zum Gewühl des Schulfestes, angenehm kühl, wozu auch der Schatten der Bäume seinen Teil beitrug. Völlig in Gedanken versunken schlenderte Haine weiter in den Wald hinein. Sie fragte sich, ob sie mit ihren Vermutungen über Zero recht gehabt hatte, oder was er sonst mit seinen Beleidigungen im Sinn gehabt haben könnte. Er hatte sie ja im Grunde auch beleidigt, als er gesagt hatte, dass jemand wie Shizumasa sich nicht mit jemandem wie ihr abgeben würde. Und warum sollte er so etwas sagen, wenn er in sie verliebt war? Sie konnte sich nicht wirklich vorstellen, dass er so schüchtern war, dass er nicht einmal zugeben wollte, dass er sie nicht – oder nicht mehr – hasste. Er war wirklich ein schwieriger Junge... Auf einmal konnte Haine sich nicht mehr vorstellen, ihn je wirklich verstanden zu haben. Vielleicht hatte er wirklich keinen Selbstmord begehen wollen, in jeder Nacht vor vier Wochen? Er hatte es ja immerhin die ganze Zeit vehement abgestritten... Aber andererseits klang es auch unwahrscheinlich, dass er für seinen Job als Sichrheitsmann der Akademie tatsächlich eine echte Waffe brauchte. So gefährlich konnte es hier doch gar nicht sein... Ironischerweise verhakte sich ihr Fuß genau in diesem Moment in einer aus der Erde hervorstehenden Wurzelschlaufe und riss sie aus ihren Gedanken und zu Boden. „Verdammt“, rief sie, denn sie war mit dem rechten Knie auf einem herumliegenden Ast gelandet und hatte es sich aufgeschlagen. Dicke, rote Tropfen quollen aus der Wunde hervor und liefen ihr Bein herab, bis sie den Saum ihrer weißen Strümpfe erreichten und mit ihrer Farbe tränkten. Solch eine kleine Verletzung machte Haine zwar nicht wirklich etwas aus, doch sie bemerkte nun, dass sie keine Ahnung hatte, wo sie eigentlich war und – was noch schlimmer war – in welche Richtung sie gehen musste, um zur Cross Academy zurückzukommen. Notdürftig wischte sie das Blut mit der Hand von ihrem Knie, doch anscheinend war die Wunde doch etwas tiefer als gedacht, denn sofort drängten weitere Tropfen des roten Lebenssaftes aus ihr hervor. Haine seufzte, kümmerte sich dann aber nicht weiter darum, sondern richtete sich auf und schaute sich, die mit Erde bedeckten Hände abklopfend, um. Sie wünschte sich, wenigstens einen Blick auf den Himmel erhaschen zu können, um vom Sonnenstand die ungefähre Richtung abzulesen, in die sie zu gehen hatte, doch die Baumkronen waren zu dicht und ließen nur vereinzelt Licht hindurch. Da sie keine andere Möglichkeit hatte, marschierte die Schülerin daher einfach in die Richtung, aus der sie gekommen war und versuchte dabei, ihren eigenen Spuren zu folgen, was ihre jedoch nicht so recht gelingen wollte. Ein paar mal kam ihr auf ihrem Rückweg wieder Zero in den Sinn, doch sie verscheuchte ihn sogleich wieder aus ihren Gedanken, da sie jetzt wirklich besseres zu tun hatte. Bestimmt war sie schon eine ganze Weile verschwunden gewesen, und im Wald übernachten wollte sie auch nicht so gerne. Außerdem machten die anderen sich sicher schon Sorgen um sie. Glücklicherweise vernahm Haine bald Geräusche, die sich für sie eindeutig nach einer Mischung aus Festmusik, Freudenschreien und Schülergesprächen anhörten. Erleichtert seufzte sie auf und setzte, nun wieder mit etwas beschwingteren Schritten, ihren Weg fort. Nach ein paar Minuten erreichte sie tatsächlich ein Haus, das dem Internatsgebäude der Cross Academy recht ähnlich sah, nur dass es etwas kleiner war und ein beigefarbenes statt eines schwarzen Daches hatte. Haine musste auch gar nicht lange nach jemandem suchen, der ihr den Rückweg zum Schulfest erklären konnte, denn in dem Moment, als sie aus den Schatten der Bäume auf den Hof hervortrat, öffnete sich die Eingangstür des Gebäudes und ein blonder Schüler kam ihr entgegen. Er trug eine Schuluniform, die genauso aussah wie die der Cross Academy-Schüler, nur dass sie weiß statt schwarz war. Haine erinnerte sich, dass Yûki von einer Nachbarschule gesprochen hatte, die irgendwie auch zur Cross Academy gehörte, aber aus irgendwelchen Gründen nicht am Schulfest teilnehmen durfte. Augenscheinlich gehörte dieser Junge genau zu diesem Internat. Und bei dem stechenden Blick seiner blauen Augen, der abwechselnd ihr Gesicht und ihr aufgeschlagenes Knie zu mustern schien, hatte Haine auch das Gefühl, zu wissen, warum er und seine Mitschüler nicht am Schulfest teilnehmen durften. Trotzdem begrüßte sie ihn höflich mit einer Verbeugung und ging ein paar Schritte auf ihn zu, bevor sie fragte: „Kannst du mir vielleicht den Weg zum Schulfest der Cross Academy zeigen? Ich habe mich verlaufen.“ Der Junge schenkte ihr ein unheimlich verführerisches Lächeln und fragte zurück: „Bist du dir sicher, dass du nicht noch ein bisschen hier bleiben willst?“ Haine verneinte dies und blickte ihn fragend an. „Ich bin bestimmt schon viel zu lange weg, ich sollte wirklich zurück.“ Dabei ging sie noch einen Schritt auf ihn zu, was, wie sie feststellen musste, ein Fehler war: der Junge riss Augen und Mund auf und wirkte einen Moment wie hypnotisiert, dann stürzte er sich mit einem breiten Grinsen auf sie. Sie war zwar nicht wehrlos, doch seine Attacke kam so plötzlich, dass sie sich schon in seinem Klammergriff befand, bevor sie überhaupt realisiert hatte, was geschehen war. „Du riechst fantastisch“, murmelte er und strich ihr mit seinen kühlen Fingern die Haare aus dem Nacken. Sie versuchte, sich zu befreien, doch sie konnte sich keinen Millimeter bewegen, seine Stärke kam ihr fast schon unmenschlich vor. „Hilfe!!“, schrie sie so laut sie konnte, doch sogleich legte sich die andere Hand des Jungen über ihren Mund. „Lass sie in Ruhe!!!“, rief da auf einmal eine aufgebrachte Stimme, die sie erst als die von Zero erkannte, als er mit einem gewaltigen Sprung in ihrem Sichtfeld landete. Er schlug den anderen mit der Faust direkt ins Gesicht, woraufhin dieser seinen Griff um Haine lockerte und sie sich losreißen konnte. Dafür war es für Zero aber scheinbar noch nicht getan, denn er packte den Jungen am Kragen und schlug mit einer ungeheuren Kraft auf ihn ein, die Haine ihm niemals zugetraut hätte. Sie wollte ihn bitten, von seinem Gegner abzulassen, doch sie ließ es sein, denn sein vor Zorn völlig verzerrtes Gesicht machte auch ihr Angst. Doch auf einmal war noch eine Figur anwesend: ein sehr erwachsen aussehender Jugendlicher mit schulterlangen braunen Haaren und einem freundlichen Gesicht, der in derselben weißen Uniform steckte wie der Blonde, um den Zero sich gerade kümmerte. „Kiryû, es reicht“, sagte er in leisem, melodischen Ton und packte Zeros Kragen in der einen, den seines Mitschülers in der anderen Hand. „Hanabusa, verschwinde auf dein Zimmer. Wir reden später.“ Auch wenn der Neuankömmling völlig ruhig blieb, schienen seine Worte einen starken Effekt zu haben, denn sowohl Zero, als auch der andere, Hanabusa, hielten sofort inne. Nachdem der Braunhaarige letzteren losgelassen hatte, trottete er nach einem letzten kurzen Blick auf Haine in das Gebäude zurück. Erst jetzt ließ der Schlichter auch von Zero ab, warf ihm jedoch einen finsteren Blick zu. Vor einer Weile war Haine zwar auch noch zornig auf Zero gewesen, doch nun konnte sie nicht anders, als ihn zu verteidigen: „Zero trägt keine Schuld, er hat mich vor diesem Typen gerettet. Er hat mich plötzlich angegriffen, ich weiß nicht, was er von mir wollte...“ Der Braunhaarige sah sie erstaunt an, lächelte dann aber. „In Ordnung, ich werde Kiryû-kun nicht bestrafen.“ Einen Moment schwiegen die drei, dann sagte der Junge in der weißen Uniform: „Du bist verletzt. Warte einen Moment, ich werde Verbandszeug holen.“ „Ach was, das ist doch nicht -“, wollte Haine ablehnen, da sie die Wunde wirklich nicht störte, doch der Schüler bestand darauf, wobei er Zero einen merkwürdigen Blick zuwarf, den Haine nicht deuten konnte. Er verschwand schnell im Haus und tauchte auch sogleich wieder auf, einen kleiner Verbandskoffer in der Hand. Nachdem er ihr Knie schnell und geschickt desinfiziert und mit einem Verband umwickelt hatte, bat er sie, das nächste Mal etwas vorsichtiger zu sein, und kehrte dann ins Haus zurück. „Wer war das?“, fragte Haine Zero. „Kaname Kuran“, murmelte er, wobei aus seinem eindeutig abfälligen Ton leicht zu erkennen war, wie wenig er von ihm hielt. „Wie kommt es, dass du mich so schnell gefunden hast? Warst du nicht in deinem Zimmer oder irgendwo auf dem Schulfest?“, fragte sie weiter. Zero zögerte einen Moment, bevor er antwortete: „Ich war in der Nähe, weil ich den anderen helfen sollte, dich zu suchen, und hab deinen Schrei gehört.“ Wütend stemmte Haine sich die Hände in die Hüften. „Schon wieder diese Ausreden!“, beschwerte sie sich. „Warum sagst du nicht einfach, dass du mich gesucht hast? Oder hast du mich etwa die ganze Zeit über verfolgt?“ „Glaub doch, was du willst“, murmelte er. „Du scheinst ja sowieso die ganze Zeit was Falsches über mich zu denken...“ „Wie wäre es, wenn du mir mal endlich die Wahrheit darüber sagst, was du von mir denkst?“, forderte sie ihn auf. Er zuckte mit den Schultern. „Ich denke, das habe ich schon deutlich genug gesagt. Ich habe dich nur gerettet, weil ich hier Guardian bin und der Schulleiter es von mir erwartet.“ Seine Gleichgültigkeit machte Haine so zornig, dass sie ihm eine donnernde Backpfeife verpasste. Er hob überrascht die Augenbrauen, sagte aber nichts, selbst wenn seine sonst so bleiche Wange nahezu glühte. „Du bist so ein Feigling! Du kannst nen Typen für mich verprügeln, aber mir einfach sagen, dass du mich liebst, das kannst du nicht!!!“, fuhr sie ihn wütend an. Das schien ihn für einen Moment tatsächlich aus dem Konzept zu werfen, sodass Haine sich in ihrer Vermutung bestätigt fühlte, doch schließlich sagte er: „Es gibt einen Grund, weswegen ich mich niemals werde verlieben dürfen. Also lass mich einfach alleine, du kannst nichts für mich tun.“ Als sie ihn daraufhin nur verdattert anstarrte, unsicher, ob er die Wahrheit sprach, öffnete er noch einmal den Mund, doch er schloss ihn sogleich wieder, ohne etwas gesagt zu haben. In seinen violetten Augen lag ein fast schmerzvoller Ausdruck, doch er drehte sich schnell weg, sodass Haine keine Gelegenheit hatte, sich noch einmal davon zu vergewissern. „Hast du wirklich nicht versucht, dich umzubringen?“, fragte sie kleinlaut. „Nein“, sagte er. „Ich bin ein Guardian, es ist meine Aufgabe, die Sicherheit der Schüler hier zu gewähren. Aber wenn ich meine Gefühle zulassen würde, könnte, dürfte....“ Er hielt mitten im Satz inne, als habe er gemerkt, dass er zu viel gesagt hatte. Einen Moment standen die beiden einfach schweigend dort, dann straffte Zero seine Schultern und ging mit großen Schritten davon. Erst wollte Haine ihm hinterherlaufen, doch als sie einen Moment darüber nachdachte – wie sie es vielleicht öfter hätte machen sollen – wurde ihr klar, dass es keinen Sinn hatte. Zero schien seine Entscheidung schon längst gefällt zu haben, und der Grund, weswegen er sich nicht verlieben dürfte, schien auch nicht gerade eine Kleinigkeit zu sein. Dennoch tat es ihr weh, ihn einfach so allein zu lassen. Mit einem trübsinnigen Gesicht, das man bei ihr höchst selten zu Gesicht bekam, schlurfte sie in die Richtung, in die Zero ebenfalls gegangen war, da sie dort entweder das Internat oder das Schulfest finden würde. Sie musste dringend mit Ushio über all das sprechen, was geschehen war. Das hätte sie eigentlich sowieso schon längst tun sollen... „Schlag ihn dir einfach aus dem Kopf. Er hat ja jetzt wohl oft genug gesagt, dass er deine Hilfe nicht will“, war der niederschmetternde, aber zumindest ehrliche Kommentar von Haines bester Freundin zu diesem Thema, nachdem Haine am Abend in ihrem Gästezimmer in der Cross Academy endlich dazu gekommen war, ihr alles zu erzählen. „Meinst du nicht, dass er glücklich wäre, wenn jemand die Mauer um ihn durchbricht und ihn wirklich stützen kann, wenn er Hilfe braucht?“ Ushio schüttelte den Kopf. „Er ist alt genug, um das selbst zu entscheiden. Und du hast ja vorhin selbst gesagt, dass er einen übergeordneten Grund dafür hat, seine Gefühle unter Verschluss zu halten.“ Haine stieß einen tiefen Seufzer aus. „Aber ich möchte ihm so gerne helfen...“ „Du hilfst ihm am meisten damit, wenn du ihn einfach in Ruhe lässt. Glaub mir. Und im Notfall hat er ja immer noch diese Yûki, die sich um ihn kümmern kann. Wir fahren morgen früh nach Hause, und dann wirst du ihn sowieso nie wiedersehen.“ „Wahrscheinlich“, murmelte Haine betrübt und schmiss sich mit dem Rücken auf ihr Bett. Vor ihrem inneren Auge sah sie wieder die Bilder ihres Angriffs, und wie Zero so rücksichtslos, ja, fast wahnsinnig auf diesen Hanabusa eingeschlagen hatte. Das Geheimnis, das er hütete, musste ziemlich düster sein, und wenn sie daran dachte, war sie fast froh darüber, die Cross Academy bald hinter sich lassen zu können. Dennoch ließ sie es sich nicht nehmen, am nächsten Morgen noch einmal zu Zeros Zimmer zu laufen, um sich von ihm zu verabschieden. Doch die Tür war verschlossen – als hätte er geahnt, dass sie noch einmal bei ihm auftauchen würde – und auf ihr Rufen reagierte er auch nicht. „Leb wohl, Zero!“, rief sie ihm zu, auch wenn sie nicht wusste, ob er sie überhaupt hörte. „Ich hoffe für dich, dass du irgendwann doch noch jemanden findest, dem du dein Herz ausschütten kannst und auf den du dich stützen kannst, denn ohne eine solche Person ist es wirklich schwer, durchs Leben zu kommen.“ Einen Moment zögerte sie, doch ihr wurde schnell klar, dass Zero nicht antworten würde, egal, was sie sagte. Daher strich sie noch einmal mit den Fingern über das dunkle Holz seiner Zimmertür, so als stünde er selbst vor ihr, und verließ dann schweren Herzens den Korridor, um sich zu den anderen Mitgliedern des Schülerrats zu gesellen, die bestimmt schon alle im gekühlten Auto saßen und auf sie warteten. Nun, wo sie die Sache mit Zero offiziell abgeschlossen hatte, konnte sie sich wieder voll darauf konzentrieren, Shizumasas Herz zu gewinnen, auch wenn dies sicherlich genauso schwierig war, wie etwas über Zeros wahre Gefühle zu erfahren. Als das Auto endlich anfuhr, warf Haine noch einmal einen Blick hinauf zu dem Fenster, hinter dem Zeros Zimmer lag. Überrascht stellte sie fest, dass Zero von dort auf den Hof herunterblickte. Sein Ausdruck war zwar gefühlskalt wie immer, doch ihr war klar, dass allein die Tatsache, dass er sich dort oben zeigte, in einem gewissen Sinne ein Zeichen seiner Zuneigung war, und das erleichterte ihr Herz zumindest ein wenig, denn wenn er ihr einen Anflug von Gefühlen zeigte, würde er sicherlich auch bei Yûki Fortschritte machen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)