Chiisana LOVE-STORIES von Ditsch (Die ultimative Anime-Crossover-Dating-Fanfic) ================================================================================ Kapitel 37: Pai und Meroko - Erste Gefühle ------------------------------------------ Von Ein neues Pairing, diesmal wieder auf Wunsch, und zwar von Mew-Moonlight. Es ist schon das zweite Pärchen mit Aliens aus Tokyo Mew Mew, das ich schreiben muss. Ich beschwere mich ja nicht, es gibt nur so wenig Infos über die Aliens. Gerade bei Pai... Für alle Fullmoon-Fans noch der inhaltliche Hinweis, dass die Geschichte irgendwann gegen Ende von Band 1, also sehr früh spielt. Es wäre nur umständlich gewesen, wenn Izumi auch noch eine Rolle gespielt hätte... Noch etwas zu den Liedern, die Fullmoon hier singt. Das erste kommt von mir, hab ich mir so ausgedacht... Ich würde ihm den Titel „Vision“ geben. Das Lied ganz am Schluss ist „L’Ange“, der Text, der im deutschen Manga in Englisch vorkommt, nur halt ins Deutsche übersetzt. Ich hoffe, die Geschichte geht einigermaßen... Erste Gefühle Das erste große Konzert des Jungstars Fullmoon war ausverkauft bis auf den letzten Platz. Somit drängten sich in der relativ kleinen Konzerthalle irgendwo abseits des Zentrums von Tokyo die Mädchen auf engstem Raum. Der Raum war erfüllt von Tuscheln, Lachen und Kreischen, von einem nervigen Summen wie in einem Bienenstock, das von innen gegen die Wände zu drücken schien. Meroko Yui hockte auf einem der Stahlträger oben im gewölbten Dach und starrte auf die Menge von Fans, die auseinander- und wieder zusammenwaberte und sich bewegte, wie eine große Alge. Unten auf der Bühne wurden soeben die letzten technischen Vorbereitungen getroffen, ein paar Bühnenarbeiter wuselten noch hin und her, das Licht wurde kurz angetestet. Meroko gähnte unauffällig und wünschte sich, dass es endlich anfangen würde. Der einzige Grund für sie, hier zu sein, war, dass sie die Lieder von Fullmoon schlicht und ergreifend liebte. Die eigentlich zwölfjährige Sängerin sang von Freud und Leid, von starken Gefühlen und von Träumen, und das ohne jede Künstlichkeit. Meroko verstand gut, warum so viele Mädchen Fans von ihr waren. Aber das Warten nervte. Als Fullmoon fünf Minuten später die Bühne betrat, wurde es mit einem Mal ganz still im Saal. Es war fast schon magisch: eine einzige, weißgekleidete Gestalt mit engelsblondem Haar zeigte sich und schon waren die Blicke von etwa tausend Personen auf sie gerichtet und alle Münder geschlossen. Fullmoon lächelte, ein offenes, süßes Lächeln, und begrüßte ihre Fans mit sanfter Stimme. Im Hintergrund bezogen die Musiker die Plätze an ihren Instrumenten und dann begann in die Stille hinein die Musik des ersten Songs. Meroko schloss die Augen. Hast du mich gesehen, als die Sonne noch strahlte? Konntest du mich hören, über das Lachen hinweg? Meroko wurde gestört, kaum, dass diese ersten Worte verhallt waren. Ein leises Klacken neben ihr, sie sah auf. Neben ihr stand ein Mann. Vielleicht kein Mann. Zumindest schien er kein normaler Mensch zu sein, denn seine Ohren, die fast die Länge einer Hand hatten und seitlich vom Kopf abstanden, waren ebenso unmenschlich wie der Fakt, dass er ohne sichtbare Hilfsmittel soeben im mehrere Meter über dem Boden liegenden Stahlgerüst gelandet war. Meroko brachte sicht mit einem Schlag ihrer Flügel in eine aufrechte Position, aber der Fremde bemerkte sie nicht, natürlich nicht. Für ihn mussten Todesengel wie sie genau so unsichtbar sein wie für all die Menschen im Konzertsaal. Fullmoon sang, unbemerkt dieses Vorkommnisses, weiter. Vermutlich war sie zu sehr in ihre Worte vertieft, um es überhaupt zu merken. Damals war alles anders, damals war ich nicht allein, Damals konnte ich dich nur von weitem betrachten Und mir nur heimlich einen Blick von dir wünschen. Meroko musterte den Mann, der mit verschränkten Armen dastand und ohne sichtbare Gefühlsregung die Augen quer über den Saal und die Bühne huschen ließ. Seine Augen waren tiefschwarz, sein Haar hatte einen Stich ins Violette. Links neben seinem Gesicht lag eine mit Textil umwickelte Strähne, der Rest seines Haarschopfs war denkbar kurz. Er trug nur ein bis knapp unter die Brust reichendes schwarzviolettes Oberteil, eine lange Hose, die mit Halbschuhen abgeschlossen war und schwarze Stulpen an den Unterarmen. Wer mochte er sein? Fullmoon wiegte sich im Takt der Musik, sang unbeirrt weiter: Hast du mich gespürt, als ich dir noch fern war? Konntest du mich riechen, über den Schweiß anderer hinweg? Meroko stellte sich direkt neben den Fremden auf den Stahlträger. Er schien versunken in irgendein Gedankenspiel, bis er auf einmal die Hände hob. „Infiltration von Enzym 5“, sagte er leise. Das war der Moment, in dem Meroko beschloss, sich sichtbar zu machen, um zu verhindern, was auch immer er vorhatte. Er brach sofort ab und fuhr zu ihr herum, wobei er vorsichtshalber noch einen Sprung rückwärts machte. Die Höhe des schmalen Stahlträgers schien ihn dabei nicht im Mindesten zu verunsichern. „Wer bist du?“, sagte er sofort. Trotz aller Überraschung, die sie ihm bereitet haben musste, wirkte er seltsam ruhig. Meroko sah ihn mit erhobenem Kopf an. „Dasselbe könnte ich dich fragen, zudem war ich zuerst hier.“ Glückliche Tage sind vorbei, alles hat sich verändert Was ich hatte, versank im Abgrund, im tiefen Meer der Stille Doch da war immer noch ein Licht, das warst du Dem Blick des Langohrigen war kein Gefühl anzusehen, doch er sagte leise: „Du willst vor mir hier gewesen sein?“ „Du hast mich nicht gesehen, aber ich war da. Sag mir, wer du bist.“ „Warum sollte ich?“ „Okay, pass auf. Ich bin ein Todesengel. Wenn ich will, kann ich dir an Ort und Stelle deine Seele nehmen, falls dir das lieber ist!“, erklärt Meroko brüsk. Das war glatt gelogen, denn Todesengel, die Menschen ihre Seele nehmen, denen nicht der Tod bestimmt ist, erwartet eine bestiale Strafe. Den Fremden schien diese Aussage auch so nicht wirklich zu beeindrucken. „Du willst mich töten?“, fragte er gelangweilt. „Ich will wissen, wer du bist“, erwiderte Meroko und verschränkte die Arme. Ihr Gegenüber sah ihr ausdruckslos in die Augen. Sein kalter Blick jagte ihr augenblicklich einen Schauer über den Rücken. „Ich heiße Pai“, sagte er und wandte sich ab. Kannst du mich jetzt sehen, auch wenn ich im Dunkeln sitze? Kannst du mich hören, auch wenn meine Stimme versagt? Meroko verzog den Mundwinkel. „Okay... Pai. Was hast du hier vor?“ „Ich wüsste nicht, was dich das angeht.“ „Wenn du Fullmoon etwas tun willst, kriegst du es mit mir zu tun!“ Seine Augen begannen belustigt zu glitzern, auch wenn sein Mund schmal wie zuvor blieb. „Fullmoon? Du meinst, das Mädchen da vorne?“, fragte er und deutete auf die Sängerin. „Genau die. Wag es ja nicht!“ „Sie könnte problemlos entkommen, wenn du sie warnst.“ „Warnen wovor?“ Pai sah Meroko abschätzend an. Sie stellte sich vor, dass er sie in Gedanken für ihre blöden Fragen verfluchte, aber seiner stählernen Miene war nichts zu entnehmen. Lass mich dir mich zeigen, damit du mich siehst. Lass mich dir ein Lied singen, damit du mich hörst. Lass mich dich berühren, damit du mich spürst Lass mich dich betören, damit du mich riechst. Lass mich bei dir sein. Die Fans begannen begeistert zu kreischen. Meroko stemmte die Arme in die Hüften. „Ich warte.“ „Ich werde den Raum mit Kohlendioxidgasen anfüllen. Dann werden hier alle ersticken.“ Dem Todesengel jagte bei der Gefühlskälte hinter diesen Worten ein Schauer über den Rücken. „Du meinst, sie werden alle sterben?“, hakte Meroko nach. „Das sagte ich doch.“ Meroko sah hinunter zur Bühne, wo Fullmoon gerade der Menge zuwinkte und ihnen eine kurze Ansprache hielt. Hinten, knapp neben dem Gitarristen, entdeckte sie den für die normalsterblichen Zuschauer unsichtbaren Takuto, ihren Todesengelkollegen, der mit verschränkten Armen und zufriedenem Gesichtsausdruck Fullmoon betrachtete. Sie drehte sich wieder zu Pai. „Also gut, tu es ruhig“, sagte sie ernst. „Du hättest mich sowieso nicht aufhalten können“, erklärte er ungerührt. Meroko zog eine Grimasse und verwandelte sich in ihre normale Todesengelgestalt, die für ihn unsichtbar war, zurück. Eilig flatterte sie in Richtung Bühne. Hinter sich hörte sie Pai etwas von „Tödlichkeitsrate 95%“ murmeln. Bevor sie allerdings die Bühne ganz erreicht hatte, wurde ein Ruf aus der Menge laut. „Das lassen wir dir nicht durchgehen!!“ Unruhe kam auf, als sich die Konzertbesucher zur Seite drängten und Platz für fünf junge Mädchen in schillernd bunten Kostümen machen, die bis unter den Querträger eilten, auf dem Pai stand. Um ihn herum schwebten jetzt in der Luft kleine schwarze Wesen, die mit ihren von kleinen Zähnchen starrenden Mäulern heftig schnappten. Meroko landete neben Fullmoon und beobachtete, wie das vorderste von den Mädchen anklagend auf Pai zeigte. „Dich auch noch hier hin zu wagen, ist echt das Letzte! Ich denke, es wird wieder mal Zeit für eine kleine Lektion!“ Umstehende Konzertbesucher zückten ihre Handykameras, um die ungewöhnlich gekleideten Mädchen zu knipsen. „Ihr werdet diesmal nicht gewinnen, Tokyo Mew Mew. Los, meine Luftverpester!“ Pai riss den Arm nach vorn und die kleinen schwarzen Monster um ihn herum stürzten sich auf die fünf Heldinnen. Der Kampf war denkbar kurz und für Pai eine totale Niederlage. Tokyo Mew Mew gelang es innerhalb kürzester Zeit, die Monster mit ihren magischen Waffen auszuschalten und ernteten daraufhin brausenden Jubel. Pai zog keine Miene, sondern verschwand einfach so schnell, wie er gekommen war. „Warte!“ Pai hielt mitten in der Luft über der Konzerthalle inne, wo ihn eine unsichtbare Kraft zu halten schien. Um ihn flatterten die an seinem Gürtel befestigten Bänder im Wind. „Was willst du noch hier?“, fragte er kühl. Meroko, die ihm sofort gefolgt war, ballte die Fäuste. Sie war froh, dass sie ebenfalls fliegen konnte, allerdings war es anstrengend, sich gleichzeitig in der Luft zu halten und für Pai sichtbar zu bleiben. „Landen wir irgendwo. Ich muss mit dir sprechen.“ „Wenn du willst“, antwortete er schlicht. Sie kam auf dem Hubschrauberlandeplatz eines nahen Krankenhauses auf, wo mitten in der Nacht nichts los war. Um sie herum glitzerten die Lichter der Großstadt wie Juwelen in der Dunkelheit. Pai schien jedoch keinen Sinn dafür zu haben, blieb mit verschränkten Armen stehen und musterte Meroko abwartend. Sie ballte die Fäuste in der Luft und versuchte, seinem Blick auszuweichen. „Du... Du kannst doch dafür sorgen, dass Tausende von Menschen sterben, nicht wahr?“ „Wir haben es schon oft versucht. Bisher sind uns Tokyo Mew Mew immer in den Weg gekommen.“ „Aber wenn ich dir helfen würde, könnte es klappen, oder?“ „Wie willst du mir helfen?“ „Ich... du sagst doch, diese Tokyo Mew Mew kommen euch in den Weg! Also werde ich sie ablenken!“ „Wie willst du das erreichen?“ „Ich kann für Menschen jede erdenkliche Gestalt annehmen, das wird mir dabei helfen. Allerdings hast du recht, ich weiß noch zu wenig über sie. Wenn du mir Informationen gibst, kann ich vielleicht etwas ausrichten.“ Pai kratzte sich am Kinn und musterte sie gründlich. „Warum willst du, dass ich Menschen töte?“, fragte er schließlich. Meroko zuckte zusammen. „Das geht dich nichts an. Du solltest damit zufrieden sein, dass ich dir überhaupt helfe, meinst du nicht?“, erklärte sie nach einer kurzen Pause. Er zuckte nichtssagend die Achseln. „Gut, wenn du meinst. Ich werde dir über Mew Mew alles verraten, was wir bisher wissen, also pass gut auf...“ Das Café Mew Mew lag in einem belebten Teil der Innenstadt von Tokyo und war von außen so niedlich, dass Meroko sich bei seinem ersten Anblick gewünscht hatte, mal zu zweit mit Takuto herkommen zu können. Nun aber war sie wegen ihrer Mission hier. Sie schlingerte zum Hintereingang des Cafés, malte geschwind einen Kreis aus Kreide auf die Wand und schlüpfte hindurch. Praktisch war diese Technik immer, auch wenn sie eigentlich dazu gedacht war, dass Todesengel wie sie unbemerkt in die Häuser von Sterbenden eindringen konnten. Hinter dem Eingang lag die Geheimzentrale von Tokyo Mew Mew, ein großer Raum mit Bildschirmen an den Wänden, untereinander vernetzten Computern und unhandlichen technischen Geräten. Ein junger Mann mit blonden Haaren saß vor den Überwachungsbildschirmen und tippte nebenbei abwesend Befehle in den Computer. Er war sichtlich müde, unter seinen Augen zeichneten sich dunkle Ringe. Meroko trat hinter seinen großen Stuhl und grinste. „Ich finde, ich sollte jetzt übernehmen“, sagte sie süßlich und zog ein Seil hervor, das sie zu diesem Zweck mitgenommen hatte. Sie trat um den Stuhl herum, und ehe er sich versah, hatte sie ihm schon das vorbereitete Taschentuch in den Mund gestopft und das Seil um seinen Oberkörper gewunden. Seine vor Schreck weit aufgerissenen Augen fragten „Was geschieht hier?“, denn sehen konnte er sie trotz Allem nicht. Meroko trat einen Schritt zurück, während seine Augen panisch im Raum umherwanderten. Sie grinste, dann machte sie sich gleichzeitig sichtbar und nahm das Aussehen ihres Gegenübers an. Der Schock in seinem Blick war nicht zu übersehen. „Tja, ich bin du“, erklärte Meroko mit seiner Stimme. „Eine Woche habe ich dich beobachtet, das reicht, um dich überzeugend genug zu imitieren. Also sei so lieb und halt dich jetzt ein bisschen zurück.“ Damit nahm sie ihn auf beide Arme, tapste zum Ausgang des Raumes und sperrte den wehrlosen blonden Oberschüler in den gegenüberliegenden Besenschrank. Dann kehrte sie zum Computer zurück. Nun war sie er – Ryô Shirogane, Oberschüler und Begründer des Projekts Mew Mew, das Pai ständig in die Quere kam. Soweit Meroko mitbekommen hatte, war Pai nicht der Einzige seiner Art, allerdings wusste sie von den anderen weder, wer sie waren, noch wie viele. Es spielte auch gar keine Rolle, solange Pai sich ihren Absprachen entsprechend verhielt. „Keiichirô! Wo bist du?! Es ist eine Katastrophe!“ Der Gerufene, der Besitzer des Cafés und der zweite Kopf von Mew Mew erschien nach wenigen Sekunden mit einem Besen in der Hand. Er war ein etwas über zwanzig Jahre alter Mann mit mittellangem, schwarzem Haar in Hemd und Hose. „Was ist los?“, fragte er alarmiert. „Tausende von Aliens sind in Chiba aufgetaucht, ich hab’s gerade erst gesehen! Wir müssen sofort Mew Mew verständigen!“ Meroko deutete auf den Bildschirm hinter sich, wo Bilder von einem Chimärenangriff auf ein Einkaufszentrum abliefen, die sie zuvor aus dem Archiv gekramt hatte. Keiichirô schien nicht zu bemerken, dass es dieselben Bilder waren wie nur drei Tage zuvor. „Ich verständige sofort die Mädchen“, erklärte Meroko. Keiichirô nickte ernst, während Meroko anfing, Befehle in den PC einzugeben, wie sie es den echten Ryô mindestens zweimal hatte tun sehen. Pai hatte in der vergangenen Woche immer wieder Angriffe gestartet, während Meroko die Vorgänge im Café genauestens beobachtet hatte. Wenn die Mädchen von Tokyo Mew Mew, die normalerweise im Café arbeiteten, gerade nicht direkt zu erreichen waren, gab Ryô diese seltsamen Befehle ein (Meroko hatte immerhin das Prinzip verstanden) und irgendwie wussten danach alle Bescheid. So würde es auch diesmal sein. „Die schaffen das schon“, sagte Keiichirô, nachdem Meroko ihren Befehl beendet hatte. Sie nickte. „Ich mache mir trotzdem Sorgen. Behalt du die Vorgänge im Auge, ich fahre auch nach Chiba, nur für den Fall der Fälle.“ Keiichirô nickte. Damit war Meroko auf der sicheren Seite. Der Braunhaarige wusste zwar offenbar einiges über die Gegner von Tokyo Mew Mew, hatte aber keine Ahnung von den Computersystemen und würde einfach das alte Video weiterverfolgen, das den Sieg der Heldinnen über die Aliens zeigen würde. Dass Ryô des Öfteren den Mädchen folgte, hatte sie beobachtet, so dass hier keine Gefahr bestand, dass er Verdacht schöpfte. Und wenn die Mädchen, in Chiba angekommen, bemerken würden, dass etwas nicht stimmte, wäre es schon viel zu spät. Meroko schwang sich, kaum, dass sie das Café verlassen hatte in ihrer normalen Todesengelform in die Luft. Pai konnte loslegen. Sie erreichte innerhalb kürzester Zeit die kleine Vielzweckhalle im Hafengebiet, in der Fullmoon ihr heutiges Promo-Konzert gab. Geladen waren nur 200 Gäste, die die Tickets bei einem Radiogewinnspiel gewonnen hatten. Pai erwartete Meroko über dem Hallendach schwebend. Von ihrem Standpunkt aus konnten sie bereits das Meer in der Bucht von Tokyo rauschen hören. „Es kann losgehen. Tokyo Mew Mew sind auf dem Weg nach Chiba“, erklärte Meroko. Pai verzog wie üblich keine Miene – daran hatte sich der Todesengel mittlerweile gewöhnt – aber seine Augen glitzerten zufrieden. „Diesmal werden wir erfolgreich sein!“, rief er. Meroko nickte. „Ich werde Fullmoon warnen und dir dann Bescheid sagen.“ Damit machte sie sich für ihn wieder unsichtbar und verschwand in der Halle. Das Konzert war bereits in vollem Gange. Fullmoon hatte soeben einen Song beendet und war für den Kostümwechsel von der Bühne verschwunden. Meroko stellte sie in der Umkleidekabine. „Häschen! Wir haben dich die ganze Zeit vermisst!“, rief Fullmoon, als sie den Todesengel entdeckte. Aus irgendeinem Grund konnte die Sängerin sie immer sehen, vermutlich, weil ihr der nahe Tod bestimmt war. „Du sollst mich nicht Häschen nennen“, sagte Meroko streng. Fullmoon lächelte offen. „Tut mir leid“, meinte sie, fast flüsternd, da ihre Bühnenassistentin hereinkam, um ihr in das neue Outfit zu helfen. Meroko blieb stehen und betrachtete, wie die Sängerin von einem weißen Hosenanzug in ein niedliches kurzes Rüschenkleid wechselte. Weiß trug die Sängerin sowieso immer bei ihren Auftritten. „Hör zu, Mitsuki“, sagte Meroko und sprach die Sängerin damit mit ihrem wirklichen Namen an. Diese sah sie nur kurz an, ließ sich aber gegenüber ihrer Assistentin nichts anmerken, während sie sich aus ihrem Anzug schälte. „Es wird gleich einen Angriff auf diese Konzerthalle geben. Flieh, sobald du irgendwas Ungewöhnliches hörst, verstanden?“ Die Augen der Sängerin weiteten sich. „Was redest du da?“ Ihre Assistentin sah sie verblüfft an. „Ich habe doch gar nichts gesagt.“ Fullmoon ignorierte das und sah Meroko auffordernd an. „Diese Konzerthalle wird von Aliens angegriffen werden. Du sollst dich in Sicherheit bringen, wenn das passiert. Mehr nicht.“ „A- aber wieso...?“ „Glaub mir einfach und nutz dein Wissen, um zu fliehen. Ich hätte es dir auch verschweigen können, also beschwer dich nicht.“ Bevor Fullmoon noch irgendwas sagen konnte, zischte Meroko aus dem Raum, wo sie allerdings prompt mit ihrem Kollegen Takuto zusammenstieß. Er fiel hin, rappelte sich aber sofort wieder auf. „Meroko! Du bist ja auch hier“, stellte er verblüfft fest. „Ja, seit gerade eben. Wundert dich das?“ Takuto verschränkte die Arme. „So selten, wie ich dich die letzte Woche gesehen habe, wundert mich, dass du überhaupt noch wiederkommst“, stellte er fest. Meroko schüttelte vehement den Kopf. „Ich würde dich doch nie verlassen, Takuto! Du weißt doch, ich...“ Sie sah ihn flehend an, „Ich liebe dich doch!“ Takutos Gesichtsausdruck wurde zunehmend genervter. „Jetzt hast du es mir schon zum 59. Mal gesagt...“, stellte er fest. Meroko stampfte auf. „Nimm mich ruhig nicht ernst, mir ist es egal! Wenigstens helfe ich dir!“, rief sie. Sie flatterte mit den Flügeln und segelte in die Höhe. „Du wirst die Chance bekommen, endlich ein richtiger Todesengel zu werden, also nutze sie!“, meinte sie noch, bevor sie mit ihrem üblichen Trick durch die Decke schlüpfte, um Pai das Angriffssignal zu geben. Die Konzertbesucher merkten, dass etwas nicht stimmte, als auf einmal ein schwefliger Geruch die Luft erfüllte. Fullmoon war nach ihrem letzten Abgang noch nicht zurück und die Musiker hatten ein paar Interludes gespielt, um die Wartezeit zu überbrücken. Vorne in der ersten Reihe war der Geruch so stark, dass bereits nach wenigen Sekunden das erste Mädchen in Ohnmacht fiel. Panik brach aus. „Du hast was!?“, schrie Takuto. „Das ist die Chance für dich!“, erwiderte Meroko, gerade erst zurück von draußen, um sicherzugehen, dass Fullmoon die Halle tatsächlich verließ. Diese wechselte einen entsetzten Blick zwischen den beiden Todesengeln, die sich drohend gegenüberstanden. Mehr Schreie drangen aus dem Zuschauerraum und das Geräusch von Schritten. Die Zuschauer versuchten, aus dem Saal zu entkommen. „Du arbeitest mit diesem Alien zusammen, damit er die Konzertbesucher umbringt!? Wie tief bist du eigentlich gesunken!?“, rief Takuto mit unverhohlener Wut in der Stimme. „Ich tue das doch nur für dich! Wenn viele Menschen sterben, kannst du ihre Seelen nehmen und dann wirst du endlich ein vollwertiger Todesengel! Nutz diese Chance!“ „Hältst du mich für so niederträchtig?“ Takuto erwartete nicht einmal eine Antwort, sondern flog so schnell er konnte zum Zuschauerraum. Gut die Hälfte der Zuschauer war bereits aus der Halle entkommen. Die Musiker waren neben ihren Instrumenten, geplagt vom ätzenden Geruch der Chimären, in Ohnmacht gefallen. Auch auf dem Boden der Halle lagen mehrere Menschen, die ihr Bewusstsein verloren hatten, während der Rest sich vor den zwei Notausgängen drängte und versuchte, den mysteriösen Gasen zu entkommen, die die Halle langsam anfüllten. Die Chimären hatte Pai in die Dachkonstruktion geschickt, wo sie praktisch nicht auszumachen waren, und von dort strömten sie ihre gefährlichen Dämpfe aus. Immer noch erklangen überall Schreie. Am Bühnenaufgang, dem Publikum durch einen Vorhang verborgen, stand Pai mit verschränkten Armen und beobachtete das Schauspiel mit zufriedener Miene – bis ihn eine Faust grob am Kragen packte und ein junger Mann mit schwarzem, im Nacken zu einem Zopf gebundenen Haar vor ihm auftauchte. „Hör sofort auf damit!“, schrie er. Pai starrte ihn ausdruckslos an, machte aber keine Anstalten, sich zu bewegen. „Wer bist du denn?“, fragte er. „Ich sagte, du sollst aufhören! Die Menschen werden alle ersticken!“ Pai befreite sich unsanft aus dem Griff und stieß den Fremden rückwärts, dass er taumelte. „Du willst wohl, dass ich dich töte“, sagte er gelassen. Takuto machte wieder einen Schritt nach vorn. „Ich will nicht, dass du diese Menschen tötest. Meroko hat es nicht ernst gemeint. Hör auf!“ Pai verzog keine Miene. „Du hast mir nichts zu sagen. Ich weiß nicht, was Meroko beabsichtigt hat, aber sie hat mir bis hier geholfen. Der Angriff steht aber unter meiner Kontrolle. Du kannst mich nicht mehr aufhalten.“ Takuto stürzte sich wortlos auf den Alien. Der Überraschungseffekt ermöglichte es ihm, ihn zu Boden zu reißen, doch dann war Schluss. Pai winkelte die Beine an und verpasste seinem Gegner einen Tritt in den Magen, kam auf die Beine und sprang ihm hinterher. In der Luft verpasste er ihm einen kaltherzigen Handkantenschlag in den Nacken, der Takuto mit voller Wucht auf der Bühne aufschlagen ließ. „Los, holt ihn euch“, forderte er seine Monster seelenruhig auf und deutete auf den Bewusstlosen. Die Bestien zischten gesammelt mit lautem Kreischen zwischen den Strahlträgern des Hallendaches hervor, doch ein lautes Knallen ließ sie zurückschrecken. Vor Takuto hatte sich Meroko aufgebaut, wieder sichtbar für Pai. In der Hand hielt sie eine Peitsche, ihre Todesengelwaffe, die sie durch einen gedanklichen Befehl aus der Luft materialisiert hatte. Ihr Blick war erbarmungslos auf Pai gerichtet. „Wag es ja nicht, Takuto irgendwas anzutun!“, zischte sie. Takuto regte sich, während Pai Meroko abschätzend musterte. „Willst du mich aufhalten?“, fragte er sie. „Verschon Takuto, mehr will ich nicht!“ Pai drehte sich wieder in Richtung Halle. Diese war leer, bis auf ein paar Ohnmächtige direkt vor der Bühne. Direkt an den Ausgängen hatte es wohl genug frische Luft gegeben, als dass die Gase die Menschen dort hätten erwischen können. Pai drehte sich wieder zu Meroko. „Wie es aussieht, sind alle entkommen“, erklärte er. Meroko schluckte. „Ist das jetzt meine Schuld, oder was?“, fauchte sie. „Wenn dein Schwarzhaariger Freund mir nicht in die Quere gekommen wäre, hätte ich sicher Erfolg gehabt.“ Meroko starrte ihn fassungslos an. „Wag es nicht, irgendwas gegen Takuto zu sagen!“, schrie sie und machte einen Sprung auf ihn zu. Er wich aus, doch ihre Peitsche streifte ihn an der Wange und hinterließ eine blutige Spur. „Warum greifst du mich an? Ich habe nur getan, was du wolltest. Warum beschützt du diesen Jungen, der unseren Plan durchkreuzen will?“ „Weil ich ihn liebe, du Idiot! Wenn er nicht von dieser Sache profitiert, hat es keinen Sinn! Also hau ab, es ist zu spät!“ Mit heftigen Armbewegungen versuchte Meroko, ihren Gegner ein weiteres Mal mit der Peitsche zu treffen. Der war mittlerweile darauf eingestellt und konnte ausweichen. Es wurde ihm jedoch bald zu bunt und er machte einen Satz zum hinteren Ende der Halle. „Ich verschwinde“, verkündete er und tat dann wie versprochen, indem er sich durch einen Sprung aus der Tür katapultierte und irgendwo im Dunkeln zwischen den eng stehenden Speichern des Hafens verschwand. Gleichzeitig lösten sich auch die lauernd in der Luft schwebenden Chimären scheinbar in Luft auf. Meroko blickte ihm mit vor Wut flammendem Blick nach und atmete schwer. Sie hatte nicht bemerkt, wie untypisch bissig Pais letzte Worte geklungen hatten. Am Strand war es angenehm, fand Meroko. Das unaufhörliche Rauschen der Wellen und der Blick über den unendlichen Horizont hatten etwas ungemein Beruhigendes, so dass ihr die Strapazen der vergangenen Tage wie ein Witz vorkamen. Sie schwebte über dem Wasser und konnte weit hinten am Strand Takuto und Mitsuki sehen, die sich mit Wasser bespritzten. Mitsuki war hier in ihrer normalen Gestalt, der einer 12-Jährigen, während sie als Fullmoon durch Takutos Zauber das Aussehen einer blonden 16-Jährigen annehmen konnte. Der rosahaarige Todesengel ärgerte sich etwas, dass Takuto einfach so vertraut mit dem Mädchen umging, aber ändern konnte sie es auch nicht. Seit der Sache mit den Aliens war Takuto ziemlich schlecht auf sie zu sprechen. Mitsuki sah sie auch in letzter Zeit immer so vorwurfsvoll an, dass sie es vorzog, sich möglichst von den beiden fernzuhalten. Sie tapste ein wenig mit den Füßen ins Wasser, das sie leicht umspielte und flatterte dann ein bisschen weiter hinaus. Ein paar Möwen schlossen sich ihr an, als sie knapp über dem Wasser langsam in Richtung Strand schwebte. Wenn sie sich wie sie nur darum sorgen müsste, sich etwas zu Essen und einen Nistplatz zu besorgen, hätte sie es sicherlich leichter... Die schwarzweiß gemusterten Vögel mit den langen Schnäbeln trennten sich erst von ihr, als sie den Strand erreichte und machten sich mit lauten Flügelschlägen davon. Verblüfft bemerkte Meroko erst jetzt, dass Mitsuki fort war. Von Takuto war ebenfalls nichts zu sehen. Sie runzelte die Stirn und flog vorsichtig über den Sand hinweg, wo deutlich die Fußspuren von Mitsukis nackten Füßen im Sand zu erkennen waren. Ein paar Stellen waren so plattgetrampelt, dass Meroko nicht einmal mehr die Umrisse erkennen konnte. Etwas ließ sie stutzig werden: Sie konnte zwar deutlich die Spur sehen, die Mitsuki über die kleine Treppe von der Promenade zum Wasser geführt hatte, aber nicht den Rückweg. „Takuto!?“, fragte sie laut. Nichts, nur das Rauschen des Meeres und etwas weiter weg ein Flugzeug, das zum Landen ansetzte. Weit entfernt auch die Geräusche der Großstadt, aber nichts, was auf den Aufenthaltsort Mitsukis hinwies. Meroko rief noch einmal nach ihrem Partner, doch es war nicht er, der antwortete. „Auch wenn ich dich nicht sehe, du bist hier, Meroko!“Die Angesprochene fuhr herum. Über den unruhigen Wellen schwebte in mehreren Metern Entfernung eine Gestalt, die sie sofort erkannte. „Pai!? Was hast du mit Mitsuki vor!?“, stieß Meroko aus. Das schwarzhaarige Mädchen mit den Korkenzieherlocken befand sich fest im Griff des Aliens und schien keine Anstalten zu machen, sich daraus zu befreien. Meroko konnte sie den Mund bewegen sehen, doch ihre dünne Stimme wurde von Wind, Wellen und dem Kreischen der zurückgekehrten Möwen verschluckt. Pai erwiderte etwas. Dann rief er zum Strand herüber: „Ich töte sie. Jetzt.“ Meroko wusste nicht, was sie tun sollte. Sie sah, wie Mitsuki wieder etwas sagte und Pai daraufhin etwas erwiderte, aber sie konnte nicht reagieren. Pai wollte Mitsuki umbringen? Sie konnte sehen wie die Wellen unter Pais Füßen zu schäumen begannen. Schnappende Mäuler zeigten sich in der Gischt. Meroko konnte Mitsukis Gesicht sehen. Sie wirkte seltsam ruhig, hatte sogar die Augen geschlossen. Und sie sagte wieder etwas, das nicht bis zu Meroko vordrang. Der Todesengel wusste nicht, was er tun sollte. Mitsuki retten? Ihr war der Tod bestimmt. Wenn sie stürbe, würde Takuto ihre Seele nehmen können. Aber sie liebte ihre Lieder und sie hatte Mitleid mit dem jungen Mädchen, das diese Welt gegen seinen Willen schon bald würde verlassen müssen, das Mädchen, das so verzweifelt versuchte, sich vor ihrem Tod noch ihren Herzenswusch erfüllen zu können; eine berühmte Sängerin zu werden und so vielleicht berühmt genug zu werden, damit ihr verlorener Kindheitsfreund sie erkennen konnte. Meroko stieß sich kraftvoll vom Boden ab und raste über das Wasser hinweg. Ihr Gedankengang hatte sie nur wenige Sekunden gekostet, es hatte sich nichts verändert. Mitsukis Füße baumelten über dem Wasser, aus dem die Chimären nach ihr schnappten wie gierige Vögel nach einem Wurm. Ein Zischen gesellte sich zu Meroko, und als sie den Blick zur Seite nahm, entdeckte sie Takuto, der neben ihr in dieselbe Richtung schnellte. Sie stieß seinen Namen aus. Er sah sie nur kurz und ernst an, ein Flügelschlag ließ ihn die Führung übernehmen. Pai wusste nicht, wie ihm geschah, als Takutos für ihn unsichtbare Faust sein Kinn traf. Mitsuki entglitt seinem Griff, doch Meroko war bereits da und flatterte ein wenig höher, um das Mädchen vor den Chimären in Sicherheit zu wissen. Unter ihr schlug Pai auf der Wasseroberfläche auf und ließ glitzernde Wassertropfen durch die Luft wirbeln. „Mero-chan!“, rief Mitsuki sichtlich erleichtert. Der rosahaarige Todesengel lächelte sie an. Takuto schwebte, den Blick jedoch aufmerksam auf Pai gerichtet, neben sie. „Takuto, du bist auch da. Ich dachte schon, er würde mich umbringen“, sagte Mitsuki leise. „Wir sind ja da“, erklärte Takuto grimmig. Sein vorwurfsvoller Blick schien Meroko durchbohren zu wollen, doch bevor sie etwas sagen konnte, tauchte Pai wieder aus dem Wasser auf. Er starrte Mitsuki an. „Auch wenn ich dich nicht sehe, du bist hier“, sagte er. Seine Stimme klang nicht so beherrscht und gefühlskalt wie sonst, ein leichtes Holpern hatte sich hineingeschlichen. Meroko warf Takuto einen auffordernden Blick zu und legte Mitsuki vorsichtig in seine Arme. Das Mädchen musterte sie mit großen Augen, doch sie wich dem Blick aus und wandte sich Pai zu. Seine Augen weiteten sich ein wenig, als sie sich für ihn sichtbar machte. Meroko verschränkte die Arme und funkelte den Alien an. „Wer hat dir erlaubt, Mitsuki etwas anzutun?“, fragte sie drohend. Hinter sich hörte sie Takuto Mitsuki etwas zuflüstern, dann seine Flügel schlagen, er entfernte sich. Jetzt waren sie und Pai allein über dem Wasser, das leise vor sich hin gurgelte. „Du hast mich nach Strich und Faden hinters Licht geführt“, sagte er. Wieder klang seine Stimme ein wenig unsicherer als Meroko sie in Erinnerung hatte. „Wie kommst du auf die Idee?“ „Erst hast du mir Hilfe versprochen und dann meinen ganzen Plan versaut. Kisshu und Tarto lachen bereits über mich, weil ich dir überhaupt vertraut habe.“ „Es war nicht meine Absicht, deinen Plan zu durchkreuzen.“ „Ach nein...?“ Stille legte sich über die zwei und erstickte das Geräusch der Wellen mit ihrer undurchdringlichen Decke. Pai näherte sich Meroko. Sie wich nicht zurück, versteifte sich jedoch zusehends. Der Alien machte jedoch kurz vor ihr halt. Zwischen ihnen blieb eine Kluft von weniger als einer Handbreite. „Ist es nicht dein Partner gewesen, der mich abgelenkt hat, während die Zuschauer entkommen sind? Der mich angeschrien hat, dass ich sofort aufhören soll? Und dann kamst du.“ „Ich musste Takuto retten!!“ „Das verstehe ich nicht. Warum musstest du ihn retten? Es bestand kein Grund dazu. So blieb mir nur noch die Gewissheit, dass du es von Anfang an so geplant hattest.“ Meroko fühlte den Drang, Pai anzuschreien, ahnte aber, dass ihn das nur wütender machen würde. Als sie ihn so anstarrte, erkannte sie auf seiner Wange eine noch nicht vollständig verheilte Streifwunde. Er bemerkte ihren Blick scheinbar nicht, sondern sprach seelenruhig weiter. „Dafür, dass du mich an der Nase herumgeführt hast, wollte ich dich bestrafen. Aber wie sollte ich das tun, wo ich dich nicht einmal sehen konnte, wenn du es nicht wolltest? Also habe ich diese Sängerin gesucht. Ich habe beobachtet, dass sie sich verwandelt. Sie ist nicht immer die blonde Sängerin, sondern oft genug ein junges Mädchen, aber ich habe eine Weile gebraucht, um das zu bemerken. Ich wollte sie töten, aber sie hat versucht, mir zu sagen, dass es nicht Recht ist, so etwas zu tun, schon gar nicht aus Rache. Und dass ein Menschenleben viel mehr Wert ist als jeder Stolz.“ Meroko warf einen Blick über ihre Schulter zurück, wo sie am fernen Strand einen jungen Mann sehen konnte, der ein Mädchen in Richtung Promenade trug – Takuto und Mitsuki. Er hatte um das Leben anderer gebettelt, obwohl es das Beste gewesen wäre, den Menschen ihre Seele zu nehmen und ein richtiger Todesengel zu werden. Sie hatte den Wert des Lebens erkannt und hing daran, verzweifelt, weil sie wusste, dass nur noch wenig Zeit blieb. Als Meroko sich wieder zu Pai umdrehte, waren ihre Augen voller Tränen. „Warum...?“, fragte sie leise. Sie sah ihn hilfesuchend an, die Wangen voller Tränen. Ihre Unterlippe zitterte. „Warum?“, fragte sie noch einmal klagend und vergrub den Kopf in ihren Händen. Seine Hände waren heiß wie Feuer, als er sie vorsichtig an der Schulter berührte und brannten regelrecht auf ihrer Haut. Dennoch zog sie sich nicht zurück, sondern drückte ihren Kopf schutzsuchend an seine Brust, die ebenso brannte. Ihr Schluchzen wurde leiser, als würden ihre Tränen einfach verdampft. Als sie sich verlegen wieder von ihm löste, sah er sie mit einem tief verwunderten Blick an. Sie wischte sich die letzten Tränen aus den Wangen. „Ich verstehe nicht, warum du weinst“, sagte er schließlich. Seine Stimme holperte schlimmer als zuvor. Ein trauriges Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus. „Das kannst du nicht verstehen. Du hast ja keine Gefühle.“ Sie wagte es nicht, ihn noch einmal anzusehen, löste die Magie auf, die sie für ihn sichtbar machte und flatterte eilig über das mittlerweile fast ganz geglättete Wasser davon. Es war seltsam, dass sie sich überhaupt nicht dafür schämte, vor ihm geweint zu haben. Takuto hätte sie nie so in seinen Armen gehalten... Und er wäre auch nicht so warm gewesen. Die Tränen blieben in ihren Augen. Die Hitze, die von Pais Körper ausging, hatte sie wieder einmal schmerzlich daran erinnert, dass ihr Leben bereits gelebt war. Dass sie ein Todesengel war – eine Tote, der der ewige Frieden nicht gewährt wurde. Und dass der Grund, dass sie Takuto nachlief, ein höchst egoistischer war. Pai blieb dort, wo er war, über dem Wasser schweben und schien nachzudenken. Takuto hatte Meroko verziehen, nachdem sie Mitsuki gerettet hatte. Sie hatte ihm alles erklärt, und er hatte sie dafür gescholten, sie aber scheinbar auch verstehen können. Darüber war der Todesengel glücklich, aber es entging ihrem Kollegen trotzdem nicht, dass etwas sich an ihr verändert hatte. Es war nicht einmal besonders auffällig, aber Takuto wunderte sich nach zwei Tagen doch, dass Meroko aufgehört hatte, ihm ständig um den Hals zu fallen. Mitsuki dagegen war zu sehr mit den Vorbereitungen für ihren baldigen Auftritt in einem Werbespot beschäftigt, um sich überhaupt Gedanken zu machen. Angesprochen hatte sie aber keiner von beiden bisher, und das war ihr irgendwo ganz recht so. Sie wusste ja selbst nicht einmal, was mit ihr los war. Irgendwie hatte sich in ihr die Erkenntnis breitgemacht, dass es mehr als albern war, was sie bisher veranstaltet hatte. Takuto immer und immer wieder ihre Liebe zu gestehen war, das hatte sie sich ehrlich eingestehen müssen, nichts als ein Vorwand. Ein Vorwand, um sich nicht in jemand anders verlieben zu müssen, um sich nämlich überhaupt nicht verlieben zu müssen. Meroko saß auf dem Dach des Apartmentkomplexes, in dem die Plattenfirma Mitsuki einquartiert hatte, und beobachtete, wie über der Buch von Tokyo die wattegleichen Wolken in einem zarten Orange am fast schon dunklen Himmel ruhten. Den Kopf hatte sie auf die Hand gestützt, ihr Ellbogen ruhte auf ihrem überschlagenen Knie. Sie fragte sich ernsthaft, was mit ihr passiert war. Die offensichtliche Erklärung – dass es etwas mit Pais Anschlag auf Mitsuki und ihrem anschließenden Gespräch zu tun hatte – war ihr nicht wirklich gut genug. Grübelnd drehte sie eine lose Haarsträhne zwischen ihren Fingern. Was war bloß mit ihr los? Sie war gerade zurück in der kleinen Vierzimmerwohnung, wo Mitsuki sich vermutlich in ihrem Zimmer verschanzt hatte, während Takuto offenbar unter der Dusche stand, zumindest kam aus dem kleinen Bad ein charakteristisches Rauschen. Meroko wollte beide nicht stören und schlüpfte in die Küche, wo sie sich auf einen Stuhl fallen ließ. Mit dem Finger malte sie kleine Kreise auf den Küchentisch. Ihre Gedanken wanderten zurück zu dem Tag, als sie Pai das erste Mal getroffen hatte. Es war der Tag des ersten richtigen Konzerts von Fullmoon gewesen, anlässlich der Veröffentlichung ihrer ersten Single. Ja, sie erinnerte sich. Am Morgen jenes Tages hatte sie beschlossen, dass sie etwas tun müsste, dass Takuto der Aufgabe nicht gewachsen war und dass sich ein Profi um die Sache mit Mitsuki kümmern müsste. Dann jedoch hatte sie den ganzen Tag lang so tun müssen, als sei sie Mitsuki, um deren Großmutter in Sicherheit zu wiegen, und anschließend hatte sie so gern das Konzert sehen wollen, dass es keinen Sinn mehr gemacht hätte, noch in Aktion zu treten. Dann war Pai aufgetaucht. Merokos Hand hielt auf einmal inne, denn das Bild des Aliens, das in ihrem Kopf aufgetaucht war, wurde auf einmal von einem anderen verdrängt. Nur kurz, aber es war genug, um sie wieder zu erinnern. Sie hatte damals ihren ehemaligen Partner, Izumi Rio, um Hilfe bitten wollen. Izumi war ihr Partner gewesen, und sie hatte ihn geliebt. Doch er hatte ihre Gefühle nicht erwidert und sie kaltherzig ihrem neuen Partner, Takuto, anvertraut. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als ihr klar wurde, dass sie in den letzten Tagen nicht einmal an ihn gedacht hatte, obwohl seine Abschiedsworte sie zuvor ständig in ihren Träumen wieder eingeholt hatten. Nicht einmal das war jetzt noch der Fall. Der Gedanke an Pai hatte ihn verdrängt und sich frech vor ihn geschoben... obwohl sie doch eigentlich in Izumi... Weiter kam sie in ihren Gedanken nicht, denn ein Klingeln an der Haustür ließ sie mit einem Kreischen aufspringen. Sie hörte, wie die Tür von Mitsukis Zimmer eilig aufgerissen wurde und die Schritte des Mädchens über den Flur tapsten. Neugierig schob sie sich durch die Küchentür. Mitsuki öffnete die Haustür und stieß in demselben Moment ein lautes Kreischen aus. Meroko hätte es ihr beinahe nachgetan, dann überwog der Handlungsdrang; Sie schoss an dem jungen Mädchen vorbei und stieß den in der Tür stehenden mit voller Wucht zurück. Er stolperte gegen das Geländer des Treppenhauses und schaffte es, sich abzufangen. Meroko machte sich sichtbar. „Was hast du hier verloren, Pai!?“, fragte sie. Das Erstaunen übertraf dabei ihren Ärger bei Weitem. Sie hatte nicht damit gerechnet, den Alien noch einmal wiederzusehen. Er musterte sie durchdringend. „Ich will dich verstehen“, sagte er leise. Aus irgendeinem Grund ließ diese Aussage ihr einen warmen Schauer über den Rücken rieseln. Auf einmal musste sie wieder daran denken, wie warm er gewesen war, als sie sich an ihn gedrückt hatte. Sie hatte sich so wohlgefühlt. „Dann willst du Mitsuki nichts tun...?“, hakte sie unsicher nach. Der Alien nickte ohne Umschweife. Etwas an ihm war anders als vorher. Meroko vermisste die absolute Selbstsicherheit in seinen Bewegungen, als er sich ihr näherte. „Wenn ihr reden wollt, dann lasse ich euch jetzt alleine...“, sagte Mitsuki leise hinter ihnen. Meroko drehte sich zu ihr, dann sah sie Pai fragend an. Er nickte knapp. „Tu das. Musst du nicht noch den Songtext für die Werbung schreiben?“, fragte Meroko. Das Mädchen nickte, verschwand in ihrem Zimmer und ließ Pai und Meroko im Flur zurück. Meroko sah auf ihre Schuhe und drehte sich schließlich zur Wohnung. „Komm mit rein“, sagte sie. Pai folgte ihr und schloss wortlos die Wohnungstür, während sie ihn zur Küche brachte. Dort schloss sie die Tür. Pai lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Kühlschrank. Meroko zog fahrig einen Stuhl zurück und bot ihn mit einer Geste an, doch er schüttelte den Kopf. Also nahm sie Platz, freilich ohne ihn dabei aus den Augen zu lassen. „Ich verstehe immer noch nicht, was genau du von mir willst...“, sagte sie. „Ich sagte bereits: Ich will dich verstehen. Logisch betrachtet ergibt es keinen Sinn, dass du diesen Takuto beschützt hast, denn das bringt dir überhaupt nichts.“ „Deshalb habe ich gesagt, dass du keine Gefühle hast. Warum muss es denn logisch sein? Ich... hänge nun mal an ihm.“ Pais Blick schien sie zu durchbohren. „Wenn ich Kisshu oder Tarto helfe, dann, weil ich weiß, dass wir zu dritt bessere Chancen auf Sieg haben als zu zweit oder allein. Deine Beweggründe verstehe ich nicht. Auch diese ‚Gefühle’ von denen du sprichst. Was ist das ?“ Meroko sah ihn ehrlich besorgt an. Ihr Blick schien ihn zu verunsichern, denn er drehte sich um und blickte aus dem Fenster. „Du weißt nicht, was Gefühle sind...?“, fragte sie langsam. Er nickte. „Ich habe Tarto und Kisshu gefragt. Sie sagen, dass sie sie kennen und dass sie ein Grund sind, jemandem helfen zu wollen, auch wenn es keinen Nutzen hat. Aber sie können es mir nicht erklären, und ich kann es nicht verstehen. Ich habe viele dieser Sendungen gesehen, die im Fernsehen der Menschen laufen. Dort geht es um Dinge wie ‚Liebe’, ‚Schmerz’ oder ‚Vertrauen’. Das verstehe ich auch nicht.“ Meroko stand auf und trat auf ihn zu. Er drehte sich wieder um und sah sie an. Sie stand kurz davor, in Tränen auszubrechen, unterdrückte das aber mit aller Kraft. Sie blinzelte heftig und sagte schließlich mit zitternder Stimme: „Gefühle können grausam sein. Mir haben sie immer nur Schmerzen bereitet. Aber nicht einmal zu wissen, was das ist... Nicht einmal... Gefühle... zu haben... Das stelle ich .... stelle ich mir... noch viel ... viel... schlimmer vor...“ Mit jedem Wort war es schwieriger, das nächste auszusprechen, und mit jedem stiegen ihr die Tränen höher in die Augen. Schließlich flossen sie wieder über ihre Wangen. Sie schämte sich nicht einmal dafür. Pai sah sie an. „Der Grund für deine Tränen... sind das auch ‚Gefühle’?“ Sie nickte schwach und lehnte sich an seine Brust. Sein Körper war so warm, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Kurz blitzte in ihrer Vision das Gesicht von Izumi auf, doch dann verschwamm es. Wie hatte das geschehen können? Wieso hatte sie sich in diesen Alien verliebt? Denn dass sie verliebt war, wusste sie. Sie hatte zu oft an ihn gedacht, war zu froh gewesen ihn wiederzusehen, fühlte sich zu wohl in seiner Nähe, war zu traurig über seine Ratlosigkeit, als dass es hätte anders sein können. „Auch, wenn du es nicht verstehst, Pai... ich mag dich sehr“, sagte sie. Sie drückte sich noch mehr an ihn und wagte es nicht, in sein Gesicht zu sehen. „Warum?“ Sie musste kichern. „Ich weiß es nicht, wirklich nicht. Das sind auch Gefühle, man kann sie sich nicht aussuchen. Wenn jemand, den man kennt, stirbt, dann ist man nun einmal traurig. Wenn man ganz allein ist, fühlt man sich eben einsam. Wenn man ein schönes Lied hört, dann wird man wehmütig. Das ist nun einmal so.“ „Auf unserem Planeten sind fast täglich welche von uns gestorben, es war normal. Auch die Einsamkeit, das gehörte dazu, so wenige, wie wir waren. Und ein Lied... ich habe noch nie ein Lied wirklich gehört.“ Meroko sah jetzt doch zu ihm hoch. Er wirkte fast traurig, als er sie ansah. „Noch nie?“, hakte sie erstaunt nach. Wie durch ein Wunder hatten sich ihre Tränen verflüchtigt. Er nickte. Sie trat einen Schritt zurück. „Dann wird es aber höchste Zeit!“, stellte sie fest. Mitsuki lächelte vorsichtig. Takuto hockte mit missmutigem Gesichtsausdruck in der Ecke. Meroko sah Pai freundlich an. Pai hatte die Augen geschlossen. Es war eine simple Idee, aber Meroko hatte sie so gut gefunden, dass sie fast augenblicklich in Mitsukis Zimmer geplatzt war. Pai sollte ein Lied hören, und zwar eines von Fullmoon. Direkt aus ihrem Mund. Takuto war immer noch misstrauisch dem Alien gegenüber, hatte aber zugestimmt, da Mitsuki auch dafür gewesen war. Und so saßen sie nun alle in Mitsukis Zimmer auf dem Teppich und warteten, dass Mitsuki anfangen würde zu singen. Sie öffnete den Mund, brachte aber kaum die erste Silbe heraus, bevor sie zu Husten anfing. Takuto fragte leise, ob er sie in „Fullmoon“ verwandeln sollte, aber sie schüttelte den Kopf und versuchte es noch einmal. Zuerst klangen die Töne gebrochen, doch dann wurden sie klarer und füllten den ganzen Raum. Wenn ich meinen Schmerz in Worte fasse, kommen mir fast die Tränen Doch du bleibst still Wie der Mond, der auf mich scheint Du bist so rein, dass es fast schmerzt Und ja, du rettetest meine arme Seele Lass mich dich umarmen... Eines Tages wirst du begreifen warum du mit nur einem Flügel geboren wurdest und warum dieses Lied in deinem Innern erklingt... Meroko sah zuerst, wie Pai zu lächeln begann. Schmal und fast unsichtbar, doch er lächelte. Als er sie ansah, musste sie ihn einfach anlächeln und hätte fast schon wieder geweint. Er sprach leise, aber sanft. „Ich habe verstanden, was du meinst.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)