Chiisana LOVE-STORIES von Ditsch (Die ultimative Anime-Crossover-Dating-Fanfic) ================================================================================ Kapitel 36: Ace und Ami - Die Distanz zwischen Feuer und Wasser --------------------------------------------------------------- Von Mal wieder ein Pärchen mit einer Bedingung: die beiden sollten dem jeweiligen Durchschnittsalter ihres Geschlechts entsprechen, das wir aus den bis dahin veröffentlichten Geschichten errechnet hatten. Somit musste sie 14 sein und er 19. Und dabei sind eben Ami und Ace herausgekommen. Es mussten also mal wieder völlig verschiedene Welten irgendwie miteinander verbunden werden. Dadurch entstehen natürlich gleich Schwierigkeiten in der Beziehung, weil sie im Grunde nicht dazu bestimmt sind, zusammen zu bleiben... Die Distanz zwischen Feuer und Wasser „Habt ihr eigentlich heute morgen auch diese Sache mit dem Strudel mitbekommen?“ Ami sah ihre Freundinnen interessiert an, während sie in ihrem Rucksack nach dem aquamarinblauen Badeanzug suchte. Doch die vier erwiderten ihren Blick nur erstaunt. „Strudel?“, fragte Usagi schließlich „Meinst du einen Apfelstrudel? Jaah, da hab ich heute morgen dieses -“ „Usagi!“, wies Rei sie zurecht und hielt sie somit davon ab, sie alle in einer Flut von Belanglosigkeiten zu ertränken. „Glaubst du, Ami würde sich für so etwas Nichtiges wie Apfelstrudel interessieren?“ Usagi streckte ihr die Zunge raus, anscheinend beleidigt, dass keiner sich für das interessierte, was sie hatte sagen wollen. „Um was für einen Strudel geht es?“, fragte Makoto und blickte Ami an, die während der kleinen Meinungsverschiedenheit ihrer Freundinnen verlegen an dem kurzen Rock ihres Sommerkleides herumgezupft hatte. „Um einen Strudel im Meer, hier in der Bucht von Tokyo“, erklärte sie auf die Anfrage der Braunhaarigen hin sofort. „Heute Morgen gab es im Fernsehen eine ausführliche Reportage darüber.“ „Ich hab heute Morgen kein Fernsehen geschaut“, gab Makoto verlegen zu. „Wenn ich mein Bentô zubereite, möchte ich von nichts abgelenkt werden.“ Jetzt meldete sich auch Minako zu Wort: „Wenn sie nicht gerade heute morgen ein Sailor-V-Special gezeigt hätten, hätte ich es sicherlich auch gesehen!“ „Ein Sailor-V-Special?“, fragte Usagi mit glitzernden Augen. „Wann? Wo? Warum hast du mir nichts gesagt?“ Bevor Minako darauf antworten konnte, hatte Rei sie genervt unterbrochen. „Das spielt jetzt überhaupt keine Rolle. Interessiert euch denn gar nicht, was es nun mit diesem Strudel auf sich hat?“ „Doch, doch, natürlich!“, versicherte Usagi schnell und wandte sich, wie die anderen auch, wieder Ami zu. „Schieß los!“ Ami, leicht verlegen von der Aufmerksamkeit, die ihr plötzlich zuteil wurde, begann sachlich zu erzählen: „Laut der Reportage ist heute gegen drei Uhr früh ein mysteriöser Strudel hier in der Bucht von Tokyo aufgetaucht. Bisher konnte noch nicht festgestellt werden, wodurch er verursacht wurde. Merkwürdig ist vor allem, dass das Meer rund um den Strudel herum völlig ruhig ist und es auch keine Strömungen gibt, die ihn irgendwie hätten hervorrufen können.“ „Und der ist hier?“, fragte Minako ungläubig. „Ja, es müsste etwa dort sein“, bestätigte Ami und zeigte mit dem Finger vage in Richtung der Stelle, an der die Bucht ins Meer mündete. Die anderem folgten mit ihren Blicken der unsichtbaren Linie. „Meinst du dort, wo gerade das Schiff aus dem Wasser steigt?“, wollte Usagi wissen und zeigte begeistert auf eine andere Stelle des Meeres, höchstens dreißig Meter vom Strand entfernt. Vier Augenpaare richteten sich darauf und sahen gerade noch, wie sich ein kleines Holzboot senkrecht aus dem schäumenden Strudel erhob, bevor es mit einem lauten Platschen auf dem ruhigen Wasser landete, das ihn umgab, nicht im Geringsten von seiner starken Strömung beeinflusst. Mit großen Augen verfolgte Ami, wie der Wind das mit einem weißen Totenkopf – der durch seinen großen Schnurrbart allerdings alles andere als gefährlich aussah – versehene Segel füllte und das Boot in ihre Richtung trieb. „Hey! Da liegt jemand drin, seht ihr? Ist er tot?“, rief Minako entsetzt aus und hüpfte auf und ab, um einen besseren Blick auf die Person zu erhaschen, die ihre Arme fest um den Mast geschlungen hatte und von oben bis unten durchnässt war. „Wir müssen ihm helfen!“, rief Makoto und sofort waren sie alle im Wasser. Die zwanzig Meter bis zum Boot waren schnell zurückgelegt und schon bald hatten sie es an Land gezogen, während Ami hineingeklettert war, um Erste Hilfe zu leisten. Immer wieder drückte sie auf den unbekleideten Oberkörper des Mannes im Boot, um das Wasser aus seinen Lungen zu pressen, was zu ihrer Erleichterung auch funktionierte. Erstaunlich schnell begann er leise zu husten und öffnete dann die Augen, woraufhin Ami einen Schritt zurückwich und ihren Freundinnen den Vortritt ließ. „Wo bin ich?“, fragte er leicht verwirrt, als er die vier Mädchen um sich herumstehen sah. Er setzte sich auf und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Mast. „Du bist in Sicherheit, sei unbesorgt“, versicherte Minako ihm mit ihrem freundlichsten Lächeln. „Er hat die gleiche Frisur wie mein Exfreund“, hauchte Makoto Usagi ins Ohr. Diese Bemerkung brachte auch Ami dazu, ihn zum ersten Mal eingehender zu betrachten. Während die Blicke der anderen Mädchen immer wieder zu seiner vollkommen entblößten, stählernen Brust wanderten, besah sie den Rest seiner spärlichen Kleidung. Er trug eine schwarze Hose, die aufgekrempelt knapp seine Knie bedeckte. Seine großen, schwarzen Schuhe schienen gar nicht zu der ansonsten auf Hitze eingestellten Garnitur zu passen. An seinem Gürtel hing eine reich verzierte Messer- oder Schwertscheide, in der eine Waffe mit breitem Holzgriff steckte. Auf einmal machte er auf Ami einen viel gefährlicheren Eindruck. Auch der mit einem Totenkopf versehene Anhänger, der an einem langen Lederband um seinen Nacken hing, verstärkte dies noch. Doch als Ami schließlich auf sein Gesicht blickte, konnte sie diesen Mann nicht mehr als gefährlich einstufen. Mittellanges schwarzes Haar hing ihm fransig in die Stirn und das verlegene Grinsen, das sich auf seinem mit Sommersprossen bedeckten Gesicht abzeichnete, ließ ihn nicht gerade wie einen gnadenlosen Killer aussehen. „Wer seid ihr?“, fragte er, als niemand Anstalten machte, etwas zu sagen. „Ich“, begann Minako gleich mit lauter Stimme, um die anderen zu übertönen, die ebenfalls gerade den Mund geöffnet hatten, „bin Minako Aino. Offiziell gehe ich noch zur Schule, doch wenn die Nacht hereinbricht, kämpfe ich für Liebe und Gerechtigkeit!“ Sie warf ihm eine Kusshand zu und zwinkerte verführerisch. Der Mann, der einen recht verwirrten Eindruck machte, wollte gerade etwas sagen, als Minako von Makoto zur Seite gestoßen wurde. „Mein Name ist Makoto Kino“, stellte sie sich vor. „Kochen ist meine Leidenschaft. Wenn du jemals Hunger auf etwas Größeres verspüren solltest, bist du bei mir willkommen. Sonst natürlich auch immer“, fügte sie kichernd hinzu. „Ich bin Usagi Tsukino!“, meldete sich auch schon die Nächste zu Wort und machte eine hastige Verbeugung, bei der ihre langen blonden Zöpfe dem Mann fast ins Gesicht schlugen. „Ich bin ein Ass, was Videospiele betrifft. Dort wirst du in mir eine würdige Gegnerin finden.“ „In allem anderen ist sie eine Niete“, seufzte Rei. „Wende dich lieber an mich. Ich bin Rei Hino und bin neben meiner Tätigkeit als Schülerin im Schrein meines Großvaters beschäftigt. In allem, was mit mysteriösen Vorkommnissen zu tun hat, bin ich Expertin.“ „Okay“, murmelte der Mann langsam und blickte zwischen den vieren umher, die alle mit überwältigend freundlichen Mienen auf ihn herabsahen. „Und wer von euch hat mir gerade das Leben gerettet?“, fragte er dann. „Ja, weißt du“, begann Minako. „Ich bin ja so bescheiden, aber -“ „Du hast damit auch nichts zu tun. Das war Ami“, erklärte Rei und blickte Minako böse an. „Ami?“, fragte der Mann und blickte die Mädchen an, als versuche er sich daran zu erinnern, wer von ihnen sich so vorgestellt hatte. „Das bin ich“, sagte Ami leise. Makoto und Usagi, die zwischen ihr und dem Mann standen, traten zur Seite. Er blickte grinsend zu ihr auf. „Danke!“ „K-kein Problem“, stammelte sie und blickte mit hochrotem Gesicht zu Boden. „Du bist Ami?“, fragte er. „Ja“, erwiderte sie hastig. „Ami Mizuno.“ Er lachte. „Und du hast keine geheimen Talente, von denen du mir unbedingt erzählen musst?“ Ihr Gesicht schien zu brennen und sie traute sich nicht, den Blick auf ihn zu richten. Ihr wäre es Recht gewesen, wenn er sich einfach weiter mit den anderen beschäftigt hätte. „Doch, natürlich!“, rief da Usagi. „Sie ist superintelligent!“ „Ah!“, stieß er freudig aus und erhob sich. „Bescheidenheit ist auch was Schönes, nicht?“ Auf einmal lag seine Hand auf Amis Schulter, die nur von dem dünnen Träger ihres Kleides bedeckt war. Sie war so überrascht, dass sie aufsah. Der Mann grinste noch immer. „Ich heiße übrigens Ace“, erklärte er. „Es freut mich, Sie kennen zu lernen“, sagte Ami mit einer kleinen Verbeugung. Er lachte. „Das ,Sie’ kannst du gleich steckenlassen. Seh’ ich aus wie jemand, den man siezt?“ Ami wusste nicht so recht, was sie sagen sollte, doch er durchbrach das kurze Schweigen sofort und fragte: „Weißt du, wie ich hierher gekommen bin?“ Sie wollte ihn nicht weiter ansehen, daher blickte sie in Richtung des Strudels, der langsam an Kraft zu verlieren schien, da das Wasser darin an Geschwindigkeit verlor. „Das Schiff ist aus einem mysteriösen Strudel gekommen.“ „Ein Strudel?“, fragte Ace, der inzwischen auch in diese Richtung sah, und kratzte sich am Kopf. „Ja“, nickte Ami. Sie fühlte sich schon nicht mehr ganz so verlegen, nun, wo die Aufmerksamkeit nicht mehr auf sie gerichtet war. „Er scheint heute Morgen hier aufgetaucht zu sein, mehr weiß ich auch nicht darüber.“ Er schloss die Augen und fasste sich mit der Hand an die Schläfe, als habe er Kopfschmerzen. „Ja, stimmt, ich erinnere mich dunkel, mit meinem Boot von irgendwas erfasst worden zu sein.“ „Wo kommst du denn her?“, fragte Rei. Ace drehte sich um und tat einen Schritt zur Seite, um alle am Gespräch beteiligen zu können. „Ich komme direkt von der Grand Line“, sagte er. Als er die ratlosen Blicke der Mädchen sah, fügte er hinzu: „Falls euch das was sagt.“ Ein verlegenes Lächeln erschien wieder in seinem Gesicht. „Diese Grand Line liegt nicht auf diesem Planeten, zumindest habe ich noch nie davon gehört“, sinnierte Ami und verschränkte die Arme, während sie in Gedanken alle ihr bekannten Fakten miteinander verband. „Es muss sowas wie ein Raum-Zeit-Strudel gewesen sein.“ Ace hob anerkennend eine Augenbraue. „Klingt überzeugend.“ „Äh, ja, total“, lachte Usagi. „Aber was soll das sein?“ Ami hob den Zeigefinger und begann zu erklären: „Wer in einen Raum-Zeit-Strudel gerät, wird, wie man sich vom Namen her vielleicht auch schon denken kann, an einen anderen Ort zu einer anderen Zeit verfrachtet.“ „Und wie kommt man dann wieder zurück?“, fragte Minako. Ami schwieg und zog nachdenklich die Stirn kraus. „Das weiß ich leider auch nicht so genau. Ehrlich gesagt war ich bisher davon ausgegangen, dass es so etwas gar nicht gibt.“ Ace lachte. „Auf der Grand Line muss man mit allem rechnen, glaub mir. Da gibt es nichts, was einen noch wirklich in Erstaunen versetzt.“ „Das mag angehen“, murmelte Ami, „aber hier in unserer Welt ist so etwas eher die Ausnahme. Wir können uns immer auf die Naturgesetze verlassen.“ Sie sah Ace nachdenklich an. „Zumindest fast immer.“ „Und jetzt?“, fragte Makoto ratlos. „Wir müssen einen Weg finden, Ace zurückzubringen“, antwortete Ami sachlich. „Ach was, ich komm schon zurecht“, wehrte Ace grinsend ab. Doch die Mädchen ignorierten ihn schlichtweg und Rei fuhr fort: „Solange wir suchen, kann er bei uns im Schrei wohnen. Großvater wird nichts dagegen haben, solange er sich ein wenig an der Arbeit beteiligt.“ Minako bedachte sie mit einem neidischen Blick, sagte aber nichts, da sie ihr kleines Haus nicht ernsthaft als Alternative anbieten konnte. „Wir müssen sein Schiff irgendwo verstecken, wo wir es wiederholen können, wenn ein Rückweg gefunden ist“, sprach Ami den nächsten Punkt an. „Dort hinten in der Klippe gibt es eine kleine Höhle. Da wird es reinpassen und auch von niemandem bemerkt werden“, brachte Usagi sich ein und zeigte auf eine steile Felswand am Ende des Strandes. Ami nickte zuversichtlich. „Das dürfte erstmal alles sein.“ „Und wie sollen wir einen Rückweg finden?“, fragte Makoto zweifelnd. Alle Blicke richteten sich auf Ami. „Lasst das mal meine Sorge sein. Es gibt sicher ein Buch, in dem die Lösung zu finden ist.“ „Danke, dass ihr euch darum kümmert“, sagte Ace, als endlich alles geklärt war. „Wir helfen doch gerne“, erklärte Minako und zwinkerte ihm zu. „Treffen wir uns dann morgen bei mir, um nochmal alles durchzusprechen?“, schlug Rei vor. Die anderen nickten zustimmend. Daran, dass sie eigentlich hatten baden wollen, dachte inzwischen keiner mehr. Nachdem alles geklärt war, packten sie die wenigen Sachen, die schon im Sand lagen, wieder zusammen und machten sich auf den Weg zum nächstgelegenen Bahnhof, um von dort aus nach Hause zu fahren. Als Ami dann schließlich in dem kleinen, aber luxuriösen Appartement ankam, das sie mit ihrer Mutter bewohnte, setzte sie sofort ihren Computer in Gang. Während er gemächlich hochfuhr, stand sie auf und ließ ihre Finger langsam über die Rücken all der Bücher in ihrem Regal gleiten. Sie war sich zwar recht sicher, dass in keinem von ihnen auch nur im Entferntesten etwas stand, das zur Lösung ihres Problems beitragen konnte, doch sicherheitshalber ging sie noch einmal alle Titel durch. Schließlich musste sie feststellen, dass es tatsächlich nichts in der Richtung gab, doch inzwischen war ihr Computer bereit zur Arbeit und sie machte sich sofort daran, verschiedenste Stichworte zum Thema „Raum-Zeit-Strudel“ in die Suchmaschine einzugeben. Sogleich wurde sie von einer Welle aller möglichen Seiten überflutet, die sie nur kurz scannte, um einen groben Überblick über die erhältlichen Informationen zu bekommen. Das meiste konnte sie gleich aussortieren, da es weder überzeugend wirkte noch in irgendeiner Weise ernst gemeint schien. „Was machst du da?“, fragte aus heiterem Himmel die Stimme ihrer Mutter. Ami zuckte zusammen, da sie sie nicht hatte kommen hören und wirbelte herum. „Mama!“, rief sie überrascht. „Was machst du denn schon hier?“ Die Frau, die sich heruntergebeugt hatte, um die Schrift auf dem Bildschirm besser erkennen zu können, richtete sich mit einem Lächeln auf. „Es ist neun Uhr. Wie du vielleicht weißt, komme ich immer um diese Zeit nach Hause, wenn ich nicht gerade Nachtschicht habe.“ Ami warf einen erschrockenen Blick auf die Zeitanzeige des Computerbildschirms. „Tatsächlich“, murmelte sie. Ihre Mutter legte eine Hand auf ihre Schulter und mutmaßte: „Du scheinst ja ziemlich vertieft in deine Arbeit zu sein, dass du gar nicht mehr auf die Zeit geachtet hast. Ist das für die Schule?“ Ami strich sich verlegen eine Strähne ihres kurzen schwarzen Haares hinter das Ohr. „Nein, ist es nicht. Ich recherchiere nur ein wenig.“ Als die andere zweifelnd die Augenbrauen hob, versicherte Ami ihr: „Keine Sorge, meine Ferienhausaufgaben habe ich schon alle fertig. Und hiermit mache ich auch sofort Schluss.“ „Warum interessierst du dich für Raum-Zeit-Strudel?“, erkundigte ihre Mutter sich. „Ähm... Rei hat mich darum gebeten, weil sie selbst keine Zeit hat“, erfand Ami schnell eine Ausrede. Es behagte ihr nicht, ihre Mutter anzulügen, doch die Geschichte, dass Ace mit seinem Schiff aus einem solchen Strudel aufgetaucht war und in seine Welt zurückmusste, hätte sie ihr unter keinen Umständen abgekauft. „Möchtest du mit mir zu Abend essen? Ich habe eben noch kurz etwas zubereitet.“ „Natürlich“, sagte Ami zu und stand seufzend auf. Es schien ihr nicht besonders sinnvoll jetzt noch weiter zu suchen, denn nichts von dem, was sie bisher gelesen hatte, schien signifikant für das Finden eines Rückweges für Ace. Als Ami am nächsten Morgen erwachte, warf sie einen schnellen Blick auf den kleinen blauen Wecker auf ihrem Nachttisch. Es war erst halb sieben, doch an Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken, daher zog sie sich an und suchte sich ein paar Dinge fürs Frühstück zusammen. Sie zwang sich, langsam zu essen, da sie bis zum Treffen mit den anderen noch über zwei Stunden Zeit hatte. Dennoch war sie schon bald fertig und setzte sich in Ermangelung einer anderen Tätigkeit wieder an den Computer, um noch ein wenig zu recherchieren. Allerdings ging es ihr wie am Vortag und sie fand nichts, was ihr wirklich weiterhalf. Schließlich konnte sie damit aber immerhin die Zeit überbrücken und schaltete dann um kurz nach halb neun den Computer aus, um sich auf den Weg zu Rei zu machen. Begleitet vom Zirpen der Zikaden, das bei so vielen Bäumen, auf denen sie sitzen konnten, noch lauter war als in den meisten anderen Teilen der Stadt, betrat Ami, überpünktlich wie immer, das Gelände des Hikawa-Schreins, den Rei mit ihrem Großvater betrieb. Im Hauptzimmer, in dem die Mädchen sich öfter zum Lernen trafen, war außer Rei noch keiner anwesend. Ami grüßte sie und hockte sich zu ihr an den Tisch. „Wo ist Ace?“, fragte sie ihre Freundin. „Er schläft noch“, erwiderte diese mit einem Schulterzucken. „Ich glaube, er ist noch erschöpft von seiner Reise.“ Ami nickte verstehend. „Ja, das kann angehen. Er muss weit gereist sein, seiner merkwürdigen Kleidung nach zu urteilen...“ Das brachte Rei auf ein anderes Thema. „Er hat mir gestern erzählt, dass er Pirat ist!“, berichtete sie aufgeregt. „Pirat?“, fragte Ami mit großen Augen. Dann lächelte sie. „Das hätte man sich eigentlich schon fast denken können. Der Totenkopf auf dem Segel...“ „Dasselbe Symbol hat er ja auch noch einmal auf dem Rücken“, meinte sie. Diese Information erstaunte Ami erneut. „Ehrlich? Das hab ich gestern gar nicht bemerkt.“ Rei klopfte ihr lachend auf die Schulter. „Du schienst ja in Gedanken schon lange dabei zu sein, einen Rückweg für ihn zu finden.“ Ami lächelte verlegen. Als wenig später die anderen eintrudelten, erstaunlicherweise nur wenig nach der verabredeten Zeit, erzählte sie auch von ihren bisher erfolglosen Internetrecherchen. Die vier Mädchen waren positiv überrascht, dass sie schon mit der Suche angefangen hatte und schienen nicht im Geringsten ärgerlich zu sein, dass sie noch keine Ergebnisse vorzuweisen hatte. Nachdem sie sich auch kurz nach Ace erkundigt hatten, fragte Usagi schließlich: „Und was machen wir jetzt?“ „Ich denke, in der Bibliothek werde ich auf jeden Fall etwas Brauchbares finden“, teilte Ami ihr ihre Pläne mit. „Ich komme mit“, versprach Makoto. Minako blickte zu Usagi herüber. „Wollen wir solange Ace ein wenig bei der Arbeit im Schrein helfen?“, fragte sie mit einem unübersehbaren Zwinkern. Usagi sah begeistert aus, doch Rei stoppte den Eifer der beiden sofort. „Glaubt ihr, die paar Talismane können er und Opa nicht alleine verkaufen?“ „Kommt doch einfach alle mit in die Bücherei“, schlug Makoto vor. „Dann geht es sicher viel schneller.“ Seufzend stimmten die beiden dem Vorschlag zu. Rei schloss sich ihnen ebenfalls an. Daher brachen alle außer Ami und Makoto gleich auf, um ihren Eltern von den Plänen mitzuteilen, damit diese nicht in Sorge gerieten. Amis Mutter würde sowieso erst am späten Abend zurückkehren und Makoto lebte alleine. Kurz nachdem die anderen gegangen waren, entschuldigte sich Makoto für einen Moment und verschwand in Richtung Toilette. Während Ami alleine in dem Zimmer saß und auf die anderen wartete, waren ihre Gedanken schnell wieder bei der schwierigen Aufgabe, die es zu lösen galt. Es würde nicht einfach sein, da die Lösung in keinem Lehrbuch stand, doch irgendwie würde sie schon einen Weg finden. Keine Herausforderung war zu schwer für sie, das hatte sie bisher immer wieder bewiesen. „So wie es aussieht, bin ich schon bald wieder zurück in meiner Zeit“, erklang da auf einmal eine Männerstimmte, gefolgt vom Geräusch der Tür, die zugeschoben wurde. Ami drehte sich herum und blickte auf. „Ace-san!“, rief sie erstaunt. Er grinste. „Morgen, Ami.“ Dass er ihren Namen noch wusste, erstaunte sie, da sie nicht das Gefühl hatte, sich am Vortag besonders hervorgehoben zu haben. Die Tatsache, dass er sie so direkt mit dem Vornamen ansprach, schob sie schnell auf seine fremde Herkunft und andere Sitten in seinem Heimatland, bevor ihr Verstand andere Schlüsse daraus ziehen konnte. „Wie- wie meintest du das eben?“, fragte sie, um ihre Gedanken auf andere Dinge zu lenken. Ace, der heute die Kleidung eines Tempeldieners, also blaue Hakama-Hosen und ein weißes Oberteil gekleidet war, ließ sich auf dem dem Sitzkissen neben ihr nieder und stützte sich lässig auf seine Arme. „Es schien mir so, als würdest du die ganze Zeit an nichts anderes denken, als mich zurückzubringen.“ „Na ja- ähm...“, stammelte Ami und blickte verlegen auf ihre Hände, die in ihrem Schoß lagen. Er tätschelte ihr aufmunternd den Kopf. Diese vertrauliche Geste ließ sie zusammenzucken, was er allerdings nicht zu merken schien, da er einfach weitersprach: „Danke schonmal. Aber mach die deswegen bloß keinen Stress. So eilig hab ich es nicht.“ Nach kurzem Schweigen fragte er lachend: „Oder willst du mich einfach loswerden?“ „Nein!“, rief sie schnell und schüttelte heftig den Kopf. Er grinste, was bei ihm fast schon ein Dauerzustand zu sein schien. „Na, dann ist ja gut.“ In dem Moment betrat Rei gefolgt von Makoto den Raum, was Ami fast veranlasst hätte, erleichtert aufzuatmen. Sie fühlte sich unbehaglich, wenn sie mit Ace alleine war, da sie einfach nicht wusste, wie und was sie mit ihm reden sollte. Rei seufzte und ließ sich neben ihm auf die Knie fallen. „Du scheinst keine Ahnung von dieser Art von Kleidung zu haben. Du musst es anders tragen, so herum sieht es aus wie der Kimono eines Toten.“ Makoto kicherte leise. Ami fragte sich, warum ihr das während ihres Gespräches gar nicht aufgefallen war. Peinlich wurde ihr bewusst, dass sie die ganze Zeit nur auf ihre eigenen, verkrampften Hände gestarrt hatte. „Ich habe so etwas tatsächlich noch nie angehabt“, entschuldigte er sich, wobei sein Blick mehr auf Ami gerichtet zu sein schien als auf Rei, die sich vorbeugte, um sein Oberteil richtigherum zu schließen. Erstere sah ihn nun doch an. Die neue Kleidung stand im absoluten Kontrast zu der lässigen und vor allem spärlichen Kleidung, in der am Vortag angekommen war. Seine recht wilde, vom Schlaf durcheinandergebrachte Frisur passte daher auch nicht im Geringsten dazu. Er selbst schien sich darin auch nicht wirklich wohlzufühlen, da er immer wieder mit der Hand daran herumtastete. Ami fragte sich, ob es eine gute Idee gewesen war, ihm diesen Job zu überlassen. Während sie auf die anderen warteten, um mit ihnen zur nahe gelegenen Bücherei zu gehen, nahm Rei die Fernbedienung der Klimaanlage zur Hand und schaltete sie eine Stufe höher, da die Hitze zum Mittag hin immer unterträglicher wurde. Ein Strahl kalter Luft traf auf Amis entblößten Nacken und ließ ihr einen kalten Schauer über den Rücken fahren. Ace hatte dies anscheinend bemerkt, denn er beugte sich ein Stück zu ihr herüber und fragte: „Ist dir kalt?“ Bevor sie antworten konnte, hatte er schon den Zeigefinger wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht senkrecht in die Luft gehalten, aus dem urplötzlich eine kleine Flamme zu wachsen schien. Ami machte einen erschrockenen Satz nach hinten. Sofort erlosch die Flamme wieder und Ace lachte verlegen. „Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe.“ „Du beherrschst ... das Feuer?“, fragte sie misstrauisch und sah auf seinen Finger, den er noch immer hochhielt. „Jaaah“, erwiderte er grinsend. Rei tauschte einen bedeutsamen Blick mit Ami aus. Immerhin beherrschte sie dieses Element als Sailor Mars, die Kriegerin des Feuers, ebenso. „Was ist los?“, fragte Ace, der ihren Blick nicht so leicht deuten konnte. „Woher- hast du diese Kraft?“, fragte Ami und fühlte sich auf einmal wieder an ihren ersten Eindruck von ihm erinnert: er konnte gefährlich sein. „Ich habe eine Feuerfrucht gegessen“, erklärte er achselzuckend, als sei es völlig selbstverständlich. „Eine Feuerfrucht?“, hakte Makoto nach. „Ja“, sagte er mit einem Nicken. „Sie gehört zu den Teufelsfrüchten.“ Als er ihre verwirrten Blicke sah, führte er dies weiter aus: „Diese magischen Früchte gibt es überall in meiner Welt. Jede kann einem eine bestimmte Kraft verleihen. Und mir gibt sie eben die Macht, das Feuer kontrollieren und zu meinen Gunsten einsetzen zu können.“ „Wofür setzt du sie ein?“, war Rei nun an der Reihe zu fragen. Sie musterte den Piraten misstrauisch. „Für dies und das...“, war seine Antwort. Doch die drei Mädchen waren damit noch nicht zufrieden, daher fuhr er fort: „Ich kämpfe damit, verteidige mich... Was sich eben so ergibt.“ „Und- gegen wen kämpfst du?“, fragte Ami nun. „Gegen die, die sich mir in den Weg stellen“, antwortete er schlicht. Ami stand auf, stellte sich neben Rei und verschränkte die Arme. Makoto blieb sitzen, blickte Ace aber unsicher an. Eine Weile herrschte eine unangenehme Stille, in der die Mädchen Ace abschätzende Blicke zuwarfen und er sie ihm Gegenzug überrascht musterte. „Können wir dir vertrauen?“, fragte Rei schließlich. Ace lachte. „Das weiß ich nicht.“ Die Augen der Mädchen verengten sich bei dieser Antwort. Er fügte hinzu: „Aber ich werde euch sicherlich nichts antun, falls ihr das meint. Ich bin im Grunde sehr friedliebend. In dieser Welt wird wohl niemand meine Kräfte zu spüren bekommen.“ Rei sah Ami fragend an. Diese sah Ace noch einmal durchdringend an, dann seufzte sie. „Ich denke, er hat recht“, sagte sie leise. „Er macht auf mich nicht den Eindruck, als wolle er uns Böses.“ Rei schwieg einen Moment und nickte schließlich. „Aber wenn du unser Vertrauen brichst, wirst du schon bald deinen letzten Atemzug getan haben“, drohte sie. Makoto nickte grimmig. Er hob die Augenbrauen, als zweifle er daran, wie fünf Mädchen dies erreichen wollten, nickte aber dennoch als Zeichen, dass er sie verstanden hatte. Wenig später kamen auch schon die anderen wieder. Usagi maulte herum, dass sie den von der Klimaanlage gekühlten Raum gar nicht mehr verlassen wollte, doch die anderen konnten sie überreden, da sie auf dem Weg zur Bücherei auch ruhig noch ein Eis essen konnten und es dort auch sicher angenehm kühl war. Rei brachte Ace schnell zu ihrem Großvater, der ihn in seine Aufgaben einweisen würde, dann konnten die fünf Mädchen sich endlich auf den Weg machen. Ami fragte sich, ob sie heute wenigstens den Ansatz einer Lösung finden würden. Ihre Hoffnungen wurden enttäuscht, da sie nicht einmal genau wussten, wonach sie suchten, und daher fast jedes Buch durchblätterten, um nicht am Ende noch etwas zu übersehen. Doch diese Gründlichkeit verhinderte natürlich, dass sie in der zur Verfügung stehenden Zeit all zu viel schafften. Usagi, Minako und Rei mussten sich als erste verabschieden, da ihre Familien mit dem Abendessen warteten. Makoto ging wenig später nach Hause, da sie auch langsam Hunger bekam, und schon blieb Ami als einzige zurück, die noch Bücher um Bücher wälzte, um wenigstens irgendeinen Hinweis zu finden. Alle Mühe war vergeblich. Als sie schließlich ein ganzes Regal der großen Bücherei durchsucht hatte, gestand sie sich ein, dass sie zu müde war, um noch konzentriert weiterarbeiten zu können. Außerdem würde ihr Mutter bald nach Hause kommen und sie wollte ihr auf keinen Fall Sorgen bereiten, daher steckte sie den noch immer Notizblock, den sie sich für eventuelle Entdeckungen mitgenommen hatte, wieder in ihre Umhängetasche und machte sich auf den Heimweg. Am nächsten Morgen war Ami schon früh auf den Beinen. Schnell zog sie sich an und machte sich nach einem kurzen Frühstück auf den Weg zur Bibliothek. Als sie dort ankam, war sie eine der ersten, da die Türen gerade erst geöffnet worden waren. Sofort setzte sie ihre Arbeit dort fort, wo sie am Vortag aufgehört hatte. Doch auch die nächste Reihe von Büchern bot ihr keinerlei Informationen, die ihr in irgendeiner Weise weitergeholfen hatten. Eine Woche blieb sie von früh bis spät in der Bücherei und arbeitete sich gründlich durch drei Abteilungen, oft auch mit der Hilfe ihrer Freundinnen, die mit ihrer Ferienzeit aber anscheinend noch andere Dinge zu tun wussten. Schließlich verabredeten sie ein zweites Treffen bei Rei, um die Situation noch einmal durchzugehen. Ami sah keinen großen Nutzen darin, da sie bisher noch keine Ergebnisse vorzuweisen hatte und die Zeit außerdem lieber zum Weiterführen der Recherche genutzt hätte. Dennoch machte sie sich an diesem Tag seufzend aus der Bibliothek auf den Weg zum Hikawa-Schrein. Dort waren alle außer Rei schon versammelt, da sie heute wohl doch nicht so viel Arbeit gehabt hatten. Ami wollte fragen, warum sie nicht in der Bücherei vorbeigeschaut hatten, ließ es dann aber doch sein. Sie würden schon ihre Gründe haben. Sie ließ sich auf einem Sitzkissen nieder und sah die anderen erwartungsvoll an. Irgendeinen Grund musste es für dieses Treffen doch geben. Die anderen schienen jedoch auch nichts zu sagen zu haben und blickten gespannt auf die Tür. „Wo ist Rei?“, fragte Ami daher. Bevor jemand antworten konnte, hörten sie plötzlich einen lauten Aufschrei, der eindeutig von Reis Großvater kam und bald von aufgeregtem Gezeter abgelöst wurde. „Rei wollte gerade Ace holen“, murmelte Makoto dann, als für einen kurzen Moment Stille herrschte. Kurze Zeit später wurde dann tatsächlich die Tür, auf die alle ihren Blick gerichtet hatten, ruckartig aufgeschoben und Rei trat mit wütendem Gesicht ins Zimmer, Ace mit einer Schale Reis in der Hand hinter sich herziehend. „Mein Opa hat ihn gerade rausgeschmissen“, verkündete sie mit unterdrücktem Zorn in der Stimme und machte mit dem Kopf eine Bewegung in Richtung von Ace. „Warum das?“, fragte Usagi verwundert. Ace lachte. „Anscheinend bin ich ihm nicht fleißig genug“, erklärte er. „Und ich esse vielleicht ein bisschen zu viel“, fügte er hinzu und hob grinsend seine Reisschale an. „Ein bisschen“, seufzte Rei. „Und jetzt?“, fragte Minako. Ein kurzes Schweigen trat ein, das nur vom leisen Kauen Aces unterbrochen wurde, der in Windeseile seinen Reis herunterschlang. Ami hätte ihm gerne angeboten, bei ihr zu wohnen, doch in ihrem Appartement war kein Zimmer mehr frei. Außerdem hätte ihre Mutter es sowieso von vornherein abgelehnt, selbst wenn sie noch so viele freie Räume im Haus gehabt hätten, da sie einem Mann in seinem Alter in Beziehung zu ihrer vierzehnjährigen Tochter sicherlich vieles Unsittliches zutraute. „Vielleicht“, begann Usagi zögerlich, „kann er bei uns wohnen. Wir haben in unserem Dachzimmer noch ein altes Bett stehen.“ „Das wäre super!“, begrüßte Rei die Idee sofort. Die Erleichterung war ihr anzusehen. „Darf ich kurz zu Hause anrufen?“, fragte Usagi. Rei bejahte und die beiden verließen den Raum. Ace ließ sich auf dem Platz neben Ami nieder, auf dem Usagi bis eben gesessen hatte. „Wie sieht’s aus?“, fragte er, den Ellbogen auf dem Tisch abgestützt und das grinsende Gesicht seiner Sitznachbarin zugewandt. Ami zuckte zusammen, als er sie so plötzlich ansprach. Mit gesenktem Kopf berichtete sie: „Ich habe noch nichts gefunden.“ „Noch gar nichts?“, hakte Ace nach. Niedergeschlagen schüttelte sie den Kopf. Aber Minako begann sofort, sie zu verteidigen: „Sie verbringt aber immer den ganzen Tag in der Bücherei und guckt jedes Buch durch, ob dort nicht vielleicht ein Hinweis zu finden ist. Dass sie noch nichts gefunden hat, liegt bestimmt einfach daran, dass es ein ziemlich schwieriges Thema ist.“ „Und daran, dass sie meistens alleine suchen muss“, fügte Makoto schuldbewusst hinzu. Ace tätschelte ihr den Kopf, wie er es beim letzten Mal auch schon getan hatte. „Keine Sorge, du findest schon noch was“, sprach er ihr aufmunternd zu. Sie seufzte nur. Glücklicherweise erlaubte Herr Tsukino Ace, in seinem Haus zu wohnen, allerdings unter der Voraussetzung, dass er wenigstens ein bisschen dafür bezahlte, da er ein begeisterter Esser war, den durchzufüttern auf die Dauer ziemlich hart sein würde. Ace brauchte also einen Job, da waren sich die Mädchen einig, da keiner von ihnen bereit war, seinen Unterhalt aus eigener Tasche zu bezahlen. Selbst Ami, deren Taschengeld aufgrund des hohen Gehalts ihrer Mutter üppiger ausfiel als das ihrer Freunde, war dagegen. Außerdem war Ace ein dynamischer junger Mann, dem es sicherlich nichts ausmachte, für seinen Unterhalt zu arbeiten. Was die Art des Jobs anging, wusste aber niemand wirklich weiter. Auch Ace war ratlos, da er sich in dieser Welt nicht auskannte. Anscheinend hatte er bisher immer von seinem Dasein als Pirat leben können. „Ich hab’ was gefunden!“, kündigte Rei eines Morgens freudestrahlend an, als sich die Mädchen wieder einmal routinemäßig bei ihr versammelt hatten, und zog eine kleine Zeitungsanzeige aus ihrer Hosentasche hervor. Stolz las sie vor: „Disneyland sucht Aushilfskraft als Pyrotechniker. Vorkenntnisse in diesem Gebiet sind erforderlich. Zahlen angemessenen Lohn. Bei Interesse melden Sie sich per Telefon oder kommen persönlich vorbei, um Näheres zu besprechen.“ Während sie sprach, erhellten sich die Gesichter der vier Zuhörerinnen schlagartig. „Das ist es!“, rief Minako freudig aus, als Rei geendet hatte. Die anderen stimmten ihr zu. Ace, der mit dem Feuer spielen konnte, als sei es ein harmloses Tier, würde bestimmt kein Problem damit haben, seine Gabe zu nutzen, um damit ein wenig Geld verdienen zu können Daran, dass Ace den Job bekommen würde, zweifelte keiner von ihnen, und so war auch niemand überrascht, als er am nächsten Tag grinsend und mit erhobenem Daumen das Büro des Geschäftsführers im Disneyland verließ. Sie alle hatten ihn dorthin begleitet, um seine neue Arbeit mit einem Tag im Freizeitpark zu feiern. Ami hätte die Zeit zwar lieber genutzt, um noch ein paar Bücher zu durchwälzen, war dann aber doch mitgekommen, um ihre Freundinnen nicht zu beunruhigen. Außerdem war sie sich sicher, dass Ace sich in ihrer Welt nun wohl genug fühlte, um dort noch den einen oder anderen Tag länger auszuharren. Der Tag wurde schöner, als sie erwartet hatte und sie alle hatten – trotz der anhaltenden Hitze, die ihnen den Schweiß auf die Stirn trieb – eine Menge Spaß. Besonders Ace, der noch nie in einer Achterbahn gesessen hatte, amüsierte sich prächtig. Insbesondere die Wildwasserbahnen schienen es ihm angetan zu haben, da sie ihn wohl an seine Welt und das Reisen auf dem Meer erinnerten. Ami fragte sich, ob er nicht doch mehr Heimweh hatte, als er nach außen hin zeigte. Als er sie dann auf dem Rückweg fragte, wie weit sie eigentlich schon gekommen sei, nahm sie sich vor, die Suche nach einem Rückweg für ihn noch ernster zu nehmen. So kam es dann auch, dass sie an den nächsten Tagen jeden Morgen schon vor acht Uhr an der Tür der Bibliothek stand und ungeduldig darauf wartete, dass sie jemand aufschloss, und jeden Abend mindestens dreimal von den Angestellten auf die späte Uhrzeit aufmerksam gemacht werden musste, bis sie schließlich ihre Recherchearbeit beendete. Doch so viel sie auch blätterte, las und suchte – inzwischen hatte sie schon über die Hälfte aller Bücher unter die Lupe genommen – sie fand einfach nichts, was ihr in irgendeiner Weise weiterhalf. Das entmutigte sie allerdings nicht im Geringsten, und so wurde ihr Eifer immer mehr angespornt, bis sie schließlich schon in ihren Träumen nichts anderes mehr tat als in Büchern herumzublättern und nach dem einen, entscheidenden Hinweis zu suchen, den sie brauchte, um Ace zurückzuschicken. An einem Tag – Ace war inzwischen schon seit fast zwei Wochen als Pyrotechniker beschäftigt – stand Ami noch ein bisschen früher auf als sonst. Ihre Mutter hatte ihr aufgetragen, ein paar Dinge einzukaufen, die sie dringend brauchte, und sie wollte keine Zeit in der Bibliothek verlieren. Daher verließ sie die Wohnung schon um kurz nach sieben. Die Besorgungen waren schnell erledigt und Ami fragte sich gerade, ob sie es noch schaffen konnte, das Eingekaufte nach Hause zu bringen und trotzdem pünktlich an ihrem Arbeitsplatz zu sein, als sie auf einmal von einer Stimme aus ihren Gedanken gerissen wurde. „Hey, Ami!“ Sie hob den Kopf und sah Ace, der grinsend auf der anderen Seite der Straße stand. Seit er den Job beim Disneyland hatte, trug er wieder seine eigenen Klamotten, die bei dieser Hitze wohl auch bei Weitem praktischer waren als die, die Reis Großvater ihm im Schrein aufgezwungen hatte. Besonders einen Schatten spendenden Hut wie den seinen hätte Ami in diesem Moment auch gerne gehabt. Ace schlang schnell das halbe Reisbällchen herunter, das er bis eben in der Hand gehalten hatte, und überquerte dann die Straße, um kurz vor Ami stehen zu bleiben. „Hallo“, erwiderte sie seinen Gruß ein wenig verspätet. Er schien etwas sagen zu wollen, doch sein Mund schloss sich wieder und er musterte sie streng. Missbilligend fragte er: „Bist du wieder auf dem Weg zur Bücherei?“ Ami nickte verwirrt. Ace seufzte und legte die Außenseite seiner warmen Hand an ihre Wange. „Du siehst gar nicht gut aus, weißt du das?“ Sie errötete unter dem forschen Blick seiner schwarzen Augen und blickte zu Boden. Machte Ace sich tatsächlich Sorgen um sie? „Die Sonne scheint den ganzen Tag und die bist käseweiß. Verbringst du etwa den ganzen Tag in der Bibliothek?“ „Nicht den ganzen“, widersprach sie kleinlaut, war sich aber sicher, dass die zwölf Stunden, die sie meist dort war, für ihn als ganzer Tag zählten. Er schüttelte den Kopf und sagte: „So geht das nicht. Ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass du irgendwann vor Erschöpfung zusammenbrichst.“ „Nein, ich -“, rief sie und blickte zu ihm auf. Doch sein durchdringender Blick ließ sie abbrechen. Er würde sie nicht so einfach davonkommen lassen. „Du kommst heute mit mir in den Freizeitpark“, beschloss er kurzerhand, packte ihr Handgelenk und zog sie davon, ohne dass sie Gelegenheit hatte, sich dagegen zu wehren. Aber das wollte sie eigentlich auch nicht, denn das Kribbeln, das sich nun langsam von der Wange, die er berührt hatte, durch ihren ganzen Körper zog, war alles andere als unangenehm und auch der sanfte Griff seiner Hand löste bei ihr ein Gefühl aus, das sie nicht so recht zu deuten wusste. Die Hitze an diesem Tag schien noch unterträglicher als zuvor, dennoch stürmten die Besucher in Scharen durch den Eingangsbereich des Disneyland, mit Hüten und Schirmen gegen die gefährlichen Sonnenstrahlen ausgerüstet. Ami war ziemlich froh, als Ace sie an den Menschenmassen vorbei durch einen Mitarbeitereingang führte. Als sie dann schon bald auf dem großen Gelände des Freizeitparks standen, breitete Ace die Arme aus und fragte grinsend: „Was machen wir zuerst?“ Zögernd warf Ami einen Blick auf die Karte, die er ihr eben in die Hand gedrückt hatte. „Wie wäre es mit dem Jungle Cruise?“, schlug sie vor. Die Aussicht auf Abkühlung in der Wildwasserbahn gefiel ihr gut. Ace stimmte zu und führte sie zu der hinter der nächsten Kurve liegenden Attraktion. Dort setzten sie sich, nachdem sie über eine halbe Stunde im Schatten des Vorbaus gewartet hatten, nebeneinander in das kleine Boot, in dem sie den künstlichen Dschungel durchqueren würden. Die Sitze waren so dicht nebeneinander platziert, dass für einen kurzen Moment ihre Arme aneinander stießen. Ami zog ihren schnell weg, als sie seine von der Sonne erhitzte Haut an ihrer spürte. Ace lachte und sah amüsiert auf sie herab. „Ich frage mich ernsthaft, wie dein Körper bei diesen Temperaturen so kühl bleiben kann. Er ist so kalt wie das Wasser.“ Ami sah ihn nicht an und nickte nur. Sie spürte, wie ihre Wangen rot wurden und wandte sich schnell von Ace ab, damit er es nicht sah. Ihr Element war das Wasser, wenn sie sich in eine Kriegerin verwandelte, wohingegen Ace das Feuer beherrschte. In allem anderen, was sie bisher über ihn in Erfahrung bringen konnte, war er ebenso das genaue Gegenteil von ihr selbst. Als ihr Boot einen kleinen Wasserfall herabgespült wurde und Ace lachend die Arme in die Luft riss, blickte sie ihn traurig an. Er war ganz anders als sie und kam noch dazu aus einer anderen Welt, in die er auch bald zurückkehren würde. Sie sollte sich keine Hoffnungen machen. Im selben Moment, als er ihr sein grinsendes Gesicht zuwandte, wurde ihr bewusst, dass sie das bereits getan hatte. „Gefällt es dir nicht?“, fragte er erstaunt, als er den verbitterten Ausdruck in ihren Augen sah. „Doch, doch, keine Sorge!“, versicherte sie und zwang sich zu einem Lächeln. Er schaute noch immer etwas misstrauisch, fragte aber nicht weiter nach, worüber Ami sehr froh war. Sie wollte ihn nicht anlügen. Und ihm die Wahrheit zu sagen, das würde sie sich niemals trauen. Der Tag verging wie im Flug, und bald war die Sonne hinter den Hochhäusern, die den Park umgaben, verschwunden. Ace musste sich beeilen, noch rechtzeitig zum allabendlichen Feuerwerk an seinem Arbeitsplatz zu sein, brachte Ami aber vorher noch zu einem kleinen See im Herzen des Parks, von dessen Ufer aus man es gut sehen konnte. Die Vorführung war schön, doch allein konnte Ami sie nicht wirklich genießen. All die feurigen Muster, die sich am inzwischen fast schwarzen Himmel abzeichneten, erinnerten sie nur an die warmen Hände Aces, die sie heute so oft auf ihrer Haut gespürt hatte und die sie jetzt schon vermisste, auch wenn er sich erst vor einer knappen viertel Stunde von ihr verabschiedet hatte. Du bist so dumm!, schalt sie sich selbst. Bald wird er in seine Welt verschwinden und du wirst ihn nie wieder sehen. Trotz der noch immer herrschenden Hitze lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken und sie legte die Arme um sich. Sie spürte, wie Feuchtigkeit sich in ihren Augenwinkeln sammelte. Auf einmal schlangen Arme, die zwar ebenso heiß waren wie die Luft, aber tausendmal angenehmer, sich um ihre Schultern, warme Hände bedeckten ihre zitternden Finger und jemand hauchte ihr mit heißem Atem ins Ohr: „Es ist wunderschön, nicht wahr?“ Ami versuchte, ihre Hände unter seinen hervorzuziehen, um die Tränen wegzuwischen, die in ihren Augen brannten, doch Ace hielt sie fest und beugte sich noch ein Stück vor, um ihr Gesicht sehen zu können. „Weinst du?“, fragte er überrascht. „Nein, ich -“, begann sie. Er ließ sie nun doch los und stellte sich neben sie. Verlegen wischte sie sich mit dem Handrücken über die feuchten Augen. „Es ist nur so schön“, log sie und wandte den Blick schnell dem Feuerwerk zu, da seine schwarzen Augen sie zu durchdringen schienen. „Ja“, stimmte er zu, ebenfalls zum Himmel aufschauend. „Wunderschön...“, fügte er gedankenverloren hinzu. Als Ami ihm einen kurzen Blick zuwarf, bemerkte sie, dass er ihr Gesicht betrachtete. Errötend sah sie in eine andere Richtung. Zu gern hätte sie gewusst, woran Ace gerade dachte. An diesem Abend lag Ami noch lange wach, auch wenn sie von all der Anstrengung und der Hitze vollkommen geschafft war. Doch der Gedanke an Ace ließ sie nicht los, immer wieder drehte sie sich in ihrem Bett herum und versuchte, in den Schlaf zu entfliehen, doch es wollte ihr einfach nicht gelingen. Sie hatte mit ihren Recherchen bisher noch nichts erreicht, auch wenn sie so viel Zeit in der Bibliothek verbracht, so viele Bücher gewälzt hatte. Dennoch hatte sie auf einmal das Gefühl, ihrem Ziel so nahe zu sein wie nie zuvor. Bald würde sie einen Rückweg für Ace gefunden haben. Doch auf einmal war sie sich nicht mehr sicher, ob das wirklich das war, was sie wollte. Er muss zurückkehren!, sagte sie sich selbst immer wieder. Es geht nicht anders. Ami zwang sich, ruhig zu bleiben. Sie kannte Ace so wenig, dass sie ihn sicher bald wieder vergessen haben würde. Es war nichts als eine Schwärmerei, das war normal für ihr Alter. Bald würde sie wieder nichts als ihren Traum, Ärztin zu werden, vor sich sehen. Traurig dachte sie an den Tag zurück, der sich nun langsam dem Ende neigte. Ace war so freundlich gewesen, hatte sie zum Lachen gebracht und mit ihr über alles geredet, was ihm einfiel. Freundlich. Freundschaftlich. Sie konnte sich vieles einbilden, aber es wäre einfach naiv, in seinem Verhalten mehr zu sehen oder irgendetwas hinein zu interpretieren, was nichts mit der Realität zu tun hatte. Amis Hände schlossen sich zu Fäusten. Wenn der Tag des Abschieds kam, würde sie das Ganze mit Fassung tragen, egal wie viele Tränen ihr Herz vergießen würde. Am nächsten Morgen wurde Ami abrupt von einem Klingeln geweckt. Im ersten Moment dachte sie, es handele sich um ihren Wecker, doch als sie sich dem blauen Gerät auf ihrem Nachttisch zuwandte, sah sie, dass es schon fast Mittag war und er somit schon vor einigen Stunden geklingelt haben musste. Schläfrig richtete sie sich auf, geblendet vom hellen Licht der Sonne, das durch die Schlitze ihrer Jalousie ins Zimmer drang. Es klingelte erneut. Erst jetzt, wo Ami ein bisschen wacher war, erkannte sie, dass wohl jemand vor der Tür stand. Schnell zog sie sich einen Morgenmantel an, um dem Besucher nicht im Schlafhemd entgegentreten zu müssen, und hastete zur Tür. Dort betätigte sie den Knopf der Lautsprecheranlage und grüßte höflich: „Guten Morgen.“ Ein leises Kichern ertönte, das Ami sofort Usagi zuordnen konnte. Diese begann auch gleich darauf zu sprechen: „Es ist helllichter Tag, du Schlafmütze.“ Verlegen drückte Ami auf den Summer, um Usagi hereinzulassen. Wenige Augenblicke später stand sie auch schon vor der Tür des Apartments, eine kleine, mit Mangafiguren bedruckte Plastiktüte in der Hand. „Komm doch rein“, bat Ami und die beiden ließen sich auf dem marineblauen Ledersofa im Wohnzimmer nieder. „Hast du wirklich bis eben geschlafen?“, fragte Usagi mit einem Blick auf den Morgenmantel. Ami nickte. „Ich habe mich die letzten Tage wohl etwas überanstrengt und dann -“ Doch bevor sie ihren Satz beenden konnte, hatte Usagi sie schon mit ernstem Gesicht unterbrochen. „Ja, ich weiß. Ace hat es mir erzählt. Darum bin ich auch hier.“ Ami blickte erst sie und dann die Tüte in ihrer Hand überrascht an. Usagi grinste. „Hier“, sagte sie und zog einen Manga hervor, den sie Ami überreichte. Diese bedankte sich und fragte dann: „Was soll ich damit?“ „Lesen!“, erwiderte Usagi. „Ace meinte, du brauchst ein bisschen Abwechslung und dann dachte ich mir, dass du ja einfach mal einen Manga lesen könntest! Der ist total cool!“ Ami lächelte. „Danke, Usagi.“ Usagi grinste, stand auf, und klopfte der anderen auf die Schulter. „Kein Problem. Wir sind doch Freundinnen! Wenn du noch mehr brauchst, komm einfach bei mir vorbei.“ Ami nickte glücklich, während Usagi sich schon wieder auf den Rückweg machte. Die Blauhaarige besah das Cover des Taschenbuchs. Zu sehen waren drei Mädchen in langen schwarzen Mänteln, die mit Holzstäben in einem großen Kessel mit einer grünlichen Flüssigkeit darin rührten. Über ihnen prangte in bunten Farben der Titel „Die drei Wetterhexen“. Ami seufzte. Eigentlich hatte sie heute wieder in die Bücherei gehen wollen. Doch erstens wollte sie Usagi nicht enttäuschen, zweitens war der Tag sowieso schon halb vorbei, nachdem sie so lange geschlafen hatte, und drittens war Ace sicher auch damit einverstanden, dass sie sich einen gemütlichen Tag zu Hause machte. Der Manga handelte – wie das Cover auch schon verriet – von drei jungen Hexen, die mithilfe selbst gebrauter Zaubertränke das Wetter beherrschen konnten. Wenn die Leute ein bestimmtes Wetter brauchten, kamen sie zu ihnen und kauften es. Dabei war natürlich Chaos vorprogrammiert, denn wenn einer sich eine Woche Sonne wünschte, um schön braun zu werden, beschwerte sich ein anderer, weil seine Pflanzen kein Wasser mehr hatten. Außerdem brachten die Tränke der Hexen nicht immer unbedingt das, was sie eigentlich bezweckt hatten. Im letzten Kapitel herrschte im ganzen Land eine schreckliche Dürre, obwohl es in diesen Monaten eigentlich von morgens bis abends hätte regnen müssen. Schon bald wurden die Wetterhexen angesprochen und sie machten sich sogleich daran, den Trank zu brauen, den sie schon so oft benutzt hatten, um Regen heraufzubeschwören. Doch die herkömmlichen Rezepte zeigten keine Wirkung. Schließlich war es die jüngste von ihnen, die die richtige Mischung entdeckte. Sie hatte einen gewöhnlichen Regentrank mit einem für Sonnenschein gemischt und dabei eine merkwürdige Substanz erhalten, die mit ihrem glühend grünen Farbton schon gleich den Eindruck machte, als sei sie etwas Besonderes. Die Hexe steckte ihren Stab hinein und rührte kräftig im Uhrzeigersinn. Sofort verstärkte sich die Strahlung der Sonnenstrahlen. Als die beiden anderen protestierten, rührte sie in die andere Richtung, und wie durch ein Wunder bildeten sich Wolken am Himmel, die beständig anwuchsen. Und schließlich fiel der erste Tropfen Regen. Ami starrte auf die Doppelseite, auf der das Kapitel beendet wurde. „In die andere Richtung drehen, um das entgegengesetzte Ergebnis zu erhalten...“, murmelte sie langsam. Und auf einmal hatte sie die Lösung. Es war so einfach. Warum war sie da bloß nicht drauf gekommen? Sie brauchten nur einen Strudel, der sich in die andere Richtung drehen würde und – schwuppdiwupp – schon war Ace zurück in seiner Welt. Ami wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Endlich hatte sie das gefunden, was sie so lange gesucht hatte, doch sie war sich auf einmal nicht mehr sicher, ob sie es wirklich hatte finden wollen. Sie rief sich in Erinnerung, was sie sich am vorigen Abend vorgenommen hatte. Sie würde stark sein und Ace gehen lassen. Sofort sprang sie auf und lief in ihr Zimmer, um den Computer anzuwerfen. Ungeduldig trommelte sie mit den Fingern auf ihrem Schreibtisch herum. Hatte er schon immer so lange gebraucht, um hochzufahren? Es schien Stunden zu dauern, bis sie endlich auf das Internet-Icon auf dem Desktop klicken konnte. Ausgerechnet heute schien die Verbindung besonders schlecht zu sein. Schnell gab sie ein paar Stichworte in die Suchmaschine ein und klickte dann, sobald sie Ergebnisse anzeigte, auf den ersten Link, der sie zu der Homepage eines japanischen Nachrichtensenders führte. Dort, unter den Schlagzeilen von vor fast vier Wochen, fand sie einen Artikel über einen mysteriösen Strudel, der in der Bucht von Tokyo aufgetaucht war und urplötzlich seine Drehrichtung geändert hätte. „Nein!“, rief Ami ungläubig aus. Wenn sie dem, was dort stand, Glauben schenken konnte, hatte der Raum-Zeit-Strudel, direkt nachdem er Ace ausgespuckt hatte, seine Richtung geändert. Sie hätte sich all ihre Recherchearbeit sparen können, wenn sie auch nur ein einziges Mal den Fernseher angeschaltet und die Nachrichten geschaut hätte. Doch die Wut über ihre eigene Dummheit löste sich sofort in Luft auf, als sie an Ace dachte. Wenn sie ihn gleich zurückgeschickt hätten, wäre sie ihm wohl nie näher gekommen. Sie wären nicht zusammen in den Freizeitpark gegangen... Allein für die Erinnerung an diesen wundervollen Tag hatte es sich gelohnt, so viel Zeit in der Bücherei zu verschwenden. Ein kurzer Blick auf die Zeitanzeige der Startleiste sagte ihr, dass es erst früher Nachtmittag war. Ace würde wie immer spät von seiner Arbeit zurückkehren, und vorher konnte sie nichts unternehmen. Es hatte keinen Sinn, zur Bucht von Tokyo zu fahren, um nach dem Strudel zu schauen, denn die Quellen im Internet sagten klar und deutlich, dass er immer noch dort war. Es hatte auch keinen Sinn, bei Usagi anzurufen, um zu fragen, ob Ace zufällig doch schon da war. Dann müsste sie nämlich möglicherweise auch noch erzählen, warum sie so dringend mit ihm sprechen musste. Und das war etwas, das sie auf keinen Fall tun wollte. So leid es ihr auch tat, sie konnte ihre Freundinnen nicht einweihen. Sie würden alle mitkommen wollen, um Ace zu verabschieden. Und dann würde sie, Ami, wieder völlig untergehen und ihm nicht einmal Lebewohl sagen können... Also musste sie wohl oder übel alleine mit ihrer Nervosität klarkommen. Sie versuchte, fernzusehen, doch da ihr Blick dauernd zur Uhr wanderte, konnte sie sich so wenig auf die Sendung konzentrieren, dass sie das Gerät bald wieder ausschaltete. Auch der Versuch, zur Ablenkung etwas zu lesen, scheiterte kläglich. Irgendwann entschied sie dann, dass es spät genug war, um aufzubrechen und machte sich auf den Weg. Es machte im Grunde keinen Unterschied, ob sie in ihrem Zimmer oder vor dem Freizeitpark umherlief, doch sie wollte Ace auf keinen Fall verpassen. Tatsächlich war sie schon vor den Toren Disneylands angekommen, bevor es angefangen hatte zu dämmern. Vor Einbruch der Dunkelheit würde Ace sicher nicht fertig sein. Amis Herz klopfte laut bei dem Gedanken daran, ihn bald wiederzusehen. Sie hoffte, dass sie ihn nicht verpassen würde unter all den herausströmenden Menschen. Zum Glück hatte sie sich direkt vor den Mitarbeitereingang gestellt, den sie ja schon von ihrem letzten Besuch kannte, denn sonst wäre er sicherlich gleich in der Menge untergetaucht, nachdem er seinen Arbeitsplatz verlassen hatte. So bemerkte er sie aber sofort und fragte überrascht: „Was machst du denn hier?“ Sein Grinsen verriet aber, dass es eine positive Überraschung war. „Komm mit“, murmelte Ami verlegen und zog ihn hinter sich her. Sie traute sich nicht, ihm in die Augen zu sehen, da sie befürchtete, ihre Gefühle könnten dann aus ihr hervorbrechen und alles zerstören, was sie sich vorgenommen hatte. „Was ist los?“, fragte er alarmiert. „Du wirst es sehen“, war Amis einzige Antwort. Er schien zu merken, dass er keine weiteren Informationen aus ihr herausbekommen konnte, denn den Rest des Weges schwieg er. Als sie schließlich am Strand ankamen – an dem Strand, an dem sie sich kennengelernt hatten – schien er endlich zu wissen, worauf sie hinaus wollte. „Du hast einen Weg gefunden, mich zurückzubringen?“, fragte er strahlend. Sie nickte, wobei sich ein schmales Lächeln über seine kindliche Freude auf ihr Gesicht schlich. „Wir müssen nur dein Boot holen, dann kannst du durch den Strudel dort hinten zurückkehren“, erklärte sie und zeigte an den Ort, an dem er sich noch immer drehte, als sei nichts geschehen. „Danke, Ami!“, rief er und umarmte sie. „Wirklich, dafür kann ich dir gar nicht genug danken.“ Sie lief rot an, als sie seinen heißen Körper – möglicherweise zum letzten Mal – an ihrem spürte. „Kein Problem“, murmelte sie und lief, als er sie losließ, mit schnellen Schritten auf die Höhle zu, in der sie sein kleines Boot versteckt hatten. Wenn es nun nicht mehr da ist..., schoss es ihr durch den Kopf und eine Welle der Hoffnung flutete durch ihren ganzen Körper, obwohl sie versuchte, sie aufzuhalten. Natürlich traf der Gedanke nicht zu; Aces Piratenschiff schwamm noch immer an dem Platz, an dem sie es zurückgelassen hatten. Ami unterdrückte einen Seufzer und half Ace, sein Eigentum loszubinden und auf den Strand zu ziehen. Eine peinliche Stille folgte, in der sie beide genau wussten, dass die Zeit des Abschieds gekommen war. Schließlich war es Ace, der sie brach. „Nochmal danke für alles, Ami. Es hat mir Spaß gemacht, diese Welt zu erkunden. Doch jetzt muss ich wohl zurück.“ Noch immer hatte sie ihren Blick auf den Boden gerichtet, um ihn nicht ansehen zu müssen. Sie konnte sich fast ausmalen, wie er sie jetzt ansah. Ein verlegenes Grinsen in seinem unbekümmerten Gesicht... „Ja“, sagte sie nur, aus Angst ihre Stimme könnte sie verlassen. Und auf einmal konnte sie ihre Gefühle nicht mehr zurückhalten, all das, was sie in den vergangenen Tagen gefürchtet hatte, war nun wahr geworden und stürzte auf sie ein. Er würde sie verlassen. In wenigen Augenblicken würde er fort sein, und sie würde ihn niemals wieder sehen. Die Tränen ließen sich nicht mehr zurückhalten und Ami begann zu schluchzen. Niemals war so ein endgültiges Wort... Es gab keinen Ausweg, keine andere Möglichkeit. Etwas berührte ihren Kopf und sie sah auf, während die Tränen über ihre Wangen liefen. Ace grinste, so wie er es schon so oft getan hatte. Sein Arm war in Richtung ihres Kopfes ausgestreckt, doch es war nicht seine Hand, die auf ihrem Haar lag. „Dein – Hut?“, war das einzige, was sie hervorbrachte. Tatsächlich hatte er ihr den orangefarbenen Hut, von dem er sich bisher nie hatte trennen wollen, aufgesetzt. Sie legte ihre Hand auf seine, die noch immer auf dem Hut lag. Ace nickte. „Damit du mich nicht vergisst“, erklärte er. Dann zog er seine Hand unter ihrer hervor, drehte sich um und ging auf sein Boot zu. „Warte“, rief Ami schluchzend. Er drehte ihr den Kopf zu und sah sie fragend an. „Danke.“ Sie schluckte. Wenn sie jetzt nichts sagte, würde sie die letzte Gelegenheit vertan haben. „Danke für alles, Ace! Ich bin so froh, dich getroffen zu haben!“ Sein Grinsen wurde noch breiter, als er sich wieder dem Boot zudrehte, eine Hand mit erhobenem Daumen über seinem Kopf. Er stieg in sein Boot, holte die Ruder unter der Sitzbank hervor, und stieß sich damit vom Strand ab. „Lebe wohl“, flüsterte Ami. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)