Chiisana LOVE-STORIES von Ditsch (Die ultimative Anime-Crossover-Dating-Fanfic) ================================================================================ Kapitel 30: Kisshu und Akito - Die schönsten Früchte der Erde ------------------------------------------------------------- Von Die Chiisana Love-Stories gehen mit dieser Geschichte nun schon in die 30. Runde!! Nicht schlecht, oder? Die Jubiläumsgeschichte ist ein Wunschpairing von Erdbeer_Akito. Wir freuen uns immer, wenn wir Pairingwünsche erhalten und werden uns bemühen, sie auch umzusetzen. Wie dem auch sei, es hat uns auf jeden Fall ungewöhnlichen Spaß gemacht, uns die Story auszudenken. Zu Akito muss ich noch eine Sache sagen: Da wir selbst nur bis zum aktuellen Stand von Fruits Basket in Deutschland (Daisuki 02/2008) etwas über Akito wissen, können wir nicht alles berücksichtigen, was in Japan und den Fans vielleicht schon bekannt ist. Wir wollten auch nicht gerne anderen zuvorkommen, die vielleicht selbst noch nicht so weit sind in Fruits Basket. Deshalb wird Kisshu auch nicht ganz viel über Akito erfahren. Ich hoffe aber, dass die Geschichte euch trotzdem gefällt: Die schönsten Früchte der Erde „Wahaha! Ich komme!“ Mit einem lauten Jubeln stürzte sich der grünhaarige Junge mit den langen, abstehenden Ohren vom Dach eines Wolkenkratzers. Menschen auf der Straße unter ihm ließen laute Schreie hören, als sie ihn erblickten und stoben eiligst davon. Ein Kind fiel hin, eine Frau stolperte über ihre Stöckelschuhe. Der Junge jedoch bremste kurz vor dem Boden einfach ab, als sei es das normalste der Welt, und blieb Zentimeter über dem Erdboden schweben. „Habt ihr euch erschreckt?“, fragte er frech in die Runde. Ein paar der Menschen blieben verdutzt stehen, doch niemand sagte etwas. Wortlos wendeten sich die meisten wieder ab und eilten weiter, wohin auch immer sie unterwegs waren an diesem warmen Sommertag. Der Junge seufzte und landete tapsend auf dem Vorplatz des Bahnhofes. Der Menschenstrom normalisierte sich innerhalb von Sekunden wieder und gleich fand er sich im Gedränge zwischen Menschen, die mit Aktentaschen unter dem Arm und einer Hand dabei, ihre Krawatte zurechtzurücken in Richtung Bahnhof eilten und Schülerinnen mit kurzen Röcken, die in einer Hand ihre Schultasche und in der anderen ein mit reichlich Glitzersteinchen besetzten Handys hatten und dabei miteinander schnatterten wie eine Schar Gänse. Kisshu, der Grünhaarige, ließ den Kopf hängen. Offenbar gab es hier niemanden, den er überhaupt interessierte. „Diese dummen Menschen wissen doch gar nicht, was ihnen entgeht“, grummelte er und stapfte in der Menge drauflos. Mit den Händen hinter dem Rücken drängelte er sich an Hausfrauen, Punks, Geschäftsmännern und aufgeregten Familien vorbei, bis er nach dem Abbiegen in eine etwas kleinere Straße kam, die von Geschäften gesäumt war, welche mit gelben oder roten Schildern auf ihre Angebote hinwiesen. Hier trieben sich nur ein paar ältere Männer herum, die gerade Mittagspause hatten. Der kleine Alien wurde von niemandem beachtet, also zog er weiter. So langsam aber waren die Umstände dabei, seinem Enthusiasmus einen gehörigen Dämpfer zu geben. Drei Tage zuvor war die Idee einfach da gewesen. Kisshu hatte selbst kurz danach schon nicht mehr sagen können, wie ihm der Einfall gekommen war, aber auf jeden Fall hatte er zwei Beschlüsse gefasst: Der erste war, seiner unerreichbaren, da fest liierten, großen Liebe Ichigo Momomiya nicht mehr nachzutrauern. Der zweite war die logische Konsequenz: er brauchte eine neue Freundin, und zwar eine, die Ichigo so unähnlich war wie möglich. Denn, darauf hatte ihn sein Freund Pai ungerührt hingewiesen, wenn er sich ein Mädchen suchte, das ihr ähnlich war, würde er sich ständig im Geheimen fragen, ob er sie nur gewählt hatte, weil sie Ichigo ähnlich war. Kisshu hatte ihm recht gegeben, und Tarto hatte ihm sofort begeistert vorgeschlagen, dass er doch auf die Erde zurückkehren solle, um so eine Freundin zu finden. Kisshu war im ersten Augenblick dagegen gewesen, aber da die beiden und auch die anderen Aliens von seinem Planeten ihn überzeugt hatten, dass ein liebeskranker Kisshu genauso eine Hilfe beim Aufbau ihres Zuhauses war wie gar keiner, war er gegangen. Tarto hatte sofort die Gelegenheit genutzt und ihn gebeten, ihm ein paar Bonbons mitzubringen, aber das hatte Kisshu erst einmal in Gedanken weit weg geschoben, denn jetzt ging es nur um eines: Das Finden seiner Traumfrau. Drei Tage in Tokyo hatten nicht unbedingt einen Grund dargestellt, Optimismus zu bewahren. Die meisten Mädchen, die auf den Straßen an ihm vorbeiliefen, hatten entweder einen Freund, trugen eine ähnliche Schuluniform wie Ichigo, hatten dieselbe Frisur, dieselbe Augenfarbe, dasselbe Lachen oder auch nur denselben Handy-Anhänger. Egal, wen er betrachtete, irgendeine Ähnlichkeit gab es auf den zweiten Blick immer. Kisshu war so sehr in solche Gedanken versunken, dass er nicht mehr auf seinen Weg achtete. Seine Füße trugen ihn von selbst die Straße entlang, an der sich ein hohes Gebäude an das nächste reimte, er bog ab und landete schließlich in einem schon gar nicht mehr all zu innenstädtisch wirkenden Gebiet voller Einfamilienhäuser. Aber nicht einmal das bemerkte er, als er überlegte, wie so eine Traumfrau als das Gegenteil von Ichigo überhaupt aussehen müsste. Er war gerade bei der Eigenschaft „lange, schwarze und auf keinen Fall lockige Haare“ angelangt, als er mit jemandem zusammenprallte. Reflexartig riss er die Hand nach vorn und packte zu. Er spürte das Gewicht seines Gegenübers, hielt aber das Gleichgewicht. „Puh, das war knapp“, sagte er. Dann erst blickte er auf die Person, die er gerade vor dem Fallen bewahrt hatte. Sie war mindestens einen Kopf größer als er und starrte ihn aus ausdruckslos schwarzen Augen an. Ein paar Strähnen ihres langen, schwarzen Haares lagen auf dem weißen Stoff der Schuluniform, die sie trug. Ohne ein Wort zu sagen schob sie Kisshu zur Seite und stapfte die Straße hinunter. Kisshu starrte ihr verwirrt hinterher. „Wenigstens Danke hätte sie sagen können. Das hätte Ichigo bestimmt getan!“, grummelte er. Als er noch einmal den Kopf hob, um dem Mädchen hinterher zu schauen, durchzuckte ihn plötzlich ein Gedanke: „Das ist sie! Meine Traumfrau!“ Er machte einen großen Satz und landete mit ein paar Flic-Flacs direkt neben dem Mädchen und passte sein Tempo ihrem an. „Hey, weißt du was?“, fragte er. Sie schwieg und sah nur ausdruckslos geradeaus. „Ich habe gerade beschlossen, dass du meine absolute Traumfrau bist!“, verkündete Kisshu. Schweigen. „Hey, du bist aber nicht gerade gesprächig! Das macht aber nichts, damit bist du nämlich ganz anders als Ichigo. Weißt du, das ist das Mädchen, in das ich mal verliebt war, aber...“ „Verpiss dich.“ Ihre harten Worte zischte sie vollkommen ausdruckslos. Kisshu blieb erstaunt stehen. „Hey, ich hab doch gesagt, du bist meine Traumfrau!“ Er breitete die Arme aus und wollte sie umarmen, allerdings war sie flinker als er gedacht hatte und tauchte unter seinem Griff durch, so dass ihm nur noch ein paar ihrer Haarsträhnen zwischen den Fingern entlang glitten. „Ich sagte, verpiss dich!“, schnauzte sie ihn an und rannte dann ohne ein weiteres Wort davon. Kisshu jagte ihr sofort hinterher, überholte und sprang dann zu ihr gewandt rückwärts weiter. „Hey, du hast ja richtig Mumm! Ichigo hat sich nie so richtig gewehrt, immer nur dieses alberne ‚hör auf’ oder ‚lass das’. Du gefällst mir immer mehr!“ Die Augenbrauen des Mädchens verzogen sich gefährlich nach unten, aber Kisshu interessierte das gar nicht. Sie war seine Traumfrau, also würde er sie jetzt nerven. „Hey, guck nicht so böse“, grinste er, „das steht dir nicht.“ Sie funkelte ihn finster an und versuchte, ihn zu überholen, aber er sprang ihr in den Weg und schlang seine Arme um sie. „Du bist echt fantastisch!“, rief er. „Lass mich los, du perverses Schwein!“, zischte sie. Kisshu grinste und umarmte sie nur noch fester. „Haha, so ein Mädchen wie du gefällt mir!“, lachte er. „Lass die Pfoten von ihr, oder ich schlag dich zu Brei“, mischte sich eine raue Stimme ein. Kisshu zuckte zusammen und ließ gezwungenermaßen los. Vor ihm hatte sich ein Junge aufgebaut, der noch ein wenig größer war als die Schwarzhaarige, weiße Haare hatte und ihn aus braunen Augen regelrecht mordlustig anfunkelte. „Du wagst es, dich an Rin zu vergreifen?“, fragte er drohend. Kisshu, der keine Lust hatte, sich bedrohen zu lassen, nickte. „Sie ist meine Traumfrau.“ Bevor er sich versah, hatte ihm der Typ seine Faust mit voller Wucht in den Magen gerammt. Kisshu krümmte sich zusammen und sank vor Schmerz auf dem Boden. „Hast du genug, oder ist es immer noch nicht bei dir angekommen?“, fragte der Junge. Kisshu biss die Zähne zusammen und richtete sich wieder auf. „Was hast du denn? Wenn ich sie nun einmal mag?“, fragte er. „Sie hat gesagt, dass du sie loslassen sollst, also tu das gefälligst!“, schnauzte ihn der Weißhaarige an. Das Mädchen trat neben ihn und berührte ihn vorsichtig am Arm. „Haru...“, murmelte sie leise. Er starrte weiter Kisshu an und zischte: „Wenn ich dich noch einmal erwische, wie du sie gegen ihren Willen anfasst, bist du tot!“, sagte er mit einer kalten, ausdruckslosen Stimme. Dann drückte er das Mädchen von Kisshu weg und drehte ihm den Rücken zu. „Komm, lass uns einfach weitergehen“, bemerkte er. Das Mädchen nickte. Kisshu sah ihnen verwirrt hinterher. Doch für ihn war es noch viel zu früh, um aufzugeben. Eigentlich musste er nur abwarten, bis der seltsame Weißhaarige mit den aufreißerischen Kettchen im Ausschnitt das Mädchen, das er Rin genannt hatte, allein ließ. Um nicht weiter aufzufallen, stromerte er ihnen hinterher, indem er von Hausdach zu Hausdach sprang und sich dabei jeweils auf der straßenabgewandten Seite des Daches verbarg. Es war für ihn nicht sonderlich interessant, den beiden zuzuschauen. Sie gingen die Straße entlang und redeten, kauften sich an einem kleinen Kiosk jeder ein Eis und schlenderten dann noch etwas durch die Siedlung. Schließlich blieben sie vor einem zweistöckigen Haus stehen und wechselten ein paar Abschiedsworte. Kisshu beobachtete vom gegenüberliegenden Hausdach, wie der Weißhaarige wegging und die Schwarzhaarige das Haus betrat. Kisshu blieb noch eine Weile in seinem Versteck, und er hatte Glück. Nach wenigen Minuten kam die Schwarzhaarige wieder aus dem Haus, sah sich prüfend um und eilte dann die Straße hinunter. Kisshu sprang neugierig hinterher. Sie brauchte höchstens zehn Minuten Fußweg, bis sie schließlich vor der Mauer eines großen Anwesens stehenblieb. Die Mauer allein war schon lang, und dahinter lag, wie Kisshu vom Dach des nächsten dreistöckigen Hauses aus sehen konnte, ein großer Komplex von Gebäuden, allesamt sehr japanisch gebaut und größtenteils ineinander verschachtelt, er konnte jedoch auch ein paar wenige einzeln stehende Gebäudeteile ausmachen. Zwischen den Fenstern und Wänden standen ein paar Bäume und Sträucher, die einen ziemlich gepflegten Eindruck machten. Kisshu konnte sehen, wie Rin die Tür geöffnet bekam und hineinging, ihr schwarzes Haar langsam hinter ihr her wehend. Der junge Alien setzte lässig über die Mauer, die das Gelände einschränkte, hinweg, und landete hinter einem kleinen Busch direkt dahinter. Vorsichtig steckte er den grünen Schopf zwischen den Blättern hervor und sah sich um. Die Tür, hinter der Rin verschwunden war und hinter der der übliche Eingang eines japanischen Hauses mit einer Absatzstufe und ein paar bereitgestellten Pantoffeln lag, wurde gerade mit einem leichten Klacken wieder zugeschoben. Kisshu hüpfte direkt an das Haus und spähte durch eines der Fenster beim Eingang, dahinter konnte er aber nur einen leeren Flur erkennen. Er hüpfte weiter, doch hinter dem nächsten Fenster, durch das er sah, verbarg sich schon ein einzelnes, aber leeres Zimmer. Kisshu seufzte und huschte von Busch zu Busch weiter, in der Hoffnung, irgendeinen Anhaltspunkt über den Aufenthalt von Rin zu finden, obgleich er sich nicht so ganz im Klaren darüber war, warum er sie eigentlich verfolgte. Das Haus selbst war einfach gebaut, folgte simplen architektonischen Regeln und hatte keine versteckten Winkel, allerdings war es auch nicht sonderlich klein. Kisshu war kurz davor, die Sache an den Nagel zu hängen. Noch um eine Ecke wollte er biegen und dahinter schauen, ob er etwas fand. Mit dem Rücken drückte er sich an die Wand hinter der Ecke und spähte herum, doch er sah nichts als eine relativ schmale Grasfläche mit einem einzigen, dicht belaubten Baum, hinter dem das Gelände durch die Mauer begrenzt wurde. Doch auf einmal ließ ihn ein Aufschrei zusammenzucken. Es war eindeutig Rins Stimme. „Ich... Ich war es! Wie kannst du da fragen? Ich habe ihn angestiftet!“ Der grünhaarige Alien glitt um die Ecke und ging mit einem Satz hinter einem Busch direkt neben der Mauer in Deckung. Ein lautes, klatschendes Geräusch ließ ihn zusammenzucken. Er entdeckte im ersten Stock ein offenstehendes Fenster, hinter dem er die Silhouette des Mädchens ausmachte, das sich unter Schmerzen zusammenkrümmte. Vor ihr, und direkt in Kisshus Richtung gewandt, stand mit kaltem Gesichtsausdruck ein Mann mit filigranem, schwarzen Haar. „Ich kann Frauen nicht ausstehen“, sagte dieser, und obwohl er die Stimme nicht einmal erhoben hatte, lag unglaubliche Macht in seinen Worten. „Es war unverschämt, dich an meinem Eigentum zu vergreifen. Oder dachtest du, du könntest gegen mich gewinnen?“ Kisshu versuchte mehr zu erkennen, indem er sich mit einem Satz in die Krone des Baumes begab, der dem Fenster gegenüber stand. Er sah, wie der Mann Rin unsanft am Kragen packte und direkt gegen den Fensterrahmen drückte. Er wusste selbst nicht, was ihn davon abhielt, einzugreifen. Vielleicht das Wissen, dass ihn das nichts anging. Oder der Respekt, den ihm dieser Mann einflößte, der mit seinem hellen Kimono und den feinen, mandelförmigen Augen so japanisch wirkte, wie nur irgend möglich. Kisshu musste feststellen, dass er einen Moment vom Aussehen des Mannes abgelenkt gewesen war und die letzten paar Worte nicht mitbekommen hatte. Aus irgendeinem Grund lachte der Mann jetzt, und sein Mund verzog sich spöttisch nach oben, während sich seine Augen gruselig weiteten. „Du... du bist nutzlos! Selbst an Hatsuharus Seite bist du zu nichts nutze! Mit deiner düsteren Art wirst du ihn nur zerfressen! Du solltest einsehen, wie wertlos du bist! Selbst unter den Zwölf bist du nur ein Lückenbüßer!“ Kisshu verstand nichts, nur, dass der Mann aus irgendeinem Grund böse war auf Rin. Ob mit „Hatsuharu“ der Weißhaarige gemeint war, den das Mädchen vorhin „Haru“ genannt hatte? „Ich werde es dir zeigen!“, rief der Mann. Er packte Rin mit beiden Händen an der Schulter und näherte sich ihr, ein kaltes, böses Glitzern in den Augen. „Dich will niemand haben!“, zischte er ihr ins Gesicht. Im nächsten Moment, viel zu schnell, und vor allem entgegen allem, was Kisshu erwartet hätte, stieß der Mann Rin aus dem geöffneten Fenster. Kisshu konnte sie nur noch fallen sehen, fast wie in Zeitlupe. Das Geräusch von einem Gegenstand, der auf Holz schlägt, ertönte aus dem oberen Stockwerk. Noch bevor Rins Körper mit einem tauben Geräusch auf dem Gras landete, sah Kisshu einen Grundschüler mit wuscheligem, hellbraunem Haar in den Raum zu dem Schwarzhaarigen und direkt ans Fenster stürzen. Der Mann wandte sich ohne jede Gefühlsregung ab. Nachdem er sich endlich vom Schock befreit hatte, sprang Kisshu aus der Baumkrone und beugte sich über das Mädchen. Tränen lagen in ihren Augenwinkeln und sie starrte ausdruckslos an ihm vorbei in den Himmel. Blut befleckte ihre Schuluniform an der Schulter, jedoch schien sie nicht lebensgefährlich verletzt. „Was stehst du da rum?“, brüllte Kisshu den sprachlosen Jungen am Fenster an. „Hol’ einen Arzt!“ Der Kleine verschwand augenblicklich. Kisshu beugte sich wieder über Rin. „Warum tut dieser Kerl so was?“, fragte er sie. Sie schien einen Moment zu brauchen, um in die Realität zurückzufinden. „Das verstehst du nicht...“ Kisshu schwieg. „Ich habe mich verliebt, aber Akito... sama... lässt das nicht zu. Ihm muss alles gehören, sonst wird er böse... und tut so etwas...“ Ihre Stimme wurde leiser, bis sie schließlich die Augen schloss und gar nichts mehr sagte. Kisshu blieb schweigend an ihrer Seite hocken, bis er Schritte hörte. Ein Mann mit kurzem, schwarzen Haar eilte um die Ecke, gefolgt von dem verschüchtert dreinschauenden Jungen. „Isuzu-san?“, rief der Mann besorgt und hockte sich neben das Mädchen. „Sie lebt“, versicherte Kisshu. „Was ist passiert?“, fragte der Mann. Kisshu deutete zu dem Fenster im ersten Stock. Von dem Akito genannten Mann war nichts mehr zu sehen. „Runtergefallen“, sagte er knapp. Der Mann nickte und begann vorsichtig, Rins Schulter zu befühlen. Kisshu stand auf. „Kümmert euch um sie“, sagte er zu dem Schwarzhaarigen, dann machte er einen Satz und landete leichtfüßig auf dem Fensterbrett im ersten Stock. Von dort sprang er ohne einen Blick zurück in den Raum. Der Schwarzhaarige mit dem Kimono, Akito, war verschwunden. Kisshu ging zur Tür und blickte in beide Richtungen den Gang hinunter. Nach rechts führte der Gang weiter, genauso wie links. Kisshu wendete sich, einem simplen Impuls folgend, nach rechts und ging den Gang hinunter. Er bog um eine Ecke und sah sich dann mehreren Türen gegenüber. Eine führte nach rechts, eine nach links und eine geradeaus. Er nahm wieder die rechte und schob sie auf. Vor ihm lag ein ziemlich großes, aber weitestgehend leeres Zimmer. Der Boden war mit Tatamimatten ausgelegt, in der Wand ein Schrank mit hölzernen Türen eingelassen. In einer Ecke des Raumes stand ein kleines Lacktischchen, in einer Nische hing eine Kalligrafie. Gegenüber der Tür lagen zwei kleine Fenster, die durch einen Laden aus einem mit Papier bespannten Holzgitter verdeckt waren. In der Mitte des Raumes stand Akito. Kisshus Hereinkommen ließ ihm herumfahren. Im ersten Moment schien er zu bösen Worten anheben zu wollen, dann stutzte er. Seine Augen weiteten sich. „Wer bist du?“, fragte er. Kisshu sagte kein Wort, ging direkt auf ihn zu und ließ sich dort ohne Kommentar auf den Boden fallen. Er überkreuzte die Beine und sah stur zu dem Mann hoch. Dieser runzelte die Stirn. „Was willst du hier?“, fragte er böse. Kisshu verzog keine Miene. „Du hast das Mädchen, das ich liebe, aus dem Fenster gestoßen“, sagte er. Akito schien einen Moment vollkommen aus dem Konzept, dann trat er einen Schritt von Kisshu zurück und beugte sich leicht hinunter. „Du liebst sie? Dass ich nicht lache! Ein Mädchen wie sie zu lieben, das ist...“ Kisshu funkelte ihn unnachgiebig an. „Wie kommst du auf die Idee, dass sie dir gehört?“, fragte er. Akitos Augen funkelten zurück. „Sie gehört zu mir! Wie sie alle mir gehören! Ich bin der Gott – und sie sind nichts weiter als erbärmliche Tiere! Das ist eine Welt, mit der jemand wie du nichts zu tun hat!“ Kisshu verzog die Lippen. „Ein Gott? Dass ich nicht lache! Ich glaube, du leidest an Größenwahn!“ Die Augen Akitos weiteten sich gefährlich. „Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“, fragte er leise. „Wie kannst du es wagen, dich überhaupt in mein Zimmer zu trauen, ganz zu schweigen davon, mich anzusprechen oder mir Vorwürfe zu machen!?“ „Ich sagte ja, Größenwahn.“ „Du bist ein hässlicher, langohriger Mutant! Hau ab!!“ „Und wenn du mich noch mehr beleidigst, ist mir egal. Ich bin übrigens ein Alien.“ „Das – ist – mir – vollkommen – egal!!!“ Akito brachte seine Worte fast unterdrückt leise hervor, klang aber, als würde er jeden Moment losschreien. Kisshu schloss die Augen. „Du kriegst mich hier nicht weg.“ Akito verpasste ihm mit voller Wucht eine Ohrfeige. Der Alien zuckte zusammen, doch es gelang ihm, so sitzenzubleiben wie zuvor. „Ich sage es ja“, bemerkte er. Akito schwieg einen Augenblick, dann brach es aus ihm hervor: „ICH HABE GESAGT, DASS DU VERSCHWINDEN SOLLST! HAU AB, DU HAST HIER NICHTS ...“ Kisshu nahm nur wahr, wie der Redefluss stoppte. Im nächsten Moment ertönte neben ihm ein Plumpsen. Er riss die Augen auf und bemerkte, dass Akito neben ihm lag. Seine Arme lagen neben seinem Körper, er bewegte sich kein Stück. „Hey, wenn das ein Trick sein soll...“, bemerkte Kisshu. Da klopfte es zögernd an der Tür. „Akito-sama, ist alles in Ordnung?“ Kisshu sprang auf, warf noch einen Blick auf den – ob nun wirklich oder nur gespielt – ohnmächtigen Mann und hüpfte dann zu einem der Fenster, das er aufstieß und dann durchkletterte. Er hörte noch, wie die Tür zum Raum aufgeschoben wurde, bevor er geschickt auf der Mauer um das Grundstück landete, die knapp vor dem Fenster verlief, und dann hinter dieser auf dem Boden landete. Er drehte sich nicht mehr um, sondern beeilte sich, wegzukommen. Da es ohnehin schon dunkel wurde, kehrte er schwebend zu seinem Raumschiff hoch über der Stadt zurück. Schlafen konnte er freilich nicht, nachdem er sich in die Regenerationskapsel gelegt hatte. Er starrte durch die dünne Glaskugel hinauf an die eintönige Decke seines Raumes und blinzelte verwirrt. Normalerweise müsste er automatisch schläfrig werden, sobald ihm die Energie zugeführt wurde, doch er fühlte sich alles andere als bereit zum Schlafen. Schließlich seufzte er leise, öffnete die Kapsel wieder und verließ den Raum durch die automatische Schiebetür, um sich zur Ausstiegsluke unter dem Schiff zu begeben. Nachdem er ausgestiegen war, ließ er sich genügsam fallen, wobei er die unter ihm liegende Stadt betrachtete. Die Hochhäuser ragten wie schwarze Riesen heraus und verdeckten alles, was dahinter war. Im Fallen erkannte er die hell erleuchteten Fenster von Eisenbahnen, die auf dem dichten Schienennetz der japanischen Hauptstadt entlangratterten. Auf den Spitzen der höchsten Plätze blinkten kleine, rote Lämpchen, Straßenlaternen und Neonanzeigen in allen Farben mischten sich in das Bild und tauchten die Stadt in ein diffuses Licht, das sich am Horizont wie eine Kuppel wölbte. Kisshu landete auf dem Dach eines Hochhauses, setzte sich auf dessen Kante und betrachtete die Lichter. Wenn er nicht so genau hinsah, schien es ein Meer zu sein, auf dem viele kleine Glanzpunkte schwebten. Ganz anders als auf seinem Heimatplaneten, auf dem selbst am Tag stets ein trübes Dämmerlicht herrschte, hatten die Menschen es tatsächlich geschafft, die Welt der Nacht zu erhellen. Die ganze Geschichte von zuvor verfolgte Kisshu. Da war dieses Mädchen, das in so vielen Aspekten seine Traumfrau zu sein schien – doch sie hatte gesagt, dass sie bereits verliebt war. Und dieser Mann... Er war verwirrend. Zuerst war er ihm sehr gefährlich und gewitzt vorgekommen, dann jedoch nur noch albern, wie er darauf beharrte, etwas Besonderes zu sein, und schließlich war er sogar zusammengebrochen, nur davon, dass er ihn angeschrien hatte. Kisshu starrte gedankenverloren in die Ferne. Wie es ihm wohl geht? Nicht, dass er einen Herzanfall hatte oder so... Im nächsten Moment ruckte er hoch und starrte zweifelnd in die Sterne. Irgendwo da war auch seine Heimat, weit weg. Warum mache ich mir überhaupt Sorgen um den Kerl? Kann mir doch egal sein, wenn er zusammenbricht. Zumal er das Mädchen geschlagen und mich angeschrien hat. Überhaupt war er überhaupt nicht der Typ, sich um Erdenbewohner Sorgen zu machen. Er hatte sie ja damals sogar vernichten wollen, und nicht schützen. Von daher kam es überhaupt nicht in Frage, da irgendwelche Gefühle zu entwickeln. Und was war mit Ichigo? Der junge Alien ließ sich mit dem Rücken auf den Beton des Dachs fallen und starrte in die funkelnden Sterne. Ichigo war ein Mensch gewesen, und eigentlich sogar sein Feind, aber trotzdem hatte er sich damals auf den ersten Blick in sie verliebt. Konnte es dann nicht sein, dass er sich genau so spontan Sorgen um jemanden machte? Bäh, das klingt ja, als hätte ich mich verliebt! Noch dazu in einen egoistischen, besitzergreifenden Typen wie diesen Akito! Nie im Leben! Aber Tatsache war, dass auf einmal das Bild vom ohnmächtigen Akito wieder vor Kisshus innerem Auge aufflammte. „Graaaah!“ Kisshu raufte sich entnervt die Haare. „Okay, okay, ich gehe morgen nachschauen, wie es dem Kerl geht!!“, murmelte er zu sich selbst. Dann sog er noch einmal tief die frische Nachtluft ein und schwebte wieder in die Höhe. Das Anwesen fand Kisshu am nächsten Tag problemlos wieder. Es war auch zu groß, um es inmitten der von kleinen uniformen Familienhäusern bebauten Siedlung nicht leicht wiederzufinden. Kisshu betrachtete kurz das Schild neben dem Tor, allerdings sahen die Schriftzeichen auf dem Namensschild für ihn einfach nur wie eine wahllose Anordnung von schwarzen Strichen aus. Er machte sich daran, um die Mauer herumzuschleichen, bis er meinte, die Fenster von Akitos Zimmer wiederzuerkennen. Dass fast alle Fenster im Haus gleich aussahen, half ihm dabei nicht unbedingt, aber er erinnerte sich zumindest noch an die ungefähre Lage des gesuchten Raumes. Er sprang auf die Mauer und dann auf den Boden, wo er einen Augenblick verharrte und die Lage ausmachte. Dann schwebte er vor den Fenstern hoch und spähte hinein. Zum Glück war immerhin der Fensterladen offen. Allerdings konnte er niemanden erkennen – der Raum war leer. Besorgt landete er wieder auf dem Boden und stapfte dann langsam und vorsichtig um das Haus herum. Heute war gutes Wetter und die Luft warm, aber Kisshu war viel zu besorgt, um das zu bemerken. Seine Ohren zuckten immer wieder. Überall im Haus waren Menschen unterwegs, unterhielten sich oder gingen Alltagsbeschäftigungen wie Kochen oder Zähneputzen nach. Er pirschte weiter und umrundete so drei Ecken eines Gebäudes, folgte einem schmalen Verbindungsflur und huschte weiter, als ihn leise Worte erreichten: „Akito-sama, ich bringe Euch ein wenig Tee.“ „Ja. Geh jetzt wieder.“ „Ganz wie Ihr wünscht, Akito-sama.“ Kisshu wagte einen Blick um die nächste Ecke und entdeckte den schwarzhaarigen Mann. Er lag in einem kleinen Raum, der zur Veranda hin geöffnet war, auf einem weißen Futon und bedeckt von einer Decke. Sein Oberkörper steckte offenbar in einem leichten, weißen Kimono-ähnlichen Oberteil und sein Arm war ausgestreckt und lag neben ihm auf dem Boden, sein fast weißes Gesicht war irgendwo in den Himmel gerichtet. Kisshu hielt unvermittelt inne und sah den Mann an. Er trug einen verlorenen, fast leidenden Gesichtsausdruck zur Schau, der auf seltsame Weise mit dem kurzen schwarzen Haar und dem weißen Kimono harmonierte. Kurzentschlossen stapfte Kisshu hinüber zur Veranda und setzte sich, den entsetzten Blick Akitos ignorierend, auf den schmalen Vorsprung aus Holz. „Hey“, sagte er nur. Akito schwieg sich aus, weshalb Kisshu sofort wieder das Wort ergriff: „Ich hab mich gefragt, ob’s dir gut geht, da bin ich vorbeigekommen. Ich meine, es ist mir eigentlich egal, aber irgendwie hatte ich wohl so was wie ein schlechtes Gewissen. Kennst du das?“ Keine Antwort erfolgte. Kisshu starrte in den Himmel und ließ die Beine baumeln. „Ich dachte bis gestern, ich hätte kein Gewissen. Na, da hab ich mich wohl geirrt. Wie geht es dir eigentlich? Stumm kannst du schon mal nicht sein, du hast ja eben noch geredet. Also willst du nur nicht mit mir reden, was? Würde ich vielleicht auch nicht. Aber du hast doch nichts dagegen, wenn ich mit dir rede? Ich hab nämlich noch ein bisschen Zeit, aber keine Ahnung, wo ich noch suchen soll. Weißt du, ich versuche gerade, meine Traumfrau zu finden...“ Obwohl Akito die ganze Zeit kein Wort von sich gab, redete Kisshu einfach weiter. Das verstand er selbst nicht wirklich, aber sein schlechtes Gewissen hätte ihm ohnehin nicht erlaubt, einfach abzuhauen, nachdem er den Mann schon besuchen gekommen war, zumal dieser ernsthaft etwas angeschlagen und vor allem einsam wirkte. Kisshu erzählte ihm von seinem Plan, wie er bei ihm gelandet war, von seinem Kampf gegen MewMew und dem Schicksal seines Planeten. Und natürlich von Ichigo. „Sie ist total süß, wenn sie sich aufregt, aber sie hat auch richtig Mumm, wenn es sein muss! Außerdem mag ich ihre Katzenohren, wenn sie sich in MewMew verwandelt. Aber was ich vor allem total niedlich finde, ist ihr Name. Ichigo, das bedeutet Erdbeere. Erdbeeren sind echt lecker! Ich finde sogar, sie sind die schönsten Früchte der Erde. Weißt du, wir Aliens müssen eigentlich nichts essen, sondern gewinnen Energie aus der Atmosphäre unseres Planeten, aber Erdbeeren esse ich trotzdem gerne. Wenn sie mich nur nicht so an Ichigo erinnern würden...“ Wenn hin und wieder jemand kam, um Akito zu untersuchen oder ihm Essen und Trinken zu bringen, versteckte sich Kisshu unter dem Holzvorsprung, um dann wieder hervorzukommen und weiterzureden. Akito sagte den ganzen Tag über kein Wort, während Kisshu mit in den Schoß gelegten Händen dasaß und erzählte, aber wenn er ihn beobachtete, schien er durchaus aufmerksam zuzuhören. Kurz vor Anbruch der Dunkelheit tauchte dann einer von Akitos Angestellten auf und schloss die Verandatür, also verabschiedete sich Kisshu leise und verschwand wieder in sein Raumschiff. Doch schon am nächsten Tag kam er wieder und erzählte und erzählte. Sie saßen auf der Veranda, betrachteten den Himmel und die Büsche im Garten, Vögel, die über die Gegend flogen oder schwiegen einfach beide, bis Kisshu wieder irgendetwas einfiel, was er dem Schwarzhaarigen erzählen konnte. Tage verstrichen wie im Flug, und Kisshu freute sich jeden Tag aufs Neue auf ihre Treffen. Ob das auch für Akito galt, vermochte er nicht zu sagen, allerdings schien es ein gutes Zeichen, dass dieser keine Anstalten machte, ihn wegzuschicken. An jenem Tag saßen sie noch auf der Veranda, als die Sonne sich langsam hellorange zu färben begann. Kisshu stand unwillkürlich auf. „Wird ja schon dunkel, da sollte ich wohl mal gehen!“, verkündete er. Doch ein leichtes Zupfen ließ ihn innehalten. Akito hielt eines der Bänder in der Hand, die von Kisshus Rücken hingen und sah sanft zu ihm hoch. „Geh nicht“, sagte er leise. Kisshu raste ein Schauer von den Zehen bis in die Haarspitzen und wieder zurück. Fassungslos ließ er sich zurück auf den Boden plumpsen. Akito lächelte ihn schmal an und deutete dann stumm nach vorn. Kisshu folgte dem ausgestreckten Finger und sah die Sonne, die wenige Meter über den Häusern zu stehen schien und ein flammendes Rot angenommen hatte. Der Himmel war von unten her orange angelaufen und für einen Moment wie in Feuer getaucht. Kisshu war so gefesselt von dem Naturschauspiel, dass er nicht einmal zusammenzuckte, als Akito ihm den Kopf auf die Schulter legte. Schweigend saßen sie da und schauten dem feurigen Ball zu, bis er vollends hinter den monotonen Dächern der Siedlung verschwunden war und der farbige Streifen am Himmel sich zusehends verkleinert hatte. Akito nahm den Kopf hoch. Kisshu seufzte leise und drehte sich zu ihm. Sie wechselten einen langen Blick, bis Schritte im Gang ertönten. Kisshu sprang auf. „Bis morgen!“, rief er fröhlich aus, bevor er sich in die Luft erhob. Bevor er in sein Schiff zurückkehrte, zog es Kisshu in die Stadt. Eine ganze Weile saß er schweigend oben auf dem Aufgang zur Dachgarage eines großen Hochhauses und starrte in die Ferne. Er ließ die Beine baumeln und sog die Nachtluft an, betrachtete die Lichter und lächelte versonnen. Als die Sonne am nächsten Tag über der Stadt aufging, war Kisshu bereits von seinem Regenerationsschlaf zurück und hatte es sich auf der Überleitung einer der Bahnstrecken bequem gemacht, um zu beobachten, wie die Silhouetten der Hochhäuser erst scheinbar von selbst zu erstrahlen begannen und sich dann hinter ihnen die Sonne in den blassrosa gefärbten Himmel erhob. Er stieß ein lautes Jubeln aus, sprang auf und flog dann, so schnell er konnte, los. Der Wind fegte ihm durchs Haar und peitschte ihm munter ins Gesicht. „Guten Morgen!“ Kisshu landete mit einem breiten Grinsen im Garten vor der Veranda. Seinen Gruß hörte freilich niemand; die Verandatür war geschlossen. Kisshu stutzte. „Akito...?“, fragte er vorsichtig. Die Fensterläden vor den Frontfenstern waren geschlossen, dagegen konnte der Alien nichts unternehmen. Er legte sein Ohr an die Scheibe, doch drinnen war selbst für seine Sinne kein Zeichen von Leben wahrzunehmen. Kisshu beschloss, dass Akito wohl noch nicht wach war und setzte sich auf die Veranda. Als jedoch die Sonne schon hoch am Himmel stand und in der ganzen Siedlung Türen klapperten und Autos zu brummen begannen, war Akito noch immer nicht gekommen. Kisshu schaute fast zwanghaft immer wieder auf die verschlossenen Fenster, doch es war niemand dort. Und das, wo er Akito um diese Zeit immer angetroffen hatte... Als nach einiger Zeit immer noch niemand erschienen war, sprang Kisshu auf und ging um das Haus herum. Er suchte das Zimmer von Akito, fand es nach wenigen Minuten, doch auch hier war der Fensterladen zu. Er lauschte kurz. Hier war niemand. Kisshu blieb minutenlang vor dem Fenster schweben, als hoffe er, dass Akito auftauchen und das Fenster öffnen würde, wenn er nur lange genug auf die Scheibe starrte. Dann raste er los. Es war ihm völlig egal, ob ihn jemand sah, während er nun von Fenster zu Fenster hüpfte und in jeden Raum, den er fand, hineinspähte. Eine Frau in der Küche ließ erschrocken eine Schale mit Reis fallen, als sie ihn erblickte. Im Innenhof erschreckte er ein paar Kinder, die mit roten Schulranzen und blauen Uniformen bestückt gerade das Gelände verlassen wollten. Einer der Jungen warf Steine nach ihm. An anderer Stelle lief er, nachdem er durch eine Nebentür Einlass gefunden hatte, einer Frau im Kimono über den Weg, die ihn sekundenlang entgeistert anstarrte und dann, ihn schlichtweg ignorierend, an ihm vorbeistolzierte. Bis es Mittag wurde, hatte Kisshu jeden Winkel des großen Anwesens abgesucht und jeden der Einwohner mindestens einmal getroffen, aber Akito hatte er nicht gefunden. Er hätte eigentlich froh sein müssen, dass ihn niemand herausschmiss, aber das war ihm schlichtweg egal. Am Abend begann es, ungewöhnlich genug im Sommer, zu regnen. Kisshu saß wie ein begossener Pudel auf der Veranda und die Tropfen fielen aus seinem Haar und liefen über seine Wangen. Als am späten Nachmittag der Regen nachließ, rührte sich der Alien noch immer nicht, starrte nur abwesend auf seine Füße. Drei Tage lang kam Kisshu wieder. Drei Tage lang blieb die Terrassentür geschlossen. Und mit jedem Tag ging es ihm sichtlich schlechter. Er ließ den Kopf nur noch hängen, wenn er auf der Veranda saß und wartete, fand keinen Schlaf, wenn er in seiner Regenerationskapsel lag und schwebte meist nur noch apathisch wenige Zentimeter über dem Boden entlang, anstatt in großen Höhen herumzutollen. Mitten in der Nacht schreckte er aus seinem Regenerationsschlaf, ohne so recht zu wissen, warum. Sein Raum war in Finsternis gehüllt, lediglich neben der Tür blinkte das kleine blaue Signallämpchen neben dem Knopf zum Öffnen. Kisshu blinzelte verwirrt und fühlte sich hellwach. Ein einziger Gedanke füllte seinen Kopf. Es hat keinen Sinn mehr. Er hob seine Hände an und starrte in die Dunkelheit, nur vom Gefühl her seine Finger erahnend. Eine ganze Weile saß er so da, dann vergrub er den Kopf in den Handflächen und schluchzte leise. Doch niemand war da, der ihn hören konnte. „Ichigo-chan...“ Die rothaarige Kellnerin zuckte zusammen und schien einem Herzanfall nahe, als sie sich zur Tür des kleinen Cafés umdrehte. Der Anblick des in der Tür stehenden schien ihr einen noch größeren Schrecken einzujagen als die Stimme, denn ihre Augen weiteten sich ungläubig und sie war eine ganze Weile wie zur Salzsäule erstarrt, bevor sie langsam auf den Gast zutrat. Kisshu machte einen erbärmlichen Eindruck. Sein grünes Haar hing platt am Kopf, sein Kinn war gesenkt, die Arme baumelten kraftlos an seiner Seite und als er sie anblinzelte, wirkten seine Augen trüb. „Kisshu?“, fragte sie verwundert. Der Alien starrte sie unverwandt an. „Ichigo-chan...“, murmelte er schwach. „Was ist passiert?“, fragte sie sofort. Der Grünhaarige ließ nur ein Seufzen hören, also schob sie ihn kurz entschlossen vorbei an den neugierig dreinschauenden Gästen des Cafés in die Küche. Dort zog sie einen Plastikstuhl heran und drückte Kisshu auf die Sitzfläche. „Was ist los?“, fragte sie noch einmal. „Ja, was ist los, ne?“, mischte sich die blonde Purin sich ein, die munter in den Raum gehüpft kam. Schweigend deutete Ichigo auf Kisshu. „Kisshu! Du bist wieder da, ne! Ist Tarto auch mitgekommen?“, fragte die Kleine sofort begeistert. Kisshu schüttelte schwach den Kopf. „Was ist denn los? Ist auf eurem Planeten irgendwas passiert?“, wollte Ichigo wissen. Kisshu schüttelte den Kopf. „Mit meinem Planeten ist alles in Ordnung“, murmelte er. Ichigo seufzte, dann drehte sie sich zu Purin um. „Ich kümmere mich um ihn, bedien du so lange die Gäste, ja?“ „Geht klar, ne!“ Purin hüpfte davon. Auch Ichigo eilte kurz zurück ins Café, um dann mit einem Tablett zurückzukommen. Darauf standen zwei Tellerchen mit je einem Stück Erdbeertorte. „Hier. Iss.“ Kisshu blinzelte und nahm wie in Trance das Stück entgegen, das sie ihm reichte. Schweigend begann er zu essen. Erst, als er sein Stück Torte vollständig gegessen hatte, sprach Ichigo ihn wieder an. Sie hatte sich inzwischen selbst einen Hocker besorgt und sich ihm gegenüber darauf niedergelassen. „Hey, was ist los?“, fragte sie noch einmal vorsichtig. „Akito ist weg...“ „Wer ist Akito?“ Kisshu sah sie an und machte ein gequältes Gesicht. „Akito ist... toll. Er... ich weiß nicht, wie ich es erklären soll, er sieht immer so zerbrechlich aus und traurig. Ich möchte ihm irgendwie helfen. Aber...“ Kisshu brach resignierend ab. Ichigo musterte ihn neugierig. „Das klingt so, als wenn du verliebt wärest.“ Kisshus Kopf sank noch tiefer. „Wohl schon. Aber das ist doch vollkommen egal, solange Akito nicht wiederkommt!“ Die Rothaarige wich unmerklich mit dem Oberkörper zurück, als sie den weinerlichen Ton in seiner Stimme wahrnahm. Dann legte sie ihre Hand auf seine Schulter. „Hey, alles wird gut. Erzähl mir alles von Anfang an. Warum ist er überhaupt weg?“ Kisshu nickte traurig und begann ihr die ganze Geschichte zu erzählen, angefangen mit der Suche nach seiner Traumfrau. Als er dann nach den Worten: „Und seitdem habe ich ihn nicht mehr getroffen“ die Geschichte beendete, musste sie nicht lang überlegen, was sie ihm sagen sollte. „Ich wette, er kommt wieder“, meinte sie zuversichtlich. Kisshu schüttelte traurig den Kopf. „Warum sollte er? Ich wette, er hatte die Nase voll von mir!“ Die Rothaarige sah ihn verständnislos an. „Aber er hat doch gesagt ‚Geh nicht’, oder?“ „Na ja, schon...“ „Dann würde er doch nicht am nächsten Tag einfach abhauen! Es sind doch Sommerferien, vielleicht ist er einfach ein paar Tage weggefahren!“ „Ferien?“ „Kennst du so was nicht? Die Kinder müssen nicht in die Schule und haben Zeit, irgendwo hinzufahren. Vielleicht erholt sich dein Akito irgendwo, wo gute Luft ist. Du hast doch gesagt, dass er gesundheitlich nicht immer ganz fit ist...“ „Ja, aber das hätte er mir doch sagen können!“ Ichigo seufzte. „Du hast gesagt, ihr habt euch erst den Sonnenuntergang angeguckt, und da fängt man nicht auf einmal mit so was an. Und dann bist du schnell abgehauen. Vielleicht wollte er es dir sagen, hatte aber einfach keine Zeit!“ „Er hätte mir eine Nachricht hinterlassen können...“ „Stimmt... Er hätte dir zumindest einen Zettel hinlegen können, wo draufsteht, wo er hinfährt.“ „Nein, doch nicht so eine Nachricht! Ich kann doch gar nicht lesen.“ „Wusste er das denn?“ „Ja doch! Das hab ich ihm zwischendurch mal gesagt, als ich ihn nach seinem Namen gefragt habe. Er hat nicht geantwortet, aber ich hab ihm erklärt, dass diese Schriftzeichen für mich alle gleich aussehen.“ „Und was hätte er dir dann für eine Nachricht hinterlassen sollen?“ „Tja...“ „Siehst du? Er konnte es gar nicht. Also nehme ich an, dass er demnächst wiederkommt.“ Kisshu hob langsam den Kopf und nickte vorsichtig. „Weißt du was...?“, murmelte er. Ein Grinsen bildete sich auf seinem Gesicht. Ichigo blinzelte ihn fragend an. Er umarmte sie ganz kurz und rief laut: „Du bist ein Schatz.“ Dann ließ er sie wieder los und eilte ohne weitere Bemerkungen aus dem Café, freilich nicht, ohne dabei einen der Tische umzuschmeißen. Das interessierte ihn aber gar nicht, denn er war schon draußen und drehte in der Luft einen übermütigen Looping. Am nächsten Morgen traute er sich erst gar nicht, über die Mauer zum Anwesen Akitos zu springen. Schließlich einigte er sich mit sich selbst darauf, vorsichtig an der Mauer hochzuschweben und knapp darüber hinweg zu linsen. Die Fensterläden vor der Terrasse waren geschlossen, doch Stimmen drangen von drinnen zu ihm. „Akito-sama, ich verstehe nicht, wieso Ihr auf einmal so kraftlos seid. Während der Reise schient Ihr mir so gesund! ... Ich bleibe besser bei Euch, bis es Euch besser geht. Ich sollte wirklich das Fenster öffnen.“ Dieses Angebot ließ Kisshu zusammenzucken, doch er war unfähig sich zu regen und viel zu aufgeregt, dass er dann Akito würde sehen können. Ebendieser machte ihm jedoch alles zunichte: „Lass das Fenster zu.“ „Ich verstehe Euch nicht, Akito-sama. Gestern habt Ihr noch verlangt, dass ich es den ganzen Tag offen stehen lassen soll!“ „Das Fenster bleibt zu!“, sagte Akito aufgebracht. „Warum?“ „Weil ich mich nicht mit dem Anblick des Himmels und den dazugehörigen Erinnerungen quälen will! Und nun stell keine Fragen mehr und lass Yuki herkommen!“ „Ja, Akito-sama...“ Kisshu ließ sich hinter der Mauer zurück auf den Boden fallen und stand eine Weile stumm da. Eine Träne formte sich in seinem Augenwinkel, dann ballte er die Hand zur Faust und nickte entschlossen. Ohne zurückzusehen, eilte er davon. „Akito-sama, wie geht es Euch mittlerweile?“ „Lass mich in Ruhe, Hatori.“ Der blasse, schwarzhaarige Mann versah seinen Hausarzt mit einem bösen Blick. Dieser zuckte nur ungerührt die Achseln. „Offenbar nicht besser. Ich würde wirklich vorschlagen, die Terrassentür oder zumindest die Fensterläden zu öffnen. Ihr braucht jetzt vor allem Licht und frische Luft!“ „Untersteh dich! Ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht nach draußen sehen will!“ „Akito-sama, ich werde die Fensterläden nur einen Spaltbreit öffnen, damit zumindest ein wenig Luft hereinkommt. Sonst wird es Euch nur noch schlechter gehen.“ „Ein Spalt, aber nicht mehr!“ Der Arzt fuhr sich kurz durch das Haar, unterdrückte dabei ein Seufzen und trat dann an die großen Fenster, die den Raum begrenzten. Nachdem er den Fensterladen um die Hälfte zur Seite geschoben hatte, hielt er inne. „Akito-sama...“ Der Kranke drehte langsam den Kopf zu dem Arzt herum und feuerte einen bitterbösen Blick auf ihn ab. „Was gibt es, Hatori?“ Der Arzt drehte sich stirnrunzelnd zu ihm herum. „Jemand muss dies auf die Veranda gelegt haben...“ Flugs öffnete er das Fenster, schob es auf und langte nach etwas, das Akito erst erkennen konnte, als er sich damit zu ihm umdrehte. Auf Hatoris Hand lagen mehrere dicke, rote Erdbeeren. Akito fuhr aus seinem Krankenlager auf. „Gib sie mir!“, rief er sofort. Der Arzt tat wie geheißen. Akito starrte wie gebannt auf die roten Früchte mit den kleinen gelben Kernen in der Haut. Seine Nackenhaare stellten sich knisternd auf. „Erdbeeren sind echt lecker! Ich finde sogar, sie sind die schönsten Früchte der Erde.“ Um den Mund des Schwarzhaarigen zog sich ein sanftes Lächeln. „Hatori, öffne bitte das Fenster. Ganz.“ Der Arzt sah ihn befremdet an, doch er nickte unterwürfig und schob das Fenster so weit auf, wie es möglich war. „Danke. Lass mich jetzt allein.“ Hatori deutete eine Verbeugung an und verließ den Raum. Akito sah nach draußen. Ein leichter Wind fuhr durch seine Haare und strich säuselnd durch den Raum. Draußen begann soeben der Sonnenuntergang, der den Horizont in einen roten Streifen verwandelte. Und er wusste, am nächsten Tag würde er nicht mehr allein sein, wenn er ihn betrachtete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)