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Nur ein Spiel

von

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Held und Prinzessin

Es war früh am Morgen als ein sehr müder und gähnender Link, der die Nacht kein Auge zu getan hatte, vor dem Bett stand und schaute, ob Zelda immer noch schlief. Seit ihrem merkwürdigen Verhalten gestern Abend hatte sie die Augen nicht mehr geöffnet und war seitdem sehr ruhig gewesen, hatte sich nicht einmal im Bett gedreht… das einzige, was ihm auffiel, war ihre zusammengehockte Haltung. Ihre Beine waren angewinkelt, soviel sah er anhand der Konturen über der Decke, und die Arme hatte sie fest an ihren Oberkörper gepresst. Er streichelte leicht über ihre Wangen und dann über die Augenlider. Ihre Haut so geschmeidig und sanft wie eh und je. Und noch etwas beruhigte ihn über die Maßen. Ihre Wangen waren warm… nicht mehr eisigkalt wie gestern… Wieder drückte er einen Kuss auf ihre Stirn, wollte ihr damit bloß mitteilen, dass er für sie da sein würde, wollte sagen, dass er sie beschützen würde. Lächelnd nahm er Stift und Papier und schrieb einige Zeilen darauf, huschte dann mit einem letzten, besorgten Blick aus dem Zimmer und mit Jacke und einer Einkaufstasche geschwind aus dem Haus.
 

Als die junge Prinzessin, seufzend und gähnend die Augen öffnete, wusste sie zunächst nicht, wo sie war und was überhaupt geschehen sein musste. Mit neugierigen Augen, in denen trockener Schlafsand die klare Sicht versperrte, wanderte sie ihre Umgebung ab und konnte nicht allzu viel erkennen. Es musste noch früh am Morgen sein. Aber sie begriff, dass es nicht die Villa von Ines war, in welcher sie sich befand. Nachdenklich sank sie zurück in das weiche Bett mit den knarrenden Matratzen. Sie zupfte ein wenig am Kissen und roch schwach den Geruch ihres Helden daran. Ein Lächeln umspielte ihre rosa Lippen. Ihre Augen öffneten sich wieder und die vertraute Umgebung von Links gemütlicher Stube gab sich ihr preis. ,Sie war bei Link‘, dachte sie. Aber wieso? Und warum lag sie schon wieder in seinem Bett?

Überhaupt… wo war Link? Sie schaute sich um und entdecke eine kleine Nachricht in Form eines Zettels vor sich. Links Handschrift darauf brachte ein weiteres Lächeln auf ihr Gesicht und die Worte darauf ließen einen genüsslichen Lacher aus ihrem Munde schallen.

,Na, meine schläfrige Prinzessin?’, hieß es zunächst und kleine Zornesfalten erschufen sich in ihrem Gesicht. Wenn Link doch bloß nicht so viel von seinem Charme in Worte formen könnte. Sie wüsste nicht, was sie mehr vermissen würde, sollte er nicht hier sein. ,Du schläfst so niedlich, deshalb wollte ich dich nicht wecken. Ich bin bloß kurz Brötchen holen. Und etwas Süßes für dich… bis gleich.’

Zelda schüttelte erheitert mit dem Kopf. Woher nahm er bloß den Mut für seine Fürsorglichkeit ihr gegenüber? Sie kuschelte sich noch wenige Minuten zufrieden unter die Decke, träumte in ihren geheimen Sehnsüchten und erinnerte den gestrigen Tag langsam.
 

Als Link wiederkam, mit einer großen Tasche Brötchen und einem Extra für seine geliebte Prinzessin, überprüfte er kurz ihren Zustand und vergewisserte sich, dass sie schlief. Ein nächster Gedanke kam über ihn, um sich noch ein wenig wach zu halten. ,Zeit duschen zu gehen.’ Denn er musste einsehen, dass er noch nie so lange ohne Schlaf zugebracht hatte. Aber er würde erst dann ein Auge zu machen, wenn Zelda wach war und ihm erzählt hatte, wie es ihr ging. Keine Minute eher… Also sprang er mit frischen Klamotten auf dem Arm hinein ins Badezimmer und vergaß mal wieder- so wie fast immer- die Badetür abzuschließen.

Doch auch die Eltern im Hause der Bravery waren gerade dabei ihren Haustürschlüssel in das vorgesehene Schloss zu stecken, als Zelda wieder in ihren Schlaf driftete. Mit einer absolut heiteren Stimmung trat die gutgenährte Meira Bravery in ihr Eigentum ein, im Schlepptau der magere Eric. Sofort rief sie nach ihrem ältesten Kind, welches nur blöderweise nicht zugegen war. Sie zuckte mit den Schultern und stellte erst mal ihre Taschen in eine Ecke. Überprüfend ob alles noch an seinem Platz war, und Meira hatte dank ihrem guten Sohnemann schon einige Überraschungen diesbezüglich ertragen müssen, schaute sie in der Küche nach dem Rechten. Sofort fiel ihr ein gedeckter Tisch mit Brötchen, frischer Milch, Kuchen, Sahneschnitten, Waffeln und Plätzchen ins Auge.

„Holla die Waldfee. Wie viel Leute will unser Link denn heute ernähren?“, sagte sie staunend, als auch Eric in die Küche trat. „Sara ist doch immer noch bei ihrem Freund, oder?“

Eric nickte bloß. „Es wundert mich schon, dass unser Sohn Brötchen geholt hat. Macht er doch sonst nicht… da ist was im Busch.“ Meira stimmte zu und huschte sofort neugierig und ihre Nase in alles hineinstecken wollend nach oben. Sie steuerte direkt auf Links Zimmer zu. Doch was sie dort fand, war überaus interessant für die Gute. ,Also doch‘, sagte sie zu sich selbst. Der Bengel war also wirklich verliebt. Schon seit Wochen und Tagen hatte sie sein sonderbares Verhalten bemerkt und manchmal seine schlechte Laune, zwar missbilligt, aber hingenommen. Und nun fand sie den erheiternden Grund dafür. Das junge, bildhübsche Mädchen mit Namen Zelda schlief in seinem Bett… ,Hoffentlich hatten die beiden viel Spaß die Nacht‘, dachte Meira.

Sie setzte eine Hand an das Kinn. Deshalb auch der gedeckte Tisch für zwei Personen. Ihr Sohnemann wollte wohl Eindruck schinden bei seiner Freundin. Quietschvergnügt stolperte die mütterliche Meira die Treppen wieder hinunter und hörte im Bad die Dusche, als sie in den Flur trat. Aha, dachte sie. Ihr ansehnlicher Sohnemann duschte wohl gerade. Denn es konnte nicht ihr Ehemann sein, der saß in der Küche. Sie zerrte die Badetür auf und trat einfach ein.

Link bemerkte sie sofort, entsetzt und genervter von seiner Mutter als jemals zuvor. „Mum, verdammt noch mal, was machst du hier!“, fauchte er, krallte sich ein Badetuch und wickelte es um seine Hüfte. Er glühte rot im Gesicht und sah Meira mit einem bitterbösen Blick an, den sie so noch nie gewürdigt hatte. „Beim Teufel, wer hat dir erlaubt, einfach hier reinzuplatzen!“, giftete er, krallte sich ein Stück Seife und warf es wütend auf seine Mutter.

Aber sie kugelte sich bloß vor Lachen.

„Was lachst du denn so?“, schimpfte Link und hielte seiner Mutter drohend den Duschkopf entgegen.

„Meine Güte, mein großer Junge, deine Mutter hat das, was du so vorbildlich versteckst, nun wahrlich oft genug gesehen.“ Der gutgemeinte Hinweis war zu viel und Link drehte die Dusche auf und zielte wütend auf seine Mutter.

„Raus aus dem Bad, Mum!“, drohte er, aber Meira schaute noch durch den Türspalt.

„Du hast ja im Übrigen keinen Grund etwas zu verstecken, das sieht deine wunderschöne Prinzessin in deinem Bett wohl genauso.“ Link glotzte nur dümmlich und fühlte sich ertappt, wusste aber nicht wieso.

„Hattet ihr beide eine angenehme Nacht?“

„Halt deinen verdammten Schnabel endlich“, brüllte er, riss die Tür gnadenlos zu sich heran und machte das Schloss dicht. Diese böswillige Pute in ihrer Midlifecrisis sollte sich echt ein neues Hobby suchen und nicht ständig ihre Nase in fremde Angelegenheiten stecken. ,Diese boshafte Gewitterziege‘, dachte er, wusch sich die Haare und zog sich ein grünes Muskelshirt und eine dunkelbraune Bermuda an.

Als Link in die Küche trat, speisten seine Mutter und sein Vater schon, und grinsten ihn tückisch an. „Guck’ nicht so. Du interpretierst etwas in die Sache, was gar nicht da ist. Du mit deiner krankhaften Paranoia“, sagte er eingeschnappt.

„Und was soll man sonst davon halten, wenn ein halbnacktes Mädchen in deinem Bett liegt?“, sagte sie unbeeindruckt und biss von ihrem Marmeladenbrötchen. Link atmete tief ein und schwieg dazu. Er schenkte in eine große Tasse frischen Kakao, nahm ein weiteres Tütchen vom Bäcker und verschwand damit nach oben. Als er mit der Tasse in der Hand und der kleinen Überraschung in sein Zimmer trat, und die ruhende Schönheit ansprach, reagierte sie nicht auf seine einfühlsamen Worte. Zelda schlief immer noch. Sachte stellte er die Tasse auf den Stubentisch und empfand ein unermessliches Bedürfnis, Zelda jetzt einfach in die Arme zu schließen. Er ließ sich langsam auf dem Bett nieder, sodass es leise knarrte, und zog das schlafende Mädchen mitsamt der Decke an sich.

Es tat so gut… ein angenehmes Gefühl durchfuhr ihn, ließ das Herz ein paar Takte schneller schlagen, „Ich bin so dankbar… dass du hier bist…“, murmelte er leise, sich nicht bewusst, dass Zelda ihn reden hörte. „Mein… meine Prinzessin.“ Erfüllt von der Wonne eines warmen Lächelns blickte Link in Zeldas blasses Gesicht, so dankbar, dass sie wieder bei ihm war und gleichzeitig besorgt, dass sie irgendwann für immer verschwinden würde. Er streichelte mit seinem Handballen liebevoll über ihre bleichen Wangen, aber sie reagierte nicht auf seine Berührungen.

Link flüsterte: „Zelda?“ Doch sie reagierte nicht auf ihn, seufzte kurz im Schlaf, machte nicht die Augen auf. Lächelnd beobachtete Link sie eine Weile und konnte sich an ihrem wunderbaren Erscheinungsbild wohl nicht satt sehen. Sie hatte eine kleine Falte auf der Stirn, als sie schlief, so als dachte sie angestrengt über eine Sache nach… und viele Kleinigkeiten an ihrem Äußeren fielen Link jetzt ins Auge. Dinge wie das zarte Grübchen an ihrem schönen Kinn oder ein kleiner Leberfleck an ihrem reizenden Hals. Ob er sie endlich wecken sollte? Er entschied sich dagegen und hielt die ruhende Schönheit weiterhin in den Armen. Und Link wusste so sicher, in dem Augenblick, dass Zelda ihn niemals verletzen wollte, dass ihre kostbare Freundschaft auch in der Zukunft liegende Kämpfe überstehen konnte.

Gerade wollte er Zelda wieder sachte in das Bett sinken lassen, als sie ihren Kopf anhob und ihn ein wenig verlegen musterte. Ihre Augen so sinnlich und schön wie eh und je. „Hey, du bist ja doch wach“, sagte er verdutzt und registrierte in dem Augenblick wie wild sein Herz doch schlug. Sie lächelte nur. Kein Anzeichen von Verwirrung, weswegen sie sich hier und nicht in der Villa befand, oder Empörung, weil er sie einfach umarmt hatte.

„Guten Morgen, Link“, sagte sie leise und wich aus der Zärtlichkeit. Sie schaute mit so viel Wissensdurst in seine Augen, dass mehr und mehr das Gefühl gierte, er müsste sofort alles erklären. Er nahm tröstend ihre rechte Hand in seine. Sie waren ein wenig wund an den Fingerkuppen und die Nägel abgerissen. Er führte diese Hände zu seinen Lippen um sie zu küssen. „Fühlst du dich gut?“, meinte er leise. Sie wich ein wenig zurück und zog die Decke über das zerrissene Kleid.

Ihr Haupt senkte sich betrübt, aber hoffnungsvoll. „Ein wenig müde… und ein bisschen kränklich, aber sonst ganz gut.“

„Wir reden nachher… ja?“, murmelte er, worauf sie nickte. Er war so froh, dass es ihr so weit gut ging und sie anscheinend keinerlei Schmerzen hatte, die von gestern geblieben waren.

„Dort drüben… die Tasche… die ist von Impa“, sagte er, während irgendwie Nervosität keimte. „Und da sind Klamotten für dich drin… vielleicht solltest du ein Bad nehmen… und dann frühstücken.“ Er schaute seitlich, während Zelda sein ungeschicktes Verhalten deutlicher als deutlich ins Auge sprang. Es waren nicht nur die stockenden Worte, die bei ihr Alarmglocken läuten ließen. Es war die Sorge in seinen tiefblauen Augen, die sie stutzig machte.

Sie rutschte näher, ungeachtet der Tatsache, dass ihre schönen Rundungen zum Vorschein kamen, als die Decke von ihrem Körper rutschte, und legte eine Hand auf Links Stirn. Erstaunt ging er auf ihren Blick ein. „Du bist unheimlich müde, Link.“

„Ja.“

„Dann schlaf’ ein wenig.“

Er nickte. „Später, dann, wenn wir geredet haben.“

„Okay“, meinte sie. „Du warst Brötchen holen?“, sagte sie um vom Thema ein wenig abzulenken. Sie ahnte, dass gestern so einiges geschehen sein musste, nachdem der Schatten sie in ihrem Badezimmer eingenommen hatte. Denn mehr erinnerte sie nicht.

„Jep, und ich habe eine kleine Überraschung für dich.“ Er reichte ihr rotwerdend die Tüte, wo sich ein leckeres Stück Kuchen darin verbarg. „Ich hoffe, du isst Schokoladenkuchen gerne“, meinte er. Zelda aber war so begeistert, dass sie die Tüte sofort an sich nahm und ihre Augen in nie da gewesenem Glanz leuchteten.

„Woher… wusstest du das?“

„Was?“

„Ich… liebe Schokoladenkuchen“, sagte sie und schaute verlegen auf das Stück Kuchen. „Schon damals… in Hyrule…“

„Wusste ich das damals?“ Sie nickte. „Siehst du, ich kenne dich eben“, meinte er sanft.

Sie hatte ein wunderschönes Lächeln im Gesicht, was Link dazu gebracht hätte, sofort aus dem Fenster zu springen, wäre da nicht die plötzliche Lähmung, die ihre zarte Stimme in seinem Körper hervorrief. Unfähig irgendwas zu sagen oder zu tun, schaute er sich das Lächeln auf Zeldas Gesicht an und wusste nicht, ob er diese schmucke Geste jemals wieder vergessen würde. Verfolgen würde ihn dieses Gesicht bis in seine tiefsten Träume.

„Danke“, meinte sie und nahm einen Bissen vom Kuchen.

„Der Kakao ist auch für dich.“ Sie nickte und trank einen Schluck.

Als Link gehen wollte, hielt sie ihn am Arm zurück. „Ich möchte mich entschuldigen.“

„Wofür?“

„… dass ich nicht mit dir Eis essen gehen konnte… ich wollte so gerne.“ Das konnte sie doch jetzt nicht ernst meinen. Link war am Ende, nicht nur wegen des Schlafmangels, nein, wohl eher, weil Zelda sich für etwas entschuldigte, was nur einer zu verantworten hatte und zwar das dreckige Schwein in der Kirche! Wenn sich einer rechtfertigen müsste, dann bloß dieses Ekel und zwar irgendwann vor einem Richter!

Link hob ihr Kinn in seine Richtung und sagte beflissen: „Ich kann nicht glauben, dass du das tust.“

„Was?“

„Dich für etwas entschuldigen, woran du keine Schuld trägst.“ Sie schaute auf ihre Hände, was so viel hieß wie, dann erkläre mir warum nicht.

„Vergiss’ das dumme Eis essen… ich bin überglücklich, dass du hier bist… außerdem können wir das heute nachholen.“ Seine Stimme weicher und ruhiger als vorher. Sie nickte erfreut und trank erneut aus ihrer Tasse.

Link verschwand aus dem Raum und gesellte sich zu seinen Eltern, die in ihren Morgenzeitungen blätterten.

Wenig später kam Zelda mit Stretchtop und Hotpant nach einem Bad in die Küche und begrüßte Meira und Eric ihrer gelernten Manieren entsprechend. „Guten Morgen, Meira. Guten Morgen, Eric“, sagte sie und stellte dann ihre leere Tasse in die Spüle. Meira zog die Augenbrauen andeutungsvoll nach oben, während Link Zeldas sündenvolles Outfit musterte. Beinahe hätte er seinen Gedanken mit Worten Ausdruck verliehen, stattdessen biss er sich auf die Zunge.

„Morgen, Zelda. Hast du schön geschlafen?“, meinte Meira.

Sie nickte und setzte sich auf einen freien Platz, worauf Meira der Schönen sofort einen Teller unter die Nase schob.

„Ja. Danke“, erwiderte sie und beschmierte das Brötchen mit Butter und selbstgemachter Marmelade aller Meira Bravery.

„Hattet ihr beide eine lange Nacht?“ Eine nächste Frage aus dem mütterlichen Mund, die Link auf die Palme brachte. Er rollte nur die Augen und schenkte seiner Mutter einen giftigen Blick.

Zelda zuckte mit den Schultern, gut gelaunt und ein wenig belustigt.

„Wo ist denn überhaupt Sara?“, meinte Link. Der einzige Gedanke, der ihm einfiel um seine Mutter von ihren freudigen Interpretationen abzubringen.

„Bei ihrem Freund, mein Schatz“, meinte sie. Erneut etwas, wofür Link ihr an die Gurgel gehen konnte. Sie konnte es nicht unterlassen ihn ihren ,Schatz’ zu nennen. Das war nicht nur mütterlich fies, sondern machte ihn bei Freunden und vor allem bei Zelda zum Gespött, nahm er an.

„Sara hat einen Freund?“, meinte Zelda verwundert.

„Ja, diesen Mike Kilhagen. Ein Idiot wie er im Buche steht“, meinte Link gelangweilt. Meira aber gab ihrem ,Söhnchen’ dafür sofort einen Klaps auf den Hinterkopf.

„Mike ist ein feiner junger Kerl und du solltest ihn nicht hinter seinem Rücken beleidigen.“

„Na und? Er macht das Gleiche mit mir. Außerdem beleidige ich ihn nicht nur hinter seinem Rücken. Das bringt ja nicht viel.“ Meira schnaufte und begab sich beleidigt vom Tisch. Auch Eric Bravery war indes verschwunden. ,Na, endlich‘, dachte Link. Endlich war er mit Zelda allein.

Während sie von ihrem Brötchen biss, wanderte ihr Blick nach draußen. Die Sonne stand leuchtend an Himmel, auch wenn Gewitter gemeldet waren. Sie schien zu grübeln und seufzte dann. Als sie ihr Brötchen wieder auf den Teller sinken ließ, tapste sie zu Link hinüber, nahm ihn bei der Hand und führte den überraschten Jugendlichen hinaus in den Garten. „Ich möchte dir gerne eine Geschichte erzählen“, meinte sie leise und deutete auf die strahlende Morgensonne, die ihren Schein über die Welt ergoss. Link, der hinter ihr stand und seine Hände auf ihre Schultern legte, hörte aufmerksam zu.

„Eine alte Sage aus Hyrule“, setzte sie im Flüsterton hinzu. „Wenn die Sonne so lachte… wenn kaum Wolken am Himmel vorüberzogen… dann erzählten die Weisen, irgendwo auf der weiten Welt würde sich eine verschwiegene Pforte öffnen, die Wesen voller Wunsch und Suche in ein neues Reich führen würden. Wir nannten es das Reich hinter der Sonne.“

„Du vermisst dein Hyrule“, bemerkte er gedämpft, aber sie antwortete nicht darauf.

„Es war immer meine Lieblingsgeschichte und Impa hat sie mir als Kind ständig vorgelesen. Sie hütete so viel Hoffnung auf ein anderes Leben in einer anderen Welt.“ Und ihre Worte wurden leiser und leiser. „Aber das ein neues Leben so fremd sein könnte, hätte selbst ich als siebte Weise niemals… niemals…“ Sie brach ab und verbat sich ihrem besten Freund zu zeigen, wie ihr innerlich zumute war. Sie war schließlich die Prinzessin Hyrules. Sie konnte nicht in ihren Gefühlen einbrechen. Sie konnte nicht schwach sein… Sie wand sich zu Link und lächelte ihm trübsinnig entgegen. „Ich habe noch nicht sehr viel gesehen von dieser Welt, obwohl ich nun schon so lange hier bin.“

„Aber das wirst du. Und irgendwann werden Erinnerungen… Erinnerungen sein und nicht mehr weh tun, Zelda. Ob du es glaubst oder nicht. Diese Welt ist eine schöne Welt und es gibt viele, viele Lichtblicke und Dinge, die es sich lohnt zu sehen.“ Ihre blauen Augen lasen hoffnungsvoll in seinen tiefblauen. Wie gerne würde sie ihm doch glauben!

„Und ich helfe dir, diese Welt zu verstehen“, sagte er aufrichtig und legte beide Hände auf ihre Wangen. Es war einer dieser Momente, in welchem die Zeit still hätte stehen können. Einer jener Momente, den man erinnern und im Herzen tragen würde. Eine Berührung… angenehm und voller Wonne, die doch viel mehr im Sinn hatte als beide Auserwählte verstehen konnten.

„Magst du Steak? Mit Sahnekartoffeln?“, meinte Link. „Das kocht meine Mum heute.“ Und er nahm seine Prinzessin an der Hand und führte sie wieder hinein in das kühle Haus, abgeschottet von der unerträglichen Sommerhitze.

„Gerne“, lachte sie, so dankbar, dass ihr Held sich hier befand. Ihr Held der Zeit…

Sie tapsten gerade die Treppen hinauf, als Sara Bravery die Wohnzimmertür öffnete. Ihr Blick wanderte zuerst zu dem selbstverständlichen Händchenhalten der beiden, was in den Augen anderer eine andere Bedeutung einnahm als für Link oder Zelda ersichtlich war.

„Oh, hallo ihr Zwei.“ Link trällerte nur kurz angebunden ein ,Guten Morgen’ herunter, während Zelda Sara ein Lächeln schenkte.

„Morgen, Sara“, sagte sie. Aber Link zerrte seine Zelda weiter die Treppen hinauf und wollte ihr nun endlich mitteilen, was gestern geschehen war. Zelda schaute nur verschmitzt, während Sara verräterisch und teuflisch grinste. ,Link kriegt das mit Zelda sowieso nie gebacken’, dachte sie. Und sie wusste, dass ihr Bruder - auch wenn er selbst nicht mal einen blassen Dunst davon hatte - sich unsterblich in dieses Mädchen verliebt hatte. Er würde alles für sie tun, das wusste sie. Und in gewisser Weise wusste Sara mehr als sie zugeben durfte…
 

Hundemüde ließ sich Link auf die Bettkante sinken und fiel hintenüber. Zelda schmunzelte nur als er laut gähnte und dann musternd zu ihr hinüber sah. Es schien ihr Outfit zu sein, welches seine Augen ständig bewundern wollten. Kaum lösen konnte er sich davon… das Stretchtop… die blanke Sünde und der Horror für den Verstand eines jungen Mannes wie ihm… Eine merkwürdige Vorstellung, dass dieses bildhübsche Ding jemals in eine konservative, altmodische Prinzessinnenkluft gesteckt wurde. Zelda war so umwerfend, bedachte man ihre schlanken, langen Beine, die schmale Taille und überhaupt ihre Proportionen, dachte der junge Heroe.

„Was ist?“, fragte sie unschuldig und trat langsam näher. „Du siehst drein als ob du versteinert wärst.“ Aber Zelda ließ keinen anderen Gedanken für sein Gaffen zu.

„Ich bin bloß todmüde“, maulte er und rutschte in die Mitte seines großen Bettes.

Zelda rutschte näher zu ihm und beugte sich über die tränenden, müden Augen, in welchem sie so gerne versank. Erneut ein kostbarer Moment. Eine Gelegenheit für mehr als immer erlaubt war. „Du warst die gesamte Nacht wach?“, meinte sie leise und berührte mit einigen Fingerspitzen seine rechte Wange, knapp neben dem Ohr.

Link bekam wegen des Herzrasens und dem plötzlichen Fieberanfall angesichts ihrer Nähe nur ein Nicken zustande.

„Hier“, sagte sie leise und sie fuhr über eine Hautstelle neben dem Ohr. „Da hattest du früher eine kleine Narbe, damals meine ich.“

Gerade da nahm Link ihre Hand und flüsterte: „Ich hätte dich gestern beinahe verloren.“ Und es schien als realisierte er dieses Leid erst jetzt. „Ich war total durcheinander“, meinte er trübsinnig und schaute an Zelda vorbei.

Sie richtete sich auf und setzte sich ihm den Rücken zuwendend an die Bettkante.

„Ich erinnere nur so viel. Als ich in meinem Badezimmer stand, umfing mich ein kalter Schatten und dann… weiß ich nichts mehr.“ Sie hüpfte auf die Beine und trat an das offene Fenster. „Was genau ist denn danach geschehen?“ Link überlegte, wie er es am besten erklären sollte, während Zelda ihm weiterhin den Rücken zeigte. Die Sekunden tickten immer langsamer vorbei. Das Schweigen wurde unangenehmer.

Trübsinnig lag der junge Held auf seinem Rücken, hatte die Hände hinter den Kopf gesteckt und beobachtete Zelda sinnierend. Seine Gefühle für sie wuchsen… und je länger sie zusammenwaren, den Tag miteinander verbrachten, umso klarer wurden diese Gefühle. ,War da vielleicht mehr‘, fragte er sich.

In dem Moment wand sich Zelda zu ihm, platzierte sich neben ihm auf dem Bett und starrte ebenso an die Decke. „Liest du dort oben deine Antworten?“

Er drehte den Schädel zu ihr und wanderte die einzigartigen, schönen Gesichtszüge auf Zeldas Gesicht ab. Ebenmäßig… makellos… „Es hilft mir die richtigen Worte zu finden.“

Sie stützte sich auf dem Ellenbogen ab und musterte ihn grinsend. „Und hast du sie schon gefunden?“

Er schüttelte den Kopf, und wanderte mit dem Zeigefinger zu dem Rosenohrring in Zeldas linkem Ohrläppchen. „Sagen wir es so… es fällt mir nicht leicht.“ Er rückte näher und umarmte sie entgegen ihres Willens. Er streichelte ihr über den Kopf und mit der anderen Hand über den feinen Stoff des Stretchtops. Zelda wurde ein wenig rot um die Nasenspitze und hoffte bloß, dass Sara oder Links Mutter jetzt nicht in das Zimmer treten und aus einer Laus einen Elefanten machen würden. „Ich wollte dir bloß sagen, dass ich dich brauche“, murmelte er. „Und gestern warst du lange verschwunden ohne dass jemand wusste, wo du bist.“

„Ich weiß selbst nicht einmal wo ich war“, erklärte sie. „Ich habe keinerlei Erinnerungen.“

„Ich weiß. Deshalb lass’ mich erklären.“ Er gähnte, aber ließ seine Prinzessin nicht aus der Umarmung. „Ich wollte dich gestern abholen. Aber du warst nirgendwo zu finden. Impa hat einen Suchtrupp losgeschickt.“

„So schlimm“, bemerkte sie und hob den Kopf ein Stückchen an, damit sie in seine Augen eintauchen konnte.

„Schlimm genug… du solltest Impa nachher anrufen.“

„Okay.“ Und weiterhin lagen sie zusammengekuschelt auf dem Bett, obwohl es Zelda, die sich einst seine Nähe auf diese Weise gewünscht hatte, nun doch noch zu viel wurde. Noch ehe sie es realisierte, pochte ihr Herz hastig und laut in der Brust.

„Schließlich bin ich in die alte Kirche gelaufen und dort… fand ich dich bewusstlos.“ Er verschwieg den Seelenfänger mit Absicht.

„In der Kirche?“ Zeldas Augen waren aufgerissen, und der Schrecken stand darin. Sie richtete sich auf und konnte es einfach nicht glauben. In der Kirche… dort, wo ihr alter Feind lauerte.

„Du hast die Nacht hier verbracht… und den Rest kennst du“, sagte er leise und gähnte schon wieder. Sie beugte sich wieder näher, drückte ein Küsschen auf seine Wange, nur knapp neben dem Mund und murmelte ein liebgemeintes ,Danke’ vor sich hin. Ein Danke für Gestern und für Heute…

„Kann ich heute vielleicht noch…“, Zelda wurde fuchsrot, weil sie ihn darum bat. „… vielleicht noch hier bleiben?“

Link lächelte und nickte. „Aber jetzt brauch’ ich erst mal eine Mütze Schlaf, Zelda.“

„Die kannst du haben“, lachte sie und hüpfte auf die Beine. „Schlaf’ schön, mein Held.“ Damit trat sie aus dem Raum und telefonierte mit ihrer Ziehmutter.
 

Als Link sich ausgeschlafen hatte und breit grinsend die Treppen ins Erdgeschoss hinunterlief, saß Zelda gemeinsam mit seiner Mutter im Wohnzimmer. Eric Bravery arbeitete vermutlich wieder samstags. Sara war erneut mit Mike ausgegangen und funkte zum Glück nicht mehr dazwischen, was Links Freundschaft zu seiner Prinzessin anging… auch wenn der junge Held seiner Schwester unheimlich dankbar dafür war, dass sie beide zu einer Aussprache gezwungen hatte.

Er konnte Zelda lachen hören, so wie es sein sollte, hörte, dass sie mit Meira über etwas diskutierte… und ihre freudige, glockenhelle Stimme zu hören, tat irgendwie unglaublich gut. Mit seinen Lieblingsklamotten, grünem T-Shirt und einer khakifarbenen, kurzen Stoffhose, bekleidet kam Link stolpernd ins Wohnzimmer und wusste dann auch, was so erheiternd war: Seine Mutter und Zelda saßen über einem Photoalbum, wo die gute Meira Bravery alle möglichen Bilder eines kindlichen Link eingeklebt hatte. Und da waren einige Bilder, die ihm peinlich waren und für die er sich etwas schämte. Da waren Photos, als er mit fünf Jahren nackt in der Badewanne saß. Bilder, wo er mit Essensresten in seinem Gesicht in der Küche saß, als Kind von sechs Jahren. Und es waren einige Bilder dabei, die ihn daran erinnerten, dass er sich schon immer für das alte Land in seiner Phantasie interessiert hatte. Auf einem Photo war eine Kinderzeichnung von ihm, wo er eine Landschaft mit einem gesichtstragenden Baum, einem Schloss und riesigem Berg gezeichnet hatte… Seine Ohren glühten rot, als die beiden lachenden Damen aufsahen und ihn beäugten.

„Hey“, sprach Zelda lächelnd, trat zu ihm, nicht sicher, ob sie eine Umarmung von ihm wünschte. Sie bremste sich dann aber. Nervös erzählte sie: „Ich habe deiner Mutter beim Essen geholfen… ähm… möchtest du etwas essen… wir können das in diesem Gerät, wie hieß das gleich nochmal… Mikrowelle… warm machen.“ Es war in ihrem Gesicht abzulesen, dass nun, da er wusste, wer er war, es sich auch für Zelda schwierig gestaltete, so sorglos wie vorher mit ihm umzugehen… denn dafür war in der Vergangenheit und auch jetzt zu viel passiert.

„Ja, doch“, meinte er und blickte dann weniger begeistert in die neugierigen Augen seiner Mutter, die das Verhalten der beiden entzückend fand. „Was macht ihr eigentlich mit den alten Photos?“

„Meira… wollte sie mir einfach zeigen…“, erklärte Zelda entschuldigend. Sie ahnte, dass ihm dies peinlich war.

Link verdrehte genervt seine tiefblauen Augen. „Herrgott, Mum, musst du mich eigentlich dauernd überall lächerlich machen?“

„Ich hab‘ dich auch lieb, mein großer Junge“, entgegnete sie schmunzelnd, worauf sich das Verlegenheitsrot des fast erwachsenen Mannes noch weiter vertiefte. Entrüstet kreischte Link: „Mum, das ist gemein!“

Meira klappte das Photoalbum zu und grinste hinterhältig: „Also, bitte, vor deiner Freundin sollte dir das nicht peinlich sein.“

Geschockt stand Link im Wohnzimmer, fühlte sich wie im Schwebefieber. Zelda war nicht seine Freundin, sie war einfach nur eine Freundin. Link wusste nicht wirklich, was er darauf sagen sollte und hoffte, Zelda bekam das nicht in den falschen Hals. Aber es schien sie tatsächlich überhaupt nicht zu kümmern. Mit ihrem sündenvollen Outfit, der kurzen Hotpant und dem eng anliegendem Shirt hüpfte sie in die Küche und bereitete für ihren Heroen die Mahlzeit vor. Seine Mutter ignorierend kratzte sich Link dümmlich an einer hellen Augenbraue. ,War das eigentlich noch normal, was hier passierte. Irgendwie skurril, dass er von der Prinzessin Hyrules bedient wurde. Und noch skurriler klang der Gedanke, dass er mit der Prinzessin Hyrules befreundet war…‘

„Äh… was gibt es eigentlich zu essen?“, murmelte der junge Held, um seine Mutter von ihren Theorien über ihn und Zelda abzulenken, obwohl er doch wusste, was auf dem Speiseplan stand.

„Deine Freundin hat mir geholfen dein Lieblingsessen zuzubereiten“, sprach sie grinsend.

„Verdammt nochmal, Mum, was ist eigentlich daran so interessant, dass Zelda in meinem Freundeskreis ist!“, fauchte er energiegeladen. Sein Gesicht war mittlerweile kirschrot. „Du tust gerade so, als…“

„… als wäre ich froh, dass du endlich eine Freundin hast?“, beantwortete sie für ihn und redete aufbrausend weiter: „Natürlich bin ich froh, dass dem so ist, ich dachte schon, du bist homosexuell.“ Und das passte nicht in das konservative Weltbild einer Meira Bravery. Sie trat näher, tätschelte zufrieden Links glühend rote Wangen, dem jegliche Spucke im Mund entschwunden war. Er sah aus, als habe er einen Tritt in seine edelsten Teile bekommen.

Erst als seine Mutter das Wohnzimmer verlassen hatte, rief Link aufbrausend hinterher: „Selbst wenn es so wäre, hat dich das nicht die Bohne zu interessieren!“ Aber Meira lachte nur und begab sich auf ihre heißgeliebte Hollywoodschaukel im Garten.

Seine Augen bedeckend und irgendwie erniedrigt angesichts des Gedanken, er würde Männerärsche mögen, tapste Link in die Küche. Er war ja tolerant in jeglicher Hinsicht, aber er war eigentlich, zumindest dachte er das von sich selbst, durch und durch testosterongesteuert und mochte Frauen. ,Sollte er Zelda leidenschaftlich küssen, damit seine Mutter Ruhe gab?‘, dachte er. Kopfschüttelnd atmete er tief durch und war erst Sekunden nach dem Gedanken irritiert, weshalb er überhaupt darüber nachdachte. Andererseits… Er zwinkerte beschämt… Er musste zugeben, dass seine Prinzessin alles andere als… hässlich und… uninteressant war. Eigentlich war sie… unheimlich sexy… und sie hatte keinen festen Freund…
 

Tatsächlich war Zelda in der Küche sehr bemüht und es gab wirklich sein Lieblingsessen. Man musste dazu sagen, dass Links Lieblingsspeise aus einer riesigen Portion von allen Dingen, die er für sein Leben gern aß, bestand. Dazu zählte eine Pfanne von seinem Lieblingsgemüse, den Rahmkarotten, ein Hirschschnitzel mit Walnusspanade, ein Steak und Hähnchenfleisch, jeweils mit Kräuterbutter, Sahnekartoffeln, frischer Kopfsalat mit selbst gemachtem Dressing und einer Süßspeise als Nachttisch. Zelda hatte inzwischen sogar den Tisch gedeckt, ihm ein Glas Cola hingestellt. Es war so offensichtlich, dass sie ein sehr schlechtes Gewissen und gemeine Schuldgefühle hatte.

„Zelda.“ Und endlich konnte er ihre Aufmerksamkeit auf sich lenken. Sie hielt sich verklemmt ihre Hände hinter den Rücken, als sie bemerkte, dass er in die Küche getreten war.

„Äh… möchtest du nicht Platz nehmen?“, meinte sie unsicher. Sie spielte mit ihrem langen, blonden Haar, dass sie geflochten am Rücken trug.

Er nickte lächelnd. „Du musst dir nicht solche Mühe machen… ich meine, es freut mich, aber… ich habe dir längst verziehen, du musst keine Schuldgefühle mehr haben.“

Sie atmete tief aus und wand sich seitlich: „Also… ehrlich gesagt, wollte ich dir einfach etwas Gutes tun, nachdem gestern so vieles passiert ist. Und außerdem… ich hatte damals kaum die Möglichkeit in einer Küche zu stehen.“ Sie grinste etwas.

Er lächelte wieder: „Verstehe… dann ist es ja kein Problem.“ Er nahm Platz und murmelte ein liebgemeintes ,Danke‘ über seine Lippen. Er aß in aller Ruhe, genoss die Unbeschwertheit des Tages und bat bloß darum, dass so etwas Schreckliches wie gestern nicht noch einmal passierte.

Außerhalb lachte die Sonne und doch lag eine angenehme kühle Brise in der Luft, ließ den sonnigen Tag nicht zu heiß werden und weckte die Lust ins Freie zu gehen, die Natur zu genießen. Und Link hatte schon eine Idee, wie er den Tag mit seiner Prinzessin gestalten konnte… und vielleicht ergab sich auch die Möglichkeit über die Dinge zu reden, die noch ausstanden… über Hyrule… über das, was damals war, wie es sein konnte, dass Zelda plötzlich hier war, und über das Grauen in der Kirche…
 

Als der Nachmittag anbrach, hatten sich die beiden hylianischen Seelen zu dem Gestüt von Marons Eltern begeben. Link hatte die Idee gehabt, dass sie beide das angenehme, sonnige Wetter für einen Ritt in die Wälder ausnutzen konnten und er hatte auch schon eine Idee, welche Orte er Zelda zeigen konnte. Immerhin hatte sie, obwohl sie nun schon ein halbes Jahr auf dieser Welt war, kaum etwas gesehen. ,Und es würde ihr gut tun‘, entschied der junge Held. Er ahnte, dass einiges vorgefallen sein musste in der Vergangenheit… warum sonst sollte Zelda so verbittert und traurig sein?
 

Als sie das Haus von Maron und ihren Schwestern erreichten, hatte die gute Freundin von Link, bereits zwei Reitpferde gesattelt und alles vorbereitet. Link bedankte sich auffallend und verschwand für einige Sekunden im Stall um Reitstiefel und entsprechende Kleidung für sich und seine Prinzessin zu besorgen. Und es war da, dass Maron die einstige Königstochter unter die Lupe nahm.

„Es scheint zwischen euch ja wieder alles bestens zu sein“, meinte sie neugierig. „Ich hab‘ mir schon Sorgen gemacht, dass Link durchdreht.“

„Dazu hätte er auch allen Grund gehabt…“, sprach Zelda widerwillig und biss sich dann auf die Lippe. Erneut kochten ihre Schuldgefühle hoch.

„Was du nicht sagst… Ich hoffe nur, du meinst es ernst mit Link.“ Und die schöne Maron strich ihr kastanienbraunes Haar zurück. „Du kannst froh sein, dass er so leicht verzeiht…“

Zelda seufzte, erinnerte sich nicht gerne an die Diskussionen, die sie mit Maron wegen Link gehabt hatte. Normalerweise hätte sie zickig und überlegen auf so eine Aussage reagiert, aber wo Maron Recht hatte, hatte sie einfach Recht… Link hätte allen Grund gehabt, ihr aus dem Weg zu gehen. Aber er handelte immer so unvorhersehbar.

„Nun ja, du bist wichtig für ihn, vergiss‘ das nicht. Ich hoffe, du weißt das zu schätzen.“

Erneut schwieg die einstige Königstochter. Ihre himmelblauen, mit Schatten bedeckten Augen blickten betreten zu Boden. Wenn sie etwas zu schätzen wusste, dann die Tatsache, dass Link trotz allem zu ihr hielt. Nur hatte sie immer das Gefühl, dass sie dies nicht verdiente.

Gerade da riss Link sie aus ihren Gedanken. Er drückte ihr lächelnd Reitstiefel und Schutzkleidung in die Hände. Sein Lächeln tat so gut… etwas unverschämt, gelassen und tapfer, so wie früher. „Wollen wir dann los?“, fragte er, worauf sie zustimmte.
 

Und es dauerte nicht lange, da waren die beiden unterwegs in den Wäldern, ritten wie Held und Prinzessin auf der Flucht vor ihrem Schicksal und den Pflichten, die Hyrule einst mit sich brachte, davon. Schweigend fanden sie ihren Weg durch das sattgrüne Labyrinth aus märchenhaften Pfaden und altehrwürdigen Baumkreaturen. Erst an der Münzquelle rasteten sie, ließen sich auf der Wiese vor der alten Quelle nieder und ließen die Zeit vorbeistreichen. Es war einiges zu erklären, Worte mussten gesagt werden, die keiner von beiden gerne hörte, und Link wollte vor allem verstehen, warum Zelda erst seit so kurzer Zeit in Schicksalshort war. Und trotzdem schaffte keiner den Anfang…

„Hast du dich denn einleben können hier in Schicksalshort? Hast du Kontakte knüpfen können?“, sprach Link und kaute genüsslich an einem Grashalm. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Anhand von Zeldas trübsinniger Miene merkte er sehr schnell, dass dem nicht so war. Wie auch… sie hatte sich zurückgezogen und schützen müssen.

Sie seufzte. „Nun ja, es war… etwas schwierig…“

„Sorry, die Frage war blödsinnig…“, erwiderte er und blickte ihr aufmunternd entgegen. Sie scheute seinen Blick, spielte mit ihren Händen an einem Ring, den sie schon trug, als Link sie fand.

„Nein, es ist in Ordnung.“

Der junge Mann konnte deutlich hören, dass sie mit ihrer Stimme versuchte ihren Zustand zu überspielen. Sie gab sich alle Mühe sich zusammenzureißen, ein starkes Mädchen zu spielen, und sie war unleugbar stark für das, was sie auf ihren Schultern stemmte, aber konnte sie denn trotz allem nicht ehrlich sein? Vor allem zu ihm?

„Kannst du denn nicht einfach mal zugeben, dass es dir nicht gut geht“, sprach Link, zog dann das grüne Bascape über sein Gesicht und bereute die Frage wieder. „Ich würde es dir doch nicht übel nehmen…“, ergänzte er.

Unter anderen Umständen hätte die einstige Königstochter zickig darauf reagiert, aber sie wusste einfach nichts darauf zu sagen. Und sie wollte sich nicht erneut mit Link streiten. Es gab genug Konflikte… genug böse Worte… und genug grausame Empfindungen hier in dieser Welt und auch in der Vergangenheit.

„Außerdem müssen wir früher oder später darüber reden. Ich will dich nicht drängen, aber wir müssen über Hyrule reden, ich muss das alles erfahren…“, murmelte er und konnte in ihren Gesichtszügen sehen, wie schwer ihr das Thema fiel. Ihre Augen wurden gläsern…

„Ich weiß“, meinte sie schwach. Sie rieb sich über die Augen. „Ich… will das nicht vor dir verheimlichen…“

„Aber?“, meinte er leise.

„Es gibt kein wirkliches ,Aber‘.“

„Aber…“, wiederholte Link bewusst.

Darauf musterte sie ihn traurig, tauchte ein in das tiefe, dunkle Blau seiner Augen. Sie tauchte ein in dieses Gefühl, das seine Seelenspiegel offenbarten und wünschte sich beinahe diese Seele dahinter berühren zu können. „Link… ich kann nicht“, seufzte sie. Dann hüpfte sie auf die Beine, tapste zu der Quelle, wo springbrunnenartig aus einem Felsen frisches Wasser sprudelte und in einem großen Becken aufgefangen wurde. Sie setzte sich auf das Gestein am Rande des Beckens, fühlte sich erbärmlich, dass sie ihm noch immer nicht sagen konnte, was gesagt werden musste. Und je mehr sie sich mit dem wiedergeborenen Link auseinandersetzte, seit der Rückkehr ihrer Erinnerungen, umso klarer wurde ihr, warum sie vor ihm weggelaufen war. Denn er hatte sich mit seiner Wiedergeburt überhaupt nicht verändert. Sein Antlitz war das perfekte Spiegelbild des Helden der Zeit… Ja, es gab da etwas in der Vergangenheit, das niemand wusste außer ihr und dem Heroen… nicht einmal Impa. Und darüber konnte die Prinzessin garantiert nicht reden.

Plötzlich spürte sie ein paar Hände auf ihren Schultern, eine mitfühlende Geste. „Zelda… ich werde dich nicht zwingen über irgendetwas zu reden, solange du dich nicht wieder so distanzierst…“ Auch er ließ sich neben ihr an der Quelle nieder. „Nur dachte ich, wir müssen Vorkehrungen treffen wegen diesen Angriffen auf dich und mich. Wir müssen den Feind in der Kirche aufhalten, habe ich Recht? Es ist unsere Aufgabe, schätze ich.“

Sie nickte, spielte erneut etwas nervös an ihrem hübschen Smaragdring. ,Es war in der Tat ein sehr edles Schmuckstück‘, dachte Link. Jemand, der ihr wichtig war, musste ihr diesen Ring geschenkt haben. Der Ring bestand eigentlich aus zwei dünnen Fäden Weißgold, die ineinander verschlungen waren, ein mattes und ein glänzendes. Und an der sichtbaren Seite waren einige Smaragde in Form eines Vogels angebracht, eingebettet in dieses eigenwillige, geflochtene Edelwerk.

„Ja… wir sollten ihn aufhalten, aber ich habe noch immer keine Ahnung wie“, erklärte sie deutlicher. „Ich bin mir der Verantwortung bewusst, dass ich eine Lösung finden muss.“

„Das bezweifle ich doch nicht.“

Sie schwieg darauf.

„Außerdem bist du nicht alleine dafür verantwortlich… lass‘ dir doch von mir helfen.“

,Damit zwischen uns alles so schief läuft wie damals…‘, sprach sie in Gedanken. Sie spielte dann so zittrig mit ihrem Ring, dass sie ihn von dem Finger nahm, und an die andere Hand stecken wollte. Doch gerade da fiel ihr das kostbare Schmuckstück purzelnd aus der Hand, fiel in das tiefe Becken der Quelle. Panisch hüpfte das blonde, hübsche Mädchen auf die Beine, wollte den Ring noch fangen, aber erreichte ihn nicht mehr.

„Verdammt! Mein Ring!“, rief sie entgeistert, worauf auch Link aufsprang.

Hilflos sah sie nach unten in das vielleicht drei Meter tiefe Becken, und sah drein, als war ihr alles zu viel. Sie hielt ihre rechte Hand über die Augen und schüttelte entmutigt ihren Kopf. „Auch das noch.“

Link berührte sie sanft an ihrem Handgelenk, lächelte sie aufmunternd an und zog sich im gleichen Augenblick seine Turnschuhe und das grüne T-Shirt aus. Mit einem Hüpfen, und noch ehe Zelda realisieren konnte, was er tat, war er in der Quelle und tauchte nach dem Ring. Es war etwas schwierig ihn von den vielen Münzen am Grund zu unterscheiden, aber er fand ihn dann doch ziemlich schnell und vielleicht auch, weil er mittlerweile sehr lange tauchen konnte.

Mit einem angenehmen Grinsen im Gesicht und sogar etwas begeistert von dem erfrischendem Wasser tauchte Link wieder auf. Er öffnete seine linke Hand und hatte darauf den edlen Ring seiner Prinzessin von Hyrule.

Irritiert blickte Zelda auf das Schmuckstück und dann in das nasse Gesicht ihres Heroen. Endlich lächelte sie. „Danke…“, sprach sie, steckte den Ring wieder an ihre Hand und reichte Link beide Hände um ihm ins Trockene zu helfen. Als er im Trockenen stand, sich seine Haare auswrang, wurde er plötzlich von seiner Prinzessin umarmt und das, obwohl er klatschnass war. Er war verblüfft, erwiderte die Umarmung aber dann zaghaft. Machte ihr das nichts aus, dass er völlig durchgeweicht war?

„Hey, es ist ja keine Ursache“, sprach er dann und streichelte mit seinen nassen Händen ihren Rücken. Er nahm an, dass Zelda ihm die Umarmung schenkte, weil er ihr dieses wichtige Schmuckstück wiederbrachte. Erst als Zelda zurückwich und ihre Wangen erhitzt und rot waren, ahnte er, dass mehr dahinter steckte. „Erzählst du mir von diesem Ring?“, meinte er neugierig. „Oder…“

Doch da nickte sie. Dann begann sie mit einer kleinen Geschichte: „Es gab in Hyrule viele Legenden und Sagen… ich habe einige Bücher gelesen über die alten Generationen. Einst fand ich ein Buch über die Helden Hyrules… und ich las sehr traurige Geschichten in der Vergangenheit.“ Sie machte eine kleine Pause, wo sie sich beide wieder auf die Decke neben der Quelle begaben und Link sich vom Sonnenlicht trocknen lassen konnte.

„Erzähl‘ mir mehr“, bat er inständig.

„Es gab alte Geschichten von… von… Helden und Prinzessinnen, auch eine Geschichte von einem Heroen und einer Göttin.“ Ihre Stimme war leise und verhalten. War sie nervös nur wegen einer Geschichte?

„Es gab auch sehr traurige Erzählungen, und manche der Geschichten waren emotional und sehr liebevoll erzählt. In einem Buch fand ich die Abbildung eines Rings, dem ein Held seiner Angebeteten geschenkt hatte.“ Sie achtete darauf, ihrem Heroen nicht in die Augen zu schauen und hoffte er nahm deswegen nicht an, dass sie Zuneigungsgeständnisse von ihm erwartete, denn dem war nicht so. „Bis ich herausfand, dass dieser Ring in der königlichen Schatzkammer verborgen war. Ich weiß nicht, warum… aber etwas faszinierte mich an dem Schmuckstück, obwohl ich Schmuck nicht unbedingt mag.“

„Außer meiner Ohrringe, hoffe ich“, sprach er mit großen Augen.

„Ja, ich mag deine Ohrringe…“, erwiderte sie, bemüht zu lächeln. Er gab sich so viel Mühe sie von ihrem Trauma abzulenken, und es tat ihr gut. „Jedenfalls erinnert mich dieser Ring immer an Hyrule…“

„Dem Himmel sei Dank, dass es so ist… ich dachte schon, der Ring ist von einem Verlobten…“, verplapperte sich Link und konnte im nächsten Augenblick nicht glauben, dass er das gesagt hatte. Was ging es ihn an, wenn Zelda einen Verlobten hatte?

Ihre Augen wurden daraufhin leicht bissig und schlitzartig. Sie war etwas verärgert im ersten Moment, wollte Link aber nicht zurechtstutzen. Er wusste nichts von damals und wusste nicht, dass sie tatsächlich jemandem versprochen wurde. Es war eines der positiven Dinge, die Zelda dieser neuen Welt abgewinnen konnte: die Tatsache, dass sie keinen dahergelaufenen Möchtegernprinzen heiraten musste…
 

„Ich kann immer noch nicht glauben, wer ich bin…“, sprach er nach einer Weile. Verständnisvoll blickte Zelda zu ihm. Er lag ausgebreitet auf der Decke, etwas angespannt. Und einzelne Wassertropfen auf seinem Gesicht und seiner Brust glitzerten im Sonnenlicht. „Ich wusste immer, dass mit meinem Leben etwas nicht stimmte, ich fühlte mich immer wie ein Sonderling, aber zu wissen, dass ich einst in Hyrule lebte und wohl eher ein Schwertfechter bin, ist irgendwie… nicht fassbar. Ich dachte immer: die ,Legende von Zelda‘ wäre nur ein Spiel. Es ist einfach verrückt, so verrückt, dass ich immer noch glaube, ich träume.“

„Ich würde mir sogar wünschen, dass dies alles nur ein Traum ist…“, entgegnete sie. „Mir geht es genau umgekehrt.“ Wieder ein kleiner Hauch der belastenden Erinnerungen, die Zelda preisgab. Aber nur ein Hauch…

„Wir können nicht darüber reden, was?“, sprach Link dann, richtete sich auf und zwinkerte ihr entgegen. Es war nicht nur, dass es auch ihm ungeheuer schwerfiel, Zelda genauere Fragen zu stellen, er spürte deutlich, dass sie es nicht konnte. Sie konnte nicht darüber reden… sie konnte nicht… es tat ihr weh…

Er streichelte ihr Kinn, erhielt einen überraschten Blick von seiner Prinzessin und hob ihr Kinn sanft in seine Richtung. Mit Schatten belegte himmelblaue Augen musterten ihn. „Zelda… wir schaffen das, egal, was noch auf uns zukommt… Wir schaffen das.“ Seine Worte waren so Mut erfüllt, und es war genau das, was ihn über die Leben hinaus auszeichnete. Über Leben und Welten hinaus blieb sein Herz rein und tapfer.

„Du bist ein Schatz… Link…“, sprach sie und schenkte ihm das erste ehrliche Lächeln in diesem kleinen Ausflug.

Er grinste, wissend, zwischen ihnen war alles soweit okay. Sie hätte diese Worte niemals ohne Grund gesagt. „Natürlich, ich bin schließlich der Held Hyrules.“ Er lachte und ließ die Worte leise in den Wäldern ausklingen…
 

Es war irgendwann am frühen Morgen des nächsten Tages… Das trübe Morgenlicht, welches träge und fließend in die gemütliche, unaufgeräumte Stube eines jungen Helden glitt, lockte und verführte zum Blinzeln… Himmelblaue Augen öffneten sich forschend für ein wenig Sicherheit und Verständnis für die Ereignisse am Vortage… Es war angenehm hell in jenem Raum, fast beruhigend und verwöhnend, die schillernden Lichtstrahlen hier irgendwo am Rande der Wirklichkeit… Sie wusste nicht, ob sie tatsächlich wachte oder ob ihr Bewusstsein Wege eingeschlagen hatte, die sie über Brücken und Täler jenseits von Schlaf und Wachen führte… Sie blinzelte wieder, umfangen von einer angenehmen Wonne, Zartheit und Geschmeidigkeit, als würde ihre Seele in Blumen baden gehen. Ihre Augen wanderten, fielen in jede Ecke des Zimmers, wo alles an seinem Platz zu sein schien und doch wirkte es fremder als sonst: Die Gardinen zerrauft. Getragene Kleidung über dem Sofa. Und das zerwühlte Bett, in welchem sie genießend ruhte… Sie richtete sich langsam auf. Nur ein paar Schrammen und ein zerrissenes rosa Kleid waren Dinge, die sie bemerkte, bevor ihre himmelblauen Augen in jene Ecke des Raumes fielen, wo er stand.

Ihr den Rücken zugewandt. Entseelt und alleingelassen wirkte sein Anblick. Und jegliche seiner Bewegungen schienen in Zeitlupe zu vergehen, als wollte die Göttin der Zeit jenem beobachtenden Mädchen erfahrbar und begreiflich machen, dass auch ein Held das Recht auf Schwäche und einnistende Zweifel hatte. Als wollten die alten Mächte der Welt der einstigen Prinzessin Hyrules zu verstehen geben, dass ihr Held sie brauchte, gerade jetzt, wo er allmählich sich selbst und sein Schicksal kennen lernte. Trübsinnig stand er da… direkt vor der Konsole für die Legende, die eine große Vergangenheit erzählte. Ihre zitternden, schwachen Beine baumelten von der Bettkante, ständig den vertrauten Anblick des Freundes im Blick, der ihr mehr als nur einmal das Leben gerettet hatte… und nie hatte sie etwas vergleichbares geben und schenken können… weder hier noch damals… Er hatte immer beschützt… mit Worten… mit seinen Händen und mit seiner Seele ohne es zu wissen.

Sie ertappte sich selbst, als sie taumelnd auf die Beine kam, ergriffen von dem Wunsch, einfach nur zu ihm zu gelangen. Das Wieso und Warum nebensächlich und unnötig. Gefühle von Damals und heimliche sündhafte Wünsche in der Gedankenwelt ihres Hinterkopfes. Es gab so viel, was sie sagen wollte und doch nie konnte. Und vielleicht gewährte dieser Funken Unwirklichkeit am Morgen ihr die Offenheit und den Mut für bisher unausgesprochene Worte und unvollendete Taten. Schwankend fand sie ihren Weg, aber sie fand ihn- zu ihm, zu ihrem Seelenverwandten, der noch immer ihr den Rücken zu gewandt vor ihr stand. Sie neigte den Kopf und legte ihre Hände eingeschlagen auf ihre Brust, nicht sicher, ob er ihre Nähe überhaupt wollte. Sie trat zaghaft, ein wenig zitternd und ängstlich an ihn heran und schlang die Arme um seine Körpermitte. Er sagte nichts und rührte sich nicht. Und viele Gründe konnte es für sein Verhalten geben. Erst als Zelda schutzsuchend ihren Kopf an seinen Rücken presste, entkam ein leichtes Seufzen aus seinem Mund und seine Hände legten sich sanft auf ihre. Seine Fingerkuppen streichelten ungezwungen über die zarte Haut ihrer Hände, als wären sie das kostbarste, was er je hatte berühren dürfen.

„Zelda…“ Seine Stimme so warm und voller Anteilnahme. Erst jetzt realisierte sie diesen Ausdruck darin. Zärtlichkeit in der Stimme, die sich drohend und gewaltig über ein Schlachtfeld erheben konnte… „Ist dies Wunsch? Ist es Traum?“

„Beides…“,flüsterte sie. „Und noch mehr.“

„Realität…“

„Auch das“, erwiderte sie, nicht begreifend, warum sie einander im Augenblick so nah waren.

„Empfindungen… sind diese Schicksal?“ Und damit wand er sich um, nahm ihre Hände in seine und träumte in den Augen, die er ein Leben lang vermisst hatte. „Unsere?“, murmelte er, als sie nicht darauf antwortete.

Doch welche Gefühle und Empfindungen meinte er im Augenblick? Auch wenn Zelda die Antwort nicht kannte, so wuchs in ihr der Wunsch jene Frage zu bejahen. Sie nickte und fühlte sich sofort und ungemein zärtlich in eine wärmende, innige Umarmung gezogen. Sie wusste nicht wieso, sie wusste nicht die Ursache oder ahnte um die Folgen… aber es fühlte sich so richtig an, so unleugbar angenehm. Er wich nur wenige Zentimeter zurück, versank halb in ihren Augen, fixiert auf die himmelblaue Farbe darin und strich einige goldene Strähnen hinter das rechte Ohr seiner Prinzessin. „Bleib’ bei mir…“, flüsterte er und hauchte seinen Atem an ihr Ohr. Ein Zittern… Ein Kribbeln…

Ihre Augen begegneten seinen, erzählten von Durst nach Nähe und Wärme, von Sehnsucht nach Wonne und Liebe.

„Damals, als ich dich fand… Ich wusste, dass ich dich kannte.“ Er umschloss ihren Körper erneut mit den starken Armen. „Ich wusste, dass wir zusammen gehören.“ Er beugte sich näher zu ihrem anmutigen Gesicht, während sie sprachlos seinen Worten folgte. „Ich werde dich immer beschützen.“ Kurz bevor seine Lippen ihre berühren wollten, wand er sich ab, zeigte Abweisung, wohl, weil er selbst nicht verstand, weshalb er auf eine sicherlich verbotene Weise reagierte. Und erneut stand er mit dem Rücken zu ihr, ein wenig zu unwirklich, um dieses Erlebnis nur ansatzweise für wahr zu erachten.

Auch die junge Prinzessin wand sich um, blickte verwundert zu Boden und ließ die schweren Augenlider herabsinken. „Link. Ist das unser Schicksal?“ Zelda trat leise zu dem zerwühlten Bett. Sie kuschelte sich unter die Decke. Sein Blick forderte ein aussagekräftiges Lächeln aus ihrem Gesicht, forderte und forderte.

„Zusammen zu sein?“, meinte er und blieb vor dem Bett stehen.

„Hier zu sein. Freunde zu sein… mehr zu sein…“ Träumerisch krabbelte er über das Bett zu seiner Prinzessin herüber und beugte sich wieder zu nah, um nicht irgendwann eine zärtlichere Liebkosung zu wagen.

„Irgendwann werde ich mir das hier erlauben dürfen“, meinte er. „Irgendwann gibt es auch für uns ein ,Wir’.“ Seine Worte sinnlich und zart. „Irgendwann liebe ich dich.“ Und die Vision verebbte und kein Beteiligter würde sich erinnern.
 

Gegen Mittag des nächsten Tages trat Link leise in sein Zimmer und zog als Erstes die Gardinen zur Seite, gewährte den Sonnenstrahlen das Hereindringen in sein gemütliches Zimmer. Seine Seelenverwandte, und wohl der wertvollste Mensch für ihn selbst, schlief bereits länger als zehn Stunden in seinem Bett, nachdem sie gestern endlich wieder Zeit miteinander verbracht hatten. Zelda war früh schlafen gegangen und immer noch nicht aufgewacht. Er kniete neben dem Bett nieder und zog die Decke, welche sie schützend über ihren Kopf gezogen hatte, ein Stückchen hinab. Und Zelda hatte ihre Augen immer noch geschlossen. Die Sonnenstrahlen beleuchteten sanft ihr wunderschönes Gesicht und brachten ihr ohnehin schimmerndes Haar zum Funkeln in goldenen Farben. Bedachtsam streichelte Link über ihre zu ihm gewandte Wange und säuselte lieblich ihren Namen.

Sie drehte sich um und sagte in etwa: „Lass’ mich in Ruhe“, oder so ähnlich und kümmerte sich nicht um ihren Helden, der neben seinem Bett den Kopf schüttelte.

Aber er musste Zelda jetzt wecken, denn Impa stand im Wohnzimmer und wartete auf ihr Erscheinen. „Willst du nicht endlich aufstehen? Impa wartet auf dich.“

„Soll’ sie doch warten…“, nuschelte sie in das Kissen, welches sie wie ein Kuscheltier zu sich heranzog. Aber Link hatte keine andere Wahl, als seinen Engel jetzt zum Aufstehen zu zwingen. Er zog die Decke mit einem Ruck von dem Bett herunter und packte Zelda unter ihren Armen, sodass sie aufrecht saß. Er hörte zwar ein verärgertes Schnaufen, aber dann zeigte sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Und schließlich, öffneten sich ihre Augen wieder, auf eine fast wundersame Weise. Überrascht rieb Zelda sich den Schlafsand aus den Augen und fühlte sich mehr als erleichtert, als sie ihre Gedanken ordnete und erinnerte, wie schmerzhaft die letzten Tage waren.

„Morgen, Zelda. Wie fühlst du dich heute?“

„Wunderbar.“ Sie lächelte leicht, streckte sich und gähnte. „Ich habe schon lange nicht mehr so gut geschlafen…“

„Ich… hab’ mir Sorgen um dich gemacht“, meinte Link.

„Vielleicht solltest du aufhören, dir Sorgen um mich zu machen und selbst versuchen einige Stunden zu schlafen.“ Denn sie sah in seinen Augen, wie lange er neben dem Bett gewacht hatte, um sicherzugehen, dass sie sicher war… Und sie konnte ihm ansehen, wie müde er doch war.

Link blickte sie tatsächlich todmüde an und erwiderte: „Vor dir kann ich wohl nichts verbergen, hm?“

„Wahrscheinlich nicht…“, sagte Zelda, blickte weg und faltete ihre Hände auf ihrem Schoß.

Und es erschien ihm, als würde sie nicht bereit sein, sofort mit Impa nach Hause zu fahren, es schien ihm, als wartete sie auf etwas. „Ich…“, fing sie an. „Danke für vorgestern… nach allem, was passiert ist und was ich getan habe, hättest du das nicht für mich tun müssen, auch der Tag gestern… war wunderschön…“ Sie wollte mit ihren Entschuldigungen anfangen, sich dafür rechtfertigen, warum sie sich so sehr von ihm ferngehalten hatte, aber es interessierte ihren Helden im Moment einfach nicht.

Link schwieg und fand ihr Verhalten so entzückend. Spontan gab er ihr einen Kuss auf die Wange. Zelda wäre vor Überraschung beinahe nach hinten weggekippt und blickte ihn verlegen an. Doch Link sagte nur: „Impa wartet.“ Zelda nickte und verließ das Zimmer.
 

Einige Wochen vergingen. Die Zeit der letzten Schultage war angebrochen. Für Link, Zelda und die anderen waren schließlich stressige, nervenaufreibende Tage mit Klausuren, Kurzkontrollen und mündlichen Leistungskontrollen vorüber. Link saß gerade gelangweilt und nervös zugleich auf seiner Schulbank, während Ines Schattener die Zeugnisse austeilte. Nach der Prozedur stürmten die Schüler frohen Herzens aus dem Raum. Link ging auf Zelda zu, die gerade in ihrer Schultasche herumwühlte. Sie blickte erst auf, als er schon vor ihr stand und sich räusperte: „Ähm… ich wollte dir nur sagen, dass ich morgen, jetzt da Ferien sind, und in letzter Zeit nichts ungewöhnliches mehr geschehen ist, in ein Ferienlager in Irland fahre. Ich werde also nicht hier sein.“

Zelda blickte ein wenig überrascht und im nächsten Augenblick leicht traurig drein. „Oh…“

„Sorry, dass ich es dir nicht früher gesagt habe… ich hab‘ die letzten Tage kaum mehr daran gedacht“, sprach der junge Mann und hatte irgendwie das Gefühl, er müsse sich rechtfertigen.

Zelda nickte zögerlich. „Ja… okay, schön, dass du Bescheid gesagt hast.“ Sie spürte den Impuls ihn darum zu bitten, hier in Schicksalshort, bei ihr, zu bleiben, aber sie bremste sich zwingend und schloss die Augen.

Link sah aus dem Fenster und wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Er spürte, dass es ihr schwerfiel mit ihm zu reden, vielleicht auch über das, was noch gesagt werden musste. Selbst in den letzten Wochen, wo sie sich ab und an gesehen hatten, verschwieg sie ihm die Vergangenheit.

„Ich hoffe, du kannst endlich mal ein wenig abschalten. Es ist viel geschehen…“, murmelte sie unsicher.

„Ja, richtig. Und es ist noch nicht vorbei.“

Zelda stand auf und starrte neben ihm aus dem Fenster. „Bist du dir sicher, dass du das jetzt tun möchtest?“

„Ja, ich habe das Gefühl, dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist, dass ich mir über alles klar werden kann, jetzt wo die letzten Wochen so ruhig waren und der Dämon in der Kirche scheinbar keine Angriffe mehr startet… und dazu brauche ich etwas Distanz…“

Ein trauriger Ausdruck, gefangen in Schuldgefühlen und Schwermut bildete sich auf ihrem bildhübschen Gesicht. Sie nickte und murmelte leise: „Ich möchte mich bei dir entschuldigen… und würde dir gerne alles erklären.“

„Ich weiß, aber vielleicht ist jetzt noch nicht der richtige Zeitpunkt dafür.“ Es gab so einiges, was Link seit Wochen versuchte zu begreifen: die ganzen seltsamen Geschehnisse, die verflixten Fragen in seinem Kopf bezüglich Zelda und… Hyrule.

„Also, pass gut auf dich auf, ja“, meinte Zelda, der Besorgnis im Gesicht geschrieben stand.

„Versprochen, und du, sei ebenso vorsichtig und bleib‘ in Ines Nähe, besonders, wenn die Nacht hereinbricht. In zwei, drei Wochen bin ich wieder hier.“

„Mmh, ich wünsche dir… Klarheit über alles und eine angenehme Zeit dort… in Irland…“ Zelda schien es die Stimme genommen zu haben und ihre Augen wurden gläsern. Sie wusste, dass sie ihn schrecklich vermissen würde, dass sie sich um sein Wohlergehen sorgen würde, wollte sich jedoch nichts anmerken lassen.

„Gut, dann bis bald“, sagte Link. Damit verschwand er aus dem Raum, auf in die wohlverdienten Ferien.

Zelda blieb noch eine Weile in dem Raum stehen, drückte ihre Hände auf ihr Herz und sprach ein schluchzendes: „Gut…“

,Es war in Ordnung‘, dachte sie, der beste Verlauf der Dinge. Es war gut, wenn Link so weit wie möglich außer der Reichweit des dunklen Lords war… nur so konnte er überleben…
 

Link stand gerade am Bahnhof. Sara und seine Eltern hatten sich bereits von ihm verabschiedet. Er grübelte noch kurz nach, ob er auch nichts vergessen hatte. Schwert und Dolche? Ja, hab’ ich. DS und Link’s Awakening, die Oracle- Serie und A Link to the Past? Spirit Tracks? ,Jep, habe ich alles eingepackt‘, dachte er. Das wichtigste würde er wohl nicht vergessen…

Mit einem ächzenden Geräusch fuhr der Zug heran. Link nahm seinen Rucksack auf, schnappte sich seine Reisetasche und stieg in den Zug, ohne zurückzublicken. Er setzte sich in das oberste Abteil und blickte mit einem Seufzen aus dem Fenster. Der Zug fuhr los und Link würde einmal total abschalten in dem Ferienlager, für welches er sich vor nicht allzu langer Zeit angemeldet hatte. Ja, endlich einmal weg von den vertrauten Orten, auf in ein anderes Land, eine andere Welt…



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