Hundeyoukai jenseits des Meeres von Hotepneith (Die dritte Staffel) ================================================================================ Kapitel 10: Youkivampire ------------------------ Ich erwähnte doch: arme Shiro... 10. Youkivampire Der Schmied war ein Youkaiabkömmling? Sesshoumaru und Yuri tauschten einen raschen Blick, da sie es beide nicht in seinem Blut gewittert hatten, ehe der Prinz meinte: "Ein Hanyou?" Das war kaum zu glauben, dass sich ihre Nasen so irren sollten. "Nein. Mein Blut ist viel verdünnter. Vor über fünf Generationen war mein Vorfahre ein Dämonenschmied." Kamuy trat an das Feuer: "Er verliebte sich in eine menschliche Frau und gründete hier diese Schmiede. Und sein Wissen wird in unserer Familie überliefert, auch seine Fähigkeit, Youkaischwerter zu bearbeiten, obwohl wir fast nur mehr Menschen sind. Ich hatte noch nie diese Gelegenheit, aber ich verspreche Euch, Eure Klingen würdig abermals zu schärfen, sie wieder kampfbereit zu machen." Er sah zu Sesshoumaru, in dem er den Ranghöheren vermutete: "Und Euer Schwert...nun, wenn Ihr die Güte hättet, es am Griff zu halten, es so unter Eurer Kontrolle zu lassen, würde ich auch diese Klinge scharf schmieden." "Dann tu das", erklärte Yuri nach einem Blick zu seinem Cousin und die Hundeyoukai zogen sich ein wenig vom Feuer zurück, während sich Kamuy an die Arbeit machte. Sie bemerkten die neugierigen Blicke, die die Familie heimlich aus dem Fenster warf, aber nicht einmal der Youkaiprinz verspürte Lust auf einen kleinen Flirt. Seine letzte Aktion dieser Art hatte kein so angenehmes Ende gefunden. Als Kamuy eine Pause einlegte, da der Stahl aushärten musste, sagte er zu seinen Gästen: "Dai Oya hasst Youkai. Ich denke, er hat inzwischen alle hier getötet, seit er vor zehn Jahren aufgetaucht ist, die Regentschaft übernahm. Ich fürchte auch um mich und meine Kinder, wenn er je erfahren sollte, wer mein Vorfahre war. Darum will ich Euch helfen." "Du bist uns keine Rechenschaft schuldig." Der Inu no Taishou trat näher: "Nun schmiede dies hier." Er zog Tokejin. Kamuy holte tief Luft. Er spürte die unheimliche Aura des Schwertes und wagte sich kaum vorzustellen, wie mächtig sein Träger sein musste. Das waren gewiss keine harmlosen Besucher für den Fürsten von Le-chan-po. Aber er sagte nur höflich: "Darf ich Euch bitten, die Klinge hier in die Glut zu halten, edler Herr?" Sie hatten seine Familie und ihn gerettet, da die Steuereintreiber für ihre tadelnswerten Manieren bekannt waren. Und vielleicht könnten die Inseln wieder freier atmen, wäre dieser seltsame Regent endlich weg. Er hatte schon von einigen Reisenden Gerüchte erzählt bekommen, Dai Oya sei gar kein Mensch. Sesshoumaru tat das Verlangte. Er war sich nun sicher, dass Izanagi selbst dafür gesorgt hatte, dass sie genau diese eine Schmiede gefunden hatten. So sparten sie sich Zeit, und das mochte wichtiger als alles andere sein, was Shiro betraf. Das Sternjuwel war natürlich auch bedeutend, für die Götter gewiss viel mehr als für ihn. Aber er selbst wusste nur zu gut, dass seine Seele und sein Geist nach seiner Gefährtin suchten. Shiro richtete sich auf, als der Stein an der Decke ihres Kerkers weggeschoben wurde. Ihre einzige Reaktion, ein beschleunigter Herzschlag, konnte der menschliche Kapitän nicht sehen, der sich hinunterbeugte: "Also, meine Schöne. Komm die Leiter empor." Er trat beiseite und eine Leiter wurde durch das Loch hinabgelassen. Für einen Augenblick überlegte sie, ob sie sich einfach weigern sollte. Aber was würde das bringen? Ohne ihr Youki war sie zwar stärker als ein Mensch, auch schneller, aber sie würden sie rasch ermüden können. Und ihr Schicksal würde dennoch seinen Lauf nehmen. Nein. Es wäre gewiss besser, sich die Kräfte einzuteilen, ihre Beherrschung, ihre Energie aufzusparen. Aber sie spürte nur zu deutlich, dass ihr Körper wusste, was auf ihn wartete, dass dies der letzte Weg war, den sie je gehen würde. Sie atmete tief durch, zwang sich selbst zur Ruhe. Sie war eine Youkaiprinzessin, die Fürstin der westlichen Gebiete, und sie würde ihnen zeigen, was sie wert war. So kletterte sie empor. Der Kapitän erwartete sie mit sechs Männern, betrachtete sie: "So in diesem kurzen Kleid siehst du wirklich zum Anbeißen aus, " kommentierte er. Er begegnete einem ruhigen grünen Blick. Verdammt, bekam man dieses Miststück denn nie dazu, Angst zu haben? Aber das würde noch kommen. Vermutlich hatte sie einfach keine Ahnung, was da auf sie wartete. Er wollte mit Wonne ein komplettes Jahresgehalt dafür bezahlen, diese überhebliche Youkai betteln, flehen zu hören und er war sicher, dass es nur eine Frage der Zeit wäre. "Komm mit." Shiro folgte ihm schweigend. Ihr Herz schlug rasch, wie sie es nur von den seltenen Momenten kannte, in denen sie Todesangst gehabt hatte. Aber noch musste sie nicht sterben, noch waren es bestimmt Tage, die vor ihr lagen, Tage, in denen viel geschehen konnte. Vielleicht würde Sesshoumaru sie finden, vielleicht ging die Erde unter, vielleicht starb Dai Oya....Es gab viel, was in der Zukunft verborgen lag und sie zwang sich wieder zur Ruhe. Noch war sie nicht am Ende angekommen. Dem ungeachtet schluckte sie unwillkürlich, als man sie in die große Halle brachte, in der der Schlossherr auf seinem Sessel lehnte. Die No-Maske bedeckte sein Gesicht, aber sie konnte spüren, dass er sie neugierig betrachtete. Zwei der Männer fassten sie an den Armen, ohne dass sie sich wehrte. Sie würde keine Energie verschwenden. Widerstandslos ließ sie sich zu der Seitenwand der Halle zerren, dort mit erhobenen Armen und gespreizten Beinen an das Brett ketten. Ihre Nase verriet ihr den entsetzlichen Geruch nach Angst, Blut, Tränen und Tod, den dieses Brett ausstrahlte. Ihr wurde fast übel. Aber als Dai Oya aufstand und zu ihr kam, hob sie den Kopf, noch immer nicht willens sich entmutigen zu lassen. "Ein wunderschöner Tag, Prinzessin", sagte er fast leutselig: "Die Konstellation ist perfekt." "Und du willst so deinen Körper zurückerhalten." Shiro stellte es nüchtern fest. Sie wusste nicht, ob dieser Kerl wahnsinnig war oder ein sehr guter Magier. Sie tippte fast auf beides. Immerhin hatte er dieses Sternjuwel, wenn schon nicht erschaffen, so doch unter seiner Kontrolle. Er musste ein sehr guter Zauberer sein. "Ja. Endlich." Er trat zwei Schritte seitwärts, zu diesem seltsamen Etwas, das Energie einsammeln konnte, und an dem sich in einem gläsernen Behälter das Youki seiner Opfer anhäufte. Sie folgte ihm unwillkürlich mit den Augen. Nichts, was er tun würde, konnte gut für sie sein. Er fasste dieses seltsame Gebilde, nahm die Fäden auf, die dort locker herunterhingen, sortierte sie ein wenig, ehe er sich umdrehte, die Schnüre in der Hand. Das waren doch Schnüre? Aber Shiro hätte fast zu laut Luft geholt, als er damit zu ihr kam, einzelne Stränge an ihre Arme, ihre Beine, ihren Hals legte. Darum hatten sie ihr nur so ein dürftiges Kleidungsstück gegeben. Sie fühlte unwillkürlichen Widerwillen, als die behandschuhten Hände ihre Haut berührten, der sich steigerte, als sie spürte, wie sich diese Fäden an ihr festsaugten, und in jähem Ekel begriff sie, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Dies war in der Tat seine Schöpfung. Kein mechanisches Gebilde, wie sie bislang vermutet hatte: das dort war ein Lebewesen, dass er offenkundig nur zu diesem Zweck erschaffen hatte. Wie auch immer ihm dies gelungen war. "So. Jetzt können wir anfangen. Ich hoffe, Prinzessin, du bist in einer guten Verfassung. Deine Macht wird die meine sein." "Soll ich dich aufwecken?" fragte Shiro kalt. Sie wusste nun, sie müsste ihren Plan durchziehen, versuchen, Zeit herauszuholen. Je länger sie am Leben blieb, umso größer war die Chance für ihre Familie, sie zu finden. Aber sie würde diesem Abschaum nicht zeigen, welche Angst sie hatte. Sie war die Fürstin der westlichen Länder und sie wollte ihrem Gefährten keine Schande machen. "Sie ist noch immer mit dem Mund vorneweg", sagte der Kapitän zu seinem Herrn: "Erstaunlich. Oder ist sie so dumm?" "Nein, Kapitän Takakura." Dai Oya musterte sie nachdenklich: "Ich weiß, dass sie das nicht ist. - Aber du bist so mächtig, dass dir nie jemand deine Grenzen zeigte, nicht wahr? Noch nie hat dich jemand an den Rand der Fassung getrieben?" "Ich möchte Euch bitten, Herr, ehe Ihr mit ihr anfangt, erlaubt, dass ich sie nur eine Nacht für mich habe. Danach ist sie sicher mürbe." Takakura betrachtete sie. "Dummkopf. Sie ist eine verheiratete hochrangige Youkai. Weißt du nicht, dass ein Youkaifürst in der Hochzeitsnacht einen Bann auf seine Braut legt, der sichert, dass sein Erbe auch sein Erbe ist? Du wärst tot, ehe du dein Ziel erreicht hättest. Überdies ist sie auch ohne Einsatz von Youki noch immer stärker als du. Langsam solltest du das wissen. Fangt an." Er setzte sich, drehte den Stuhl so, dass er sein Opfer betrachten konnte. Shiro verspürte den unbändigen Wunsch, ihm den Hals umzudrehen, aber da das nicht ging, sah sie seitwärts, wo zwei übel riechende Männer herankamen. Sie schoben ein Becken, in dem rotglühende Kohlen aufgeschichtet waren. Darauf lagen allerlei Instrumente, Nadeln, Messer, Zangen. Sie begriff, dass dies die beiden Henker sein mussten. "Hu, eine Schönheit, diesmal....und ein kalte dazu", sagte einer: "Noch keine Angst, Mädchen? Das wird schon kommen. Ich weiß, zuerst tut es nicht sehr weh, aber das ändert sich bald. Aber du musst daran denken, dass wir die Sachen nicht glühend machen, um dir zusätzliche Schmerzen zu bereiten, sondern um zu verhindern, dass sich die Wunden entzünden, du daran sterben könntest. Oder dass du uns verblutest. Das wollen wir doch nicht." "Wir passen gut auf", versprach sein Kollege: "Wir wollen unseren Herrn doch zufrieden stellen. - Hm, was meinst du, Toya: wer kriegt sie zuerst zum schreien? Ich wette einen Monatslohn, dass ich das sein werde." "Ich bekomme einen von dir, wenn sie es bei mir zuerst macht, einverstanden." Shiro hörte mit einer seltsamen Mischung aus Ungläubigkeit und Wut zu. Aber zugleich spürte sie, wie eine nie gekannte Furcht ihre Wirbelsäule empor kroch, sich durch ihre Adern schlich. Diese nüchterne, geschäftsmäßige Art, in der diese beiden Männer über ihren qualvollen Tod sprachen, machte ihr nur zu klar, dass es denen, ebenso wie Dai Oya selbst oder diesem Piratenkapitän vollkommen egal war, was sie würde ertragen können und müssen. Wenn sie mit ihr fertig waren, würden sie jedes bisschen Youki, das sie produzieren konnte, abgesogen haben. Mühsam fing sie sich wieder. Sie musste sich konzentrieren, versuchen zu verhindern, dass sie jedes Mal alles Youki bekamen, das die Quelle ihrer Energie hervorbringen konnte. Schon einmal war sie in dem seltsamen Land ihrer Seele gewesen, hatte die Quelle ihres Youki gefunden. Danach hatte sie es einige Male wiederholt, um sich das anzutrainieren. Zwar benötigte sie noch immer eine tiefe Meditation, aber dann konnte sie sie finden. Das musste einfach klappen. Sie schloss die Augen. Die Quelle ihres Youki war wie ein Marmorbrunnen gewesen. Sie erinnerte sich nur zu gut an das grüne Tal, umgeben von Bergen, tief in ihrer Seele verborgen, der Ursprung ihrer Dämonenenergie, ihrer magischen Macht. So versuchte sie tief in sich zu versinken, dieses Land zu erreichen. Irgendwann schien sie über einer Landschaft zu schweben, die ihr vertraut vorkam. Dort war das Tal. Scheinbar im Flug ging sie tiefer, erkannte den Brunnen, der aus weißem Marmor zu bestehen schien. Wie stets fühlte sie sich davon angezogen. So landete sie dort. Das war der Ort, an dem ihr Youki entstand. Sie konnte zusehen, wie eine Fontäne aus hellem Licht in den Scheinhimmel dieser Landschaft schoss, als sie spürte, wie sich ihr Youki erhöhte. Und genau das galt es zu verhindern. Flüchtig überlegte sie, dass diese Menschen sie wohl ein wenig verletzt hatten. Aber das war unwichtig. Von erheblich mehr Bedeutung war die Frage, wie sie es schaffen konnte, dass nicht soviel Energie freigesetzt werden würde. Sie trat an den Brunnen, blickte hinab. Dort hinunter war sie gesprungen, als sich ihre Seele und ihr Youki wieder vereinigt hatten, sie aus dem Land der Toten zurückgekehrt war. Dort unten war die Quelle. Sie betrachtete nachdenklich die steinerne Umfassung des Brunnen. Ob das gelingen würde? Immerhin schien ihr alles in diesem Land ihrer Seele so greifbar, so real zu sein. Sie musste es einfach versuchen. Mit aller Kraft schob sie gegen den Brunnenrand. Ein Stein löste sich und stürzte hinab. Sie war erleichtert und zerstörte systematisch die Umfassung, warf alle Steine der Ummauerung, alle Platten, die um den Brunnen lagen, hinunter, um die Quelle zu verstopfen, so gut es ging. Wenn sie weniger Youki produzierte, würden sie ihr auch weniger rauben können. Und das bedeutete, dass es länger dauern würde, ehe sie tot war, also ihre Chance stieg, dass Sesshoumaru sie finden konnte. Ihr war nur zu bewusst, was das für sie heißen würde, aber sie war sicher, dass sie sich von Schmerzen und Verletzungen wieder erholen könnte. Vom Tod gab es gewiss keine zweite Wiederkehr. "Sie hat die Augen zu. Also bekommt sie doch Angst, " kommentierte Kapitän Takakura ein wenig höhnisch. Sein Herr wandte ihm den Kopf zu: "Du denkst nicht." "Was meint Ihr?" "Sie ist in sich versunken, meditiert. Das ist interessant. Zum einen, weil sie das jetzt noch schafft. Sie muss eine ziemliche Selbstbeherrschung haben. Und zum zweiten: sie will sich widersetzen. Ich bin neugierig, was sie vorhat." "Aber...kein Youkai kann sich da widersetzen." "Eben darum bin ich neugierig." Dai Oya warf einen Blick auf das Glasgefäß, in dem sich die Menge des Youki nicht erhöht hatte - nun, mit dem bloßen Auge nicht wahrzunehmen. "Hm." Er drehte sich wieder. Seine Henker hatten begonnen, die regungslose Gefangene mit glühenden Nadeln zu stechen. Das sollte einer solchen Youkai keinen Schmerz zufügen können, aber ihr Körper müsste reagieren, Youki ausschütten. Warum erfolgte das nur in solch winzigem Umfang? Hatte sie etwa solch eine Selbstbeherrschung, dass sie sogar ihr Youki kontrollieren konnte? Das war doch unmöglich. Körper und Geist mochten bei Dämonen anders sein, aber der Grundsatz blieb nach allem, was er je gelernt hatte, immer der gleiche. Der Körper wollte überleben und widersetzte sich einem Geist, der ihn daran hindern wollte. Youkai konnten daher gewöhnlich keinen Selbstmord begehen. Also musste sie es irgendwie geschafft haben, die Quelle ihres Youki zu drosseln. Was versprach sie sich nur davon? Ihr musste doch klar sein, dass dies bloß ihr Sterben, ihre Schmerzen verlängern würde. Was für ein interessantes Studienobjekt. Er musste einige Zeit warten, ehe Shiro die Augen öffnete. Er bemerkte, dass sie sich kurz orientieren musste. Ganz offenkundig war sie in sehr tiefer Meditation gewesen. So erhob er sich, trat zu ihr. Die beiden Henker wichen höflich beiseite, wenn auch überrascht. Ihr Herr sprach selten mit Youkai. "Was versprichst du dir davon?" fragte er. "Wovon?" "Komm, Prinzessin. Ich merke doch, dass du dein Youki blockiert hast. Ich sehe nur nicht, was du dir davon versprichst. Außer, dass dein Sterben länger dauern wird. Willst du dir etwa Zeit erkaufen? Auf was wartest du?" "Auf deinen Tod." Diese sachliche Antwort führte dazu, dass er unwillkürlich einen Schritt zurück machte. Shiro konnte trotz der Maske, die sein Gesicht verdeckte, spüren, dass es ihn getroffen hatte. Dann hatte er sich jedoch wieder in der Gewalt: "Meinen Tod? Meine Liebe, denkst du das, weil ich sagte, ich bekäme mit deiner Hilfe meinen Körper wieder? Glaubst du etwa, ich würde sterben, wenn ich nicht zu einer bestimmten Zeit meinen Körper wieder hätte? Nun, da liegst du falsch. Vollkommen falsch. In dieser Form existiere ich schon so lange, dass es auf einige Jahre mehr oder weniger nicht ankommt. Und ich fürchte, meine Schöne, du hast dich gerade selbst zu einer viel längeren Leidenszeit verurteilt." Er kehrte zu seinem Sitz zurück. Shiro blickte ihm nach. Ja, das wusste sie auch. Aber ihr Gefährte hatte gesagt, sie solle auf ihn warten, und genau das würde sie tun. Sie wünschte sich, noch mit eigenen Augen sehen zu können, wie dieser wandelnde Nebel durch Sesshoumarus Hand starb. Sie versuchte sich vorzustellen, wie ihr Gefährte ausgesehen hatte, als er versprochen hatte, zu ihr zu kommen, beschwor das Bild vor ihren Augen. Daran klammerte sie sich, als die Henker erneut zu ihr traten, glühende Klingen tief in ihre Haut schnitten. Akamaru setzte sich auf. "Nichts..." murmelte er. Inuyasha, der ihm gegenüber im Arbeitszimmer des Fürsten saß, schüttelte ein wenig den Kopf: "Du kannst das Youki deiner Zwillingsschwester noch immer nicht spüren?" "Nein. Und mit jedem Tag, der vergeht...." Er brauchte nicht weiter zu sprechen. "Du solltest Sesshoumaru ein bisschen vertrauen." Der Hanyou reckte sich. "Ich bin sicher, dass er alles tun wird, um sie zurückzuholen. Schon um seines eigenen Stolzes willen." "Da magst du Recht haben. Und Yuri ist auch dabei, dennoch..." Der Fürst der südlichen Länder starrte zu Boden: "Aber ich glaube auch, dass sie noch am Leben ist. Ich denke, ich würde es spüren, wäre sie tot." Für einen Moment herrschte Schweigen, ehe Akamaru das Thema lieber wechselte: "Ich sah, dass Diener deinen Flügel des Schlosses umräumten." "Ja. Wenn Kagome aus ihrer Zeit wiederkommt, soll sie richtige Zimmer haben." "Sie ist deine Gefährtin." Jeder Hundeyoukai, der nicht an Schnupfen litt, hatte es gewittert. Und nach der Hierarchie war die Gefährtin der Nummer Zwei der männlichen Rangfolge auch die Nummer Zwei der weiblichen. Durch Eheschließungen wurde bei den weiblichen Hundeyoukai die Rangordnung stets verändert, da sich Gefährten unter Hundeyoukai immer unterstützten. Obwohl, hier wäre es ein bisschen anders, war sie doch einfach ein Mensch. Weder Yuris noch seine eigene zukünftige Gefährtinnen würden hinter einem Menschen zurückstehen wollen. Zum Glück war Kagome nicht immer da. Eine eigene Gefährtin zu finden, ja. Immer öfter dachte er daran. "Öhm..." machte Inuyasha, der seiner Freundin immerhin eine richtige Hochzeit versprochen hatte, wenn sie mit ihrer Ausbildung fertig wäre. Aber die würde wohl in ihrer Zeit stattfinden müssen. Unter Hundeyoukai zählte allein das gegenseitige Versprechen - und die erste Paarung. Das hatte er zugegeben vollkommen vergessen gehabt. Akamaru nahm an, dass der Hanyou an seine so entfernte Gefährtin dachte, und lehnte sich wieder gegen die Wand. Auch er würde irgendwann jemanden finden. Vielleicht sogar eine Hundeyoukai, die die Flöte so perfekt spielen konnte, wie die oder der, den er gestern Abend gehört hatte. Noch nie hatte er solch ein gutes Flötenspiel hier im Schloss vernommen. Das waren wohl Besucher, die vielleicht eine verwaltungstechnische Angelegenheit zu erledigen hatten. Aber erst einmal war etwas anderes wichtiger. Nee-chan, liebe ältere Schwester. Wo bist du und was geschieht dort mit dir? Shiro öffnete die Augen, als sie bemerkte, dass sie in Ruhe gelassen wurde. Sie konnte am Fenster erkennen, dass erneut ein Tag hereinbrach. Dai Oya, der ebenso wie sie selbst keinen Schlaf benötigte, ließ sie nach wie vor nicht aus den Augen, als sei sie ein besonders wertvolles Studienobjekt. Die beiden Henker hatten sich wieder in der Nacht abgewechselt. Sie betrachtete ihre Arme. Es gab dort kein Stück Haut mehr, das größer als eine Wechselmünze gewesen wäre und unversehrt. Ihre Beine mochten genauso aussehen, aber sie sparte sich die Mühe, an sich hinabzublicken. Die Schmerzen waren noch immer für eine Youkai leicht zu ertragen, aber ihre Hilflosigkeit, ihr Ausgeliefertsein zerrte an den Nerven. Freilich hatte sie weiterhin Hoffnung. Sesshoumaru würde nie sein Wort brechen. Er würde sie suchen. "Ich stelle fest, dass du in der Tat eine recht selbstbeherrschte Person bist, meine liebe Prinzessin." Dai Oya sprach zum ersten Mal seit Stunden: "Aber du solltest langsam erkennen, dass du gegen ein so mächtiges Wesen wie mich keine Chance hast. Ergib dich und überlasse mir dein gesamtes Youki." "Du bist nicht mächtig", erwiderte sie prompt. "Was meinst du?" Das klang fast irritiert. Ihm war bewusst, dass sie niemals lügen würde. "Deine Macht besteht aus geraubtem Youki und ich glaube sogar, Genki, denn das spüre ich dort in diesem Gefäß. Gestohlene Macht aber ist keine wahre Macht. Du hast sie nicht erworben, nicht gelernt, damit umzugehen." "Große Worte für eine Gefangene, die nur aufgrund meines Wohlwollens noch lebt." Das klang lauernd: "Henker!" "Herr?" fragte der sofort. "Da glühendes Eisen sie nicht in einen etwas demütigeren Zustand versetzt hat, hole doch einmal die Schnecken." "Au ja, das hatten wir schon lange nicht." Der Mann eilte davon. Shiro atmete unwillkürlich tief ein. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es sich um einfache Schnecken handeln würde. Sie hätte den Mund halten sollen. Aber ihr Stolz war zu groß. Nie würde sie lügen. Sie konnte dennoch nicht verhindern, dass sie angespannt wurde, als der Mann zurückkehrte, eine Schüssel in der Hand. Ihre Nase verriet ihr, dass sich dort tatsächlich Schnecken befanden, aber sie konnte auch eine widerliche Flüssigkeit wittern, eine Säure. Der Henker trug nun einen dicken Handschuh, mit dem er in die Schüssel fasste, eine braune Schnecke herauszog: "Hier. Siehst du? Sie besitzen nicht den Schleim der gewöhnlichen Schnecken, da sie im Meer hier vor der Küste leben. Ihr Schleim ist ätzend. Und das wird du gleich feststellen." Shiro starrte das seltsame Lebewesen an, das auf ihr Handgelenk gesetzt wurde. Im gleichen Moment spürte sie die Säure, die sich in ihre schon verletzte Haut fraß. Das peinigte selbst sie und sie wusste, dass Menschen in diesem Stadium schon schreien würden. Eine zweite wurde auf ihren anderen Arm gesetzt. Das tat so weh, wie als damals, als Sesshoumaru mit seiner Giftklaue den Drachenwurm aus ihrem Arm vertrieb. Er hatte ihr auf diese Art das Leben gerettet. Und sie hatte da nicht geschrieen. Sie zwang sich daran zurückzudenken, an das Gewicht auf sich, sein Gesicht....Das Bild, das sie beschwor, half ihr, auch noch ruhig zu bleiben, als eine weitere Schnecke über ihren Hals kroch. *********************************** Falls jemand Rachegelüste haben sollte: Das nächste Kapitel heisst Feinde im Schloss. Wie immer: wer so nett ist, mir einen Kommentar zu hinterlassen, dem schicke ich auch eine ENS, wenn ich sehe, dass das neue Kapitel freigeschaltet wurde. bye hotep Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)