Krieger, Magier und Diebe von Arianrhod- (AU, Science Fantasy) ================================================================================ Kapitel 2: Neue Freunde ----------------------- Titel: Krieger, Magier und Diebe Teil: 2/24 Autor: Lady Silverwolf Anime: Beyblade Warning: OOC Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic. "..." reden //...// denken ~~~~~~~~ ~~~~~~~~~ Neue Freunde Laut ratterten die Räder der großen Karren auf dem gepflasterten Weg, der in die Stadt führte. Beinahe übertönten sie das monotone Geräusch der Pferdehufe. Max war von Anfang an begeistert von der riesigen Handelskarawane gewesen, die sie bei ihrem alten Haus abgeholt hatte. Jetzt hatten sie eine lange, anstrengende Reise hinter sich inmitten von Händlern, Soldaten und anderen Reisenden und waren in der Insel Nijan. Judy Mizuhara, seine Mutter, drehte sich zu ihm um. Die Sonne schimmerte auf ihrem blonden Haar, das ihr Sohn von ihr geerbt hatte, und auf ihrem hübschen Gesicht lag ein freudiges Lächeln. "Na, wie gefällt es dir hier?" Max sah sich unschlüssig um und zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht.", antwortete er unschlüssig. Nijan war so anders als die Insel, in der sie bisher gewohnt hatten. Hier war alles grüner, es wuchsen mehr Bäume und Sträucher, die Straße war nur gepflastert, nicht geteert. Ob sie hier überhaupt Elektrizität hatten? Mussten sie wohl, wenn sie Techniker unterhielten. Das war ja auch der Grund, warum sie hier waren. Judy und ihr Mann Enishi waren sehr bekannte Techniker, die man für die Forschungen in Nijan brauchte. Enishi war in Nijan aufgewachsen, allerdings weit entfernt von ihrem neuen Wohnort. Judy kam aus Emerna, wo die Familie bisher gelebt hatte. Die Forschung war aus technischen Gründen nach Nijan verlegt worden und die Familien, von denen jemand an dem Projekt beteiligt war, zogen jetzt um. Max und Judy hatten die lange, gefährliche und schwere Reise von über drei Wochen angetreten, Enishi würde ihnen nächsten Monat folgen, sobald in Emerna alles erledigt war. Max hatte viel zurücklassen müssen, seine Freunde, seine Heimat, seine restliche Familie. Die Karawane wurde von Händlern geführt, Wesen, die den Großteil ihres Lebens in der verstrahlten, verseuchten Wüste verbringen würden. Anders als ,normale' Leute sahen sie kaum mehr menschlich aus, sondern erinnerten eher an Bestien. Da sie das auch selber wussten, trugen sie ihre Gesichter und Körper meist unter viel Stoff verborgen. Aber andererseits: war es nicht ein aufregendes Abenteuer, eine neue Insel kennen zu lernen? Neue Freunde finden, eine zweite Heimat? Das würde bestimmt toll werden! "Ich freue mich schon!", grinste er dann seine Mutter an, die zurück lächelte. "Sehr schön. Ich bin sicher, es wird dir gefallen. Hier in Nijan gibt es mehr Kinder und Jugendliche als in Emerna. Hier leben Bauern und Viehzüchter; der Boden ist fruchtbar. Emerna ist ja nur eine Industrieinsel. Du wirst sehen, du wirst hier schnell viele Freunde finden." Max grinste noch breiter. "Da bin ich sicher. Wann sind wir endlich da?" Judy zuckte mit den Schultern. Der Soldat, der neben ihnen ritt und dem Gespräch zugehört hatte, drehte sich zu Max um und meinte: "Siehst du die Hügel da hinten?" Der Junge nickte. "Dahinter ist die Stadt. Sepun ist ihr Name und sie ist die größte Ansiedlung in dieser Insel. Am anderen Ende gibt es noch eine zweite Stadt, aber sie ist kleiner und eigentlich nur ein Bauerndorf. Die ganzen Industriegebäude und Fabriken sind alle hier in Sepun." "Unser Haus ist am Rande von Sepun.", mischte sich Judy ein. "Ich bin sicher, es wird uns gefallen." Max nickte und starrte erwartungsvoll auf den Hügelkamm, der langsam immer näher ruckte. Vor sich sah er schon die ersten Wagen und Soldaten die Anhöhe hinaufrollen. Ob die Stadt so aussah wie die, aus der er kam? Wahrscheinlich nicht. Es würden bestimmt nicht so viele Fabriken und hässliche Betonklötze herumstehen. Verträumt ließ er den Blick schweifen, bis ihm etwas ins Auge viel. "Was ist das?", fragte er den Soldaten und streckt den Arm aus, um das zu zeigen, was er entdeckt hatte. Es sah aus...wie die Spitze eines Turmes. Ein Turm? Aber nur Magier durften in Türmen leben! "Das ist der Turm der Donnersteine.", erklärte der Krieger. "Es ist eine Magieschule. Es gibt noch zwei weitere Türme in Nijan. Wusstest du nicht, dass dies eine Magierinsel ist?" Max schüttelte den Kopf. Er fühlte sich, als hätte man ihn geschlagen. Warum hatten seine Eltern ihm das nicht gesagt? Unwillkürlich griff er nach dem Anhänger, der an einer goldenen Kette, die er von seiner Großmutter geschenkt bekommen hatte, um seinen Hals hing. Er war sein größtes Geheimnis und nur seine Eltern wussten davon. Wenn jemand anderes das herausbekam, dann war er so gut wie tot. Judy schüttelte den Kopf, als er sie vorwurfsvoll ansah. Auch sie hatte das nicht gewusst. In Emerna hatte es keine Magier gegeben, höchstens ein paar, die durchgereist waren. Ob Enishi und Judy die Stelle angenommen hätten, wenn sie gewusst hatten, dass hier Magier lebten? Bestimmt nicht. Hier war die Gefahr für Max größer, dass sie ihn entdeckten. Dass sie entdeckten, was er war. Und Magier mochten solche wie ihn nicht. Sie mochten die Bündniskrieger nicht und bekriegten sie, wo sie nur konnten. Max hatte plötzlich Angst. Die Magier würden ihn töten. Er konnte niemandem vertrauen. Er... Judy legte ihm die Hand auf den Arm. "Mach dir keine Sorgen.", sagte sie leise, so dass nur er sie verstand. "Magier können nicht sehen, was du bist. Wenn du das Amulett versteckt hältst, wird dir nichts geschehen." "Und wenn doch?" "Dann fliehst du. Mit Draciel als Beschützer hast du große Chancen, zu überleben." Sie zwinkerte. "Außerdem wissen sie es nicht und du bist vorsichtig genug, dass sie es auch nicht erfahren. Was meinst du?" Er sah sie an und nickte dann. Ja. Sie hatte Recht. Seine Mutter hatte immer Recht. Wenn er aufpasste, würde niemand erfahren, dass er ein Bündniskrieger war. Sie lächelte noch einmal aufmunternd und wandte sich wieder nach vorn. Inzwischen waren sie den Hügel beinahe ganz hinaufgefahren und kurz darauf hatten sie den Kamm erreicht. Von hier hatten sie eine überwältigende Sicht über das Tal und das sich darin befindende Sepun. Max riss vor erstaunen beide Augen auf. Sepun war tatsächlich ganz anders, als seine Heimatstadt. Wo bei letzterer trostlose Reihenhäuser und Fabrik- und Firmengebäude das Bild dominiert hatten, konnte man hier gar keine Betonbauten finden. Die Industriebauten beschränkte sich auf das westliche Viertel und waren ansehnlicher als die Wohnhäuser in Emerna. Der Großteil von Sepun aus kleinen, heimeligen Wohnstätten bestand, die meist Doppelhäuser und mindestens zweistöckig waren. Die Dächer waren alle mit roten Ziegeln gedeckt, die sich reizvoll vom grünen und grauen Untergrund abhoben. Im Norden des Industrieviertels standen sieben Wolkenkratzer, kleiner als Türme, aber groß genug für Dutzende Wohnungen für die normalen Arbeiter. Im Westen und Osten - aus dem sie kamen - waren mehr oder weniger hohe Hügel, im Norden erhob sich sogar eine steile Steinwand aus dem Boden. Im Süden dagegen war das Land flach und bestand nur aus Wiesen, Feldern und Weiden bis sie an einen Waldrand stießen, der nur als dunkelgrüne Linie zu erkennen war. Wie ein blaues Band zog sich ein reißender Wildfluss durch Sepun und das südlich gelegene Land, ehe er knapp vor dem Waldsaum einen 90-Grad-Schlenker zu machen und parallel zu diesem zu fließen. Die Straßen in Sepun und der Weg, der nach Süden führte, waren alle gepflastert und rechts und links von ihnen erhoben sich Bäume wie bei Alleen. Immer wieder öffneten sie sich zu großen Plätzen. Menschen und Tiere tummelten sich auf den Straßen, auf zwei Plätzen wurde Markt abgehalten und weiter im Norden hinter der Steilwand konnte Max den Turm der Donnersteine sehen, der sich wie ein drohender Schatten dort erhob. Schnell wandte er den Blick ab und starrte angestrengt auf die Stadt. "Wo werden wir wohnen?", wollte er neugierig wissen. Judy zeigte nach links. "Dort unten am Stadtrand. Da, wo die Häuser nicht so dicht stehen." Der Soldat neben ihnen lachte. "Da habt ihr aber Glück gehabt. Dort ergattert man schwer eine Wohnung, da sie teuer sind oder der Regierung gehören. Sie gehören zu den ersten Gebäuden, die hier errichtet wurden. Sozusagen Ur-Sepun." Judy schüttelte den Kopf. "Nein. Das hat nichts mit Glück zu tun. In Emerna hat man uns Privilegien versprochen, weil sie uns locken wollten, die Projekte nach Nijan zu verlegen. Mein Mann und ich gehören zu den wichtigsten Technikern. Darum brauchten sie uns unbedingt." "Darf ich mir nachher die Gegend ansehen?", fragte Max aufgeregt. "Oder soll ich helfen?" Seine Mutter lachte. "Du kannst ruhig gehen. Heute werden wir dich sicher nicht brauchen. Einige Arbeiter werden mir helfen, die Sachen ins Haus zu bringen." Max stieß einen Freudenschrei aus und erwartete sehnlichst, dass sie endlich ankamen. Sepun und seine Umgebung sahen auch zu verlockend aus. Es kam ihm vor, als würden die Zugtiere nur schleichen, obwohl sie ein recht schnelles Tempo angeschlagen hatten. Sie witterten die nahen Ställe und ihre wohlverdiente Rast. Am Stadtrand von Sepun löste sich die Karawane auf. Während die Händler und ihre Soldaten am zu den langen Handelshäusern gingen, die am östlichen Stadtrand erbaut worden waren, wurden die emernaer Techniker von einigen Mitgliedern der nijaner Regierung erwartet, die sie herzlich begrüßten, sie zu dem Bankett einluden, dass am Abend im Rathaus stattfinden würde und ihnen einige Männer und Frauen mitschickten, die ihnen beim Ausladen der Wagen behilflich sein sollten. Die Mizuharas und drei weitere Familien hatten ihr neues Domizil im südöstlichen Viertel, das der Soldat so gelobt hatte. Man führte sie auf direktem Wege dorthin. Die Einwohner, an denen sie vorüberfuhren, grüßten sie freundlich und lächelnd. Anscheinend wussten sie, welche Bedeutung die neuen Techniker für Nijan und seine Bedeutung in der Inselpolitik hatten. Schließlich stoppte Judy den Wagen vor einem recht großen Haus. Es war von einem großen, umzäunten Garten umgeben, in dem mehrere Beete angebracht waren und Bäume und Sträucher wuchsen, die mindestens so alt wie das Haus waren. Vom Gartentor führte ein gekiester Weg zur Haustür, die über drei Stufen zu erreichen war. Das Haus war weiß verputzt und das Glas der Fenster spiegelte die Sonne wie frisch gereinigt. Max musterte das Gebäude von oben bis unten. Es gefiel ihm. "Mama, darf ich mich jetzt umsehen?", wollte er ungeduldig wissen. Die Angesprochene nickte. "Geh nur. Aber merk dir den Weg. Ich möchte dich nicht suchen müssen!" "Klar!" Max sprang vom Wagen und sah sich genauer um. Ihr neues Haus befand sich in einer Straße, die sozusagen ins Leere lief, in einer Sackgasse. Max überlegte, ob er sich erst das Viertel oder die Wiesen ansehen sollte und entschied sich dann für letzteres. In Emerna hatte es so viel Natur nicht gegeben, darum faszinierte sie ihn ganz besonders. In den nächsten Tagen würde er noch genug Zeit haben, sich in Sepun umzusehen. Er winkte noch einmal fröhlich seiner Mutter, die schon damit beschäftigt war, die Helfer anzuweisen, wie sie den Wagen abzuladen hatten, ehe er davon rannte. Die Gegend gefiel ihm ausnehmend gut. Er wusste nicht, wie lange er beschäftigt war, über Wiesen zu rennen, Felder zu umgehen und durch den Wald zu stapfen, aber es mussten Stunden sein. Irgendwann stand er plötzlich am Rande des Steilhangs im Norden der Stadt und konnte ganz Sepun überblicken. Wie auch schon auf dem Hügelkamm bot die Stadt einen beeindruckenden Anblick, der Max für einige Minuten in den Bann zog. Eine Stimme riss ihn aus dem Staunen. "Schöner Anblick, nicht wahr?" Max fuhr erschrocken herum. Hinter ihm stand ein hochgewachsener Junge mit dichtem schwarzen Haar, das er am Hinterkopf zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Er hatte ein markantes Gesicht mit ausdrucksstarken, dunklen Augen, in denen der arrogante Ausdruck der Magier lag, und trug die Robe eines Magieschülers. Jetzt hob er die Hände und meinte: "Entschuldige, ich wolle dich nicht erschrecken." Er lächelte freundlich, doch Max blieb misstrauisch. Der Junge gehörte bestimmt zu diesem Turm der Donnersteine. Ein Magier. Max bemühte sich zu einem freundlichen Lächeln und antwortete: "Ja. Wirklich." Er drehte sich wieder halb um, um die Stadt wieder ansehen zu können, behielt aber den Magieschüler im Blick. Nie würde er so jemanden aus den Augen lassen. Dazu saß das Bewusstsein zu tief, dass er Bündniskrieger und damit ein Feind aller Magier war. Der Junge aber wusste nichts davon, darum blieb er freundlich, wenn auch etwas hochmütig. Er streckte Max die Hand hin. "Ich bin Toki Fuma und lerne im Turm der Donnersteine." Max nahm die Geste nach einigem Zögern an. "Max Mizuhara." Toki ließ seine Hand wieder los. "Ich habe dich noch nie hier gesehen. Gehörst du zu den neuen Technikern?" Max nickte. "Ja. Wir sind heute erst gekommen." "Und da musstest du dir gleich die Gegend ansehen, was?" Toki lachte, aber etwas Gönnerhaftes schwang in seiner Stimme mit. Max würde am liebsten weggehen, aber das wäre unhöflich gewesen. Darum lachte er auch und nickte. "Ja. Es ist viel schöner hier als in Emerna. Alles hier ist grün und braun und voller Pflanzen. Zuhause hatten wir nicht so viele Pflanzen." Er merkte selber, dass er sich anhören musste wie ein Schwachkopf. Gleichzeitig aber beruhigte ihn der Gedanke. Einem Schwachkopf würde man niemals zutrauen, ein Bündniskrieger zu sein. Denn Bündniskrieger waren bekannt für ihren hohen Intelligenzquotienten. Toki lächelte nachsichtig. Anscheinend war er zum Schluss gekommen, Max wäre ein Idiot. Das war diesem nur recht. Dann musste er sich nicht länger mit dem arroganten Nachwuchsmagier beschäftigen. "Sag.", begann er in seinem trotteligsten Tonfall. "Gibt es hier viele schöne Plätze? Gibt es hier wilde Tiere? Ich habe von Inseln gehört, wo viele freie Tiere herumlaufen. In Emerna gab es keine. Da war zuviel Industrie. Das fand ich wirklich schade; ich hätte nämlich gerne wilde Tiere beobachtet und..." So plapperte er munter eine Weile weiter. Er merkte schnell, dass es Toki langweilig wurde und er bereute, den blonden Jungen angesprochen zu haben. Bald hätte der Magier genug. Wirklich unterbrach Toki ihn nach kurzer Zeit und meinte höflich: "Entschuldige, Max, aber ich muss wieder gehen. Ich bin eigentlich nur hier, weil ich eine bestimmte Pflanze holen muss, die nur in freier Natur wächst. Ich brauche sie für einen Zauber, weißt du? Darum muss ich jetzt gehen und weitersuchen." "Oh. Soll ich dir helfen?", wollte Max wissen. Natürlich lehnte Toki ab. "Nein, nein, ich werde sie alleine finden. Aber du solltest vielleicht wieder nach Hause gehen? Deine Eltern vermissen dich sicher schon." "Nein, nein. Das tun sie nicht. Meine Mutter ist noch mit unserem Gepäck beschäftigt und mein Vater kommt erst nächsten Monat. Ich habe also viel Zeit. Brauchst du wirklich keine Hilfe? Wie sieht die Pflanze denn aus? Was bringt sie? Ich..." "Jaja, ich bin sicher, du könntest eine große Hilfe sein, aber ich muss die Pflanze selber suchen. Auf Wiedersehen. Wir treffen uns bestimmt wieder." Die letzten beiden Sätze hatte Toki schon im Weggehen gesprochen. Er winkte mit einer Hand, sah aber nicht zurück. Max streckte ihm die Zunge heraus, ehe er sich selber umdrehte und um Wald verschwand. Toki würde ihn zwar für den Rest seines Lebens für einen trotteligen Schwachkopf halten, aber das war Max egal. Immerhin wäre er so sicher, dass weder Toki noch seine Freunde - vielleicht keiner aus dem Turm der Donnersteine - etwas mit ihm zu tun haben wollte. Und das war nur nützlich für ihn. Keine Magier in seiner Nähe bedeutete keine Gefahr, dass sie das Amulett finden würden, dass ihn als Bündniskrieger auszeichnete. Zufrieden mit sich und der Welt machte er sich auf den Rückweg. Allerdings war der Weg schwerer zu finden, als er gedacht hatte. Schließlich beschloss er, zur Stadt zu gehen und sich dann zum seinem Viertel durchzufragen. Verträumt wanderte er einen Waldpfad entlang. Neben ihn ging es steil nach oben, auf der anderen Seite ebenso steil nach unten. Am Fuße des Abhangs befand sich ein kleiner, aber reißender Bach. Eine laute Jungenstimme, die Warnrufe brüllte, riss ihn aus den Gedanken. "Achtung! He! Weg da!" Aber da war es schon zu spät. Erschrocken sah Max auf und konnte gerade noch eine Person erkennen, die von oben kam und etwa ebenso groß war wie er, dann wurde er auch schon umgerannt. Max stieß einen erstaunten Schrei aus und verlor das Gleichgewicht. Der Schwung des anderen stieß ihn um und zusammen kollerten sie den Abhang hinunter um mit einem lauten Platschen in dem eiskalten Fluss zu landen. "Uff!", stöhnte der Blonde, als er als Erster wieder aus dem Wasser auftauchte und sich aufsetzte. Der Andere - war es wirklich ein Junge? Er hatte so lange Haare - lang noch flach im Wasser, ehe er sich aufrichtete. Die Kleidung klebte ihnen nass und kalt am Leib und Max fröstelte, trotz der Sonne, die vom Himmel knallte. Es war eben noch Frühling und der Fluss nicht gerade warm. "Entschuldigung, Entschuldigung, das tut mir Leid, das wollte ich nicht." Lautstark um Verzeihung bittend stand der Andere auf. Es war tatsächlich ein Junge, mit so schwarzem Haar, dass es schon wieder blau war, völlig durchnässter Kleidung und einem freundlichen Gesicht mit großen, blauen Hundeaugen, die Max jetzt um Verzeihung heischend anblickten. Er hielt ein blaurotes Käppi in der behandschuhten Hand und wirkte recht kräftig. Max ließ sich von ihm aufhelfen und versuchte die ganze Zeit, dem Jungen zu sagen, dass es schon okay sei, aber dieser hörte gar nicht auf ihn, also gab Max es nach einiger Zeit auf. Schließlich verstummte der Langhaarige und der Blonde meinte mit einem freundlichen Lächeln: "Ist schon okay, ist ja nichts schlimmes passiert." Der Andere sah ihn schuldbewusst an. "Ich habe dich den Abhang hinunter gestoßen und wegen mir hast du ein Bad genommen und du ha..." Er verstummte abrupt und starrte Max an. Nein, er starrte nicht Max an, sondern seine Brust oder besser - was darauf lag. Unwillkürlich griff Max danach. Das Amulett. Oh, nein! Das Bündnisamulett! Der Junge hatte es gesehen, er würde ihn verraten, an die Magier verraten, die hier ganz in der Nähe waren, er würde... Panik stieg in Max auf. Vor kurzem war alles noch in Ordnung gewesen, er hatte sich die Magier vom Hals geschafft und wollte nach Hause. Das konnte er jetzt wohl vergessen. Hastig rannte er an dem fremden Jungen vorbei, der wie er starrt stand und wollte weg. Doch dann kam Leben in den Anderen. "He! He, warte, ich..." Max hörte nicht auf ihn, sondern rannte weiter, der Andere hinterher. Aber dann fühlte er plötzlich, wie kalte Finger sich um sein Handgelenk schlossen. Damit hatte er nicht gerechnet und stolperte. Mit einem lauten Platschen landeten sie wieder im Wasser. Sofort wollte Max sich aufrichten und weiter laufen, aber der Fremde war schneller. Er packte Max und drückte ihn mit geübten Griffen in den Fluss zurück. "He, nicht so schnell, ich tu dir doch nix!", beteuerte er, aber Max wollte nicht hören. Der Junge würde ihn verraten, jetzt, wo er wusste, dass Max ein Bündniskrieger war! Der Blonde strampelte und schlug um sich, aber es half ihm nichts. Der Andere war stärker als er und zudem schien er Kampfsportler oder so zu sein, denn er hatte keine Mühe, Max' Schlägen und Tritten auszuweichen und ihnen Einhalt zu gebieten. "He, he, sei still, ich werde dich nicht verraten, ich werde..." Erst nach kurzer Zeit bemerkte Max, was der Junge sagte. Er hörte auf, sich zu wehren und runzelte die Stirn. "Warum?", wollte er misstrauisch wissen. "Ich bin Bündniskrieger. Du weißt, was die Magier über uns sagen." Den letzten Satz sprach er so verächtlich aus, wie er nur konnte. Er erhielt ein hämisches Grinsen zur Antwort, das aber nicht ihm galt, sondern eher denen, von denen er sprach. "Ich weiß. Aber was die Magier sagen, kümmert mich einen Dreck. Schau." Der Junge zog einen seiner fingerlosen Handschuhe aus. Darunter trug er ein schmales, silbernes Armband, an dem etwas hing. Ein Amulett! Ein Bündniskriegeramulett! Es war blau und trug ein grünes Zeichen. Max riss die Augen auf. Der Junge...der Junge war also auch ein Bündniskrieger! So wie er! Der Andere lachte, während er seinen Handschuh wieder anzog, und stand auf. Wieder half er Max auf die Beine. "Du solltest das Amulett besser wieder verstecken, sonst sieht es noch jemand. Wir sind hier nah am Magierturm." Max nickte und ließ die Kette wieder unter sein Hemd gleiten. "Ich weiß. Ich habe vorher einen Schüler getroffen." "Du hast mein Beileid.", beteuerte der Dunkelhaarige lachend. "Tut mir wirklich Leid, das mit dem Abhang. Du bist mit den neuen Technikern gekommen, oder?" Er streckte die Hand aus, als Max nickte. "Takao Kinomiya.", stellte er sich vor. Max schlug freudig ein, diesmal nicht nur aus Höflichkeit wie bei Toki, sondern weil ihm Takao wirklich gefiel und sympathisch war. "Ich bin Max Mizuhara. Wir sind erst heute gekommen." "Ich weiß, ich habe die Karawane gesehen." Takao lachte wieder und zog sich das klitschnasse Käppi verkehrt herum über den Kopf, so dass der Schild nach hinten zeigte. Max zog die Schultern zusammen und fröstelte. "Sollten wir nicht langsam aus dem Fluss heraus? Mir ist kalt." "Komm. Weiter hinten gibt es eine gute Stelle, wo man hochklettern kann." Takao winkte ihn und stiefelte den Fluss entlang auf die Biegung zu, die etwas flussabwärts lag. Max beeilte sich, zu ihm aufzuschließen. "Wo fließt der Bach hin?" Takao nickte nach Süden. "In den Teishen, den großen der durch Sepun führt.", erklärte er. Er musterte Max von der Seite. "Duhu? Wann bist du...na ja, wann hast du das..." Er deutete auf das Amulett unter Max' Hemd. Solche Dinge sprach man lieber nicht laut aus. Man wusste nie, wer zuhörte. "Letztes Jahr." "Erst?" Max nickte. "Ja. Noch gar nicht so lange her, wie? Und du?" "Ich war elf.", sagte Takao stolz. "Also vier Jahre." "He, dann bist du ja so alt wie ich! Gibt es hier noch mehr...du weißt schon?" Takao nickte. "Hin und wieder kommen Reisende vorbei. Und noch ein Freund von mir. Aber bei ihm ist das eine andere Geschichte. Vielleicht erzählt er sie dir irgendwann. Soll ich ihn dir vorstellen?" "Gerne. Aber nicht heute. Meine Mutter wartet sicher schon. Ähm...woher weißt du, wer so ist wie wir? Ich mein, die werden dir das sicher nicht auf die Nase binden." "Ich weiß das gar nicht. Normal erkennt man das nicht, aber Kenny sieht es. Es ist eine Gabe von ihm." "Aha.", machte Max unsicher. Ob es noch mehr Menschen mit dieser Gabe gab? Takao bemerkte seine Bedenken und erklärte: "Kenny meinte, dass hätte er erst gelernt, als es er selber war. Er sagt, dazu bräuchte man die Bindung." Die letzten Worte hatte er leise geflüstert. "Ach so.", meinte Max erleichtert. Also konnten nur ihresgleichen diese Gabe haben. Welch ein Trost! Bündniskrieger verspürten zwar keine besonders starke Loyalität einander gegenüber, aber andererseits würden sie sich niemals gegenseitig verraten. Takao schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. "Gut, nicht?" Er blieb plötzlich stehen. "Schau, hier geht es leichter hoch als da hinten." Max nickte und folgte dem Langhaarigen. Oben blieb Takao stehen und drehte sich zu ihm um. "Du, Max, wollen wir nicht Freunde sein?" Max' Augen leuchteten auf. Er hatte noch nie einen anderen Bündniskrieger zum Freund gehabt. Genauer gesagt, er war noch keinem Anderen begegnet, zumindest keinem, von dem er es wusste. Es wäre schön, einen Freund zu haben, der ebenfalls die Bindung durchgemacht hatte. Jemand, der ihn verstand. Außer seinen Eltern wusste niemand davon und so sollte es bei Möglichkeit auch bleiben. "Klar, warum nicht?" "Schön!", jubelte Takao. "Morgen stelle ich dich den anderen vor, in Ordnung?" "Warum nicht? Wollen wir nicht weiter gehen?" "Doch. Wo wohnst du?" "Im alten Kern der Stadt.", antwortete Max. "Ich auch. Und die anderen auch. Mein Opa leitet einen Dojo." "Ach, deshalb bist du so leicht mit mir fertig geworden.", verstand Max die Situation vorhin im Fluss. Takao nickte. "Komm. Ich bring dich auf 'nem Schleichweg zurück. Das geht schneller." Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück. Dann standen sie plötzlich am Ende der Straße, in der Max wohnte. Vor dem Gartentor verabschiedete er sich. "Bis Morgen!", rief Takao und wandte sich zum Gehen. "Ich hol dich ab, ja?" Max nickte und winkte kurz, ehe er zum Haus ging. Er klingelte und kurz darauf öffnete Judy die Tür. "Max, bist du..." Sie verstummte und musterte ihn von oben bis unten. "Warum bist du so nass?" "Ich bin in einen Bach gefallen." "Komm rein und geh gleich ins Bad." Max betrat den kurzen, breiten Hausflur. Am Ende befand sich eine Tür, ebenso wie rechts von Max und ein paar Meter weiter. Letzterte Tür führte anscheinend in die Küche. Links neben der Haustür befand sich eine Treppe, die nach oben führte, dahinter befanden sich zwei weitere Türen in geringem Abstand zueinander. "Hoch und die erste Tür nach der Treppe.", befahl ihm Judy. "Und versuch so wenig wie möglich nass zu machen, ich bring dir frische Sachen." Max nickte und folgte ihrem Befehl. Nur eine halbe Stunde später saßen sie gemeinsam auf der breiten Veranda, die an der hinteren Hauswand angebracht war und Max erzählte, was er erlebt hatte. Allerdings sagte er weder, dass Takao von seinem Bündnis wusste, noch, dass der andere Junge ebenfalls ein Bündniskrieger war. Wenn Takao wollte, dass Judy es wusste, würde er ihr es selber sagen müssen. Dieses Geheimnis war keine Kleinigkeit. Takao holte ihn am nächsten Morgen aus dem Bett. Es war erst neun Uhr, wie Max nach einem Blick auf seinen Wecker festgestellt hatte, nachdem Takao ihm laut und unsanft die Decke weggenommen hatte und ihn fröhlich anstrahlte. "Ich dachte nicht, dass du mich so früh holst.", murrte Max, während er seine Kleider zusammensammelte und in einer Tasche nach frischer Unterwäsche suchte. Derweil sah Takao sich in dem unordentlichen Zimmer um, das Max nun für unbestimmte Zeit sein eigenen nennen würde. Es lag ganz hinten und durch die Fenster konnte man auf das Verandadach und den Garten blicken. Unter einem Fenster standen ein alter Schreibtisch und ein Stuhl, ansonsten befand sich nur noch ein Möbelstück im Zimmer, nämlich das Bett in der von den Fenstern entferntesten Ecke. Der größte Teil des Zimmerbodens nahmen Kisten und Kartons, in denen sich Max' gesamte Habe befand, ein. Rasch zog der Blonde sich an und wurde dann von Takao in die Küche geschleift. Judy befand sich darin und war damit beschäftigt, ihr Geschirr in die Schränke einzuräumen. Die Küche, das Bad und die Toilette neben der Eingangstür, sowie die Vorratskammer gegenüber des WCs waren bereits möbliert, der Rest der Räume war noch leer, sah man von den Umzugskisten der Mizuharas ab. "Guten Morgen.", grüßte Judy ihren Sohn lächelnd. "Dein Freund stand vorhin plötzlich vor der Tür.", erklärte sie und deutete auf den kleinen Tisch neben der Tür, vor dem drei zusammenklappbare Stühle standen. "Essen steht auf dem Tisch, du kannst dich ruhig auch bedienen, Takao." Anscheinend hatten sich die beiden schon bekannt gemacht. "Danke, gerne." Takao nahm dieses Angebot sofort an. "Ich habe erst vor zwei Stunden gefrühstückt, aber ich habe jetzt schon wieder Hunger", erzählte er dem noch etwas verschlafenen Max, der ebenfalls zugriff. "Mein Opa sagt immer, ich könne rund um die Uhr essen." Wahrscheinlich stimmte das auch. Nach dem Frühstück zog Takao ihn sofort mit sich. "Komm, die Anderen warten schon auf uns. Sie wollen dich unbedingt kennen lernen." Unsicher schlüpfte Max in seine Schuhe und ließ sich mitschleifen. "Wer sind denn ,die Anderen'?", wollte er wissen. "Na, Kenny und Hiromi, natürlich!" Nur zwei? Takao hatte nur zwei Freunde? Oder waren das nur seine engsten? Der langhaarige Junge führte ihn durch die Straßen in einen kleinen Park. Dort suchte er sich anscheinend den hintersten Winkel, aber als sie endlich ankamen, war Max angenehm überrascht. Sie befanden sich hinter einigen dichten, undurchdringlichen Hecken. Der Boden war mit dichtem, hohen Gras bewachsen und ein Großteil der Hecken war mit Rosen verziert. Takao führte Max durch eine kleine, beinahe unsichtbare Lücke in diese versteckte Lichtung. Zwei große Bäume spendeten Schatten, der allerdings von flimmernden Lichtpunkten unterbrochen war, und unter einem davon stand eine alte Laube aus einigen Holzstreben und verzierten Geländern. Drei Stufen führten hinein und darin befanden sich ein Tisch und einige Bänke. Auf diesen Bänken saßen zwei Personen; ein hübsches Mädchen mit etwas länger als schulterlangem, dichten, braunem Haar, das etwa so alt war wie Max und Takao, und ein Junge, klein und schmächtig, mit dichtem, braunem Haar, das ihm über die Augen fiel, und einer riesigen Brille. Er trug einfache Kleidung, aber darüber die lange Weste eines Priesterschülers. Am Gürtel hing neben einem kleinen Beutel ein Seherspiegel, der die doppelte Größe einer Hand hatte. Auf dem Tisch lag der Novizenstab des angehenden Cuallarionpriesters und um den Hals trug er das Amulett mit Cuallarions Zeichen, dem zerbrochenen Rad. Cuallarion war der Gott der Toten, der Zukunft und des Schlafes und einer der Mächtigsten. Beide begrüßten Takao und Max freudig und reichten dem Blonden freundlich die Hände. Das Mädchen stellte sie vor. "Das ist Kenny Kyoujyu und ich bin Hiromi Tachibana. Seinen Eltern gehört der Silberne Löwe, das beste Gasthaus im Ort." "Ich bin Max Mizuhara." Kenny lächelte freundlich. "Das wissen wir. Takao hat mir von dir erzählt. Komm, setzt euch." Das ließen sie sich nicht zweimal sagen und kurz darauf saßen alle um den Tisch herum. "Takao hat gesagt, dass du auch ein...ähm..." "...Bündniskrieger bist?", beendete Kenny Max' Satz. Der Blonde wurde rot und nickte. Dabei sah er sich um. Konnte sie auch niemand hören? Wenn das jetzt jemand mitbekommen hatte, wären sie alle so gut wie tot. Hiromi winkte ab. "Keine Sorge, hier können wir nicht belauscht werden. Die Hecken wirken wie schalldichte Wände. Wenn uns jemand belauschen will, muss er schon auf der Lichtung sein und das wüssten wir!" Sie lachte. "Deshalb sind wir so oft hier. Es ist schön sicher." "Ach so.", machte Max. Er sah sie an und fragte sich, ob er die Frage stellen sollte, die ihm auf der Zunge lag. Hiromi bemerkte seine Verlegenheit. "Wenn du fragen willst, ob ich auch ein Bündnis geschlossen habe; nein, habe ich nicht." Warum war sie dann hier? Die Frage ging Max durch den Kopf, kurz bevor Kenny sagte: "Wir kennen uns schon seit Kindesbeinen. Erst haben wir ihr unsere Bündnisse verschwiegen, aber als sie es dann herausgefunden hat, ist sie fuchsteufelswild geworden und hat uns angebrüllt, ob wir ihr so wenig vertrauen, dass wir es ihr nicht sagen konnten." Die drei lachten bei der Erinnerung. "Ich habe meine Bindung schon mit sieben gehabt.", erzählte Kenny weiter. Er zog eine Goldkette aus seinem T-Shirt und zeigte das blaue Amulett mit dem schwarzen Zeichen. "Na ja. Seit dem trage ich das Ding." "He, wie freundlich du heute wieder bist.", fuhr eine dunkle Frauenstimme genervt dazwischen. "Ach, Dizzy, du weißt, wie ich das meine." "Ja, ja, darum sagst du auch ,das Ding'", schnappte die Frau zurück. Verwundert sah Max sich um. "Wer...?" Takao lachte über sein verdutztes Gesicht. "Das ist Dizzara, die Bündnispartnerin von Kenny." "Aber...sie...", begann Max, doch Dizzara - oder Dizzy, wie Kenny sie nannte - fuhr dazwischen: "...kann nicht sprechen? Oh doch, mein Lieber. Kenny, ich will ihn sehen!" Kenny seufzte und löste den Spiegel von seinem Gürtel. "Weißt du, Max, kurz nachdem wir unser Bündnis geschlossen haben, ist ein Unfall passiert." Max sah verwirrt von einem zum anderen. Er lächelte nicht mehr, genauso wenig wie die anderen. Das schien ein sehr ernstes Thema zu sein. "Die Magier haben damals ein Experiment gemacht.", erklärte Hiromi leise und bedrückt. "Es ist total schief gegangen und viele Leute sind dabei gestorben." Takao ballte die Hände zu Fäusten. Es schien ihm schwer zu fallen, seine Tränen zu unterdrücken. "Meine Eltern auch. Ich hasse die Magier dafür!" Die letzten Worte brüllte er beinahe hinaus. Hiromi nickte. "Meine große Schwester und meine Großmutter kamen dabei auch ums Leben.", flüsterte sie mit zitternder Stimme. "Es hätte verhindert werden können, wenn die Magier besser aufgepasst und einen anderen Ort gewählt hätten. Sie wusste, dass es gefährlich war, dass Menschen dabei hätten sterben können - so wie es eben geschehen ist." "Aber weil sie das ignoriert haben", fuhr Kenny fort. "ist dieses Unglück geschehen. Nun ja, jedenfalls wurde Dizzy dabei in meinen Seherspiegel gesperrt. Wir wüssten nicht, wie wir sie wieder herausholen können, deswegen wohnt sie jetzt da drin. Ich denke, ein Magier könnte helfen, aber wir können uns natürlich an keinen Zauberer wenden." Takao lachte bitter auf. "Da könntet ihr genauso gut gleich vom Turm springen. Das wäre wahrscheinlich um einiges schmerzloser und ihr wüsstet wenigstens, wie sich der freie Fall anfühlt." Max sah bedrückt von einem zum andern. Das war ja schlimmer, als er sich hatte vorstellen können! Er wusste, dass die ,normalen' Menschen manchmal unter der Willkür der ,magischen' Menschen zu leiden hatten, aber dass es so schlimm war, hatte er nicht geahnt. "Nun ja, es hat auch seine Vorteile.", meinte Hiromi mit gezwungenem Lächeln. "Vorteile?", keifte Dizzy. "Welche Vorteile? Ich möchte frei sein, wieder fliegen, die Welt von oben sehen. Aber was ist? Ich sitze in einem engen Spiegel gefangen und muss Kenny anbetteln, damit ich dein Gesicht sehen kann, Max. Na los, Kenny, wird's heut noch was?" Kenny lächelte. "Natürlich, Moment." Er hob den Spiegel und drehte ihn um, so dass Max hineinsehen konnte. Allerdings konnte er kein Spiegelbild sehen, weder von ihm noch von etwas anderem. Die eigentlich silberne Glasfläche war total weiß. Dann bildeten sich langsam Schatten und formten sich zu einem Bild. Kenny seufzte. "Sie liebt große Auftritte.", erklärte er und stützte den Arm ab, mit dem er den Spiegel hielt. Bald konnte Max erkennen, dass es ein Vogel war, der im Spiegel hockte. Große, nachtblaue Schwingen mit riesigen Schwungfedern zeichneten sich ab, die zum Körper hin immer heller wurden. Die Füße waren groß und schwarz, nur die Krallen elfenbeinweiß. Der Bauch und die prächtigen Schwanzfedern schimmerten in hellen Blautönen, allerdings nahmen die Federn in Richtung Brust immer mehr ab und gingen langsam in kohlschwarze Haut über. Das war gar kein Vogel! Das war eine Harpyie! Statt eines Vogelkopfes trug sie das Haupt einer überaus schönen, menschlichen Frau mit nachtschwarzer Haut, dunkelblauem, vollen, gelocktem Haar, das ihr über den Rücken fiel, und großen hellblauen Augen. Als sie lächelte, zeigte sie blendendweiße, aber spitze Zähne mit raubtierartigen Fängen. Max wurde leicht rot, als er sie ansah, denn sie trug nichts, aber ihre nackte Brust zeigte deutlich, welches Geschlecht sie hatte. Hiromi, die direkt neben ihm saß und ebenfalls in den Spiegel sah, klopfte ihm auf die Schulter. "Keine Sorge, daran gewöhnst du dich noch." Jetzt bildete sich unter der Harpyie eine schwarze Stange, auf der sie sich niederließ. Max schätzte, dass sie das gar nicht brauchte, aber anscheinend war es bequemer für sie. Dizzy betrachtete ihn eingehend, dann lächelte sie freundlich. "Guten Tag, Max. Es freut mich, deine Bekanntschaft zu machen." "Äh...ganz meinerseits.", murmelte Max automatisch. Er wusste nicht, wie er sich gegenüber ihr verhalten sollte, die ein Bündnistier war und dazu noch in einen Spiegel eingesperrt. Er wusste, dass die Bündnistiere keine Tiere waren, wie man sagte, sondern mindestens genauso intelligent wie ihre menschlichen Partner, aber sie konnten aufgrund ihrer Mundwerkzeuge normal nicht sprechen. "So, da ihr euch nun bekannt gemacht habt, kann ich ja...", begann Kenny und machte Anstalten, Dizzy wieder an den Gürtel zu hängen, aber die protestierte lautstark. "Wag es ja nicht!" "Aber Dizzy, ich will dich nicht die ganze Zeit halten!" "Nimm den Bügel!" "Der ist doch abgebrochen." "Dann reparier ihn gefälligst. Und häng mich jetzt an die Decke oder so. Aber wehe du machst den Spiegel an den Gürtel!" "In Ordnung.", gab sich der Kleine geschlagen und stand auf. Er sah sich nach einem geeigneten Platz um, an den er den Spiegel hängen konnte, dann meinte Takao: "Wie wär's mit dem Nagel da?" Er deutete an Max vorbei auf einen der Pfosten, die das Dach der Laube trugen. Ein verrosteter Nagel ragte heraus. Kenny nickte beigeistert und setzte sein Vorhaben sofort in Tat um. Dizzy starrte zufrieden nach draußen die vier Jugendlichen an. "He, Max, was ist dein Partner?", wollte Hiromi plötzlich wissen. Verdutzt sah Max sie an, ehe er begriff, was sie meinte. "Draciel ist eine Schildkröte." "Eine Schildkröte?!", wiederholten Takao und Kenny wie aus einem Mund. Max sah die beiden an und wurde leicht rot. "Ja. Ist das ein Problem?" "Äh, nein, natürlich nicht.", beeilte sich Kenny zu versichern und Takao setzte in leicht angeberischen Ton hinterher: "Mit Dragoon kann er deins nicht mithalten!" "Es ist eine Drachenschildkröte.", sagte Max leicht gekränkt, der das Bedürfnis verspürte, seinen Draciel zu verteidigen. Takao lachte. "Nimm' s nicht so schwer, war nicht so gemeint. Dragoon ist ein Drache! Er ist toll!" Dabei spielte er an seinem Handschuh, unter dem er das Amulett verborgen trug. Max lächelte schon wieder. "Ein Drache? Echt? Das glaube ich dir. Drachen sollen selten sein." "Das sind sie auch.", meinte Dizzy von der Wand. "Es gibt nur wenige, die Drachen zum Partner haben." "Dragoon ist der Beste!", rief Takao lachend. Kenny sprang auf. "Dizzy ist besser." "Das will ich wohl meinen.", sagte die dazu. "Draciel ist mir lieber.", sagte Max dazu. Das ganze artete langsam in eine Albernheit aus, wie Hiromi fand, aber sie machte gerne mit. Über diese Sache konnten sie selten lachen. Bis Mittag blieben sie in der Laube, dann gingen sie zum Essen heim. Als sie wieder auf der Straße standen, fragte Kenny: "Du kommst doch nachher auch wieder, Max?" Max lächelte. "Klar. Wenn ihr nichts dagegen habt." Takao legte ihm den Arm um die Schultern. "Natürlich nicht. Jetzt gehörtst du zu uns!" Hiromi meinte mit einem leichten Lächeln: "So ein gefährliches Geheimnis hält zusammen. Wir warten nachher auf dich!" ~~~~~~~ Bitte ein paar Kommis. Bye Silberwölfin Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)