Der Regen von Astre ================================================================================ Kapitel 2: Eine Lüge, welche tief reicht. ----------------------------------------- Kapitel 2 Der Kies unter ihren Füßen raschelte, als sie durch das Haupttor ging und sich einen Moment auf dem Gelände umsah. Nichts hatte sich verändert. Still und unverändert lag der Grund der Asakura vor ihr. Lediglich der Umstand ihres Besuches ließ den Funken Beklommenheit erneut aufflammen. „Lass mein Gepäck stehen. Ich hohl es später“, erhob Anna ihre Stimme und beachtete den Schamanen hinter sich nicht. Bevor er etwas erwidern konnte, trugen ihre Beine sie bereits um das Haus herum. Seufzend sah er seiner Verlobten hinterher. Sie beachtete ihn seit heute Morgen noch weniger und keine Silbe war ihr über die Lippen gehuscht. Absolute Nichtachtung brachte Anna ihm entgegen und dies war es, was ihm einen Stich versetzte. „Yo“, hörte er Tamara rufen und wurde so zurück in die Wirklichkeit gerissen. Vielleicht hatte er in der vergangenen Zeit irgendetwas falsch gemacht. Ein Gespräch half sicher. Die ganze Situation würde sich schon wieder einrenken, da war er sich sicher. Der junge Schamane begrüßte die junge Frau und verneinte, als sie anbot ihm beim Tragen zu helfen. „Möchtest du Tee?“, meinte sie weiter und strich sich nervös durch die Haare. „Dazu sag ich nicht Nein“, grinste er und schlug die Richtung zum Anwesen ein. Das Gemäuer war alt und noch heute erinnerte er sich daran, wie er früher alleine auf der Terrasse saß und sich mit den vorbei kommenden Geistern unterhalten hatte. Es war eine einsame Zeit, auch wenn die Schüler seines Großvaters hier lernten. Erst, als Manta in sein Leben trat, hatte sich dies geändert. Und mit ihm kamen die anderen, nicht zuletzt Anna. Trotz ihres Höllentrainings gab es Augenblicke, in denen er sich normal mit ihr unterhalten konnte. Die ruhigen Abende, als außer ihnen beiden niemand anderes im Haus war, lernte er zu schätzen. Doch waren diese mittlerweile rar geworden. Den Kopf schüttelnd stieg er die Treppen hinauf, und noch bevor er Annas Koffer sicher vor ihrem Zimmer abstellen konnte, rutschte er ihm aus der Hand. Schallend kam er auf dem Boden auf und verteilte seinen Inhalt quer im Gang. Das hatte ihm noch gefehlt. Anna würde ihn umbringen, wenn sie Wind davon bekam. Einen wehleidigen Laut unterdrückend, kniete Yo sich nieder und sammelte behutsam ihre Kleidung ein. Die Spieluhr welche zur Hälfte aus dem Stoffhaufen ragte erweckte sein Interesse. Vorsichtig drehte der junge Mann sie in den Fingern und ließ diese achtsam aufklicken. In wohltuenden Tönen spielte sie eine Melodie, welche er vor langer Zeit bereits gehört hatte. Damals, als er Anna kennenlernte. Es war mitten in der Nacht, wie er nicht schlafen konnte und so munter in den Korridoren herum lief. Diese Musik kam damals aus ihrem Zimmer. Sie zu stören hatte er nicht gewagt, doch war es das einzige Mal gewesen, wo er sie weinen hörte. Schluckend fiel sein Blick auf den breiten Riss in der Scheibe. Anna würde ihn wahrlich umbringen. Er wusste nicht, was es mit der Uhr auf sich hatte, aber das diese ihr wichtig war, das wusste er. Die Luft des Tempels, den sie betrat, war von Weihrauch durchzogen und das hohe Feuer am ende der Halle schlug unruhig aus. „Ich hab dich bereits erwartet Annabelle“, ertönte Kinos Stimme rauchig. „Kino.“ Anna nickte, auch wenn sie wusste, dass die alte Frau es nicht sehen konnte. Vor ihrer Lehrmeisterin ging sie in die Knie und raue Hände legten sich wohlwollend auf ihr Gesicht. „Schön bist du geworden mein Kind und groß“, gab sie lächelnd von sich und strich ihr über die lang gewachsenen Haare. „Die Zeit vergeht viel zu schnell“, setzte Kino hinzu und gab ihr mit einer Geste zu verstehen, dass sie wieder aufstehen konnte. „Wie geht es dir?“, ergriff die Itako das erste Mal das Wort und stützte die Frau neben sich, wie sie hinüber zu dem Schrein lief. „Von Tag zu Tag merke ich mein alter mehr.“ Stöhnend griff sie an ihren Rücken. „Verflucht seist du Rheuma“, murrte sie und gab einen lang gezogenen Schnaufer von sich. „Keiko meinte, es würde noch schlimmer werden. Annabelle ich sage dir, manchmal verwünsche ich die Lebenserwartung eines Schamanen. Noch 20 Jahre in dieser Welt, mit diesen Schmerzen erscheint mir wenig ansprechend.“ Ein mildes Lächeln legte sich auf ihren Lippen nieder, als sie ihrer Meisterin zuhörte. Sie verstand die alte Frau, nicht selten kam es vor das ein Schamane die 100 bei Weitem überschritt und Kino war erst 98. Einige Jahre würde sie wohl noch vor sich haben. Nichtsdestotrotz war sie wegen etwas anderem hier. „Kino.“ Die Greisin verstummte und es war diese winzige Silbe, welche die Stimmung um einige Grad senkte. „Er ist nicht hier gewesen Annabelle.“ „Das ist mir bewusst. Ich spüre es, sobald er in meiner Nähe ist.“ Die Luft entwich Kinos Lungen und Angst breitete sich in ihrem Körper aus. „So weit ist es...“ Sie wurde unterbrochen und Annas beruhigende Geste wirkte nicht annähernd. „Ich habe es immer gespürt. Er ist mittlerweile ein Freund geworden aber das meinte ich nicht. Ich will die Verlobung aufheben. Yo braucht mich nicht mehr und ich sehe keinen Sinn mehr in einer Verbindung mit ihm.“ Der Gehstock kam schellend auf dem Steinboden auf. „Was mach ich nur“, murmelte Yo vor sich hin und betrachtete den Riss in der Glasscheibe, als er den Weg nach unten einschlug. Dass ihm so etwas gerade jetzt passieren musste, wo sie sowieso kaum mit ihm sprach. „Meister“, erklang es neben ihm plötzlich und ließ ihn zusammenzucken. Gerade konnte Yo verhindern, dass die Uhr abermals Bekanntschaft mit dem Boden machte. „Amidamaru“, seufzte er. Er wusste, dass der Schwertkämpfer ihn nicht mit Absicht erschrak und in normalen Situationen würde er nicht zusammenfahren. Jedoch waren seine Gedanken bereits bei der Standbauecke die Anna ihm verpassen würde. „Hast du zufällig eine Idee wie ich das hier.“ Dabei zeigte der Schamane auf das Glas. „Anna erklären soll?“ „Versuch es mit einer Entschuldigung, sie wird es sicher verstehen.“ Einen Augenblick war es still, ehe beide den Kopf hängen ließen. Sie würde es nicht verstehen... „Und, wenn du versuchst, sie zu reparieren?“ „Ich weiß nicht mal wie und wo soll ich so ein kleines Glas herbekommen? Ich seh mich schon Meter unter der Erde liegen aber hey, dann kann ich dir wenigstens auf geistlicher Ebene Gesellschaft leisten Amidamaru“, grinste er schief. „Na wen haben wir denn da, wenn das nicht mein Enkel ist“, lenkte Yomeis lachende Stimme beide ab. Der alte Mann kam ihnen entgegen und ehe sich Yo versehen konnte lag er bereits auf dem Boden, wobei es sich die kleinen Shikigami auf seiner Brust bequem machten. „Hat den Titel Schamanenkönig aber meinen Shikigami kann er nicht ausweichen. Ich habs noch immer drauf!“, lachte er weiter und ignorierte das Gestöhn seines Enkels. „Ich freu mich auch dich zu sehen Opa“, murrte dieser und richtete sich langsam auf. Sein Schutzgeist über ihm bekam lediglich ein Grinsen zustande. In anderen Familien wurde man herzlich umarmt in seiner musste man Glück haben nicht umgebracht zu werden, dachte Yo leidig. Augenblicklich fiel ihm die Spieluhr wieder ein. Gehetzt scheuchte er die kleinen Geister von sich und sah sich panisch nach dieser um. Wenn sie jetzt ganz kaputt war, gab es keine Hoffnung mehr für ihn. „Kann ich dir helfen? Oder möchtest du weiter den Boden wischen, weil dann würde ich dir einen Lappen bringen“ „Wo ist dieses verdammte Ding...“, ignorierte er seinen Großvater, der ihm belustigt bei seiner Suche betrachtete. „Hier liegt sie Meister.“ Erleichterung breitete sich in ihm aus, wie er sie sah. Einen Schutzengel musste er gehabt haben, keinen weiteren Kratzer wies sie auf. Jeder Funken vergnügen verflog, als der Onmyo-Schamane das feine Silber besah. „Woher hast du die Uhr Yo?“ „Von Anna. Die mich so oder so umbringen wird.“ „Warum?“ Vorsichtig nahm der alte Mann ihm das Schmuckstück ab. „Sie ist kaputt gegangen.“ Nein, dieser Kratzer in der Scheibe war schon lange vorher entstanden. Die Augen schließend reichte er sie wieder seinem Enkel. „Keine Angst, das warst nicht du. Sie war schon so, als Anna sie bekam." „Anna das kann nicht dein ernst sein...“, schluckte Kino und umfasste die Hände ihrer Schülerin fester. „Tamara ist eine bessere Braut, als ich das weißt du.“ „Ich habe aber dich auserwählt nicht dieses unnütze Ding“, beharrte sie weiter und der Seufzer, der über ihre Lippen drang, wollte sich nicht mehr unterdrücken lassen. „Kino.“ „Nein! Ich erlaube es nicht!“ Annas Finger lösten sich sachte von denen ihrer Lehrmeisterin, als sie aufstand. „Du verstehst mich nicht.“ „Wie sollte ich auch? Anna du wolltest immer Schamanenkönigin werden, jedem Beweisen, dass du deine Gabe unter Kontrolle hast und keine Gefahr darstellst.“ „Und genau dort lag mein Fehler. Ich war, bin und werde immer eine Gefahr für andere darstellen, alleine deswegen, weil ich diese Fähigkeit nie verlieren werde. Sie wird stärker. Tag für Tag steigert sie sich. Ich war der Überzeugung, wenn Yo König ist, dass er die Macht hat, mir zu helfen aber dem ist nicht so.“ „Aber du hast sie unter Kontrolle! Ich habe es dich gelehrt.“ „Nein, ich habe sie noch unter Kontrolle. Irgendwann werde ich nicht mehr in der Lage sein das Gedankenlesen, zu unterdrücken. Was wird dann wohl passieren? Muss ich dich an damals erinnern? Früher war es der Dämon eines Kindes heute würde er größere Ausmaße erreichen. Und dann ist kein Matamune mehr zur Stelle.“ Die junge Frau drehte sich um und schritt durch die Halle. „Anna! Bleib sofort stehen.“ „Die Verlobung wird aufgelöst und du hast nicht die Entscheidungsgewalt darüber. Es ist für alle besser, denn ich habe nicht vor den Kampf mit Volac zu überleben.“ Das Tor fiel schwer zurück ins Schloss, als Anna den Tempel verließ. Die Blicke die ihr Yomei zuwarf, als sie sich an den Esstisch setzte sprachen bände. Sie hatte beiden keine Gelegenheit mehr gelassen mit ihr, zu reden. Anna wusste auch so was sie erreichen wollten, aber kein Gespräch würde ihre Meinung ändern können. Weder beachtete sie ihren Verlobten noch irgendjemand anderen in diesem Raum, als sie geräuschlos zu Abend aß. „Anna?“ „Was ist?“, gab sie Yo harsch zurück, wie dieser sie nach unzähligen Momenten ansprach. Überrascht hob er seine Augenbrauen. Selten kam es vor, dass sie so kalt das Wort an ihn richtete. „Ich, ähm.“ „Rede oder lass es sein Yo...“ Sich durch die Haare streichend, schob sie ihren halb vollen Teller beiseite. Der Hunger war ihr längst vergangen und die Blicke der anderen machten es nicht besser. „Ich hab deine Spieluhr gefunden. Sie ist rausgefallen, als ich deinen Koffer hoch getragen habe.“ Kino war es die ihren Kopf zu ihrem Enkel riss und die Gabel langsam aus den Fingern legte. Ihre blauen Augen sahen zu ihrem Verlobten und betrachteten die Uhr, welche er hielt. Stumm streckte sie ihre Hand aus und wartete geduldig, dass er sie ihr gab. „Danke. Das bringt mir auf eine andere Sache, die ich dir mitzuteilen habe“, gab sie ihm eisig zurück und stand noch im selben Augenblick auf. „Anna! Ich möchte mit dir sprechen“, unterbrach sie Yomei, bevor sie überhaupt etwas hinzusetzen konnte. „Jetzt!“ Die junge Frau beachtete ihn nicht und sprach ungerührt weiter. „Die Verlobung ist hiermit aufgehoben. Ich sehe keine Notwendigkeit mehr für eine solche Verbindung. Schamanenkönig bist du, mich brauchst du nicht länger.“ Yo der zuerst zu seinem Großvater gesehen hatte wandte sich betroffen zu ihr um. Tamara war es die ihr Besteck fallen ließ und nicht einmal die Geister wagten es sich, zu bewegen. Er öffnete bereits seinen Mund, als sie ihm zuvor kam. „Wir haben uns nichts mehr zu sagen und jede weitere Diskussion über dieses Thema ist unnütz.“ Die letzten Silben waren mehr für seine Großeltern gedacht, als für ihn. Denn sie wusste diese Angelegenheit war noch lange nicht erledigt. Seinen Ausruf ignorierte sie, als sie den Raum verließ und die Richtung ihres Zimmers einschlug. Eigentlich wollte sie nur noch ihre Ruhe aber irgendwo wusste die junge Frau, dass sie ihm eine Erklärung schuldig war. „Anna.“ Seufzend und sich durch die Haare streichen hielt sie an und wartete bis Yo ihr nachkam. „Was willst du noch?“ „Die Sache aus der Welt schaffen, das möchte ich. Hab ich irgendwas falsch gemacht?“ „Es ist alles aus der Welt geschafft und du hast auch nichts falsch gemacht. Ich will nur einfach nicht mehr mit dir verlobt sein das ist alles.“ „Warum?“ Seine Stimme war um einiges leiser geworden und sachte hielt er die junge Frau zurück, wie sie weiter gehen wollte. „Ich versteh dich nicht. Wenn ich dich nicht verärgert habe, wieso löst du die Verlobung auf?“ Weil du mit mir nie dein Glück finden würdest, dachte sie doch waren ihre Worte, welche sie nun von sich gab, kalt und hart. „Weil ich dich weder Liebe noch sonnst etwas zwischen uns ist. Eine Freundschaft gab es nie. Ich war nur bei dir, weil es so von mir verlangt wurde.“ Seine Finger lösten sich von ihrem Arm und ohne ihm in die Augen zu sehen, schritt sie weiter. Dass ihre Lippen bereits anfingen, zu bluten oder auch, dass ihre Hände zitterten, ignorierte sie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)