Dunkle Nächte von Traumfaengero_- (Wenn das Schicksal zuschlägt...) ================================================================================ Kapitel 36: Freiheit zum Betrügen --------------------------------- Kapitel 36 Freiheit zum Betrügen   Seine Füße waren sandig, seine Hose durchweicht und seinem halb nackten Körper sah man an, dass er viel erlebt hatte. Der weiße Verband war durchnässt und die Handgelenke noch immer dunkelblau. Die Wunde an seiner Wange war zu einer Narbe geworden und auch an anderen Stellen konnte man erkennen, dass er so manchen Kampf hinter sich hatte. Djamila musterte ihn verstohlen und lachte mit ihm, als er am Strand stehen blieb und zum Himmel hinauf schaute. “I think I got too much sun.” Murmelte er vor sich hin und dann schenkte er ihr ein Lächeln. Es war seltsam, doch zwischen den beiden war eine Verbindung entstanden, die keiner so recht beschreiben konnte. Sie war einfach so da und es schien fast, als müssten sie sich nicht unterhalten, nicht aussprechen, was sie dachten, damit der andere es verstand. Kamil hingegen beobachtete die beiden mit einem gewissen Argwohn. Ein bisher unbekanntes Gefühl machte sich in ihm breit. Eifersucht. Unter all den Männern, die seiner Djamila bisher eine Gefahr hätten sein können, war er… anders. Es gab etwas, das er einfach nicht an diesem Mann verstand. Auf der einen Seite war er der unbeholfene Trottel, der mitten im Speisesaal so durcheinander war, dass er einen Ständer bekam und kopflos davon lief, auf der anderen Seite war er der überragend schlichte Gegner, der einen grandiosen Schachzug schlicht erkannte und vereitelte. Diese Seelenruhe, mit der er Kamil ins Gesicht gesagt hatte, dass dieser doch genau wusste, dass der Blonde sich einen so langen Namen nicht merken konnte. Noch immer wusste er nicht genau, wie der Kerl ihn dazu gebracht hatte, sein Bett aufzusuchen. Er wusste noch, dass dieser plötzlich in der Bar auftauchte, obwohl er schon lange gehen wollte. Doch wie es von da aus weiter ging, konnte er nicht mehr sagen. Wer war nun Joseph Jay Wheeler? Ein absoluter Trottel oder ein genialer Gentleman?   Eine Frage, die Kamil so schnell nicht beantworten konnte und vorerst ging es darum, dass sie aus den nassen Sachen wieder heraus kamen. Der Araber ließ auch für seine Gäste frische Kleider zurechtlegen und Joey schlug vor, dass sie eine andere Art von „anständig“ im Büro definieren sollten. Er fühlte sich in den weit geschnittenen, luftigen Hosen und dem langen Hemd unglaublich wohl. Sie machten es sich im Innenhof gemütlich und unterhielten sich noch lange, bis Joey schlussendlich einschlief. Erst zum Abend wurde er wieder wach, als der Duft des Essens ihn einholte und sein knurrender Magen ihm sagte, dass es dringend Zeit wurde. Es gab ein wahres Festmahl und er wurde auch bei diesem Essen in die Traditionen der arabischen Küche eingeführt. Aufmerksam ließ er sich gerne alles von Djamila erklären, die zum ersten Mal Kamil völlig ignorierte. Sie hatte nur Augen für den Blonden, der ein herzerwärmendes Lächeln hatte. Ein Mann, der sie ansah und ihr das Gefühl gab, sie auch zu sehen. Mit einem gewissen Unbehagen bemerkte Seto diese Entwicklung. Er wusste, dass Kamil einen Anspruch auf sie erhob. Es war eher wie ein Besitz, doch diesen machte Joey ihm gerade streitig. Es würde nicht gut ausgehen, wenn die beiden sich zu nahe kamen. Davon einmal abgesehen, dass er bis jetzt noch immer nicht wusste, auf was der Blonde denn nun stand. War er für Frauen oder für Männer empfänglich? Oder fischte er eher in beiden Gewässern? Und käme der Kerl noch einmal auf die Idee, sich mit ihm über all das zu unterhalten oder sollte es etwas Unausgesprochenes bleiben?   Der Abend verging und die Nacht bracht ein. Joey war froh, dass er ein eigenes Zimmer hatte und das Bett nicht noch einmal mit dem Lustmolch teilen musste. Obwohl… wenn er über diese Nacht nachdachte, dann war da noch immer ein seltsames Gefühl der Aufregung. Der Sex war, und es schmerzte dies zu sagen, wirklich gut gewesen. Nur, blieben dennoch die Angst und die Hilflosigkeit, wenn er genauer über diese Situation nachdachte. Es half ein wenig, dass sich Seto noch immer an sein Versprechen erinnern konnte, doch viel war es nicht. Was sollte er schon tun, wenn der Mann das nächste Mal über ihn her fiel? Seine Gedanken wanderten zu Tala Ivanow, der ihn aus ihm nicht näher bekannten Gründen nur zu gerne als Prügelknaben nutzte. Er konnte einfach den Anblick nicht vergessen, wie dieser auf ihm saß, mit den Knien seine Oberarme auf dem Boden presste, mit der linken Hand in die blonden Haare griff und mit der rechten das Messer in der Hand hielt. Das nächste Mal würde er ihm die Zunge heraus schneiden. Nachdenklich saß Joey auf dem Fensterbrett und blickte hinaus auf das Meer. Sein eigener Vater hatte ihn regelmäßig verprügelt, nun tat es Tala und Seto schien diese Gewaltspirale weiter anzuheizen. Er hatte sich mit der Ausbildung und der eigenen Wohnung mehr Ruhe erhofft. Mehr Freiheiten. Doch nun war er für seine Schwester verantwortlich und dankbar für das Geld, welches er von Seto erhielt.   Mit einem Zittern zog er die Decke enger um seine Schultern, die er sich umgelegt hatte. Er kam sich vor wie… ja, wie jemand sehr erbärmliches. Das Gehalt, welches er von dem Brünetten bekam, war wirklich stattlich und aus der letzten Wette war er auch sehr gut heraus gegangen. Wie würde es jetzt mit ihnen weiter gehen? Würde er noch immer in dieser finanziellen Abhängigkeit bleiben? Oder anders, würde sie Seto weiter ausnutzen? Und eine noch ganz andere, viel wichtigere Frage kam ihm in den Sinn. Würde er noch einmal mit dem Mann Sex haben? Er war sich nicht sicher, wie er dazu stehen sollte. Diese Mischung aus Angst und Geilheit machte ihm schwer zu schaffen und hier in seinem Zimmer mitten in der Nacht hatte er zum ersten Mal wirklich Zeit und Ruhe, um darüber nachzudenken, was das alles bedeutete. Stand er nun auf Männer? So wie er bei Kamil reagiert hatte, so wie er Frauen ignorierte… hatte doch sicher seinen Grund, warum der Barkeeper ihn gefragte hatte, ob er schwul war. Darüber hatte er sich nie Gedanken gemacht. Ob es bei allen Frauen so schwer war, wie mit Mai? Ob es immer so leicht war, wie mit Seto? Allein die Erinnerung daran reichte schon aus, um das Blut in die andere Richtung zu verschieben und ihm einen heißen Schauer über den Rücken zu jagen. Wenn er an diese Hände dachte, die ihn so sanft verwöhnten, diese Lippen, die so begierig waren. Und dann dachte er an den Schmerz der Fesseln!   Durcheinander wendete er den Blick vom Meer ab und stand wütend auf. Wie sollte er denn je eine klare Meinung dazu bekommen, wenn er immer wieder zwischen den guten und den schlechten Erinnerungen hin und her geworfen wurde? Erst dachte er an die Erregung und seine Hose war dabei eine ungewollte Beule zu entwickeln und dann kam der andere Teil dieser Erinnerung und alles war wieder weg, nur ein kalter Schauer blieb. Er fühlte sich unwohl in Setos Nähe, wenn er darüber nachdachte. Die meiste Zeit ging es ganz gut, allerdings dachte er da auch nicht. Er konzentrierte sich auf die Gespräche, auf Djamila und dann dachte er einfach an gar nichts, was diese Nacht betraf. Joey warf die Decke auf das Bett und durchquerte den Raum. Jetzt konnte er eh nicht mehr schlafen und vielleicht half ein kleiner Spaziergang. Selbst wenn er nur einmal bis zum kleinen Brunnen hinunter ging und von dort aus wieder hinauf in sein Zimmer. Das war vielleicht schon genug. Mit dieser Entscheidung trat er hinaus auf den Gang und blickte hinunter in den Innenhof. Sein Zimmer lag im ersten Stock. Müde bemerkte er, wie jemand dort unten saß und neugierig schritt er leise bis zur Treppe. Er wollte keinen wecken. Als er in den Innenhof trat, schälte sich aus dem Dunkeln eine hübsche, zierliche Gestalt. Die Wolken schienen aufzureißen und dann erkannte er, wer dort im nun aufkommenden Mondlicht saß. Es war Djamila. Er stockte, als sein Blick auf ihre wunderdschönen, seidenweichen Haare fiel, die in weichen Wellen teilweise in Locken übergingen. “I'm sorry I didn't mean to bother you!” Er drehte sich auf dem Absatz um und doch kam keine Antwort. Er war sich nicht sicher, ob er zu leise gesprochen hatte, immerhin war es mitten in der Nacht. Doch dann hörte er ihre sanfte, einfühlsame Stimme. “It's okay, come over here and sit down for a moment.” Verunsichert warf er einen Blick über die Schulter und sah, dass sie nun locker ein Tuch über den Kopf gelegt hatte. “Are you sure?” Vorsichtig und schüchtern trat er zu ihr und betrachtete ihr hübsches Lächeln. Hier am Brunnen, während das Wasser lieblich vor sich hin plätscherte, im silbernen Licht des Mondes, wirkte sie wie eine Prinzessin. Ihre Augen schienen zu funkeln und ihre vollen Lippen hatten ein wunderschönes Lächeln aufgesetzt. Einige der schwarzen Haarsträhnen fielen über die Seite bis zu ihren Schlüsselbeinen hinunter. Ihr Kleid war unerwartet. Es war ein Nachthemd mit Spitze und einem Muster, welches er hier im Dunkeln nicht genau erkennen konnte. “Shouldn't I see your hair?” Fragte er vorsichtig und spürte, wie eine gewisse Wärme seine Wangen erfüllte. Er konnte ihre nackten Beine sehen, die unter dem seidig wirkenden Stoff zum Vorschein kamen. Verlegen setzte er sich auf den Rand des Brunnens und wagte es nicht, noch einmal einen Blick zu ihr zu werfen. “It's not my belief. Maybe my religion, but I don't think Allah wants we women should submit and cover us. Not in the 21st century.” Erstaunt musste Joey nun doch seinen Blick zu ihr richten. “Oh and why are you doing this?” Er blickte sie mit großen Augen an. Das war etwas verwirrend. Sie hier so zu sehen und ihre Worte, die sich so deutlich gegen alles aussprachen, was er bisher über sie wusste. “Kamil wants it that way. It's his belief.” So langsam verstand Joey die Problematik und nun wagte er einen genaueren Blick. Sie war eine wunderschöne Frau. Ihre braunen Augen funkelten, ihre vollen Lippen waren verführerisch und ihre Brüste drückten sich lockend unter dem im Mondlicht grauen Spitzennachthemd durch.   “Why don't you tell him you disagree?” Er ahnte die Antwort schon. Etwas in ihm wusste genau, was sie ihm sagen würde, aber er musste es von ihr hören. Warum, konnte er nicht sagen. Es war eher wie die selbstzerstörerische Bestätigung, dass sein Glauben an die Menschheit ungerechtfertigt war. “I belong to him I am like a piece of furniture. Everything in my life is designed to serve only him. That's why I cover myself.” Erklärte sie und Joey schluckte laut. Ein leichtes Lachen klang an seine Ohren und sie meinte mit einem spitzen, beinahe vorwerfenden Ton. “I am like his slave. Even if it is not obvious, people are still being sold and bought here. I have the impression that you know exactly how I feel. Seto and Kamil are similar. Too similar. Or is he not responsible for your blue wrists?” Erschrocken zuckte der Blonde zusammen und versuchte seine Handgelenke zu verstecken, doch das war nur schwer möglich. Noch immer waren die Stellen dunkel, an denen sich erst vor einer Nacht das Leder des Gürtels eingedrückt hatte. “But he doesn't own me.” Flüsterte er und nun spürte er, wie die Hitze in seine Wangen stieg. Er fühlte sich unsicher, verlegen, aber auf gewisse Weise auch schutzlos und schmutzig. Ja, es fühlte sich so an, als hätte Seto ihm in dieser Nacht etwas geraubt, das er nicht genauer erklären konnte. Darüber zu sprechen war nicht möglich Er konnte es ja nicht einmal genau in Worte fassen. “Does he pay you?” Begann sie und er konnte sie nicht ansehen. Joey sank beinahe in sich zusammen und seinem Verhalten nach war sie sich sicher. “You're his secretary, but that's not all, is it? Whenever he has a silly idea, he lures you with a bonus. You mentioned your sister that you finance her. That's how he plays you. He knows you would never take the money, but you take it for her. He does things that no nice person would ever do. Over and over again. But you can't go. You are trapped. In the end, it all boils down to the fact that he can do anything with you. Am I wrong?”   Und wie sie Recht hatte. Im Grunde konnte er mit ihm machen, was er wollte. Im Grunde konnte er sich nicht gegen ihn wehren und im Grunde war er vor allem hier gefangen. Er kam hier nicht weg. Ganz gleich, ob er gestern einen Aufstand gemacht hätte. Sein Blick fiel auf die Handgelenke, deren dunkel Farbe selbst in diesem spärlichen Licht zu erkennen war. Da war sie wieder, diese Angst, diese Hilflosigkeit und für einen Moment auch das Gefühl, zu ersticken. “What happened? Did he want something from you that you didn't want? Did he force you to do it in that cruel, violent way? Then tell me why are you still here? Why are you following him and pretending it never happened?” Er konnte sie nicht ansehen und doch hörte er, wie sie sich erhob. Plötzlich war sie da. Direkt vor ihm und ihre Hände griffen sanft nach den seinen. Sie beugte sich vor, das Tuch rutschte von ihrem Kopf über die Schultern zu Boden und die schwarzen Haare fielen sanft auf seine Oberschenkel. Sie küsste die Wunden an seinen Handgelenken und für einen kurzen Moment setzte sein Herz aus. Noch immer hatte er Tränen in den Augen, doch dann schloss er sie. Diese sanfte Berührung. Er kannte dieses Gefühl nicht. Sie war so zärtlich, dass es nicht einmal schmerzte. “Our strength lies in the fact that we survive everything. But sometimes we break. We must never forget how strong we are or we will die inside.” Er starrte sie mit großen Augen an, ihr Gesicht war nun nur noch wenige Zentimeter von dem seinen entfernt. Ihre Lippen wirkten so verführerisch. Wenn er den Blick senkte, würde er genau in den Ausschnitt ihres Nachthemdes sehen können. “You're the first man to see me and not what I'm supposed to be. When I'm around you it's no longer possible for me to hide myself.” Ohne es zu begreifen, es wirklich zu hinterfragen hob Joey die Hand und legte sie sanft auf ihre Wange. Sein Blick war von ihren Augen gefangen und jeglicher Gedanke war verloren. Er dachte nicht über die Folgen nach, nicht über Seto oder Kamil. Er dachte nicht daran, dass sie vielleicht Recht hatte und sie beide nichts weiter als ein Besitz waren. In diesem Moment spürte er nur die Hitze, die seinen gesamten Körper ergriff und dieses unglaublich erregende Kribbeln. “I... I have something important to tell you.” Begann er vorsichtig und unsicher, doch da beugte er sich schon vor und seine Lippen berührten die ihren. Ihr Mund erschien ihm so heiß und ihre feinen Hände umgriffen seine Hüfte. Sie kam ihm entgegen und erwiderte voller Leidenschaft den Kuss. Er spürte ihre weichen, warmen Brüste, die sich gegen ihn drückten. “I've never slept with a woman.”  Flüsterte er, als sie sich wieder voneinander lösten.   “Then we should ask ourselves if we're doing this to get revenge or to find out if you only prefer men.” Ihre Stimme hatte einen Ton, der ihm einen Schauer heißer Erregung über den Rücken laufen ließ. Er betrachtete sie für einen Moment, jedes Detail ihres Gesichtes, als würde er es nie wieder sehen können. “I want to cheat them, lie to them and look in their faces while I know what happened that night.” Er beugte sich zu einem neuen Kuss zu ihr vor und konnte noch das teuflische Lächeln erkennen, dass sich auf ihre warmen Lippen legte. Etwas verband ihn mit dieser Frau, dass er niemals erwartet hätte. Etwas vereinte sie und es schien ihm, als schlugen ihre Herzen gleichermaßen im Takt. “Come with me.” Wisperte sie und griff nach seiner Hand, während sie sich erhob. Der Mond verdeckte sein Angesicht hinter den Wolken und es wurde dunkle. Doch keiner von ihnen störte sich daran. Ohne zu zögern folgte er ihr. Etwas in seiner Seele brannte. Etwas in ihm schrie auf und wollte sich befreien. Etwas in ihm war bereit für diesen Schritt.     Verwirrt hob Kamil das rote Seidentuch auf, welches vor dem Brunnen auf dem Boden lag. Er hatte sich noch nicht ganz angezogen, wollte nur kurz hinaus, um einem der Bediensteten etwas aufzutragen. Von oben fiel sein Blick auf das leuchtende Rot, welches spielerisch zwischen dem grün der Pflanzen auf dem Boden lag. Das Tuch kannte er doch. Das war doch eines von Djamilas. Er hatte es schon ein paar Mal bei ihr gesehen. Verwirrt war er hinunter gegangen und hatte es aufgehoben. Barfuß und nur mit einer einfachen, leichten Hose bekleidet. Nicht einmal seinen Turban trug er und die braunen Haare kamen nun gut zur Geltung. Auch der muskulöse Körperbau, der bisher nur zu erahnen war, zeigte die Attraktivität des Mannes. Nachdenklich sah er sich um. Es war noch ruhig, die Bediensteten taten das, was sie machten, so leise, wie möglich. Kamil war jemand, der gerne spät ins Bett ging und lange ausschlief. Dass wussten hier alle und so hielten sie sich auch daran. Niemand wollte den Herrn des Hauses voreilig wecken. Schweigend machte sich der Mann auf den Weg hinauf zu den Zimmern. Vielleicht hatte sie es gestern dort liegen gelassen. Er hatte nicht darauf geachtet und manchmal saß sie nachts noch am Brunnen. Er hatte dieses Verhalten schon ein paar Mal bei ihr bemerkt. Kamil hatte dafür ein anderes, unangenehmes Verhalten. Als er an ihrer Zimmertür angekommen war, griff er einfach nach dem Türknauf und öffnete diesen. Er klopfte nicht an. Das tat er nie. Immerhin war das sein Haus. Immerhin was sie seine Frau. Sie gehörte ihm. „Jamilat, laqad nusiat shyyan.“ Es gab kein guten Morgen, kein, bist du schon wach. Es war eher eine Anschuldigung, warum ihr Tuch auf dem Boden lag. Du hast etwas vergessen. Nicht einmal etwas verloren. Nein, das war in seinem Gedankengut etwas Unverständliches. Wenn ihr Tuch dort lag, dann musste es ihr Fehler sein. Dann… Kamil blieb stehen und starrte auf das Bett. Das rote Spitzentuch fiel erneut zu Boden und die braunen Augen des jungen Mannes starrten auf die beiden, die dort nur noch halb unter der Decke lagen. Sofort erkannte er die blonden Haare, die so unverkennbar waren. Er erkannte den nackten Rücken, die starken, nackten Arme, die den schlanken Körper einer Frau fest an sich drückten. Djamilas schwarze Haare verdeckten zwar einen Teil ihres Oberkörpers, dennoch war offensichtlich, dass keiner von ihnen auch nur einen Fetzen Stoff am Leibe trug.   Jeder Gedanke blieb aus und ohne zu reflektieren, was er tat, stürmte er in das Zimmer. Er trat um das Bett herum und schrie ihren Namen. Erschrocken zuckte die Frau zusammen, doch da packte er schon nach ihren schwarzen Haaren und zog sie mit einem brutalen, gewaltsamen Ruck zu sich. Djamila schrie auf. Sie war noch nicht richtig wach, als der Schmerz durch all ihre Glieder fuhr. Sie begriff nicht, was hier geschah und folgte so nur dem Schmerz, der sie in eine gewisse Richtung zwang. Verwirrt und überfordert stürzte sie vom Bett und versuchte die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Nur nach und nach wurde ihr bewusst, dass sie noch immer in ihrem Zimmer war. Dem wütenden Geschrei Kamils konnte sie entnehmen, dass sie nicht allein im Bett gelegen hatte. Nur einen Herzschlag später erinnerte sie sich wieder, was sie in der letzten Nacht entschieden hatte. Joey schien da schneller zu sein. Plötzlich ließ der Griff in ihren Haaren nach und sie konnte sich befreien. Ihr Blick glitt nach oben und sie erkannte Joey, der mit voller Kraft durchgezogen hatte. Kamil stürzte neben ihr zu Boden und der Blonde stand mit geballten Fäusten über ihm. Ohne zu zögern rappelte sich der Araber wieder auf, doch so weit kam er nicht. Der 19 Jährige packte nach seinem Hosenbund und zerrte ihn so von Djamila fort, quer über den Boden zur Tür hin. Die Frau war entsetzt. So hatte sie diesen Morgen nicht erwartet.   Nun war es Kamil, der zuschlug, doch nur die Oberarme des Blonden erwischte. Dieser ließ ihn los und Kamil kam flink wieder auf die Beine. Reflexartig hatte sich der junge Mann zwischen den wütenden Araber und die hübsche Djamila geschoben. “Don't dare touch her again!” Schrie er ihn an und Kamil schien nur noch wütender zu werden. Wagte es dieser elende Bastard wirklich, ihn zu schlagen? Doch bevor er einen neuen Angriff durchführen konnte hatte Joey sich in Bewegung gesetzt. Seine Faust sauste durch die Luft und Kamil lächelte grausam. War dieser Angriff offensi… Er hatte die Arme gehoben, um zu blocken, aber Joey hatte die Richtung geändert. Mit voller Wucht traft der Schlag gegen die Bauchdecke des Arabers, der zurücktaumelte. Zu viele Kämpfe hatte Joey schon gegen Tala und seine Männer ausgefochten. Er hatte gelernt und eines war ihm schnell klar geworden. Kamil hatte nicht die Klasse, die Tala besaß. Kamil war es nicht gewohnt, sich zu prügeln. Der nächste Angriff war ebenfalls erfolgreich und so trieb Joey den Araber vor sich her, der schlecht versuchte, die Schläge zu blocken. “Don't ever touch her again!” Schrie er und mit seinem nächsten Treffer stürzte Kamil aus der Tür auf den Boden. Die Lippe des Mannes war aufgeplatzt und er hatte eine Platzwunde an der Stirn über der Augenbraue. “Wretched bastard! Have you forgotten where your place is?” Kamil spuckte auf den Boden, bevor er das sagte. Blut hatte sich darin vermischt und voller Hass und Wut blickte er zu Joey auf. “She belongs to me!” Gab er von sich und nur für einen kurzen Moment gab Joey sich der Blöße hin und suchte Djamila, die nun in der Tür stand. Er wusste, dass sie niemals tun würde, was er tat. Aber er sah ihrem Blick die tosende Wut an. Auf ihrem nackten Körper konnte er die Blessuren sehen, die Kamil hinterlassen hatte. Die blauen Blutergüsse um ihren Hals und den Oberarmen, dort wo die kräftigen Hände schmerzvoll zugedrückt hatten. Er kannte all die Striemen, die ihren Rücken zierten und ihre Beine. All die Wunden, die sonst unter dem Stoff versteckt waren. Sie alle hatte er in der letzten Nacht gefunden. Er hatte ihr Nicken nicht erwartet, aber es kam und eine seltsame Ruhe lag in dem Gesicht des Blonden. Er wartete, bis Kamil erneut aufgestanden war und die braunen Augen des Arabers Djamila voller Hass betrachteten. Es war eine fliesende Bewegung, in der Joey unter dem Angriff des Mannes hindurch tauchte und mit voller Kraft erneut einen Schlag gegen seinen Magen platzierte. Kamli taumelte zurück und Joey griff nach dem linken Knie des Mannes. Er zog es nach vorne zu sich und Kamil stürzte hoffungslos ein weiteres Mal. “My place is right between you and her!” Gab er in einem tiefen Knurren an und Kamil versuchte die Arme zu heben, als sich Joey beinahe auf ihn fallen ließ. Diese Aktion trieb ihm die Luft aus der Lunge und nahm ihm die Kraft, den nächsten Schlag zu blockieren. Dann packte er nach den Haaren des Mannes und knurrte in einem herablassenden Ton. “You are not a man! You are nothing! A nobody!” Kamil schrie auf, doch ihm fehlte die Luft dazu. Die linke Hand hatte sich hart um seinen Hals gelegt und drückte ihm die Luft ab. Panisch packte Kamil nach dem Armen des Mannes, doch die Angst saß so tief, dass er nicht wusste, wie er diesen Griff wieder lösen konnte. Regungslos stand Djamila im Türrahmen, Kamil lag vor ihr auf dem Boden des Flures und Joey saß auf ihm. Ein seltsames Lächeln lag auf ihren Lippen und ihr Blick war hart. “How does that feel? Do you want to breathe?” Raunte die kalte Stimme des 19 Jährigen und Kamil schlug unkontrolliert nach ihm. Er hatte keine Chance. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass ihm weder sein Geld, noch seine Macht halfen. Er war hoffungslos ausgeliefert und nichts als Angst blieb. Er wusste nicht, dass Joey unbewusst spiegelte, was er in seiner eigenen Angst gelernt hatte. Tala Ivanow hatte ihm beigebracht, wie man quälte, wie man zwang und wie man grausam das Herz eines Menschen zerdrückte.   „Es reicht! Hör auf damit!“ Donnerte Setos Stimme und kräftig griff er unter den Schultern des Mannes hindurch, um ihn mit einem Ruck von Kamil herunter zu ziehen. Bis eben hatte er noch leicht verschlafen in seinem Zimmer gestanden und sich umgezogen. Doch mehr als eine Hose trug er auch noch nicht. Die Haare waren noch feucht vom Duschen, als er  den Schrei seines Freundes hörte. Er hatte nicht erwartet, was dann kam. Für einen kurzen Moment war er so überfordert, dass er nur in der Tür seines Zimmers stand. Da lag Kamil auf dem Boden, Joey splitterfasernackt über ihm und Djamila stand mit dem Ausdruck grausamer Genugtuung ebenso unbekleidet in der Tür. Ein Teil seines Verstandes hatte die Situation sofort begriffen, doch das meiste weigerte sich gegen die Vorstellung, dass die beiden Sex miteinander gehabt hatte. „Lass mich los! Ich bin noch nicht fertig mit diesem Scheißkerl!“ Schrie Joey, der sich zu wehren versuchte. Doch im Gegensatz zu Kamil war der Firmenführer ein weitaus schlimmerer Gegner. Jahre lang hatte dieser trainiert, wurde ausgebildet und sein Griff war hart und gnadenlos. „Ich sagte, es reicht!“ Fuhr ihn der Brünette erneut an und dann wurde ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt. Kamil hatte sich erneut erhoben, Blut lief über sein Kinn, ebenso wie über seine Wange und die Röte an seine Hals zeigte deutlich, dass die Abdrücke Joeys zu einem Bluterguss werden würden. Ohne zu zögern hatte der Araber ausgeholt und schallend hallte der Schlag von den Wänden wieder. Djamila sah ihn groß an, während sie ihr Gleichgewicht verlor. Wie immer ließ Kamil seine Wut an ihr aus. Hart schlug ihr Kopf gegen die Türkannte und sie schrie auf. Zitternd sackte die nackte Frau zusammen.   Nur einen Bruchteil hatte Seto seine Aufmerksamkeit dem zugewandt und dann spürte er den Schmerz. Joey hatte das einzige getan, mit dem er  wirklich gegen den Brünetten vorgehen konnte. Er hatte den Kopf erst nach vorne gesenkt und dann mit aller Kraft gegen das Gesicht des 22 Jährigen geschmettert. Erschrocken ließ Seto seinen Gefangenen los und nur einen Moment später hatte sich Joey gänzlich aus dem Griff befreit. Er rannte los und dieses Mal war seine Wut ein brennendheißes Feuer. Unkontrolliert und wild. Als Kamil dieses Mal unter seinem Angriff zu Fall kam, zögerte er nicht. Ein Schlag nach dem anderen, wohin, war im Grunde egal. Hilflos versuchte der Mann sein Gesicht mit den Armen zu schützen, doch er hatte keine Chance. „Joey, hör auf!“ Erneut versuchte Seto den Blonden von seinem Freund herunter zu bekommen, dieses Mal war es jedoch deutlich schwerer. Gewaltsam musste er gegen den 19 Jährigen vorgehen, während Blut aus seiner Nase lief. Joey hatte ihn übel erwischt. Er zerrte ihn von Kamil herunter und presste ihn fest auf den Boden den Arm auf den Rücken gedreht. „Beruhige dich endlich!“ Schrie er ihn an, denn er spürte, wie der Blonde jeden Schmerz ignorierte und gegen ihn kämpfte. Er versuchte sich zu befreien, doch das war nicht möglich. Das einzige, was er damit erreichte, war den Druck auf die Schulter und die angebrochene Rippe zu erhöhen. „Bitte, Joseph, beruhige dich!“   Die blauen Augen suchten Kamil, als dieser etwas auf Arabisch sagte. Nun war es auch eine gewisse Wut, die in ihm brannte. Seine Stimme hatte diesen kalten, befehlenden Ton, unter dem selbst der Araber zusammenzuckte. Kamil sah übel aus, Blut lief über sein Gesicht und schon jetzt war klar, dass er einige Blutergüsse und Schwellungen davon tragen würde. Seto schien seine Worte zu wiederholen und nur zögerlich kam der Araber auf die Beine. Er wankte, zitterte, doch der Stolz brannte noch immer in seinen Augen. Er schien etwas zu sagen, doch Joey verstand ihn nicht. „Lass mich los!“ Forderte er und setzte wütend nach. „Ich bin mit dem Schwein noch immer nicht fertig.“ Seto drückte ihn weiter auf den Boden und ließ nicht nach. “Doch, das bist du jetzt! Du hast dem Mann gerade die Tracht Prügel seines Lebens verpasst. Nicht einmal sein eigener Vater hat ihn so verprügelt. Also lass es gut sein!“ Er sah die Verzweiflung langsam in Joey aufsteigen, die Tränen der Hilflosigkeit und der noch immer kochenden Wut. „Dann hätte er fester zuschlagen müssen. Immerhin ist nichts Vernünftiges dabei raus gekommen!“ Ein Zittern ging durch den schlanken Körper und dann sagte der 19 Jährige etwas, dass Seto unerwartet traf. „Klar, dass du diesen Scheißkerl verteidigst! Du bist ja nicht besser. Dir ist es egal, wie es anderen geht! Du ignorierst einfach ein nein, gehst über Grenzen und tust alles, um dein Ziel zu erreichen! Du bist genau so ein elender Arsch wie er!“   Er wusste, dass er ihn noch nicht loslassen durfte, doch jetzt fühlte es sich falsch an. Wieder, er tat es immer und immer wieder. Bilder dieser einen Nacht kamen ihm in den Sinn und er schluckte. Doch Joeys Wut würde nur für einen neuen Kampf sorgen. Etwas, dass er nicht zulassen konnte. „Das mag ja sein, aber seit wann prügelst du jemanden bewusstlos, der dir so dermaßen unterlegen ist?“ Seine Stimme zitterte, doch das konnte Seto nun nicht verbergen. „Hör zu, ich will dir nicht weiter weh tun. Wenn ich dich jetzt loslasse, rennst du ihm nicht nach, verstanden?“ Seine Worte hatten nur einen eindringlichen Ton, nicht die Schärfe, mit der er Kamil eben angegangen war. Es dauerte. Die Zeit schien nur zäh zu vergehen, während der Brünette Joey weiterhin auf den Boden drückte. Ganz vorsichtig begann er den Griff zu lockern, angespannt und immer damit rechnend, dass der 19 Jährige auch ihn angehen würde. Doch nichts geschah. Joey schien sich gefasst zu haben und so erhob sich der Brünette langsam, gab ihm Platz. Vorsichtig zog Joey den Arm von seinem Rücken herunter, nur um sich dann doch schnell zu erheben. „Djamila?“ Erleichtert stellte Seto fest, dass der Blonde offenbar in erster Linie Interesse an der jungen Frau hatte. Schweigend beobachtete er, wie Joey ihr auf die Beine half und sie hinein in das Zimmer führte. Der Firmenführer wischte sich mit dem Handrücken unter der Nase entlang und sah, was er schon schmeckte: Blut. Anscheinend hatte Joeys Angriff seine Spuren hinterlassen und der Schmerz in seiner Nase machte deutlich, dass dieses Problem nicht gleich wieder weg sein würde. Vorsichtig kam er näher, blieb in der Tür stehen und bemerkte, dass Joey nun wenigstens eine Hose trug und Djamila in die Decke eingewickelt war. Sie hatte die Augen geschlossen und zitterte. Ihre Wange war dunkelrot, der Schlag Kamils hatte gesessen. Jedoch war auch Seto aufgefallen, in welchem Zustand der sonst verhüllte Körper der 23 Jährigen war.   „Kannst du mir vielleicht erkl…“ Weiter kam er nicht, denn Joey tat etwas, dass ihn irritierte. Dieser hielt ihm ein Handtuch entgegen. Dankend nickte er und versuchte die Spuren des Angriffs zu beseitigen. Er wischte sich das Blut von der Brust und dem Kinn, presste es dann unter die Nase. Der 19 Jährige zitterte noch immer vor Wut, die aufkommenden Tränen waren fort. „Djamila und ich haben die Nacht miteinander verbracht und als Kamil uns fand, zerrte er sie an den Haaren aus dem Bett. Da bin ich dann dazwischen gegangen. Hätte nicht erwartet, dass der Kerl so ein miserabler Kämpfer ist.“ Augenblicklich fiel Setos Blick auf die Fingerknöchel des 19 Jährigen, die gerötet und aufgeplatzt waren. Joey hatte mit voller Wucht zugeschlagen. So zog der Brünette das Handtuch fort und fragte verständnislos. „Wie kommt ihr beiden auf die dumme Idee, so einen Scheiß zu tun. Sie gehört Kamil. Ist doch klar, dass er so reagiert!“ Doch die braunen Augen blickten ihn kühl an. „Ist sie seine feste Freundin?“ Seto stockte. „Nein.“ Joey trat auf ihn zu. „Ist sie seine Verlobte? Seine Ehefrau?“ Wieder verneinte Seto diese Frage. „Dann sag mir, wie sie ihm gehören kann? Gehört sie ihm, wie ein Möbelstück? Wie ein Tisch? Wie ein Stuhl? Wie eine Sklavin? Ist es das?“ Klang die Stimme des jungen Mannes kalt und der Brünette spürte, wie ihm das Blut erneut über die Oberlippe tropfte. „Kamil hat keinerlei Anrecht auf sie, nicht wahr? Er glaubt, dass er sie besitzt. So wie du glaubst, mich zu besitzen. Aber das tun wir nicht. Weder gehört sie ihm, noch ich dir. Ich kann meine Nächte in den Betten verbringen, in denen ich gerne liege.“ Nun war der Blonde direkt vor Seto getreten, seine Stimme zitterte noch immer vor Wut und in den braunen Augen konnte er die Gefühle so deutlich erkennen, dass ihm ein Schauer über den Rücken lief. „Aber du und er, ihr seid euch ähnlich. Also sag mir, was für ein Mensch muss man sein, um im betrunkenen Zustand über jemand anderen herzufallen? Ihn zu fesseln und zu vergewaltigen? Sag mir das, Kaiba! Oh nein, Seto! Wir sind einander ja näher gekommen!“ Der Brünette wich zurück, instinktiv. Er hatte beinahe den Eindruck, dass die Wut den Blonden wie eine heiße Welle umgab. Er konnte sie regelrecht spüren und die gesamte Haltung des jungen Mannes signalisierte Gefahr. „Ihr beide habt eine schlechte Angewohnheit. Ihr seid beide gewalttätig. Ich verstehe, warum er dein Freund ist. Ich habe mich bis heute nicht von Tala unterkriegen lassen. Ganz gleich, womit er mir auch immer droht. Für meinen nächsten dummen Kommentar will er mir die Zunge raus schneiden. Hat er mir erzählt, während sein Messer mein Fleisch aufschlitzte.“ Er deutete auf die Narbe unter seinem Auge. „Damit ich sein Versprechen nicht vergesse. Was willst du mir jetzt noch antun? Es schlimmer machen, als in dieser Nacht?“ Wieder wich der Brünette zurück, die eisblauen Augen starrten ihn nur groß an.    „Was hältst du davon, wenn du deinen Hintern hier heraus bewegst und zu Kamil gehst? Er könnte einen Arzt gebrauchen. Ich war vielleicht ein wenig unkontrolliert. Weißt du, das ist so eine schlechte Angewohnheit von mir. Ist doch klar, dass ich so reagiere, wenn jemand eine Frau vor meinen Augen misshandelt oder? Sie schlägt! Dann kannst du derweil gleich einmal darüber nachdenken, was dich noch von deinem Stiefvater unterscheidet! Aktuell sehe ich da nicht sehr viele Punkte.“ Schweigend starrte Seto in die braunen Augen, die ihn ohne Gnade anblickten. Eine Gänsehaut lief über seinen Rücken und seine Arme. Das war ein Mann, den er nicht unterschätzen sollte. Er presste noch immer das Handtuch gegen seine Nase und spürte, wie das Blut weiter aus dieser lief. Faktisch hatte Joey Recht. Aber so lief es nun einmal nicht. Mürrisch knirschte der Brünette mit den Zähnen. Was für eine scheiß Situation! Ohne ein Wort zu sagen, drehte er sich um und verließ das Zimmer. Noch immer gingen ihm diese Bilder nicht aus dem Kopf. Joey hatte genau gewusst, wie er angreifen musste. Er hatte genau gewusst, was er tat. Vielleicht war er zu Anfang davon überrascht gewesen, dass Kamil sich nicht wehren konnte, doch dann hatte er sein volles Potenzial ausgenutzt. Seto war bisher immer davon ausgegangen, dass Joey ein miserabler Kämpfer war. So wie er immer verprügelt wurde. Doch darin schien ein Fehler zu liegen. Anscheinend war es nur die falsche Klasse, in der er kämpfen musste. Wie er Kamils Angriff ausgewichen war und die ungedeckte Stelle mit einem Volltreffer versehen hatte.     Die Zeit verstrich und der Arzt hatte Kamil versorgt. Der junge Araber lag auf einer Liege im Schatten der Terrasse vor seinem Haus. Die Nase war mit weisen Streifen versehen, die Wangen waren geschwollen und er trug die ein oder anderen Verbände. Der Hals war  mittlerweile dunkelblau angelaufen, dort wo ihn Joey gewürgt hatte. Ein Kühlpack auf der Stirn. Seto saß daneben auf einem Stuhl, auch seine Nase hatte man versorgt und er hatte einen Kühlbeutel im Nacken. Es ging ihnen beiden nicht sonderlich gut und Kamil litt vor sich hin. Seto warf nur einen herablassenden Blick zu ihm und meinte auf Arabisch, dass er selber Schuld wäre. Der erste Angriff musste doch schon deutlich gezeigt haben, dass Joey ihm überlegen gewesen wäre. Was musste er sich auch noch weiter mit ihm anlegen. Kamil spielte den Sterbenden und beschwerte sich, dass das alles ein Nachspiel haben würde. Selbst, wenn Joey wieder in Japan wäre, er würde jeden Anwalt, den er finden konnte, auf den jungen Mann hetzen. “You won't do that!” Erklang plötzlich Djamilas Stimme und sie trat aus der großen Tür hinaus auf die Terrasse. Erstaunt hob Seto den Blick und musste schlucken. Wow, er hatte gewusst, dass sie hübsch war, aber nicht so hübsch. Die 23 Jährige trug ihre schwarzen Haare nun offen und große, goldene Ohrringe tanzten bei jeder Bewegung um ihren nackten Hals. Ihr Kleid bestand aus nichts weiter als einem großen, roten Tuch mit einem orientalischen Muster. Sie hatte es sich elegant umgewickelt und mit einem weiteren, hübschen Schal in einem dunkeln Ton in der Taille zusammengebunden. So waren ihre Arme nackt und ab den Knien war ihre helle Haut zu erkennen. Erstaunt erhob sich Kamil und schien etwas auf Arabisch zu schimpfen. Er drohte ihr, war wütend und erbost. Joey lehnte gelassen und mit einem kalten Blick im Türrahmen und beobachtete die Szene. Er schien nur auf ein Zeichen zu warten. Doch dieses Mal war es die junge Frau, die voller Wut brannte.   “You fucking bastard really think I need Joey? It’s enough for me! From now on it's over! I’m no longer your property! I belong to myself and I don't need you or any other man! Just because I thought I had no other choice doesn't mean I depend on you and your money!” Ihre Stimme hatte einen vor Wut zitternden Ton und mit einem kraftvollen Schritt ging sie auf den jungen Araber los. Seto sah sie nur mit großen Augen an. Er hatte Djamila niemals schimpfen hören. Irgendwie war er sogar erstaunt, dass sie solche Worte überhaupt kannte. “You don't know anything about me, Kamil! Shut up, now I'm talking!”  Sie fuhr ihn an, als er sich gerade erheben wollte und zu einem Schwall Vorwürfe ansetzen. Erschrocken zucke er zusammen, als sie drohend den Zeigefinger erhob. “I know you don't realize it, but I've been a writer for years. I have my own bank account, my own salary, my own life. I'm only here because I thought I had to. That you are my lord, that I have no other choice. But I could go anytime!” Erstaunt sahen sie nun beide Männer an und Joey lächelte. Doch die nächsten Worte ließen Kamil in sich zusammenfahren. Mit großen Augen starrte er sie an und sein Mund stand offen. “You don’t know anything about me. I love Western European literature, I love Indian films and I hate wrapping myself up so that every hot dog next to me looks naked! As of today, that's the end of it. If I stay you will never raise your hand against me again or I will call the police and move out the same day! THAT'S THE ONLY WARNING I GIVE YOU!” Schweigen herrschte auf der Terrasse und fragend blickte Seto zu seinem Freund. Dieser starrte Djamila nur mit großen Augen an und nickte. Er schien nicht fähig, noch auf eine andere Art zu reagieren und dann sagte sie noch etwas, dass den jungen Araber völlig überforderte. “Nice! Then I'll order Indian now because I'm hungry. Of course you will pay the bill and if you want to eat something else, take care of it yourself!” Kamil war noch immer völlig überfordert, so war es Seto, der die Frage aller Fragen stellte. “Are you a writer? How?”  Djamila stand schon in der Tür, sie hatte sich eiskalt umgedreht und nun blickte sie über die Schulter zu dem 22 Jährigen. “You know, there's an invention called the Internet. So you can work without leaving the house. Anytime, whenever you want.” Diese Antwort war gut. Eigentlich offensichtlich. Allerdings tat er sich auch schwer darin, Djamila vor einem Laptop zu sehen. Doch sie zog gelassen ein buntes Handy aus ihrem Büstenhalter und entsperrte es, während sie hinein ging. Anscheinend hatte sie den indischen Lieferdienst in der Schnellwahl, denn kurz darauf konnte er hören, wie sie auf Arabisch zu bestellen begann. Noch immer überfordert blickte Seto zu seinem Freund, der nun dunkelrot angelaufen war. Er saß da auf der Liege, das Kühlpack in der Hand und den Mund noch immer offen. “Wow, she's hot and stunning at the same time.” Kam von ihm und er blickte ihr weiterhin unfähig nach. “I didn't know she... she's so perfect!” Seto musste lachen. Anscheinend hatte Kamil ein ziemlich großes Interesse an dieser deutlich herrischeren Djamila. Allerdings musste er ihm in meinem Punkt Recht geben, sie hatte etwas. Ihre gnadenlose, autoritäre Art, mit der sie Kamil zusammenfaltete, machte sie unwiderstehlich. Während des Tages gab es immer wieder Situationen, in denen Kamil sich gegen diese Vorherrschaft zu wehren versuchte, bis Djamila mit einer gepackten Tasche im Innenhof stand und sie vor seine Füße fallen ließ. Sie fragte ihn provozierend, ob sie wirklich gehen sollte. Es war ein absurdes Bild und noch absurder wurde es, als er Kamil darum bitten hörte, dass sie doch bliebe. Tat er das wirklich? Wollte er so dringend, dass sie ihn nicht verließ? Anscheinend hatte Kamil neben seiner herrisch egoistischen Seite, auch eine masochistische, die gerne seelisch von Djamila auf die Knie ging. Sie sah dabei aber auch heiß aus.        Vorsichtig klopfte er bei Joey an. Als dieser ihn herein rief, musterte der blonde Mann ihn skeptisch. „Was willst du?“ Fragte Joey und Seto lächelte zurückhaltend. „Mich mit dir über das unterhalten, was geschehen ist. Über diese Reise, über die Vorkommnisse. Ich wollte mich entschuldigen.“ Kurz schien der 19 Jährige ihn zu ignorieren und schlug seinen Koffer zu, den er schloss. „Dann fang doch damit an.“ Kommentierte er schließlich und hob den Blick erneut, die Arme überkreuzte er abwehrend vor der Brust. Mit einem tiefen Durchatmen schloss Seto die Tür hinter sich. „Es tut mir leid, dass ich dir bisher nicht dafür gedankt habe, dass du mich auf dieser Reise mehrfach gerettet hast. Ohne dich wären die Verhandlungen nicht so schnell abgeschlossen gewesen. Vielleicht hätte ich es ohne dein Eingreifen sogar gänzlich versaut. Du hast mich davor bewahrt, in der Bar einen Aufstand zu machen und du bist für mich eingesprungen, als wir am nächsten Morgen völlig fertig und erledigt im Meeting saßen. Ohne dich wäre diese Reise ein absoluter Reinfall geworden.“ Seine Worte klangen ernst und ehrlich. Er blickte den jungen Mann offen an und atmete doch unsicher durch. „Außerdem möchte ich mich dafür entschuldigen, dass ich vorhin schon wieder übergriffig geworden bin. Ich habe dir gesagt, dass ich kein Nein mehr übergehen werde, aber…“ Er brach verlegen ab und wich dem Blick des anderen aus. „Schon gut. Du hattest Recht, ohne dich hätte ich Kamil wahrscheinlich weiter verprügelt und ich bin mir nicht sicher, wie weit ich gegangen wäre. Ich war sauer und ich weiß, dass Kamil nicht nur wegen Djamila Prügel kassiert hat. Er hat auch deine Tracht Prügel erhalten. Irgendwie hatte sich alles aufgestaut und diese Sache war nur der Auslöser.“ Diese Worte löste die Verschränkung der Arme etwas. „Das dachte ich mir schon. Eigentlich bist du niemand, der auf wehrlose so los geht.“ Antwortete der Brünette und fügte dann hinzu. „Es tut mir wirklich leid. Diese Reise war… anders geplant. Ich hätte nicht gedacht, dabei auf so viele Abgründe zu stoßen.“ Es war deutlich, dass Seto auch die eigenen meinte. Dann hob er den Blick wieder und sah zu ihm. „Als du vorhin meinen Stiefvater angesprochen hattest…“ Begann er nun erneut, doch brach den Satz ab. Joey ließ sich auf die Bettkannte fallen und blickte zum Fenster. „Ich wusste, dass es dich trifft. Das war das eigentliche Ziel. Ich glaube, dass du ihm in einigem ähnlich bist, aber ich kann mir bei ihm nicht vorstellen, dass er sich noch in dieser Nacht um mich gekümmert hätte oder dass er jetzt hier wäre, um irgendwie darüber zu reden.“ Als die braunen Augen zu Kaiba fanden, sah er Erleichterung. „Hör zu, ich weiß nicht, was ich von dieser Reise halten soll. Es ist… seltsam. Das mit uns, dass mit Djamila. Ich weiß, dass sie mich ein Stück weit ausgenutzt hat. Wie bewusst ihr das ist, kann ich nicht sagen. Aber sie hat ein wenig darauf gesetzt, dass ich Kamil in seine Schranken weise. Ich glaube, dass sie ein ganz schön hintertriebenes Miststück sein kann. Aber ich mag sie.“ Gab er von sich und seufzte dann. Der Ausdruck in dem anderen Gesicht ließ ihn lächeln. „Wenn wir wieder zurück sind, will ich noch mal zum Arzt. Ich glaube, dass meine Rippe einiges abbekommen hat und meine Schulter tut echt weh. Was diese Nacht angeht und das, was vielleicht noch zwischen uns sein wird… keine Ahnung. Immer noch nicht. Es gab Dinge, die ich gerne wiederholen möchte, aber jetzt fehlt mir das Vertrauen dazu. Die Aktion vorhin, so richtig sie auch war, hat es nicht gerade besser gemacht. Ich weiß, dass du mir überlegen bist und dass macht es nicht leicht, mich auf dich einzulassen. Also, ich denke, dass da nichts weiter sein wird. Das war wahrscheinlich das einzige Mal, dass wir Sex miteinander hatten.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)