Auch Eis kann brennen, wenn es auf Feuer trifft von abgemeldet (...und kann lernen sich daran zu wärmen) ================================================================================ Kapitel 6: Ich bin da, wenn du mich brauchst. - Und auch, wenn nicht. ---------------------------------------------------------------------- Es war Samstagvormittag. Mokuba war bei einem Schulfreund zu Besuch und würde erst am späten Nachmittag wieder kommen. Ich hatte mich in mein Zimmer zurückgezogen, da ich noch einige Programme und Designs überarbeiten musste. Seto war, so weit ich wusste, in seinem Büro und brütete über irgendwelchen Akten. Da Mokuba nicht da war nutze er die Zeit um noch etwas Arbeit aufzuarbeiten. Aber anscheinend hatte er keine Lust gehabt dazu in die Kaiba Corporation zu fahren. Ich nutzte die Zeit ebenfalls um zu arbeiten, aber ich blieb in meinem Zimmer, da ich mich ja an Setos Hausregeln halten wollte. Das letzte Mal war ich noch gut davon gekommen, aber ich wollte es wirklich nicht heraufbeschwören. Vor allem nach dem gestrigen Morgen. Seto verhielt sich zwar so als ob nichts geschehen wäre, aber ich wollte ihn dennoch nicht unnötig herausfordern. Obwohl ich schon irgendwie den Eindruck gehabt hatte, dass das fast schon liebevoll hergerichtete Abendessen gestern doch irgendwie ein Versöhnungsangebot hatte sein sollen. Wenigstens hatte ich so das Gefühl. Aber dennoch wollte ich nichts provozieren. Also verhielt ich mich so ruhig und unauffällig wie möglich. Doch langsam bekam ich Durst und auch leichten Hunger. Ich beschloss mir etwas zu trinken zu holen, aber mit dem Mittagessen würde ich noch ein wenig warten. War ja doch noch etwas früh dazu. Also verließ ich, so wenig Lärm wie möglich machend, mein Zimmer um in die Küche zu gehen. Ich lief an der zur meiner Überraschung offenen Bürotür vorbei und warf im Vorbeigehen einen kurzen Blick hinein. Doch als ich Seto hinter seinem Schreibtisch sitzen saß, blieb ich abrupt stehen. Eigentlich hatte ich ja in die Küche gehen wollen, aber jetzt... Seto saß zurückgelehnt in seinem Bürostuhl und massierte sich mit geschlossenen Augen die Schläfen. Er sah erschöpft und überarbeitet aus. Wie so oft. Doch diesmal war es das erste Mal, dass ich sah wie er anscheinend unter Kopfschmerzen litt und wie müde er tatsächlich war. Ich konnte nicht anders, denn es war nicht meine Art einfach nur zuzusehen und nichts zu tun. Ich trat in den Türrahmen, klopfte kurz, aber deutlich gegen das Holz und ging dann sofort weiter in den Raum hinein, ohne auf seine Reaktion zu warten. Er öffnete überrascht die Augen und ließ seine Hände sinken. Er sah mir wie immer direkt in die Augen. "Seto brauchst du irgendetwas? Vielleicht einen Kaffee...oder Tee?" Bei dem letzen Wort konnte ich ein Grinsen nicht unterdrücken, was mir auch sofort einen missbilligenden Blick von ihm einbrachte. "Ich verzichte." Ich trat an seinen Schreibtisch heran und sah in nun ernst und durchdringend an. "Wirklich Seto, ich würde dir gerne einen Kaffee machen. Der wird dir bestimmt gut tun." "Ich brauche nichts." Ich war enttäuscht. Ich sah doch genau, dass das nicht die Wahrheit war, aber er war einfach zu stolz um sich von mir etwas bringen zu lassen. "Wenn du meinst." Ich konnte meine Enttäuschung nicht ganz aus meiner Stimme drängen. Ich fand es schade, dass er mich immer noch nicht akzeptierte. Ich wollte mich gerade umdrehen und sein Büro verlassen, als er mich rasch zurückhielt. "Warte Sarah..." Ich hob meinen Kopf wieder und blickte ihm in seine meeresblauen Augen, die erneut einen kurzen Augenblick nicht desinteressiert zu sein schienen. Ich sah ihn fragend über den großen Schreibtisch hinweg an. Immer noch saß er zurückgelehnt in seinem Bürostuhl. "Einen schwarzen Kaffee." Mehr sagte er nicht, aber das brauchte er auch nicht. Ich konnte nicht anders und musste sofort wieder lächeln. Für einen Seto Kaiba war das gerade eben ein unglaublich schwerer Schritt gewesen. Jemand anderes zu gestatten ihm behilflich zu sein. "Mach ich gerne." Sein Gesicht blieb wie immer ausdruckslos und er reagierte auch nicht auf mein Lächeln. "Soll ich dir vielleicht auch etwas zu essen machen?" "Nur den Kaffee." Da war ich wohl einfach ein bisschen zu euphorisch gewesen und hatte mich nicht mehr beherrschen können. Natürlich hätten ihm etwas zu Essen gut getan, aber das würde er nicht von mir annehmen. Aber ich konnte doch zufrieden sein, dass er mir überhaupt gestattete ihm einen Kaffee zu machen. Ich nickte ihm zu und machte mich immer noch vor mich hin lächelnd auf den Weg in die Küche. Ich war nahe daran vor mich hin zu summen, so glücklich war ich, dass Seto mich ihm helfen ließ. Aber ich zwang mich dazu es zu unterlassen, denn das würde ihm garantiert nicht gefallen, wenn ich summend in der Wohnung herumlaufen würde. Nach fünf Minuten war der Kaffee fertig und verbreitete einen starken, aromatischen Geruch. - Nun ja, wenn man den Geruch mag...- Mit einer dampfenden Tasse ging ich mit vorsichtigen Schritten in sein Büro, immer darauf bedacht nichts zu verschütten. Seto tippte schon wieder auf seiner Tastatur herum und schien Daten in seinen Computer einzugeben. "Dein Kaffee." Ich stellte die heiße Tasse vor ihm auf den Schreibtisch und musste dabei die ganze Zeit über glücklich vor mich hin lächeln. Er hob kurz den Kopf und sah mich an, doch dann wandte er sich wieder seiner Arbeit zu. Ich verließ immer noch erfüllt mit Glückseeligkeit sein Büro. Selbstverständlich erwartete ich nicht, dass er sich bei mir bedanken, oder sonst etwas sagen würde, nein, dafür kannte ich ihn mittlerweile gut genug. Aber es machte mir auch gar nichts aus. Ich war einfach nur glücklich. Als er seinen Kopf kurz hob und sie anblickte sah er, wie sie über das ganze Gesicht strahlte. Aber sie sah ihn nicht weiter an, erwartete offensichtlich auch kein idiotisches "Danke" von ihm, sondern verließ immer noch lächelnd wieder sein Büro. Sie war ihm einfach ein Rätsel. Egal wie lange er sie nun schon kannte, er war immer noch nicht fähig sie zu durchschauen oder ihr Verhalten richtig einzuschätzen. Wie konnte man sich nur so darüber freuen ihm einen Kaffee gebracht zu haben? Das war doch nicht normal. Wer freute sich schon dermaßen, nur weil er eine Tasse Kaffee gemacht hatte? Dennoch...er wusste selbst nicht genau, warum er es ihr gestattet hatte. Er brauchte keine fremde Hilfe und trotzdem hatte er ihre angenommen. Wegen ihrem enttäuschten Blick vorhin, oder doch nur weil er sie einfach wieder aus seinem Büro haben wollte? Er konnte es nicht sagen. Er griff nach der Tasse und nahm vorsichtig einen Schluck des heißen Getränkes. /Hm, stark und gut. Kein schlechter Kaffee./ Ja, sie war seltsam, aber er musste zugeben, sie hatte wirklich Recht gehabt. Der Kaffee tat ihm gut und irgendwie hatte es ihm doch gefallen, dass sie ihm dieses Angebot gemacht hatte. Ich fühlte mich immer so glücklich, wenn ich jemanden helfen und somit eine Freude bereiten konnte. Es machte mir einfach Spaß, wenn ich jemanden behilflich sein konnte, ihm etwas Arbeit abnehmen konnte, der Person einfach das Leben ein wenig erleichtern konnte. Ich wurde dann immer so glücklich. Besonders wenn ich jemanden half, den ich mochte, oder den ich als meinen Freund betrachtete. Nun Seto würde mich wahrscheinlich niemals als seine Freundin bezeichnen, aber von meiner Seite aus bestand durchaus so etwas wie Freundschaft zwischen uns. Zwar keine wirklich enge, aber dennoch machte es mir Spaß ihm meine Hilfe anzubieten und war dann natürlich umso glücksseliger, wenn er diese dann auch noch annahm. Denn gerade er hatte wirklich viele Lasten in seinem Leben zu tragen. Er leitete eine Firma, sorgte ganz allein für seinen Bruder und führte irgendwann auch ein Privatleben. Auch wenn ich noch nicht ganz herausgefunden hatte wann und wo er das tat. Da konnte ich doch leicht ein paar Kleinigkeiten für ihn erledigen, um es einfacher für ihn zu machen. Und ich tat es gerne. Sei es auch nur ihm einen Kaffee zu machen. Immer noch vor mich hin lächelnd ging ich in mein Zimmer und setzte mich an meinen Labtop. Erst nach gut 30 Minuten intensiver Arbeit konnte ich aufhören vor Fröhlichkeit vor mich hin zu schmunzeln. Wie leicht man mich doch glücklich machen konnte! Ich musste jemandem nur eine Freude machen können. Jetzt erst viel mir ein, dass ich vor Lauter Freude und Hilfsbereitschaft ganz vergessen hatte mir selbst etwas zu trinken zu holen. Ich musste über mich selbst lachen. Das konnte auch nur mir passieren. Aber da ich gerade mitten in einem Werbedesign vertieft war, beschloss ich erst mal schnell diese Arbeit zu beenden, bevor ich mir eine kühle Cola können würde. Ich wollte jetzt nicht mitten in der Aufgabe unterbrechen, denn sonst würde ich wieder einige Zeit brauchen, um erneut in die Arbeit hineinzufinden. Also machte ich mich daran an dem Entwurf zu feilen. Nach endlosen hin und her Versuchen war ich endlich zufrieden. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich weitere 40 Minuten darüber gebrütet hatte. Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und streckte mich ausgiebig. - Jetzt habe ich mir aber ehrlich was schön Kaltes verdient. - Ich stand auf und machte mich, wieder so leise wie möglich, auf den Weg zur Küche. Mit leisen Schritten huschte sich an Setos offener Bürotür vorbei und ging ohne Umweg zum Kühlschrank. Das stetige Tippen auf Tastatur war eigentlich das einzige Geräusch, das die Wohnung erfüllte. Seto war fleißig am Arbeiten. Ich holte mir eine Dose Cola aus dem Kühlschrank, öffnete sie und nahm genüsslich einen Schluck. Die kalte Flüssigkeit rann brennend meine ausgedorrte Kehle hinunter. Das tat wirklich gut. Nachdem ich jetzt mein Getränk hatte machte ich mich wieder leisen Schrittes, auf den Weg in mein Zimmer. Ich wollte Seto nicht bei seiner Arbeit stören, also versuchte ich so unauffällig wie möglich wieder zu verschwinden. Ich ging gerade an seinem Büro vorbei, als ich seine Stimme vernahm. "Ist dir langweilig?" Ich hob überrascht den Kopf und sah durch die offene Tür in sein Arbeitszimmer. Seto saß an seinem Schreibtisch, den Blick nicht von seinem Bildschirm lösend und tippte eifrig auf der Tastatur herum. Ich war einige Sekunden völlig überrascht, erst bei genauerem Hinsehen wurde mir klar, dass er nicht telefonierte und somit also mit mir gesprochen haben musste. - Woher weiß er denn, dass ich hier bin, wenn er nicht mal hoch geblickt hat? Hat er mich gehört? Auf jeden Fall hat er mit mir gesprochen. - Ich trat also näher heran und lehnte mit entspannt am Türrahmen an. "Nein, wieso?" Jetzt hörte er auf seine Tastatur zu bearbeiten, hob den Kopf und sah mich an. "Weil du hier so herumschleichst." Ich sah ihn einen Augenblick verblüfft an, doch dann lächelte ich leicht. "Ich schleiche doch gar nicht. Ich habe mir nur etwas zu trinken geholt." Ich hob die Cola Dose hoch um meine Worte zu verdeutlichen. "Und ich war nur leise um dich nicht abzulenken...Habe ich dich bei deiner Arbeit gestört?" Ich hoffte zumindest nicht. Das war nun wirklich das Letzte was ich vorgehabt hatte. Er lehnte sich leicht in seinem großen Bürosessel zurück. "Nein, nicht wirklich." Ich lächelte erleichtert. "Dann bin ich froh." Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob er sich und stand ganz auf. "Ich hatte sowieso vor eine Pause einzulegen." Damit ging er um den Schreibtisch herum und durchquerte mit ruhigen Schritten das Büro. "Ach so...Macht es dir was aus, wenn ich dir dabei etwas Gesellschaft leiste?" Gerade durchschritt er den Türrahmen. Sein Mantel, der sich bei seinen Bewegungen leicht aufbauschte streifte meine Beine. "Nein." Er sah mich dabei nicht an, sein Blick war nur geradeaus gerichtet, aber seine Stimme war ruhig und gänzlich ohne Spott. Ein erfreutes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, welches Seto allerdings nicht mehr sehen konnte, da er mir schon den Rücken zugewandt hatte und direkt auf die Küche zusteuerte. Rasch folgte ich ihm. Er erreichte gerade den Kühlschrank, öffnete ihn und holte eine Flasche Wasser heraus. Leise schloss er die Türen wieder und lehnte sich nun mit dem Rücken an die Arbeitsfläche an. Mit einer geübten Handbewegung öffnete er die Flasche und nahm einen großen Schluck. - Hm...wieso wundert es mich nur nicht, dass er Evion Wasser trinkt? Natürlich kommt bei ihm nur das teuerste Mineralwasser ins Haus. Also mir würde ja auch ein Glas Leitungswasser genügen...Aber dann direkt aus der Flasche trinken? Seto, dass ist wirklich ein fieser Stilbruch. So teures Wasser trinkt man nicht aus der Flasche! - Ich musste leicht schmunzeln, doch wandte mich nun meinerseits dem Kühlschrank zu. Mit einigen geschickten Handgriffen holte ich diverse Zutaten heraus und machte mich nun an der anderen Arbeitsplatte, ihm gegenüber, daran ein Sandwich zuzubreiten. Ein typisch Amerikanisches Sandwich, mit Schinken, Mayonnaise, Tomaten und Weißbrot. So wie mein Großvater es oft für mich gemacht hatte, als ich noch ein Kind war und er noch gelebt hatte. Er hatte diese Art von Sandwich geliebt...er war eben doch ein Amerikaner durch und durch gewesen. Aber ich mochte es mindestens genauso gerne wie er. - Nostalgie? Vielleicht. Sorgfältig belegte ich die Toastscheiben und bestrich alles mit der Mayonnaise. Währenddessen unterhielt ich mich ein wenig mit Seto und war erstaunt, dass er bereitwillig Auskunft gab und sich am Gespräch beteiligte. "Kommst du gut mit der Arbeit voran?" "Ich bin zufrieden." "Arbeitest du öfters Samstag?" "Ich arbeite jeden Tag wenigstens ein paar Stunden. Aber wenn sich die Gelegenheit ergibt, so wie heute da Mokuba nicht da ist, da arbeite ich voll durch." "Sogar am Sonntag?" Ich drehte mich leicht um und sah ihn fragend an? Er nahm einen Schlug von seinem Wassers, ehe er mir antwortete. "Jeden Tag...aber ich denke du kannst das wohl nachvollziehen...Du sitzt doch bestimmt auch nicht die ganze Zeit in deinem Zimmer und starrst die Wand an, oder?" Ich musste lächeln und beschäftigte mich wieder mit dem Sandwich. "Erwischt. Ja ich sitze auch gerade an meinem Computer und arbeite." "Habe ich mir gedacht." Das Sandwich war fertig und nun teilte ich es diagonal in zwei Hälften. Ich legte beide auf den breit gestellten Teller und drehte mich um. "Uns beiden ist unsere Arbeit eben sehr wichtig." Ich hob den Teller mit ausgestrecktem Arm hoch und hielt ihn Seto entgegen. Sanft lächelte ich ihn an. Sein Blick wanderte von meinen Augen zu dem Teller mit den Sandwichs hinunter und wieder zurück. Ich konnte richtig sehen, wie ein innerer Kampf in ihm ausgebrochen war. Er überlegte fieberhaft wie er reagieren sollte. Sollte er mein Angebot abweisen, sollte er mir verdeutlichen, dass er sehr wohl fähig war, sich selbst etwas zu essen zuzubereiten, oder...oder sollte er mal etwas ganz verrücktes tun und meine Aufforderung tatsächlich annehmen und einfach mal zugreifen? Der Zwiespalt wütete nur zwei Sekunden, aber es war wohl eine schwere Entscheidung für ihn. Ich sah wie der den Kampf 'verlor' und mit einer langsamen Handbewegung hob er den Arm und ergriff eine der Sandwichhälften. Er hob das Sandwich auf und führte es zum Mund. Ich nahm währenddessen die andere Hälfte vom Teller und stellte diesen hinter mich auf der Küchentheke ab. Er hatte genau verstanden, was ich ihm angeboten hatte und er war tatsächlich darauf eingegangen. - Heute scheint er einen wirklich guten Tag zu haben. Erst der Kaffe vorhin und jetzt auch noch das Sandwich. Seto, du machst dich noch. Und du siehst, es ist gar nicht so schwer sich mal von jemandem behilflich sein zu lassen. Und hab ich also doch richtig getippt, du hattest sehr wohl Hunger. - Ich lehnte mich Seto schräg gegenüber an der Arbeitsfläche an und biss nun ebenfalls in mein Sandwich. Ich ließ mir den Bissen auf der Zunge zergehen, während Seto schon kräftig kaute. Kurz herrschte Stille zwischen uns, indem man nur seine eigenen Kaugeräusche vernehmen konnte, doch dann ergriff ich wieder das Wort. "Hat Mokuba dir gesagt, wann er wieder nach Hause kommt?" "Ja. Er meinte um fünf Uhr ungefähr müsste er wieder da sein...Wieso? Hat er es dir nicht gesagt?" Er nahm einen weitern Bissen und sah mich fragend an. "Doch schon, aber nicht so genau. Er hat nur gemeint, dass er heute wohl am späten Nachmittag wieder da sein wird, aber keine richtige Uhrzeit." "Hm...Warum fragst du?" "Ich wollte es nur wissen...Jetzt weiß ich, dass ich noch bis fünf arbeiten kann und dann was mit Mokuba machen kann." Er nickte kurz, um mir zu zeigen, dass er verstanden hatte. Er kaute gerade am letzen Bissen seines Sandwichs und nahm nun noch einen Schluck Wasser. Seto war ein langsamer Esser, ohne jede Hektik. Deswegen waren wir beide gleichzeitig mit dem Essen fertig, obwohl er vor mir angefangen hatte. Er atmete einmal hörbar aus. "Ich muss noch einige wichtige Telefonate erledigen. Besser ich mache mich wieder an die Arbeit." Ich lächelte und drehte mich um, um die Zutaten wieder zusammenzuräumen, mit denen ich unser Mittagessen zubereitet hatte. Ich schraubte als erstes den Deckel des Mayonnaisenglases wieder zu. "Ja, ich sollte auch weiter machen. Ich habe auch noch eine Menge zu tun." Ich hörte wie Seto aus der Küche ging und sah, wie er nun mit großen Schritten in seinem Büro verschwand. Doch diesmal schloss er die Tür leise hinter sich. Ich räumte schnell das Essen in den Kühlschrank und machte mich dann auf den Weg in mein Zimmer. - Wahrscheinlich hat er die Tür zugemacht, weil er in Ruhe telefonieren möchte...Egal...heute ist es echt gut mit ihm gelaufen. Langsam kommen wir richtig gut miteinander aus. - /Schluss für heute./ Er stand auf und straffte kurz seine Schultern. Das ständige Sitzen und über den Schreibtisch beugen war wirklich mörderisch für seinen Rücken und Nacken. Manchmal gab letzterer auch ein gefährliches Knacken von sich, um seine Verspannung kundzutun. Mokuba war jetzt schon eine ganze Weile wieder da, aber wahrscheinlich kümmerte sich Sarah um ihn. Das minderte zwar seine leichten Schuldgefühle gegenüber seinem Bruder nur mäßig, aber wenigstens langweilte sich Mokuba so nicht. Er musste nun mal arbeiten. Das konnte er nicht ändern. Die Firma leitete sich nicht von allein. Mit einem schnellen Handgriff machte er die Schreibtischlampe aus. Nur noch das durch die Panoramafenster herein scheinende Licht der Straßenbeleuchtung und der umliegenden Häuser erhellte noch den Raum. Eigentlich ziemlich spärliches Licht, aber er kannte sich so gut in seinem Büro aus, dass er den Weg zur Tür auch im Halbdunkel mühelos bewältigte. Er durchquerte den Raum und nur das leise Rascheln seines Mantels war in der Stille des Raumes zu hören. Sonst erfüllte immer sein Tippen auf der Tastatur das Büro. Eine ungewohnte Ruhe. Leise drückte er die Klinke hinunter und öffnete die Bürotür. Von draußen drang helles, aber künstliches Licht in sein Arbeitszimmer und auf sein Gesicht. Einen kurzen Moment durchfuhr ein scharfer Schmerz seine Augen und Schläfen. Er kniff eine Sekunde die Augen fest zusammen. Das war dann doch einfach zu hell und plötzlich gekommen. Doch so schnell wie der Schmerz aufgeflammt war, so rasch verschwand er auch wieder. Er stand einen Augenblick im Türrahmen und blickte sich um. Vor ihm saßen Mokuba und Sarah am Esstisch. Sie saßen auf ihren üblichen Plätzen. Sarah hatte ihm also den Rücken zugewandt und Mokuba hätte nur den Blick heben müssen und er hätte ihn in der offenen Bürotür stehen sehen. Aber er blickte nicht hoch und auch Sarah drehte sich nicht um. Offensichtlich waren sie zu sehr in ihr Gespräch vertieft und er hatte wohl kaum Geräusche verursacht. Er konnte erkennen, dass auf dem Tisch vor den Beiden irgendwelche Süßigkeiten ausgebreitet waren. Sie sahen aus wie Smarties. Und die beiden, anstatt sie zu essen, spielten damit. Er konnte sehen, dass sie Figuren aus den einzelnen Teilen formten. Sie schoben sie zurecht oder besserten hier und da etwas aus. /Seltsames Spiel./ "...tja, er hat uns zwar adoptiert und uns aus dem Weisenhaus geholt, aber deswegen rechtfertigt das noch lange nicht, wie schlecht er Seto behandelt hat." /Gosaburou!/ Seine Miene verfinsterte sich augenblicklich. Er musste ein leichtes Knurren unterdrücken, doch seine Augen zogen sich zusammen. Wieso musste Mokuba ihr denn davon erzählen? Seine Arme fanden von allein den Weg zu seiner Brust und verschränkten sich vor dieser. Sarah zog gerade ein rotes Smartie über den Tisch um eine Stelle ihrer Figur, die sehr an eine Blume erinnerte, auszubessern. "Hm..." Sie klang sehr nachdenklich. "Ich verstehe Menschen nicht, die so grausam zu ihren Mitmenschen sind. Und dann noch zu Kindern...Seto war doch noch ein Kind damals und trotzdem bürdete er ihm so viele Lasten und Pflichten auf." "Mein Bruder hatte es wirklich nicht leicht zu dieser Zeit, aber er hat tapfer durchgehalten." "Und Gosaburou hat ihm dann wohl auch beigebracht wie man eine Firma zu leiten hat, wie man Geschäfte abschließt und wie man mit Geschäftsleuten umgeht, nicht wahr?" Mokuba nickte langsam. "Ja, das hat er. Mit ziemlich miesen Methoden. Er hat Seto wirklich schlecht behandelt und hart ran genommen. Aber mein großer Bruder hat sich nicht unterkriegen lassen. Er hat Gosaburou schließlich mit seinen eigenen Mitteln geschlagen und die Kaiba Corporation übernommen." "Ah, ich verstehe. So ist das gekommen, dass er so jung schon Firmenleiter und Inhaber geworden ist." "Mein Bruder ist der Beste. Er hat es diesem aufgeblasenen Mistkerl gezeigt und ihm seine eigene Firma weggenommen. Auch wenn er unser Stiefvater war, er war ein schrecklicher Mensch und er hat Seto wirklich mies behandelt." So langsam reichte es ihm. Mokuba stellte Gosaburou ja als überdimensionales Monstrum da. Ja er war ein Unmensch gewesen, eine falsche Schlange, aber dennoch säßen sie ohne ihn immer noch im Waisenhaus. Er hatte ihm gezeigt wie man eine Firma leiten musste, welche Tricks man anwenden musste...ohne ihn wäre er heute nicht der Besitzer der Kaiba Corporation. Dass die Erziehungsmethoden ihres Stiefvaters wahrlich fraglich gewesen waren, das konnte wohl niemand bestreiten, aber dafür hatte dieser ja die passende Quittung bekommen. Ein kaltes und gehässiges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er hatte Gosaburou alles genommen was ihm wichtig gewesen war. Oh ja, er hatte seinen Stiefvater büßen lassen. Und was diese Mitleidstur anging...Mokuba stellte ihn fast schon als Opfer da. Der arme Waisenjunge, der nicht gegen die Brutalität seines Stiefvaters ankam. /So ein Unsinn./ Es war kein Zuckerschlecken gewesen, das bestimmt nicht, aber er hatte diese harte Ausbildung durchgestanden und war daran nur gewachsen und nicht zerbrochen, wie Mokuba es anzudeuten schien. Ein kleiner Ruck ging durch seinen Körper, als er ihm den Befehl gab sich wieder in Bewegung zu setzen. Er würde jetzt zu den beiden gehen und mal seine Meinung dort vertreten. "Wenigstens hattet ihr eine schöne Kindheit solange ihr bei euren Eltern wart." Er hielt abrupt inne. Lag es nun an ihrer auf einmal so traurig klingenden Stimme, oder die Tatsache, dass sie es wagte über seine und Mokubas Eltern zu sprechen? Seine Augen zogen sich wieder zusammen und musterten die vor ihm sitzende Frau, oder besser gesagt ihren Rücken, scharf. Sein Bruder legte den Kopf leicht schief und sah Sarah nachdenklich an. "Wie meinst du das? Wieso bist du auf einmal so traurig?" "Weißt du Mokuba, bestimmt war es schrecklich für euch eure Eltern zu verlieren, keine Frage, aber ihr habt doch immer noch die schönen Erinnerungen mit ihnen, als ihr noch zusammen wart...bei mir...sieht das anders aus." "Wieso?" "Na ja...meine Eltern...nun sie waren nicht gerade das, was man fürsorglich nennt. Sie haben sich nicht besonders liebevoll um mich gekümmert..." Sie fing wieder an die Smarties über den Tisch zu schieben und an ihrem Bild zu arbeiten. "Ich weiß nicht, ob sie mich vielleicht nicht gewollt hatten, ich vielleicht nur ein Unfall gewesen war, oder ob sie nur mit der Aufgabe als Eltern überfordert gewesen waren, aber...sie waren schlechte Eltern...ich glaube wirklich sie haben mich nie geliebt und lieben mich heute auch noch nicht. Das haben sie mich immer spüren lassen. Schon von klein auf. Versteh mich richtig Mokuba, sie haben mich nicht geschlagen oder mich fies behandelt, aber sie haben mir dafür auch nie Liebe gegeben. Sie haben mich nicht in den Arm genommen oder gelobt wenn ich etwas richtig gemacht habe. Ich war ihnen mehr oder weniger gleichgültig...Für ein kleines Kind ist das ziemlich traumatisch wenn es merkt, dass die eigenen Eltern es nicht lieben..." Mokubas Blick füllte sich mit Mitleid und Anteilnahme. Er selbst ließ sich leicht zur Seite sinken und lehnte nun mit der rechten Schulter am Türrahmen an und beobachtete weiter das Gespräch vor sich. "Es war keine besonders schöne Kindheit die ich hatte. Und deswegen meine ich, ihr könnt euch glücklich schätzen, dass ihr liebevolle Erinnerungen an eure Eltern habt, so lange sie gelebt haben. Du musst diese Erinnerungen immer in deinem Herzen bewahren, versprichst du mir das Mokuba? Mir zuliebe...denn ich habe keine schönen Erinnerungen, die ich in mein Herz schließen kann, also musst du das für mich machen, ja? Sie sind sehr wertvoll und du darfst sie nie vergessen." Mokuba nickte langsam. "In Ordnung." Er konnte hören wie Sarah lächelte und sehen wie Mokuba ihr Lächeln erwiderte. "Gut, dass ist sehr gut. Dann bin ich erleichtert." Kurz herrschte Stille. "Hast du noch Kontakt zu deinen Eltern?" "Kaum. Manchmal überlege ich schon, ob ich sie nicht einfach anrufen sollte, nur mit ihnen zu reden, zu fragen wie es ihnen so geht...aber ich glaube sie sind nicht wirklich daran interessiert engeren Kontakt mit mir zu haben. Wir melden uns an Geburtstagen und zu Weihnachten und reden ein wenig über undeutende Dinge, aber da war es dann schon...Weißt du es war nämlich so, als ich in die Pubertät kam, da haben wir uns überhaupt nicht mehr verstanden. Wir haben uns nur noch gestritten und mein Verhältnis zu ihnen wurde so schlecht, dass ich es einfach nicht mehr bei ihnen ausgehalten habe. Deswegen bin ich dann mit 15 von zu Hause ausgezogen und in eine Pflegefamilie gekommen. Das war für uns alle die beste Lösung. Aber deswegen habe ich auch kaum noch Kontakt zu meinen Eltern. Wir haben uns einfach auseinander gelebt. Mit 17 habe ich dann bei meiner jetzigen Firma angefangen zu arbeiten. Sie haben mir alles über die Marketingbranche beigebracht. Also auch wenn ich keine so tolle Jugend hatte, zurzeit läuft es dann doch recht gut. Ich bin zufrieden." "Ganz sicher?" "Ich habe das Beste aus meinem Leben gemacht. Ich hatte vielleicht keinen so tollen Start, aber jetzt kann ich wirklich damit zufrieden sein...außerdem kenne ich ja jetzt dich, noch ein Punkt warum ich glücklich sein kann." Ein leicht geschmeicheltes Lächeln zierte das Gesicht seines Bruders. /So war das also./ Natürlich wusste er schon, dass Sarah mit 15 von zu Hause ausgezogen war, sich das Sozialamt ihrer angenommen hatte und sie in einer Pflegefamilie untergebracht hatte. Er wäre ein Idiot und bestimmt nicht der Leiter der Kaiba Corporation, wenn er Sarah nicht hätte überprüfen lassen, bevor er ihr gestattet hatte in seiner Wohnung unterzukommen. Schließlich hätte sie hier mehr oder weniger direkten Zugang zu seinen Daten und Programmen über die Kaiba Corporation. Sie hätte wahrscheinlich schon die eine oder andere Gelegenheit gehabt etwas von seinen Ideen zu stehlen und an andere Firmen, seine Konkurrenten, weiterzugeben. Außerdem kam sie in direkten Kontakt mit Mokuba. Er hätte niemals eine Person derartig dicht an seinen Bruder heran gelassen, wenn er sich nicht sicher gewesen wäre, dass sie Mokuba nichts antun würde, ihn nicht verletzen oder entführen würde. Er hatte ihren Lebenslauf überprüfen lassen und hatte nachgeforscht, ob irgendwelche Kontakte zu konkurrierenden Unternehmen bestanden. Er hatte da so seine Quellen um solche Informationen zu bekommen. Das Letzte was er in seinem Leben gebrauchen konnte, war eine Industriespionin. Aber Sarah hatte seine Überprüfung bestanden. Und jetzt wusste er auch warum sie so früh von ihren Eltern geflüchtet war, auch wenn ihm das eigentlich herzlich wenig interessiert hatte. Aber nun bekam er langsam eine Ahnung davon, warum sie meistens so erwachsen war, warum sie diese erwachsene Seite entwickelt hatte. Und er konnte sich auch denken warum sie auch eine so kindliche Seite besaß. Die erwachsene Seite war entstanden, weil sie recht früh auf sich allein gestellt gewesen war und die kindische Art war der Teil, der ihre Kindheit nachholen wollte. Nun ja. Jetzt wusste er es. Aber was ihn diese Information nun bringen sollte...das wusste er nicht. Er zuckte leicht mit den Schultern. Irgendwie war er ein wenig ratlos. Doch plötzlich schoss ihm ein ganz anderer Gedanke durch den Kopf. /Mist, ich habe vergessen meinen Laptop runter zufahren./ Mit einer schnellen Bewegung drehte er sich auf der Stelle um 180 ° und schritt in sein Büro zurück um den Computer auszuschalten. Das Rascheln von Kleidung riss mich aus meinen Gedanken und ich drehte mich überrascht nach hinten um, um zu sehen wo dieses Geräusch hergekommen war und was es verursacht hatte. Ich konnte gerade noch erkennen, wie Seto, mir den Rücken zugewandt, mit ruhigen Schritten von der Tür aus auf seinen Schreibtisch zuging und von der Dunkelheit in seinem Büro beinahe verschluckt wurde. - Hat er etwa die ganze Zeit in der Tür gestanden und zugehört? - Ich drehte mich wieder zu Mokuba um und sah noch gerade rechtzeitig, wie er sich an meinen Smarties vergriff und sie für seine eigene Figur einsetzen wollte. "Hey, das sind meine!" Ein Schmunzeln überzog sein Gesicht, welches ich erwiderte, aber nur halbherzig. - Ich wollte nicht, dass Seto das hört. Das habe ich eigentlich nur Mokuba erzählt. Wer weiß wie lange er schon da stand und zugehört hat? Der macht sich jetzt bestimmt lustig über mich, weil ich mich wegen so was derartig anstelle. Nur weil meine Eltern nicht so fürsorglich waren wie andere. Für ihn muss sich das wirklich lächerlich anhören. Schließlich hat er weit aus Schlimmeres überstanden...Was er jetzt wohl über mich denkt? Wahrscheinlich hält er mich jetzt für einen Schwächling. - Nein, so war das ganz und gar nicht geplant gewesen. Ich hätte Seto meine Lebensgeschichte lieber persönlich erzählt, oder besser gesagt, gar nicht. Ich bezweifelte ernsthaft, dass er das alles nachvollziehen konnte. Dass er verstehen könnte, wie es mir damals ergangen war. Warum ich mich schon damals dafür entschieden hatte, der Welt mit Freundlichkeit zu begegnen, meinem Umfeld das zu geben, was ich als Kind vermisst hatte. Nämlich Aufmerksamkeit, aufrichtige Fröhlichkeit, nur ein ehrliches Lachen den Menschen um mich herum zu schenken, offen zu sein, für die Probleme der anderen, deren Sorgen, ihre Gefühle. Ehrlich zu sein, nie zu lügen. Der ganzen Welt eben einfach mit Wärme entgegenzutreten, um zu versuchen, sie etwas besser zu machen. Doch das würde Seto wohl wirklich nicht nachvollziehen können. Für so etwas hatte er bestimmt kein Verständnis und sah wohl auch keinen Sinn darin. Gut, jetzt konnte ich nichts mehr daran ändern. Seto hatte wohl das eine oder andere von unserem Gespräch mitbekommen, aber ich würde ihn bestimmt nicht merken lassen, dass ich ihn gesehen hatte. Ich hatte wirklich keine Lust mit ihm darüber zu reden und vielleicht einen spöttischen Kommentar einzukassieren. Wenn er mich nicht darauf ansprechen würde, was ich ernsthaft bezweifelte, dann würde ich es bestimmt auch nicht tun. Ich widmete mich wieder dem Bild auf dem Tisch vor mir. Mit einem abschätzenden Blick kontrollierte ich, ob es soweit fertig war. - ...da oben fehlt noch ein wenig. - Ich zog ein rotes Smarties heran und besserte die Stelle aus. Mokuba kümmerte sich derweilen um sein Auto, welches er als Motiv gewählt hatte. Lautlos war Seto zu uns an den Tisch getreten und stand nun plötzlich Rechts neben mir. Ich erschrak leicht, als ich ihn bemerkte. - Muss er sich denn immer so anschleichen? - "Seto...du hast mich erschreckt." Sein Blick streifte kurz über mein Gesicht, doch dann sah er Mokuba an. "Hattest du einen schönen Tag?" "Ja, war voll super...Und ich hoffe du hast nicht zu viel gearbeitet." "Hielt sich in Grenzen." "Na dann bin ich zufrieden." Wer war hier eigentlich jetzt der Erwachsene und kontrollierte den anderen? Irgendwie bekam man glatt den Eindruck, dass sich Mokuba sehr um Setos 'Erziehung' bemühte. Ich musste verhalten schmunzeln. Die beiden Brüder kümmerten sich wirklich rührend umeinander. Seto deutete mit dem Kopf auf die Smarties. "Was soll denn das werden?" Sie überlegte nicht lange, sondern ergriff einige Smarties legte sie in ihre hohle rechte Hand und hielt ihm diese hin, ohne ihn weiter dabei anzusehen. Ihr Blick ruhte immer noch auf der Tischplatte vor ihr, auf ihrem Bild. Leicht misstrauisch begutachtete er die ihm angebotenen Süßigkeiten. Eigentlich war er nicht besonders scharf auf Schokolade, nicht dass er sie nicht mochte, aber er musste einfach Lust darauf haben. Aber andererseits würde ihm der Zucker jetzt bestimmt gut tun. Er würde seinen erschöpften Geist mit neuer Energie versorgen und ihn ein wenig aufputschen. Etwas widerwillig streckte er die Hand aus und griff mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger zu. Vorsichtig nahm er einige Smarties aus ihrer Hand auf und legte sie in seine eigene linke Handfläche. Sie schien zufrieden und ließ ihre Hand wieder sinken. Sie widmete sich erneut ihrem Bild. Er betrachtete die drei Smarties, die er aufgenommen hatte. Zwei rote und ein braunes. Langsam nahm er mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand ein rotes Smartie in die Hand und steckte es sich in den Mund. Sofort spürte er die ausgeprägte Süße auf seiner Zunge, die sich in seinem Mund ausbreitete. Gleichzeitig schmeckte er aber auch neben den ganzen Zucker den durchweg angenehmen Geschmack von Schokolade. Er ließ sich die Süßigkeit auf der Zunge zergehen, die anderen beiden Smarties kaute er dann einfach. Er spürte, dass der Zucker bereits seine Wirkung zeigte. Das war wirklich schnell gegangen. Er fühlte sich mit einem Mal etwas nüchterner, nicht mehr so geistig erschöpft. Sein Blick wanderte wieder zu den beiden Personen die am Tisch vor ihm saßen. "Ich habe essen bestellt. Es dürfte in den nächsten zehn Minuten da sein." Ich sah zu Seto auf. Das war mal fürsorglich von ihm. "Was hast du denn bestellt?" Er sah mir wieder in die Augen. "Chinesisch." Ich lächelte. "Schön. Ich mag chinesisches Essen." Nun sah ich Mokuba wieder an. "Wenn das Essen schon in zehn Minuten kommt, sollten wir vielleicht schon mal Tischdecken, was meinst du?" "Ist gut." Der Kleine erhob sich und auf einem lächelnden Kopfzeig meinerseits machte er sich fröhlich auf den Weg in die Küche, um die Teller zu holen. Ich kümmerte mich derweilen darum die Smarties wieder wegzuräumen. Ich stand auf, hielt die Glasschüssel in denen zuvor die Süßigkeiten aufbewahrt gewesen waren, an die Tischkante und mit einer großen wischenden Handbewegung schob ich die Smarties über den Rand des Tisches hinaus, direkt in die bereitgehaltene Schale. - Tja, das war´s dann wohl mit unseren Figuren. Aber zum Essen brauchen wir Platz. - Seto sah mir dabei zu, stand aber weiterhin bewegungslos neben den Tisch. Ein Geräusch aus der Küche ließ ihn den Kopf nach Rechts drehen um kurz nach Mokuba zu sehen. Ich hatte zwar den Blick auf den Tisch gesenkt, um noch die restlichen Smarties einzusammeln, aber aus den Augenwinkeln nahm ich seine Bewegung wahr. Gleichzeitig war ein lautes und extrem unangenehmes Knacken zu hören. Ich hob überrascht den Kopf. Es war eindeutig von Seto gekommen. Ich sah ihn schockiert an. Es hatte sich angehört, als wären Knochen zerbrochen. Doch er stand ruhig da und beobachtete weiterhin die Bewegungen seines Bruders, als wäre nichts geschehen. - Himmel, hat er gerade so laut geknackt? Das hat sich ja schrecklich angehört. - Seto schien meinen Blick zu spüren, denn er drehte nun seinen Kopf zu mir herum und sah mich an. Er bemerkte meinen erschrockenen Ausdruck und nach kurzem Überlegen, ging ihm wohl ein Licht auf. "Der Nacken." Sein Gesicht blieb ausdruckslos, aber jetzt verstand ich. Sein verspannter Nacken hatte so laut geknackt, als er den Kopf zur Seite gedreht hatte. "Wärme." "Was?" "Wärme. Das hilft dagegen. Eine Wärmflasche oder warme Umschläge. Das wirkt Muskelentspannend." Damit hob ich die Schüssel an, lächelte kurz in sein etwas verwundertes Gesicht und ging zur Küche hinüber, um die Smarties wieder dort zu verstauen. Ich ließ einen etwas erstaunten Seto im Esszimmer stehen. Nun, ich konnte mir natürlich denken, dass er einen steifen Nacken haben musste, wenn er die ganze Zeit am Computer saß und ständig nur irgendwelche Daten eingab. Aber ich hütete mich davor, ihm jetzt auch noch anzubieten ihm den Nacken, bzw. den Rücken zu massieren. Selbstverständlich wäre das effektiv gewesen, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass wir uns schon so gut kannten, dass ich an ihm 'herumfummeln' konnte. Ich war zwar hilfsbereit, aber ich kannte immer noch die Grenzen. Es wäre nicht wirklich angemessen gewesen, wenn ich ihm jetzt den Nacken massiert hätte. Mal abgesehen davon, dass er das sowieso nicht zugelassen hätte. Für so eine doch irgendwie 'intime' Angelegenheit kannten wir uns wirklich noch nicht gut genug. Bei meinen Freunden und Arbeitskollegen hatte ich kein Problem damit ihnen hin und wieder mal eine Nackenmassage zu verpassen...taten sie für mich ja auch...Aber Seto war im Grunde noch ein Fremder für mich, den ich nicht unbedingt so intensiv anfassen wollte. Das wäre einfach nicht angemessen gewesen, angesichts der Tatsache, dass wir uns erst sechs Tage kannten. Deswegen hatte ich ihm einfach mal den Tipp mit der Wärme gegeben. Das half genauso gut. Außerdem wollte ich ihn nicht unnötig herausfordern. Er hatte heute schon für seine Verhältnisse unheimlich viel Hilfe von mir angenommen. Der Kaffee, das Sandwich, die Smarties...Für heute sollte es wirklich gut sein. - Eigentlich kann er sich doch einen Masseur leisten, der ihn fachgerecht massiert. Das wäre bestimmt kein Problem jemand qualifizierten zu finden...aber wahrscheinlich ist das für ihn wohl verschwendete Zeit, in der er viel besser arbeiten könnte. Nun ja, dann hat er halt Nackenschmerzen. - Er sah ihr leicht verwundert hinterher. Das hatte er nun wirklich nicht von ihr erwartet. Er war tatsächlich überrascht. Anderseits war er ja ständig von ihrem Verhalten überrascht. Dennoch...damit hatte er nicht gerechnet. Er hatte eigentlich erwartet, dass sie ihm gleich anbieten würde ihm doch den Nacken zu massieren, damit er die Verspannung loswurde, doch stattdessen... Wie er es hasste, wenn Frauen sich immer an ihn ranschmissen und ihm den Rücken massieren wollten. Die Mitarbeiterinnen in der Kaiba Corporation hatten es mittlerweile aufgegeben. Sie hatten verstanden, dass er keinen von ihnen gestatten würde sich ihm derartig zu nähern. Er hielt sich an seine Regel. Aber die Praktikantinnen, die nur wenige Wochen da waren, die versuchten es immer wieder. Mit einem wohl ihrer Meinung nach zuckersüßen Lächeln boten sie an ihm doch eine Nackenmassage zu geben, damit er sich richtig entspannen könne. Wie er es hasste, diese Angebote, die allesamt nur mit Hintergedanken gemacht wurden. Diese Frauen hatten etwas ganz anderes im Sinn, als ihm nur den Nacken zu massieren. Natürlich gestattete er nie einer von ihnen ihre 'Drohung' in die Tat umsetzen, aber er konnte dieses Getue einfach nicht mehr hören. Die nächste Frau die zu ihm sagen würde: "Soll ich dir vielleicht den Nacken massieren?" die würde er mit einem vernichtenden Blick in den Boden stampfen. Aber Sarah hatte es ihm nicht angeboten. Das hatte ihn überrascht. Wirklich. Zeigte das nun, dass sie Manieren hatte, sich ihm, einen doch noch fremden Mann, nicht aufdrängen wollte, oder bedeutete das, dass sie kein Interesse an ihm hatte? Ihm deshalb nicht diese Massage einschließlich Hintergedanken angeboten hatte? Sie hatte ihm ja stattdessen einen wirksamen Rat gegeben. Das war wirklich neu. Es schien fast so, als wäre sie tatsächlich an seinem Wohlergehen interessiert und nicht an ihm selbst. Das war einfach neu. Nicht, dass es keine Frauen gab, die nicht auf ihn standen...es war ja nicht so, dass ihm jedes weibliche Wesen sofort bei seinem Auftauchen hinterher rannte und ihm zu Füßen lag, aber es gab zugegebener Maßen nur wenige Frauen, die kein Interesse an ihm, bzw. seinem Geld oder der Macht und dem Einfluss hatten. Aber es war ja schließlich auch nicht so, dass er an Sarah interessiert war, oder wollte, dass sie auf ihn stand...er war einfach nur überraschend für ihn, dass sie so ehrlich und zurückhaltend war. Aber wie er ja schon eingesehen hatte, er hatte noch nie mit einer Frau wie Sarah zu tun gehabt. Eine Frau, die sich irgendwie tatsächlich um ihn sorgte, anstatt ihn verführen zu wollen. Ungewöhnlich. In der Tat. Aber es war eine angenehme Erfahrung. Mokuba unterbrach seinen Gedankengang, indem er die Teller auf dem Tisch platzierte und fröhlich vor sich hin plauderte. Er erzählte von seinem Freund Keisuke, bei dem er heute zu Besuch gewesen war und berichtete, was sie alles unternommen hatten. Mit einem kurzen Blinzeln holte er seine Gedanken wieder in die Realität zurück und widmete seinem kleinen Bruder wieder seine gesamte Aufmerksamkeit. Er stand mit vor der Brust verschränkten Armen vor Mokuba und lauschte interessiert seinen Erzählungen. Bis ihn ein Läuten an der Tür seine Konzentration störte. "Super! Das Essen ist da!" Ein kleines Lächeln fand den Weg auf sein Gesicht. Niemand konnte sich wohl dermaßen über Essen freuen wie Mokuba. Mit zügigen Schritten ging er selbst zur Tür und nahm das Essen entgegen. Ich stand eine Weile in der Küche und sah dabei zu, wie sich Mokuba und Seto unterhielten. Nun ja, eigentlich redete Mokuba die ganze Zeit und sein Bruder hörte nur zu, aber man sah ihnen einfach an, dass sie sich gerne miteinander sprachen. Setos Gesicht zeigte eindeutiges Interesse an den Erzählungen seines kleinen Bruders. Doch dann riss ich mich von diesem harmonischen Bild los und richtete die Getränke für uns her. Das Essen kam und Seto nahm es entgegen. Gemeinsam nahmen wir am Tisch platz und begannen zu essen. Es wurde eine wilde hin und her Reicherei, da Seto Unmengen an Essen und dabei die verschiedensten Gerichte bestellt hatte. Jeder wollte von allem etwas probieren. Selbst Seto machte dabei keine Ausnahme. Auch er versuchte die unterschiedlichen Speisen und ließ keines unprobiert. Und etwas überrascht stellte ich fest, dass sich hin und wieder ein kleines Lächeln auf sein Gesicht breit machte, wenn er zum wiederholten Male von Mokuba oder mir gebeten wurde, uns eine Schachtel herüberzureichen. Es war kein so ehrliches Lächeln wie er es häufiger seinem Bruder schenkte, dafür war es etwas zu arrogant, aber es wirkte dennoch wärmer und freundlicher als sein selbst überzeugtes Lachen, das er sonst an den Tag legte. Anscheinend fühlte er sich wohl und entspannt. Mokuba und ich scherzten viel miteinander und es wurde viel gelacht. Und obwohl sich Seto nicht wirklich an dem Gespräch beteiligte, so konnte ich dennoch bemerken, dass er unserer Unterhaltung folgte und alles aufmerksam mit anhörte. Es war das erste Mal, dass er offenkundig zeigte, dass er mit Interesse zuhörte. Er schien heute wirklich einen erstaunlich guten Tag zu haben. Nun saßen wir überaus gesättigt am Tisch, hatten uns entspannt zurückgelehnt und waren eigentlich rundum zufrieden. Mokuba griff allerdings in eine der Essens-Schachteln und zog etwas heraus. "He Leute, ihr werdet doch nicht die Glückskekse vergessen, oder?" Mit einem kleinen Grinsen legte er erst vor seinem Bruder dann vor mir einen Keks ab und griff sich zuletzt selbst einen. Seto hob leicht missbilligend die Augenbrauen. "Ist das dein Ernst Mokuba? Du willst doch nicht auf irgendeinen Spruch hören, den irgendwer verzapft hat, der überhaupt keine Ahnung vom Leben hat?" "Ach komm schon Seto, das gehört einfach dazu." Ich lächelte ihn auffordernd an. "Kein Chinesisches Essen ohne Glückskeks." Ich drehte den Kopf herum und sah nun Mokuba an. "Na los, mach schon auf." Mit einem strahlenden Lächeln brach er den Keks auseinander und holte den kleinen Zettel heraus. Ich sah ihn erwartungsvoll an, Seto war immer noch nicht wirklich begeistert. "Jeder ist seines Glückes Schmied." Ich gab ein kleines enttäuschtes Stöhnen von mir. Seto zog eine Augenbraue nach oben. "Ziemlich allgemein und ungenau gehalten. So wie es zu erwarten gewesen war." "Ach was soll´s...los Sarah, mach deinen auf." "Gut." Ich brach meinen Keks nun ebenfalls in zwei Teile und konnte hören, wie Mokuba derweilen seinen Glückskeks geräuschvoll aß. Ich faltete den winzigen Zettel auseinander und las laut vor. "Schicksal ist das, was du aus deinem Leben machst." "Na ja...besser als meiner." Ich schmunzelte. "Ja, ist ganz nett." Jetzt wandte Mokuba seine Aufmerksamkeit Seto zu. "Jetzt bist du dran, großer Bruder." "Ich habe doch schon gesagt, dass ich nicht viel von diesen Sprüchen halte." "Du musst sie ja nicht ernst nehmen...sei kein Spielverderber Seto. Das gehört einfach dazu." Einen Moment sah er mich mit leicht zusammengekniffenen Augen an. War ich zu weit gegangen? Doch ein Blick Setos in Mokubas erwartungsvolles Gesicht ließ ihn resigniert nachgeben. Während ich mich nun ebenfalls daran machte meinen Keks zu essen, brach Seto seinen auseinander und las seinen weisen Spruch vor. Allerdings nicht ohne ein gewisses Maß an Spott in seiner Stimme mitklingen zu lassen. "Zähle all das was du bisher erreicht und erworben hast zusammen, betrachte es von allen Seiten und bewerte es. Dann verwirf alles wieder und sage mir wie viele Male du wahrhaft glücklich in deinem Leben gewesen bist und ich sage dir, was du wirklich erreicht hast." "Wow." Entglitt es Mokuba. "Na das ist mal ziemlich tiefsinnig." Setos Gesicht war wieder einmal ausdruckslos und steif. "Es ist Unsinn. Von Glück allein kann ich keine Rechnungen bezahlen. Mit Glück komme ich nicht im Leben voran. Aber mit harter Arbeit und Zielstrebigkeit sehr wohl." Ich legte den Kopf leicht schief und betrachtete Seto. "Aber ein wenig Glück und Freude in seinem Leben kann nicht schaden, oder?" "Wenn du meinst. Ich verlasse mich lieber auf das, was ich mit meine eigenen Arbeit geschaffen habe." Ich zuckte leicht mit den Schultern. "Klar geht es nicht ohne harte Arbeit, aber wenn man immer nur arbeitest und gar keine Freude an dem hat, was man erreicht oder geschaffen hat, dann war doch die ganze Anstrengung umsonst." "Ich habe sehr wohl Freude an dem was ich bisher erreicht habe. Ich habe ganz alleine eine Firma aufgebaut und an die Spitze des Marktes gebracht." "Ich habe ja auch gar nicht von dir gesprochen, sondern allgemein. Ich weiß, dass du eine Menge erreicht hast und du kannst wirklich stolz auf dich sein, aber es kann doch nicht schaden, wenn du dich hin und wieder einfach mal zurücklehnst und alles genießt was du geschaffen hast, ohne schon an den nächsten Vertrag oder Geschäft zu denken. Einfach mal genießen und sich darüber freuen." "Dafür habe ich keine Zeit. Die Kaiba Corporation leitet sich nicht von selbst." "Das ist schade." "Das ist notwendig." "Tja..." Ich dachte kurz nach, dann lächelte ich Seto an. "Aber wenn du mit Mokuba zusammen bist, dann bist du doch glücklich, oder?" "Ich..." Er sah zu seinem Bruder hinüber, der die ganze Zeit stumm unser Gespräch verfolgt hatte. Seto wollte mir wohl nicht auf diese Frage antworten, da er sie als zu persönlich empfand...ich hatte es an seinem Ausdruck gesehen. Sein Blick war sehr deutlich gewesen, aber Mokuba saß daneben und würde wohl eine Antwort erwarten. Und schon bereute ich es, dass ich mich so hatte hinreisen lassen. Das war wirklich zu persönlich gewesen. "Es tut mir Leid, das hätte ich nicht fragen sollen. Das geht mich nichts an, das ist..." Setos Kopf drehte sich wieder zu mir und er brachte mich mit seinem Blick zum Schweigen. "Nein schon gut...Ja, du hast Recht, ich bin glücklich wenn ich mit meinem Bruder zusammen bin." Mokuba strahlte über das ganze Gesicht. Etwas Schöneres hätte ihm sein Bruder wohl wirklich nicht sagen können. "Dann hast du es wohl doch geschafft Firma und glückliche Momente unter einen Hut zu bringen..." Ich zwinkerte ihm leicht zu. "Du bist eben ein Allroundtalent und der Glückskeks lag doch nicht so ganz daneben." Seto bedachte mich kurz mit einem nachdenklichen Blick. Er erkannte wohl die Diplomatie die aus meinen Worten sprach und aus mir unerklärlichen Gründen ging er darauf ein. "In der Tat. So wird es wohl sein." Wieder dieses Lächeln, das zwar nicht warm, aber dennoch irgendwie freundlich war. Der Abend lief ruhig aus. Irgendwie herrschte eine zufriedene, fast schon harmonische Stimmung. Es war ein angenehmes Gefühl. Jeder schien sich wohl zu fühlen und so konnte der Abend wirklich ausklingen. Mokuba hatte nach dem Essen Spielkarten geholt und mich zu den verschiedensten Spielen überredet. Seto saß daneben und verfolgte das Ganze. An sich sehr erstaunlich, dass er sich überhaupt dafür Zeit nahm. Natürlich spielte er nicht mit, das wäre dann doch ein wenig zu viel von ihm verlangt gewesen, aber er saß mit uns am Tisch, nippte an einer Tasse Kaffee, die er sich gemacht hatte und verfolgte unsere Spiele und Unterhaltungen. Hin und wieder gab er sogar ebenfalls einen Kommentar zum Besten. Man sollte es nicht glauben, Seto Kaiba beteiligte sich an dem Gespräch zwischen Mokuba und mir. Ich verspürte den Drang seine Stirn zu fühlen, ob er vielleicht unter Fieber litt. So umgänglich wie heute hatte ich ihn wirklich noch nie erlebt. Aber es war angenehm. Das alles trug zur entspannten Stimmung bei und ich konnte nichts anderes sagen, als dass dieser Tag und besonders dieser Abend sehr schön gewesen war. Mokuba verabschiedete sich um zehn nach elf. Es war zwar Wochenende, er hatte somit eine verlängerte Sperrstunde, aber es war wohl ein sehr anstrengender Tag für ihn gewesen, so dass er nun doch schon müde war. Erst der Tag bei seinem Freund, dann dieses gute Essen, jetzt noch die Spiele...er war eben doch erst 12 Jahre alt. Schläfrig verschwand er in seinem Zimmer. Seto und ich blieben wie so oft allein zurück. Ich lehnte mich entspannt in meinem Stuhl zurück und steckte mich genüsslich. Seto nippte an seinem Kaffee und betrachtete mich über den Rand der Tasse hinweg. Ich lächelte ihn zufrieden an. "Heute war echt ein schöner Tag." "Hm...Ja." Ich verkniff es mir erstaunt die Augenbrauen hochzuziehen. Wieder verspürte ich den Drang seine Stirn zu fühlen. Seto war heute wirklich wie ausgewechselt. Ich deutete kurz mit dem Zeigefinger auf seine Tasse. "Kannst du überhaupt noch schlafen, wenn du so spät noch Kaffee trinkst? Ich würde wahrscheinlich die ganze Nacht lang senkrecht im Bett sitzen und kein Auge zutun." Er grinste zwei Sekunden lang. Anscheinend hatte er sich dieses Bild gerade vor seinem inneren Auge vorgestellt und fand das sehr amüsant. Doch so schnell wie sein Lächeln aufgetaucht war, so rasch war es schon wieder verschwunden. Jetzt sah er mir jedoch erneut in die Augen und sein Gesicht war wieder normal. Also eher ausdruckslos. "Ich bin das schon gewöhnt." "Tatsächlich?" Er zuckte kurz mit den Schultern. "Ich schlafe meistens eh nicht besonders viel. Da macht mir auch der Kaffee nichts aus. Ich gehe spät ins Bett und schlafe sofort ein." Ich nickte leicht. "Die Arbeit." Seto nickte ebenfalls. "Hast du heute denn noch was zu arbeiten?...Halt warte...du würdest wahrscheinlich sagen, es gibt immer was zu tun." "So ist es. Aber nein, ich habe heute nicht mehr vor noch etwas zu arbeiten...Das wolltest du doch wissen, oder?" Ich lächelte ihn sanft an. "Ja." Ich legte den Kopf leicht schief und musterte ihn etwas. Er sah nicht unbedingt müde oder erschöpft aus, aber auch nicht wirklich vollkommen fit. Seine Gesichtszüge wirkten irgendwie immer etwas angespannt. Auch wenn er sich entspannte und eine ausdrucklose Miene aufsetzte, dennoch wirkte er immer angestrengt. Man konnte auch einen leichten Schatten unter seinen Augen entdecken. Er bemerkte meine Musterung und zog die Augenbrauen nach oben. "Was?" Ich ließ meinen Blick nochmals über sein Gesicht streifen. "Hast du manchmal das Gefühl, deine Arbeit frisst dich auf?" "Was?" Jetzt war er wirklich perplex. "Na ich meine du musst natürlich viel arbeiten, du leitest eine Firma, aber irgendwie..." Wieder wanderte mein Blick über seine angespannten Gesichtszüge. "...irgendwie siehst du etwas fertig aus." "Fertig? Was soll denn das heißen?" "Müde, angespannt, ausgelaugt." Ein missbilligender Blick war seine Antwort. Ich senkte etwas verlegen den Kopf. Seine Augen waren gerade sehr einschüchternd. Anscheinend war ich wieder zu persönlich geworden. "Entschuldige." Nuschelte ich. Ich wollte ihn dabei nicht ansehen. Sein Blick war wirklich nicht gerade erbaulich. Kurz herrschte Stille. "Du bist wirklich sehr seltsam, Sarah, weißt du das?" Ich hob den Kopf und bemerkte, dass Seto mich nachdenklich betrachtete. Ich sah ihm in seine meeresblauen Augen, die auf mir ruhten. Im Moment wirkten sie sehr ruhig. - Was soll denn das heißen? Ich bin seltsam? Was meint er denn damit? - Er riss sich mit einem leichten Kopfschütteln von meinen Augen los und sah an mir vorbei. "Ich bin nur müde, das ist alles. Es war ein langer Tag...Deswegen sehe ich wohl etwas angespannt aus." Ich starrte ihn immer noch leicht verwundert an. Was sollte ich denn nun darauf antworten? Setos Blick wanderte wieder zu meinem Gesicht und blieb abermals an meinen Augen hängen. "Wahrscheinlich sollte ich jetzt ins Bett gehen. Wenn ich schon mal die Gelegenheit dazu habe früher schlafen zu gehen, weil ich schon alle mir vorgenommenen Arbeiten erledigt habe." Ein kleines Lächeln erschien auf meinem Gesicht. Ich verstand Setos Verhalten zwar immer noch nicht wirklich, aber etwas mehr Schlaf konnte ihm garantiert nicht schaden. "Das ist bestimmt eine gute Idee. Ich werde dann wohl auch mal langsam ins Bett gehen." Seto stand auf, schob den Stuhl leicht knarrend nach hinten und sah noch einmal kurz zu mir hinunter. "Dann wünsche ich dir eine gute Nacht Sarah." "Ich dir auch Seto." Ein Lächeln begleitete meine Worte. Damit wandte er sich von mir ab und mit großen Schritten ging er zu seinem Schlafzimmer und verschwand leise darin. Ich saß noch einen Moment verwundert auf meinen Platz. Das war das erste Mal gewesen, dass Seto mir von sich aus eine gute Nacht gewünscht hatte. Sonst hatte er immer nur auf meine Grüße geantwortet, aber nie von selbst einen geäußert. Bis eben. Erstaunt schüttelte ich den Kopf, dann stand ich ebenfalls auf und ging in mein Zimmer. - Seto, du verwundest mich immer wieder. - Er drehte sich auf die andere Seite herum und zog die Bettdecke etwas weiter nach oben. Es war wirklich eine Wohltat seinen Körper entspannen zu können, die Augen schließen zu dürfen und endlich, im Schutz der Dunkelheit, seine Maske ablegen zu können. Ein warmes und schläfriges Gefühl umfing ihn. Das weiche Bett verstärkte es noch zusätzlich. /Ich weiß nicht wieso, aber heute war wirklich ein angenehmer Tag. Ich habe mich schon lange nicht mehr so entspannt gefühlt, obwohl ich den ganzen Tag gearbeitet habe. Es war...einfach.../ Seine Gedanken wurden zunehmender unzusammenhängender. /Sarah?....Wegen ihr?...blöder Glückkeks...Abend war...angenehm./ Und schließlich glitt er ganz in den Schlaf hinüber, begleitet von einem Gefühl von Ausgeglichenheit, dass er schon einige Zeit nicht mehr derartig verspürt hatte. Herrje Leute, was hab ich mir nur gedacht? Jetzt bin ich aber ganz schön auf das Klischee mit den Glückskeksen eingegangen. Natürlich muss Seto einen Spruch bekommen, der wie die Faust aufs Auge passt und so viel tiefsinniger ist, als die anderen...oh man, da ist es echt mit mir durchgegangen. Übrigens, der Spruch basiert auf meiner uneingeschränkten Phantasie. Jetzt zum Inhalt. Seto wird zum Weichei...na ja...dennoch mag ich dieses Kapitel, weil Seto nachgiebig ist, ohne seinen Stolz zu verlieren. Er meint doch immer, er braucht nicht die Hilfe anderer Leute, doch er merkt, dass wenn er sich von Sarah mal einen Kaffee bringen lässt, dass er dann nicht gleich als abhängig oder schwächlich dasteht. Sarah ist einfach nur hilfsbereit. Sie ist eben ein Mensch, der es liebt anderen eine Freude zu machen, die gerne Kleinigkeiten für andere erledigt, kleine Aufmerksamkeiten eben. Sie fühlt sich dann zufrieden und genießt es zu sehen, wie sich die Menschen darüber freuen. Mehr will sie gar nicht. Außerdem macht die ganze Seto - Sarah Beziehung hier einen Sprung. Man merkt, dass sie langsam so was wie Freundschaft zueinander aufbauen. Ich mag einfach dieses Kapitel. Ist so lieb...auch wenn Seto zum Weichei mutiert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)