Ginji´s Sanctuary von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: -cancerosos ---------------------- Titel: canceroso Teil: ?/ ? Autor1: Shido Email: hiwatari@freenet.de Autor2: KrümelCron Email: croncron@freenet.de Fanfiction: Get Backers Rating: wenn ihr wüsstet... . Inhalt: bis jetzt lässt er noch zu wünschen übrig... Warnungen: Sämtliche Dialoge und Handlungen wurden von irgendjemanden, um genau zusein, von uns, frei erfunden. Mögliche Übereinstimmungen mit dem Schicksal noch lebender oder auf tragischer Weise verstorbener Personen ist entweder zufällig oder bewusst so gewählt wurden. Die Autoren übernehmen keine Haftung für eventuelle Folgeschäden der Story. Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen sie die Geschichte oder fragen sie ihre Freunde und Bekannten, wenn sie noch welche haben. Pairing: Ist es euch nicht schon klar? Disclaimer: Schweren Herzens geben wir bekannt, dass uns die Charaktere aus Get Backers, nicht wie anfangs vermutet, gehören, sondern doch, wie bereits in verschieden Foren spekuliert, Rando Ayamine und Yuya Aoki. Auf das sie glücklich mit dem Wissen werden! -.-° Wir behalten uns vor die Storyline als unser zu deklarieren und jeden Verursacher unsachgemäßer und unangekündigter Vervielfältigungen, noch schlechterer Qualität, durch angeheuerte Killer eliminieren zu lassen. Anmerkung: Die zeitlichen Übereinstimmungen könnt ihr vergessen -.-° Ihr solltet immer noch nicht mehr erwarten als vorher und euch nicht immer wieder diesen Text hier oben durchlesen! Sonstiges: Dieser Gedanke kam mir [Shido], als ich bei meinem Arzt saß. Ich hoffe der Inhalt kommt so rüber, wie ich es mir vorgestellt hab. !!!Der teil spielt einige Zeit nach Kapitel 3!!! Ein scheinbar ganz normaler Tag wie jeder andere auch ging gerade auf die Mittagszeit zu. Es war weder sonderlich warm, noch extrem kalt, gerade angenehm, wie die meisten Menschen wahrscheinlich empfanden. Die weißen Kalenderblätter zeigten zwei Tage nach Herbstanfang und die Bäume ließen wie gewollt und berechnet, ihr schönes, buntes Laub von den dünnen und langsam kahlen Ästen auf die großen Asphaltflächen fallen. Die meisten Vögel waren schon gen Süden verschwunden und zogen nur noch wenige Anhänger, die scheinbar den Anschluss verpasst hatten, nach sich. Die kleinen Tierchen, die hier blieben, sammelt eilig ihren Vorrat an Nahrung für den bevorstehenden Winter und störten sich nicht weiter an den vielen Menschen, die wie gewohnt durch die Straßen drängten. Ab und an bedeckte eine weiße Schäfchenwolke die helle, nicht mehr ganz so viel Wärme schenkende Sonne am fast blauen Himmel. Das Thermometer zeigte etwas mehr als 15°C und dennoch lief ein gewisser King fröstelnd trotz Jacke, durch die engen Straßen und war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass er die Menschenmengen, die weiter drängten und schlängelten, um sich wahrnahm. Er nieste laut und suchte schnellstmöglich einen Weg durch die vielen Leute, die scheinbar nur da waren, um ihn aufzuhalten. Noch immer zitterte er heftigst am ganzen Leib und kuschelte sich mehr in seine braune, mit Daunen gefüllte Jacke. Ihm war kalt, eiskalt. Seine dünnen, weißen Finger spürte er kaum mehr und auch die Arme wurden langsam kalt. Trotz dieser gefühlten Kälte, die ihn scheinbar völlig einnahm, hatte er gleichzeitig das Gefühl von Innen heraus zu verbrennen. Noch einmal nieste er, bevor ihm endlich ein weiches Taschentuch aus seiner Hosentasche in die bleichen Hände fiel und er angeschlagen und zitternd in dieses schnaubte. Es war mittlerweile die sechzehnte Packung, die ihm zum Opfer fiel und auch diese würde nicht länger als 20 min halten. Fröstelnd erreichte er endlich die gewünschte Tür und schlich taumelnd durch diese in die große Eingangshalle eines weißen Gebäudes mitten in Tokio. Schon wieder wurde er von einem Schwindel gepackt und musste an der Wand rechts von sich inne halten. Trotz aller Kälte war er schweißnass und vor seinen Augen verschwammen schon wieder die Bilder zu undeutlichen Farben, die anfingen, sich orientierungslos im Kreis zu drehen. Der Master keuchte erschöpft noch immer an der Wand gelehnt, die ihn als Einzige zu halten schien. Nur noch ein paar Schritte, dann hatte er es wenigstens ins Wartezimmer geschafft und man würde sich um ihn kümmern. Sein ganzer Körper zitterte und wollte ihm einfach nicht gehorchen. Schwäche machte sich wie früh am Morgen in ihm breit. Seine Augen waren mit Tränen gefüllt und verschlimmerten die sowieso schon verschwommene Sicht nur noch. Ein stechender Schmerz im Unterkörper setzte ein und ließ den jungen Mann nur noch wimmern. In sein schmerzverzogenes und von Schweißperlen übersätes Gesicht fielen die glänzenden schwarzen Strähnen. Sein schmaler, zierlicher Körper rutschte an der weißen, rauen Wand hinunter, seine schwachen, dünnen Arme umschlossen den Magen fest. Die krampfartigen Schmerzen ließen nicht nach, verschlimmerten sich eher noch. Er wusste schon nicht mehr wo oben und unten war, so blind machte ihn dieser stechend brennende Schmerz. Wie ein Häufchen Elend hockte er, fast gänzlich von der dicken, großen Daunenjacke verschlungen, in dem weißen Raum. Sein Herz raste unaufhaltsam, es schlug ihm laut bis an die Kehle. Benommen suchten die matten, nur halbgeöffneten braunen Augen nach Hilfe, doch alles was sie fanden, war die Schwärze, die von ihnen Besitz ergriff. Der Fadenmeister klappte hilf- und kraftlos zur Seite, auf den grünen kalten Boden in der Halle, weg und blieb dort, tief in seine alptraumähnlichen Fieberträume versunken, verschwitzt und zitternd liegen. Erst viel später, als der zunehmende Mond versuchte, sich vor die grauen Wolken zu kämpfen um der Erde wenigstens noch ein bisschen Licht zu spenden, erwachte Ito no Kazuki wieder aus seinem tiefen Schlaf. Seine Lider waren schwer. Er fühlte sich schwach, hilflos und allem ausgeliefert. Seine Glieder waren schwer und träge, sehnten sich nach Erholung und noch mehr Schlaf. Er lag in einem weichen, aber dünnen Bett, war bis zu den Schultern von der weißen, seltsam riechenden Bettdecke verborgen. Träge und noch nicht ganz in der kalten und grausamen Realität öffnete der Meister leicht und vorsichtig seine müden Augen, um sich etwas in der neuen Umgebung umzusehen. Eigentlich wollte er doch nur zum Arzt, weil es ihm nicht gut ging und er nicht ganz auf der Höhe war. Zuerst dachte er, es wäre nur eine kleine Erkältung, dann eine Grippe, aber schon nach zwei Tagen konnte der junge, dünne King vor Schmerzen nicht mehr auf den Beinen stehen. Shido hatte den Fadenmeister sogar schon gezwungen, mit zu ihm zu ziehen, aber dieser musste an dem Mittag etwas erledigen und war außer Haus. Eigentlich wollte Kazuki nur abhauen, er wollte doch keine Hilfe oder seinem Freund Sorgen bereiten, aber auf dem Weg ins Ungewisse setzten wieder diese unerträglichen Schmerzen ein und zwangen den Meister in Richtung Krankenhaus. Nun sah er sich erst einmal in seinem vorrübergehenden Zimmer um. Es war klein. Scheinbar war er der Einzige, der hier ruhte. Das kleine, geteilte Fenster war leicht angekippt und ließ die kühle, frische Luft in das dunkle, stille Zimmer. Die Gardinen wehten lautlos im Wind auf und ab, ließen ab und an einen kurzen Blick auf den halbbedeckten Mond zu. Neben dem weichen Bett Kazukis ragten einige, ihm unbekannte, Geräte empor. Eines davon führte sicher zu der Kanüle in seinem Arm, ein anderes in die Atemschläuche die in seiner Nase endeten. "Huch? Sie sind aufgewacht?", ein leises Flüstern zog die gesamte Aufmerksamkeit Kazukis auf sich. Mit großen runden, aber matten Pupillen wandte der King seinen Kopf zu dem in weiß gekleideten Arzt. "Ganz ruhig. Ich bewache nur ihre Werte." Der Arzt lächelte sanft und schien Kazuki auf der Stelle sympathisch. Der Langhaarige hatte nicht die Kraft, zurück zu lächeln, starrte sein Gegenüber nur unverwandt an, nicht in der Lage, irgendeinen Satz vollständig zu formulieren. "Sie fühlen sich sicher nicht gut. Ich hoffe doch, dass wenigstens die Schmerzen etwas zurückgegangen sind?" Der Stringmaster nickte nur leicht zum Verständnis, außer Stande, zu sprechen. "Sehr schön. Stören Sie sich nicht weiter an mir, versuchen Sie noch etwas zu schlafen. Ihr Körper braucht Ruhe." Ihm brannten so viele Fragen auf der Zunge, aber statt zu sprechen beließ er es bei verwirrten Blicken. "Das sind die Medikamente. Ich erklär Ihnen alles Morgen. Nun ist das Wichtigste die Erholung. Schließen Sie die Augen und gönnen Sie sich noch etwas Ruhe, die wird hier nämlich selten sein. Morgen untersuchen wir Sie dann genauer." Kazuki wusste nicht, ob der Arzt noch weiter sprach oder dies seine letzten Worte für diese Nacht an ihn waren. Ihm fielen die schweren Augenlider wieder ungewollt zu. Er selbst schien nicht fähig sich gegen die Wirkung der Medikamente zu wehren und wandelte so wieder ins Reich der diesmal angenehmeren Träume. So erschöpft und übermüdet, wie er am Vortag gewesen war, war es kein Wunder, dass ihn nun erst die hellen Mittagsstrahlen der brennenden Sonne weckten. Scheinbar wieder etwas besserer Verfassung und erholter streckte sich der junge Mann erst einmal ausgiebig und wischte sich die letzten Anzeichen des langen Schlafes aus den braunen Augen. Er fühlte sich gut, wieder ganz normal. War er denn schon wieder gesund und hatte nur etwas Schlaf gebraucht? Ein tiefes und herzhaftes Gähnen ließ diese Gedanken erst einmal verschwinden. Er zwinkerte neugierig in seine Umgebung und erspähte auf einem kleinen, ebenfalls weißen Tisch mit gemütlich aussehendem Stuhl, ein kleines, schüsselähnliches Gefäß, aus dem der Dampf einer appetitlich riechenden Suppe aufstieg. Er schloss die Augen und hielt seine kleine Nase in die Luft, um mehr von diesem verführerischen Duft zu erhaschen. Nun merkte er endlich, wie hungrig er doch war. Endlich wieder Hunger! Das war seit zwei Tagen ein Fremdwort gewesen. Sein Magen knurrte leise bei dem herzhaften Geruch der Brühe. Wozu warten? Kazuki schlug die Sommerdecke zur Seite, um an den gut vier Meter entfernten Tisch zu schleichen. Doch etwas hinderte ihn am Aufstehen. Diese Kabel....Sie wollten sich ihm doch tatsächlich in den Weg stellen! Es machte sicher nichts, wenn er sie kurz raus zog und dann schnell, ohne, dass es jemand mitbekam, nach dem Essen wieder anschloss. Da war er sich sicher. Nach zwei kurzen, aber wirkungsvollen Handbewegungen war dies auch schon hinter sich gebracht. Nun war er seinem Ziel fast zum Greifen nahe. Die großen, treuen Augen funkelten schon erwartungsvoll und seine Füsse machten wie von selbst den ersten Schritt auf dem blauen, glatten Parkettboden. Doch kaum stand der King auf seinen eigenen Füssen, ergriff erneut ein Schwindelanfall von ihm Besitz. Schon wieder spürte er diesen brennend stechenden Schmerz im Unterleib, der ihm fast den Verstand raubte und ihm die Kehle zuschnürte. Nach Luft ringend und mit der Hitze, die ihn unaufhaltsam durchströmte, kämpfend, fiel er zurück in sein Bett. Was war denn mit ihm los? Was hatte er sich da nur eingefangen? Sich vor krampfartigen Schmerzen windend, schaffte Kazuki es nicht mal, den runden, roten Knopf zu drücken, der die Schwestern alarmierte. Er hatte wie am Vortag das Gefühl, ohnmächtig zu werden. Irgendjemand musste ihm doch helfen. Das sollte aufhören! In seinem Trancezustand nahm er wahr, wie sich scheinbar weit entfernt eine Tür öffnete und eine bekannte, aber für ihn unerreichbare, Stimme etwas rief. Wer war das? Er hatte nicht die Kraft, diese, ihm so vertraute, Stimme zuzuordnen. Er spürte, wie sich starke Arme unter seinen leichten, zitternden und von Krämpfen gerüttelten Körper schoben und ihn von dem Bett hoben. Seine Augen erschienen ihm starr. Unfähig sie zu bewegen oder sich anderweitig zu verständigen, war das einzige Zeichen, welches vom Leben des dünnen Fadenmeisters zeugte, die Tränen, die aus seinen geweiteten Augen flossen. "Ganz ruhig! Halt durch!" Kazuki hörte nicht wirklich was dieser, ihm bekannte Unbekannte, sagte. Er vernahm nur, dass die Stimme des Anderen ruhig, aber auch hektisch klang. Kazuki sah gerade noch, dass er aus der unscheinbaren Tür getragen wurde und eine weiße Person im Arztkittel auf ihn zukam, dann verschwammen schon wieder die vielen Bilder zu einem einzigen Wirrwarr. Bis der junge Mann wieder unter den Lebenden weilte, war die matte Sonne schon längst auf den Weg gen Westen und schenkte Japan nur noch eine rötliche Dämmerung, die von einigen Wolken geziert wurde. Der Wind, der durch das offene Fenster kam, ließ die dünnen Strähnen, die dem Langhaarigen ins Gesicht fielen, hin und her wehen. Doch die Glöckchen klimperten nicht, was vermutlich daran lag, dass diese ihm abgenommen wurden waren und nun den kleinen, hellbraunen Nachttisch zierten. Kazuki fühlte, dass die Atemschläuche wieder an vorhergesehener Stelle waren und auch die lange, stechende Kanüle am rechten Platz war. Ja, er war wieder in seinem Zimmer. Was war nur aus ihm geworden? War er nun ein Krüppel? Auf andere angewiesen? Er konnte ja nicht einmal mehr aufrecht gehen ohne umzukippen! "Na? Wieder wach?" Erschrocken öffnete der Langhaarige seine Augen und sah einen alten Bekannten neben seinem Bett sitzen. "Jûbei?! Was machst du hier?" Der Blinde schien gar nicht erfreut, Kazuki hier zu sehen und machte einen ernsten, vorwurfsvollen Gesichtsausdruck. "Ich passe auf dich auf, damit du nicht wieder aufstehst!" In Kazukis Gesicht erschien eine leichte Röte und er senkte verlegen den Kopf. Dann hatte also Jûbei ihn zum Arzt getragen? Ruhe lag im Zimmer, die nur ab und an von den leisen Atemzügen der Freunde unterbrochen wurde. Draußen dunkelte es langsam und auch der Vollmond wagte sich behutsam und vorsichtig über den Horizont. "Shido hat mich informiert, daraufhin bin ich hier hergekommen. Wenn er sich nicht solche Sorgen um dich gemacht hätte, wärst du jetzt wahrscheinlich nicht mehr hier, sondern in einem anderen Bett im Keller.", flüsterte Kakei trocken und ermahnend. Seine Stimme klang rau, vorwurfsvoll und hatte einen ernsten Unterton. Kazuki wusste nicht recht, was er darauf noch sagen sollte. Er hatte doch nur etwas Essen wollen und... "Woher wusste Shido, dass ich hier bin?" "Als du gerade abhauen wolltest, hat er dich gehen sehen. Dann ist er dir hinterher gegangen, weil du nicht ganz Herr deiner Sinne warst und hat das Treffen im Mugenjou ausfallen lassen." "Dann hat er euch sitzen lassen? Wegen mir?" Noch immer bevorzugte es der Fadenmeister, den Kopf gesenkt zu halten. Er hatte sich wie ein kleines Kind verhalten, das spielen wollte. "Du verdankst ihm dein Leben." Jûbei deutete auf die andere, linke Seite des Bettes und Kazuki folgte der Richtung zögerlich mit gesenktem Kopf. Dort im Sessel unterm Fenster saß der Beastmaster, erschöpft von dem Tag, in eine geliehene Decke gekuschelt, die Jûbei ihm umgelegt hatte. Die verwuschelten, schwarzen Haare verdeckten beinahe das ganze Gesicht, welches auf seiner rechten Hand ruhte. Die gleichmäßigen, ruhigen Atemzüge zeugten davon, dass er wohl schlief, obwohl seine Haltung eher den Anschein machte, als wäre er angespannt und sofort bereit aufzuspringen. Jetzt verstand Kazuki auch, weshalb Jûbei bisher nur geflüstert hatte. "Dann hat er mich zum Arzt getragen?" Jûbei nickte kurz. "Tut mir echt Leid." "Sag das nicht mir, sondern ihm!" Der King betrachtete noch eine Weile den Schwarzhaarigen, bevor sich wieder dem Blinden zuwandte. "Weißt du, was ich habe?" An seinem Gesicht sah Kazuki, dass Jûbei es ganz genau wusste auch wenn er es nicht annähernd änderte. Jûbei hingegen schwieg kurz, bis er verneinte. "Aha." Warum wollte ihm sein Freund keine Antwort geben? Vielleicht wollte Jûbei ,dass er es von einem der Ärzte hört? Dann würde er morgen fragen. Kazuki ließ seinen Blick noch einmal kurz durch das düstere Zimmer wandern und blieb wieder bei Shido hängen, schmunzelte leicht. Dann hatte er ihm also wirklich das Leben gerettet und das gleich zwei Mal. Konnte ihm denn etwas passieren bei solchen Freunden? Kazuki lächelte fröhlich und zufrieden, wie es sonst auch seine Art war. "Jûbei?", fragte der kranke King, als er immer noch auf den Schlafenden sah, "Bist du mir böse, wenn ich noch etwas schlafe?" "Nein, es würde mich sogar freuen." "Danke. Gute Nacht, Jûbei." Nach einem letzten Lächeln, welches seinem alten Freund galt, schloss er die Augen und versank wieder in den weiten der Traumwelt. Nachdem die letzten Vögel, die noch nicht gen Süden gezogen waren, bei den ersten Sonnenstrahlen des Tages wieder zwitscherten, öffnete der Beastmaster verschlafen die schwarzen Augen und gähnte in seine kuschelige, dünne Decke. Dann schaute er unter den vielen schwarzen Strähnen, die ihn nun noch verstrubbelter ins Gesicht fielen, hindurch in das helle Zimmer. "Hab ich geschlafen?", fragte er müde rein rhetorisch an Jûbei, der sich nun zu ihm wandte. "Shido?" "Hm?" "Danke noch mal. Wenn du nicht gewesen wärst, dann wäre er.." "Ich bin aber gewesen! Lass gut sein, nicht der Rede wert.", gähnte er die letzten Worte dem Blinden entgegen. "Weißt du, was er hat?" "Ja, schon länger. Aber dass es so schlimm wird... ." "Erzählst du es mir? Die Ärzte hier wollen nicht mit mir reden. Ich hab sie gestern schon gefragt, nachdem er diesen Anfall hatte, aber sie sagten nur, sie wären sich noch nicht sicher und ich solle mich gedulden. Ich bin nicht blöd! Sie werden es mir nicht erzählen, weil ich kein Angehöriger bin. Ich möchte aber wissen, was mit ihm ist. Bitte, Jûbei! Was ist mit ihm los?" Der Angesprochene erhob sich zögerlich. "Gut, ich werde es dir erzählen. Komm mit." Damit verschwand der Jüngere nach draußen und deutete Shido an, ihm zu folgen, was dieser auch ohne zu zögern tat. Nachdem er die Tür leise hinter sich geschlossen hatte und Jûbei ihn in ein leeres Zimmer geführt hatte, setzte er sich, Jûbei aufmerksam beobachtend auf eines der gemachten, sauberen Betten. "Aber vorher möchte ich klarstellen, dass nicht mal Kazuki weiß, was er hat und auch nicht wissen soll, verstanden?" Shido nickte. Die Neugierde in ihm stieg bis zur Unerträglichkeit. "Also gut...", der Blinde holte tief Luft und sammelte seine Gedanken, bevor er anfing, "Die Diagnostik ist längst abgeschlossen. Eine Endoskopie, eine CTU, ein Hämocculttest und eine Kernspintomographie, kurz NMR, wurden bereits durchgeführt, als Kazuki geschlafen hat. Selbst der Kolon wurde schon koloskopiert. Das Einzige, was die Ärzte hier noch tun können ist die lokale, palliative Therapie. Sogar der Pathologe schloss sich diesem Befund an. Zuerst dachten sie, es wäre nur ein Polyp, aber ich wusste es besser und wies sie daraufhin, dass es schon weit über ein Primärtumor hinaus geschritten wäre. Radiotherapie bringt dem zur Folge nichts mehr. Rehabilitation ist weitestgehend unmöglich. Kazuki würde in seinem Zustand physisch und psychisch zu sehr darunter leiden, zumal es sowieso nur alles eine kurze Dauer hinaus zögert, die so gering ist, dass sie nicht von Bedeutung wäre. Auch die Rektoskopie bestätigte dies. Sie hoffen auf eine Remission, die schon einmal, vor langer Zeit erfolgreich war. Aber selbst da war es nur rezidiv. Die Prognose beinhaltet eine Operation mit folgenden Stoma, aber meiner Meinung nach ist auch dies zwecklos. Die Symptome sind einfach eindeutig. Therapien verschwenden auch nur sinnlos Zeit. Die Tumormarker sind schon vor Jahren, als Kazuki noch ganz klein war, aufgetreten. Er erinnert sich vermutlich noch nicht einmal mehr daran. Aber schon damals war keine Radiotherapie mehr möglich. Ich mische ihm selbst schon Jahre lang Zytostatika unter und mache so eine Chemotherapie mit ihm, ohne, dass er wirklich etwas davon mitbekommt. Er leidet unter Chemoembolisation. Über kurze Zeit hinweg würde ihm also ein sogenanntes anus praeter helfen. Adjuvant dazu leidet er auch noch an Anämie - sozusagen als Folge von alldem. Sein Immunsystem ist dementsprechend geschwächt. Sein Darm ist irritiert. Bei genauer Inspizierung sind sie zu dem Ergebnis gekommen, dass der Tumor, wie bereits angenommen, invasiv ist. Die TNM - Klassifizierung zeigt T4N1Mx - so zumindest das Grading hier. Sie haben ihn natürlich längst lokalisiert, aber wie schon gesagt, ist keine Rehabilitation möglich." Nach der flüssigen und für ihn völlig verständnisvollen Erklärung senkte er traurig den Kopf und schwieg. Shido hingegen hatte nach dem dritten Satz bereits nur noch Fremdwörter vernommen, die ihm verwirrend durch den Kopf schwirrten. "Verstehst du jetzt, weshalb Kazuki es nicht erfahren darf?" "Also ich glaube, wenn du es ihm so erklärst und ich ihn nur etwas einschätzen kann, brauchst du dir keine Sorgen zu machen, denn er wird garantiert nichts verstehen!" Jûbei schaute in die Richtung seines Freundes. "Ich bin kein Arzt, Jûbei. Das Einzige, was ich wirklich verstanden habe, ist >keine Rehabilitation< und irgendetwas mit Tumor. Könntest du es vielleicht etwas, nur ein klein bisschen, vereinfachen?" "Entschuldige, hab ich vergessen." "Und bitte etwas kürzer?" Der Arzt nickte. "Es wurden sehr viele Untersuchungen durchgeführt. Kazuki leidet unter Krebs, Darmkrebs. Er ist so weit fortgeschritten, dass Heilung nicht mehr möglich ist. Sie haben Therapien, die es über einen kurzen Zeitraum hinauszögern würden, aber dieser Zeitraum wäre so minimal, dass ich denke, dass es besser für ihn ist, wenn er den Rest seines Lebens draußen genießt. Er bekommt von mir Tabletten, seit ich ihn kenne. Bisher weiß er nichts davon. Er denkt wahrscheinlich, es wäre nur eine Grippe oder so ähnlich. Diese Symptome sind schon einmal aufgetreten, aber er weiß es nicht mehr." Jûbei hielt inne. Seine Stimme zitterte leicht und er wandte sich schweigend von Shido ab, der den Kopf gesenkt hatte und ebenfalls schwieg. Kazuki hatte Krebs? Seit er ein Kind war? Es war keine Heilung möglich? Er wusste es nicht mal selbst? Wollte Shido das eigentlich alles wissen? Jûbei sprach weiter, bevor Shido sich da ganz sicher war. "Kazuki ist noch relativ jung. Normalerweise haben Menschen im hohen Alter, also ca. ab dem 60. Lebensjahr, ein erhöhtes Risiko Krebs zu bekommen. Leider ist dies aber auch vererbbar. Sein Vater hatte dieselbe Krankheit und starb noch vor seiner Geburt daran. Natürlich ließ seine Mutter ihn sofort untersuchen und das Ergebnis war eindeutig." "Woher weißt du das alles?" "Die Fuchôin und die Kakei Familie waren immer gut befreundet und reichen über lange Generationen zurück. Meine Mutter war eine alte Freundin von der Kazukis und erfuhr davon. Natürlich wollte sie ihr und Kazuki helfen. Immerhin war er ja der einzige Erbe des Dojos. Auch ich bin Erbe meiner Familie. Es ist Tradition bei uns gewesen, dass sich die gleichen Generationen behilflich sind. Meine Familie hatte sich weniger auf den Kampf, sondern eher auf die Heilkunst spezialisiert - wie du vielleicht weißt. Bei mir wurde - anders als bei den anderen - nicht erst die Kampfkunst gelehrt, sondern mehr Wert auf Heilkunst gelegt, im spezifischen Krebserkrankung. Dann wurde ich ins Fuchôin Dojo geschickt, um mir meinen Patienten genauer anzusehen, ohne, dass er etwas merken sollte. Doch ich war noch zu unerfahren und zu jung und der Krebs wuchs sehr schnell. Ich gab ihm Medikamente dagegen, aber diese zeigten nicht die gewünschte Wirkung. Kazuki schien das nicht zu bemerken, aber ich tat es... ich konnte einfach nichts dagegen tun. Mir fehlten die Mittel. Ich bin unfähig... er wird sterben. Ich werde nichts dagegen tun können. Verdammt!" Jûbei schlug mit der Faust auf den Tisch, seine Augen waren mit Tränen gefüllt, die er immer noch versuchte, zurückzuhalten. Er war machtlos gewesen und gab sich die Schuld an allem. Die Wut über sich selbst stieg in ihm auf, wie schon in den letzten Jahren, aber da hatte er sie noch unterdrücken können. Shido flüsterte nur den Namen des anderen, als er sah, wie dieser sich selbst deswegen fertig machte. Der Schwarzhaarige stand auf und ging lautlos zu ihm herüber, nahm ihn in den Arm. Jûbei konnte nicht mehr wirklich gegen die Tränen ankämpfen. Er wusste was bald mit seinem besten Freund passieren würde und das alles war seine Schuld. "Das ist nicht deine Schuld, Jûbei." Shido hatte zwar aufmerksam zugehört und war sich den Folgen der Erkrankung bewusst, aber verinnerlicht hatte er es noch nicht oder wollte es nicht. "Gar nichts ist deine Schuld. Du hast getan, was du tun konntest. Kazuki ist doch schon glücklich, wenn er dich nur sieht. Keiner gibt dir die Schuld. Du bist ein guter Arzt." Jûbei schüttelte den Kopf, sagte aber nichts. Er fühlte sich einfach nur leer. Wie sollte es weiter gehen? Sein Leben lang hatte er alles für seinen jüngeren Freund getan und nun schien alles sinnlos gewesen zu sein. "Ich will nicht, dass er stirbt.", schluchzte der junge Kämpfer dem King entgegen und verbarg seinen Kopf weiterhin in Shidos Schulter, welcher nur leicht zur Antwort nickte. /Du Trottel hast es all die Jahre mit dir rum geschleppt ohne mit jemanden zu reden.../ Es dauerte nicht länger als fünf Minuten, bis Jûbei wieder seine undurchdringliche Maske aufgesetzt hatte und so ganz Kazukis rechte Hand war. Shido wagte kaum zu fragen, es interessierte ihn aber dennoch: "Weißt du...Weißt du wie viel Zeit er noch hat?" Kakei schluckte die wieder hochkommende, angestaute Trauer runter und antwortete wesentlich gefasster: "Wenn sie ihm hier helfen können und er das übersteht, dann höchstens noch ein bis zwei Jahre." Den Beastmaster traf es wie ein fester Schlag ins Gesicht. Nur noch ein/zwei Jahre? Dabei hatte sein jüngerer Freund doch immer so lebenslustig und freudig gewirkt. So eine Krankheit sollte das tatsächlich ändern? Sein Magen zog sich zusammen. Was sollte er davon halten? Er fühlte sich so...unglaublich leer. Kazuki und sterben? "Vergiss nicht: Du hast mir versprochen, es ihm nicht zu erzählen.", erinnerte ihn der Braunhaarige noch einmal daran, doch Shido schien völlig in seine eigenen Gedanken vertieft. "Weißt du, damals, als ich Kazuki zum ersten Mal sah, wollte ich mich soweit wie es nur geht von ihm fern halten, ihn nur als >Objekt< sehen. So, wie die meisten Ärzte nach langer Zeit ihre Patienten nur als Ware ansehen. Aber dann sah ich ihn dort sitzen. Er war so sanft und zerbrechlich, so hilfebedürftig und er lächelte mich so warm und liebevoll an. Ich erstarrte sofort. Ich fragte mich ständig, ob er wirklich von dieser tödlichen Krankheit befallen war und weshalb gerade er daran leiden musste und nicht irgendein anderer, der es wahrscheinlich verdient hätte. Er richtete sich auf und kam zu mir herüber, nahm mich mit seinen dünnen Händen an der eigenen und stellte sich freudestrahlend vor. Seine braunen, großen Augen funkelten mir so offen und treu entgegen. Ich verstand gar nichts mehr. Meine Kenntnisse schienen vergessen und völlig nutzlos. Wie sollte ich ihn nur als Objekt sehen können?" "Du liebst ihn, richtig?" Shido fragte das nicht, weil er es nicht wusste. Er wollte wissen, ob Jûbei sich dessen bewusst war. "Das darf ich nicht, ich bin doch nur..." "Antworte genau auf meine Frage." Einen kurzen Augenblick herrschte wieder Stille. "Seit dem ersten Moment." Der Beastmaster lächelte leicht und klopfte dem Jüngeren bestätigend auf die Schulter. "Sag es ihm, er wird sich darüber freuen, glaub mir." Damit verschwand Shido aus dem stillen, kleinen Raum und ließ Jûbei verwirrt zurück. Während der Schwarzhaarige sich hungrig in der Mensa niederließ, suchte der Arzt den Weg zurück in das Zimmer seines kranken Freundes, der sogar in der Zwischenzeit aufgewacht war und auf seinen Besuch wartete. "Jûbei!", lächelnd empfing er seinen persönlichen Arzt. "Ich dachte schon, ihr wärt beide gegangen. Sag mal, wann darf ich hier wieder raus oder zumindest aufstehen?" "Das liegt ganz an dir. Wenn du dich schnell erholst, kommst du auch schnell wieder hier raus." Der Kurzhaarige setzte sich auf einen der silbernen Stühle, die neben dem Sommerbett des Stringmasters standen. Dieser senkte traurig den Kopf, schien deprimiert über die Antwort seines Freundes. "Weißt du wirklich nicht, was ich habe? Ich meine wirklich?" "Worauf willst du hinaus?" "Naja, ich denke nämlich, dass ich weiß, was ich habe." Jûbei ließ sich nichts aus dem Gesicht ablesen, verformte dieses nur wieder zu einer ausdruckslosen Maske. Er deutete an, dass Kazuki weiter sprechen sollte. "Ich denke,..." /Ich sollte ihn nicht damit belasten.../ "...ich habe eine dicke Grippe." Für einen kurzen Moment hatte Jûbei wirklich angenommen, sein Meister wüsste tatsächlich darüber Bescheid. Nun war er erleichtert. "Ich hoffe doch, dass du damit richtig liegst und es bald besser wird." Flying Needle versuchte zu lächeln, doch so ganz gelang es ihm nicht. "Erlaubst du mir kurz, runter in die Cafeteria zu gehen? Der Arzt hat mir vor einer halben Stunde ein Medikament gegeben und meinte, ich könnte aufstehen, wenn ich mich in der Lage dazu fühle." Wie gut Kazu doch betteln konnte. Das hatte er all die Jahre nicht verlernt. Der andere gab sich geschlagen. "Ich werde hier auf dich warten. Beeil dich!" Schon war Kazuki mit seiner gewohnt guten Laune nach draußen geschwuchtelt und schlich federleicht durch die weiten, breiten Gänge bis zum Fahrstuhl und fuhr mit diesem an das gewünschte Ziel in die unterste Etage. Doch kaum hatte er den ersten Schritt auf der unbekannten Ebene gemacht, quietschte er laut und erschrocken auf, bevor er gut einen Meter zurück sprang. Er hätte fast einen Herzinfarkt bekommen. "Shido!! Du kannst doch nicht einfach vor mich spring...", prustete der Erschrockene los, doch Shido unterbrach ihn. "Was machst du denn hier? Solltest du nicht oben liegen und dich rehabilidingsbumsen?" "Ich rehabilidingsbumse mich nicht! Ich darf runter! Selbst Jûbei hat es mir erlaubt!" Und das mochte - Shido weiß - was heißen. Kazu stellte sich auf die Zehenspitzen, um größer als Shido zu wirken und streckte die Brust raus, versuchte den vor sich abwertend und arrogant anzuschauen, wie eine Respektsperson zu wirken. Dieser lachte stattdessen bei diesem wirklich lächerlichen und erbärmlich aussehenden Versuch nur laut los. Nein, Kazuki durfte nicht sterben. Nicht bevor er gelernt hatte, wie so etwas auszusehen hatte. "Nun gut...", kicherte der Beastmaster immer noch leicht, "Gehen wir was essen - auf meine Kosten." Schon hatte ihm der Ältere sein Frühstück ausgegeben und setzte sich dem scheinbar ganz Gesunden gegenüber. Nach einigen Scherzen und eher sinnlosen Gesprächen über banale Sachen, wurde der Stringmaster plötzlich ernst und lehnte sich zu seinem Kollegen vor. "Shido? Ich muss dir etwas erzählen. Ich möchte, dass du es weißt. In mich rein fressen kann ich es nicht länger und es bringt auch nichts. Nur, ich möchte Jûbei damit nicht belasten." Shido nickte verständnisvoll und beugte sich ebenfalls zu dem Krebskranken vor. "Erzähl. Bei mir ist dein Geheimnis sicher." "Der Grund, weswegen ich wirklich hier bin. Das ist nicht irgendeine Grippe. Shido, ich werde... Ich habe Krebs." Der Größere verschluckte sich - als er erfuhr, dass die beiden Gefährten sich schon Jahre lang scheinbar sinnlos Sorgen um die Reaktion des anderen zu diesem Thema machten und sich nur selbst damit kaputt spielten - an seinem trockenen Hörnchen, welches er gerade dort gekauft hatte und rang verzweifelt nach Luft, lief schon rot an. "Shi...Shido?" Kazuki sprang auf und zog den anderen King mit einem Ruck auf die Beine, stellte sich entschlossen hinter ihn und legte die Arme fest um dessen Magen, bevor er anfing, ziemlich zweideutige Bewegungen zu machen, um seinen Freund so dieses bösartige Stück Hörnchen wieder aus der Kehle in die Freiheit zu befördern und den Beastmaster so das Leben zu retten. Shido würgte dabei nur und versuchte noch etwas Luft zu erhaschen. Nun kämpften sich die zwei Kings mit seltsamen, stossartigen Vor- und Rückwärtsbewegungen durch die engen Stuhlreihen und scheuchten so sämtliche Leute auf, die versuchten in der vorher doch relativ ruhigen Speisehalle zu essen. Dann kippten die Zwei schlussendlich noch nach vorn um, da der Gleichgewichtssinn von beiden doch etwas gestört schien und landeten in einer mehr als nur zweideutigen Stellung auf dem hölzernen Esstisch, wobei hier wohl Shido Uke gewesen wäre. Nachdem dieses trockene Stück Teig endlich wieder draußen war und Shido, nur noch glücklich sein Leben weiter leben zu dürfen, nach doch so wertvoller Luft rang, beruhigten sich die Leute, die sich noch in der Nähe befanden langsam wieder, nahmen Platz, um weiter zu essen. Kazuki lag noch immer auf seinem erschöpften Freund und lächelte freudig, aber doch leicht besorgt in sich hinein. "Was um Himmels Willen tut ihr Zwei da? Und warum um Gottes Willen tut ihr DAS genau HIER?" Emishi stand fassungslos in der Eingangstür. Shido wandte seinen Kopf alles sagend zu dem neuen Besucher, bevor er schließlich selbstverständlich und doch noch etwas krächzend antwortete: "Wir versuchen uns hier in Ruhe flachzulegen, weil oben Jûbei sitzt, wir sonst nirgendwo anders hin können und es hier eh niemanden stört." Dann schubste er Kazuki sanft von sich runter und machte sich an den Rest des anscheinend tödlichen Hörnchens. Kazuki hingegen setzte sich Shido wieder gegenüber, faltete die Hände leicht ineinander, legte seinen Kopf darauf, lächelte den Trottel vor sich schweigend an und schaute ihm beim Auseinandernehmen des wehrlosen Nahrungsmittels zu. "Was ist? Kommst du rüber oder willst du weiter den Eingang versperren?" Emishi konnte es nicht fassen. Da saßen sie sich nun verliebt gegenüber und taten so, als wäre nichts. Dabei war es doch jetzt endgültig bewiesen, dass die Zwei eine Affäre hatten. Das würde er Jûbei erzählen. Rache, Kazuki, Rache! Dabei war er sich doch so sicher gewesen, dass Shido nur ihm gehörte. "Wie kannst du mir so was antun?!", quietschte der junge Komiker immer noch in der Tür stehend und schlich, gespielt theatralisch mit überflüssigen Tränen in den Augen, zu den Zweien hinüber. "Klappe, Idiot!" Kazuki kicherte leise, was allerdings in einem Hustenanfall endete. Shido hob den Kopf. "Klingt ja nicht gut, Kazuki-han..." Doch dieser winkte nur ab, brauchte eine Weile, bis er sich wieder gefangen hatte. Davon ausgehend, dass Kazuki nicht all zu doll krank war, setzte sich Joker neben Shido und sah diesen bettelnd an. Immerhin hatte Emishi sein letztes Geld für diesen hässlichen Blumenstrauß, den er für den >Patienten< mitgebracht hatte, zusammen kratzen müssen, der ja sowieso bald verwelken würde. Jetzt hatte er keinen einzigen Yen mehr für sein Frühstück übrig. Doch Shido kannte seinen Stellvertreter schon seit Jahren und hatte mittlerweile gelernt, ihn gar nicht erst zur Kenntnis zu nehmen, also gekonnt zu ignorieren. Er beobachtete stattdessen seinen Gegenüber aufmerksam und zog hin und wieder, wenn ihm sein kleinerer Freund zu nahe kam, das halbe Hörnchen gerade soweit weg, dass es Emishi höchstens bis zur Nasenspitze reichte und er deswegen kein Krümelchen abbekam. Dann biss er noch demonstrativ einen winzigkleinen Happen ab, um den gelernten Dompteur auch ja lang genug ärgern zu können. Ja, der Beastmaster konnte endlich wieder Sadist sein. Wie er das Leben im Mugenjou doch vermisste. Davon mal abgesehen, fühlte er sich voll und ganz im Recht, immerhin war es sein Todes-Hörnchen und nur sein! Nur diesem Stück Teig würde er sein Leben schenken, nur es war in der Lage, ihn zu töten und auch nur so würde sein Leben enden. Ja, für ein kleines Stück Hörnchen wurde er sich ohne Zweifel umbringen. Er konnte nicht leugnen, dass es ihm Spaß machte, Emishi heulend, aus den Augenwinkel heraus zu beobachten und er sich sogar zusammen reißen musste, nicht auch noch sadistisch zu grinsen. Hach, war der Beastmaster doch heute wieder krank, sadistisch krank und damit voll in seinem Element, wie Emishi fand. "Shi~do! Bitte!" "Ich sag dir, du wirst nicht glücklich, wenn du es isst. Willst du ernsthaft mit dem schlechten Gewissen, deinen einzig wahren und sowieso besten King im Mugenjou um sein Frühstück gebracht zu haben, weiter leben?" "Keine Angst! Darüber komme ich über die Jahre hinweg." Schon hatte es sich Joker unter den Nagel und Shido somit aus den Händen gerissen und gierig den ersten Bissen verschlungen. "Dafür wird es dich töten!" "Daff nähm iff in kof!", schmatzte der Hungrige nur zurück. Shido stand nur kopfschüttelnd auf. "Komm, Kazuki! Lass uns ins Nachbarzimmer gehen und unsere unterbrochene Affäre dort zuende bringen!" "Gern!", lächelte dieser seine >Affäre< an, bevor er seinem Freund folgte und Emishi, mit dem Todes-Hörnchen in der Kehle kämpfend und nach Luft ringend, links liegen ließ. Obwohl dieser nicht unbedingt auf der linken Seite lag, sondern sich doch eher von einer auf die andere wälzte, beide Hände an der Kehle und mit blau angelaufenem Gesicht nach Hilfe japste. Kazuki hopste, scheinbar wieder topfit und guter Dinge, dem Größeren hinterher. "Hast du gar keine Angst, dass Emishi daran erstickt?" "Warum sollte ich? Ich hab mir schon so oft gewünscht, dass er plötzlich, wie aus heiterem Himmel, krepiert, aber jedes Mal wurde ich enttäuscht. Der Typ hat mehr Leben als eine Katze." Der Fadenmeister fragte sich, ob Shido das wohl ernst meinte. Obwohl er es ihm nicht mal verübeln konnte; bei den flachen Witzen. Trotzdem sollte man doch nicht unbedingt den Teufel an die Wand malen, wie der Jüngere fand. Außerdem war er sich sicher, dass Shido doch sehr viel an diesem seltendämlichen Dompteur lag, auch, wenn dieser das niemals zugeben würde. Schon wurde der Krebskranke in ein Zimmer geschoben und dessen Tür schnell und lautlos geschlossen. Shido seufzte tief und sah wieder etwas ernster aus. "Wegen der Sache vorhin... mit dem Krebs. Meinst du nicht, du solltest es Jûbei erzählen?" Kazuki schüttelte den Kopf. "Er hat wegen mir schon genug Probleme. Das braucht er nicht auch noch zu wissen." Shido rollte mit den Augen. Einerseits hatte er dem Blinden versprochen, Kazuki nichts über sein Wissen zu erzählen, andererseits war das so kindisch. Es wussten doch beide Seiten. "Ich fände es besser, wenn du es ihm erzählst." Den Jüngeren verwirrte eher, dass sein Freund überhaupt nicht überrascht schien oder es auch nur bedauerte. "Seit wann weißt du von deiner Krankheit?" "Schon ziemlich lange. Ich hatte mal einen ähnlichen Anfall, der ist allerdings schon ewig her. Als ich am Abend, als es mir wieder etwas besser ging, zu meiner Mutter gehen wollte, sprach sie gerade mit jemanden. Ich glaube, es war Jûbeis Mutter, aber das ist nur eine Vermutung von mir. Ich lauschte." "Lauschen kannst du gut...", murrte der Tierfreund ironisch in den Raum und brachte Kazuki damit schon wieder zu einem verlegenen Grinsen. "Man hat eben so seine Mittelchen. Naja, jedenfalls sprachen sie über meinen Zustand. Ich verstand nicht viel, nur, dass es wohl sehr schlecht stand und ich wahrscheinlich sterben würde. Ich sollte nichts davon erfahren, also tat ich so, als wüsste ich von nichts, um ihnen keine Sorgen zu bereiten." Wie hielt es dieser Typ nur mit seiner ständigen Rücksichtnahme aus? "Denk doch einmal an dich!", raunte Shido den anderen an. "Ach Shido!", Kazuki setzte seine Unschuldsmiene auf, lächelte seinen Freund liebevoll an und sagte dann mit einer engelsgleichen Stimme: "Ich kann nun mal nicht so egoistisch sein wie du." "Ich werde dir gleich dein hübsches Köpfchen um 360°C drehen und dafür sorgen, dass dein armer, lebloser Körper von den hungrigen Ratten da draußen gefressen wird und nie wieder auftaucht. Ich muss an die hilflosen Tierchen denken - Rücksichtsvoll, wie ich bin." "Hach, dein schwarzer Humor kommt fast an den Jokers ran!" "Langsam wirst du beleidigend..." Die Tür sprang auf und unterbrach die weltbewegende Unterhaltung der beiden Kings, die sich erschrocken umdrehten und dort Joker und Jûbei erblickten. "Was wollt ihr denn hier?" "Du bist ja immer noch nicht übern Jordan!", seufzte Shido resigniert und schlug fast deprimiert die Hände über dem Kopf zusammen. "IHR habt eine Affäre?!" Jûbei schien geschockt über die Neuigkeit, die Emishi ihm gerade erzählt hatte. "Natürlich, siehst du das nicht?", entgegnete Shido. "Nein, Shido, ich glaube er sieht es nicht..." Der Einzige, der dies wohl nicht witzig fand, war der Blinde selbst, denn sogar Kazuki lächelte verlegen. "Jûbei! Was denkst du von mir!?", ermahnte ihn der Stringmaster, "Ich würde nie etwas mit Shido anfangen. Wenn, dann schon Ginji!" Jûbeis Kinnlade ergab sich der Erdanziehung und machte beinahe Bekanntschaft mit dem Boden. Er brachte kein weiteres Wort mehr heraus, dabei hatte er sich doch so fest vorgenommen Kazuki seine Liebe zu gestehen und nun funkte ihm der Elektroking sprichwörtlich dazwischen?! "Ach komm schon!" Kazu hüpfte zu seinem Arzt. "Ich hab doch keine Affären!" Schon umarmte er seinen Freund lächelnd wie es auch sonst seine Art war und knuddelte sich in dessen großes T-Shirt. "Davon mal abgesehen, würde das gar nicht funktionieren, da man nicht mal fünf Minuten allein sein kann, ohne von einem wie euch bespitzelt zu werden!" Wo Shido Recht hatte, hatte er Recht. Die beiden fühlten sich aber keineswegs angesprochen. Man musste eben vorsichtig sein. Kazuki und Jûbei schienen schon wieder ein Herz und eine Seele zu sein. Waren die wenigen Minuten ohne einander doch schon wieder kaum zum Aushalten gewesen. Der Schwarzhaarige ging an beiden vorbei. "Sprecht euch mal aus und vertraut euch eure Geheimnisse an. Ihr werdet überrascht sein! Wenn ich wieder komme, will ich diese Dinge aus der Welt haben, sonst könnte ich mich ja vielleicht verplappern." Die Blicke der Anwesenden folgten ihm, als er aus der Tür verschwand und dann noch einmal kurz hinein lugte. "Emishi! Beifuss!" Wie ein gezähmtes Schoßhündchen hüpfte der Gerufene, überglücklich von seinem King mal beachtet zu werden, mit nach draußen. Dann fiel die Tür ins Schloss und Kazuki und Jûbei waren allein. "Schon komisch... Sollte nicht eigentlich das >Tier< auf den Dompteur hören?" Kazuki wandte sich nun von der Tür ab und stellte sich genau vor seinen Freund, zupfte nervös an dessen langem T-Shirt herum. "Ich muss dir etwas sagen, aber ich weiß nicht wie." Der Jüngere senkte den Kopf, schien zu überlegen, wie er es am besten formulieren sollte. "Egal was es ist, ich bleib bei dir." Kazuki nickte hoffend und kuschelte sich instinktiv an den Größeren. Bei ihm fühlte er sich sicher. Er wollte ihn auf keinen Fall verlieren. "Ich werde hier vielleicht nicht mehr raus kommen. Ich habe nicht irgendeine Krankheit, sondern eine tödliche..." Jûbei glaubte, ein unterdrücktes Schluchzen in der zitternden Stimme seines Kings zu hören und nahm ihn in den Arm, drückte ihn beschützend an sich. "Ich weiß. Du brauchst nicht weiter sprechen. Ich versteh schon." Der Langhaarige verbarg seinen Kopf im Oberteil seines Freundes und umarmte ihn dankend. "Ich will nicht sterben. Ich hab Angst." "Ganz ruhig. Du wirst nicht sterben, nicht solange ich etwas dagegen unternehmen kann. Ich lass dich nicht hängen." "Ich hab dich lieb." Noch bevor Jûbei in irgendeiner Weise reagieren konnte, hauchte Kazuki ihm ganz sanft einen Kuss auf die Wange und kuschelte sich danach wieder an ihn. Jûbeis Gesicht versank in einer tiefen Röte, die nicht mal seine Brille bedecken konnte. Wie ein Trottel stand er da, sprachlos, überwältigt, geschockt, erschrocken; was auch immer es war, es brachte Kazuki wieder zum Lachen und die, mit Tränen gefüllten Augen zum freudigen Funkeln. "Keine Angst,", lachte der Kleinere, "Ich weiß, was du mir sagen willst. Dein Gesicht spricht Bände." Noch einmal wurde Flying Needle von oben bis unten geknuddelt. Natürlich war das Verhalten seines naiven Freundes mehr als kindisch und in der Öffentlichkeit ab und zu auch ziemlich peinlich, aber missen wollte er das auf keinen Fall. "Ich liebe dich auch.", flüsterte der etwas erwachsenere von Beiden, zog den jungen Mann am grünen Kragen der Patientenbekleidung zu sich und küsste ihn lang und innig, sodass Kazuki sich auf die Zehenspitzen stellen musste und noch dazu gezwungen war, den Braunhaarigen zu umarmen. Jûbei hingegen beugte sich leicht zu ihm hinab und hielt ihn kontrolliert und dennoch sanft fest. Shido und Emishi liefen unterdessen durch die drängelten Menschenmengen außerhalb des Gebäudes, d.h. Shido versuchte, Emishi zu entkommen. Doch dieser hing wie eine Klette an ihm und piekste das langsam etwas genervte Voltsmitglied unablässig in die Seite. Es nervte nicht nur, es brachte ihn beinahe zur Weißglut. Wenn hier in der Nähe ein Abgrund gewesen wäre, wäre der King wohl sogar noch freudig hinunter gesprungen. Obwohl er sich nicht sicher war, ob Joker nicht doch noch hinterher springen würde. Dieser Mann wusste wirklich nie, wo die Schmerzgrenze lag. "W.A.S W.I.L.L.S.T D.U?!?!?!?" Das war schon kein Fauchen mehr, es grenzte dicht an das Brüllen eines Löwen, der sein Revier auf Leben und Tod verteidigte - und das sogar ohne Hilfe einer Beastverwandlung. Emishi zog den Kopf ein und spielte, wie sooft, den geprügelten Hund. "Ich hab Hunger.", antwortete der Japaner kleinlaut. "Hat dir MEIN Hörnchen nicht schon den Atem geraubt?" "Das war ja nur Trockenfutter. Ich will was essen." Das Einzige, was Emishi als Antwort bekam, war ein zischendes Nuscheln, was es wohl nicht ganz durch die zusammen gepressten Zähne des Kings schaffte. Wollte er einen hungrigen Freund einfach so ignorieren? Emishi wusste, dass er das vorhatte. Er wusste aber auch, dass Shido es hasste, wenn man ihn in der Öffentlichkeit - und sei es außerhalb des Mugenjous - bloß stellte und alles tat, um eben dies zu verhindern. Selbst sein Essen würde er ausgeben. Sicher würde Emishi danach sterben, aber auch wenn er verhungerte, hatte er nicht mehr Chancen und wer wusste schon, wann er wieder Geld hatte? Der Komiker stellte sich also vor Shido und fing lauthals seinen eher monologen Dialog mit dem Älteren an und schluchzte dabei, was das Zeug hielt: "Aber...schnief...Brüderchen! Schluchz...ich will nicht nach Hause...snüff. Bitte! Vater wird mich wieder verprügeln, wenn ich um etwas Essbares bitte." Er breitete die Handflächen bettelnd nach seinem >großen Brüderchen< aus. "Bitte, sei gnädig und erlaube mir, wenigstens ein belegtes Brötchen zu verzehren." Wie der Mann auf Kommando heulen konnte, war Shido schlicht und ergreifend ein Rätsel. Nun wurde er von allen angestarrt und zeigte als einzige Reaktion ein bedrohliches Zucken der rechten Augenbraue. Joker nahm dies wohl wahr, ignorierte es aber. "Ich werde dich auch frühestens in einer Woche wieder fragen, versprochen. Bis dahin bin ich gesättigt. Bitte hab erbarmen mit mir, großer Bruder. Ich arbeite es auch ab. Ganz bestimmt. Ich nehme die Schläge für dich in Kauf!" Die Leuten fingen an, zu tuscheln und versammelten sich um die Zwei, erdolchten Shido fast mit ihren garstigen und vorwurfsvollen Blicken. "Wie du willst, Brüderchen.", zischte der bösartig, "Ich werde dir EIN belegtes Brötchen ausgeben und DU wirst dies abarbeiten, nachdem Vater dich, wenn wir ZU HAUSE sind, verprügelt hat." Damit schliff der gutherzige Menschenfreund den Idioten mit. Nach nicht mal einer viertel Stunde hatte der hungrige Dompteur das kleine Brötchen verdrückt und schien wenigstens annähernd gesättigt, strich sich genüsslich über den Bauch und seufzte zufrieden. Shido hingegen schien sauer und stand auf, wandte sich ab, um zu gehen. "Shido-han?" "Für dich, Meister Fuyuki!" "Bist du mir böse?" "Wie kommst du denn darauf? -Und es heißt: Sind Sie mir böse?" "Warum sollte ich dir böse sein?" Der Schwarzhaarige schlug sich innerlich vor den Kopf. In solchen Situationen wusste er nie, ob Emishi wirklich so beschränkt war oder es mit Absicht tat. Joker erinnerte ihn in gewissen Abständen immer wieder daran, warum er Menschen so hasste. Er drehte sich zum Gehen um, doch Emishi sprang auf und versperrte ihm den Weg. "Was willst du denn noch? Soll ich dir noch was zum Spielen kaufen?" "Es tut mir Leid.", meinte der Jüngere ganz ehrlich, doch das war Shido im Moment völlig egal. "Es tut dir Leid, es tut dir Leid.", weiderholte der King nachahmend, "Pah! Mir tut`s auch Leid und jetzt lass mich durch!" "Shido, ich w..." "Es ist mir egal! Ich hab die Schnauze voll!" Seine Augen funkelten vor Zorn, so, wie Emishi es noch nie gesehen hatte. "Lass mich in Ruhe!" Vielleicht war er zu grob zu ihm, aber es war immer wieder dasselbe mit Emishi. Dieser traute sich nicht mal mehr, ihm in die Augen zu sehen, geschweige denn, Luft zu holen. Er schwieg einfach nur. Hatte er es diesmal wirklich zu weit getrieben? Shido jedenfalls ging einfach, ohne Joker noch eines Blickes zu würdigen. Er brauchte jetzt erst mal seine Ruhe. Entschuldigen würde er sich jedenfalls nicht. Da hatte er viel zu viel Stolz. Er musste sich abreagieren. Er brauchte nur Zeit. Nichts weiter. Emishi würde sicher nachkommen, wie sonst auch. Er wollte ihn ja nicht loswerden, er brauchte nur Abstand. Er war im Augenblick einfach zu genervt für solche Witze. Dafür konnten weder Emishi, noch er etwas. Aber zuerst wollte er die Nachricht mit Kazuki verinnerlichen und in Ruhe darüber nachdenken. Und wo konnte man das besser, als in einer ernsthaften Diskussion mit einem Bekannten, der einen verstand oder zumindest verstehen konnte, wenn er wollte? Es sollte keine normale Diskussion werden. Nein... Shido wollte jetzt ein Streitgespräch. Damit schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe: Er reagierte sich ab und redete über Probleme. Für Joker war er zumindest schon sechs Sekunden später in der Menschenmenge verschwunden, ohne, dass dieser etwas von dem Vorhaben seines besten Freundes ahnte. "Meinst du nicht, wir sollten langsam wieder hochgehen? Ich fühle mich doch noch nicht ganz so gut und der Arzt will bestimmt auch noch einmal nach mir sehen." Der Fadenmeister kuschelte sich noch immer an Jûbei. Allerdings diesmal mit einem kleinen Unterschied... Sie verharrten schon eine halbe Stunde in dieser Position und Kazuki genoss es ja auch, kein Zweifel. Nur wurde ihm langsam wieder schwindelig und Jûbei bot ihm den gebrauchten Halt. "Klar, wird Zeit. Gehen wir." Jûbei ging zur Tür, Kazuki mit dem linken Arm stützend, der sich dankbar an diesen klammerte, um nicht völlig den Gleichgewichtssinn zu verlieren. Er drückte leicht die Klinke herunter, doch die Tür ging nicht auf. "Was ist? Klemmt sie?" Jûbei versuchte es stärker, stemmte sich dagegen, rüttelte an ihr... "Ich glaube, sie ist abgeschlossen." "Jûbei...ich glaube, mir ist Übel. Ich hab Bauch- und Kopfschmerzen..." "Ganz ruhig. Du brauchst deine Tabletten. Es kommt sicher gleich jemand.", versuchte er, Kazu etwas zu beruhigen. Der Blinde lauschte, doch vernahm nichts. Kein Geräusch, kein Gespräch, keine Schritte, einfach nichts. "Leg dich erst mal hin." Schon hatte er den King hochgehoben und zu einem der beiden Betten im Zimmer getragen. Kazuki wurde vorsichtig ins weiche Federbett gelegt. "Versuch, dich zu entspannen und atme gleichmäßig. Winkel die Beine an und schließ die Augen. Versuch, dir irgendeinen angenehmen Moment vorzustellen und konzentrier dich ganz darauf. Ist dir kalt?" "Nein, heiß." Der Fadenmeister schloss die Augen. Er spürte die Hitze in seinem Körper wieder aufsteigen und fing an, zu schwitzen. So sehr er es auch versuchte, er konnte sich nicht von seinem Zustand ablenken. Der Blinde öffnete schnell das kleine Fenster gegenüber der Tür, sodass wenigstens etwas frische Luft hinein kam und den Raum etwas abkühlte. Dann fühlte er kurz mit seiner Hand Kazukis Stirn. "Du hast Fieber.", stellte er fest. Jetzt musste er schnell handeln, bevor sein Freund wieder den Schmerzen seiner, für ihn unheilbaren, Krankheit erlag. Er trat ohne zu zögern die Tür auf. "Jûbei! Lass mich nicht allein! Bitte!" Kazuki streckte die Hand nach ihm aus, doch was muss, das musste. "Ich bin gleich wieder da, nur ein Augenblick!" Damit verschwand der Braunhaarige auf dem unbekannten Gang und ließ Kazuki allein zurück. Die Tür flog mit dem Klimpern der zwei kleinen Glöckchen auf und signalisierte das Eintreten eines Bekannten. "Hey, Zirkusäffchen! Hast du dich verirrt? Ginji ist nicht hier, da musst du wohl später wieder kommen." Ban lehnte sich gemütlich in der Sitzecke zurück und rauchte schon wieder einen seiner weißen Qualmstängel. "Was ist, Schlange? Hast du Angst, dass ich dir deinen Job wegnehme und du dann nicht mal mehr Geld für deine Kippen hast?" Ban knurrte. "Suchst du Streit?!" "Na komm doch!" "Kannst du gern haben!" Ban sprang auf, bereit, den anderen zu Boden zu werfen. Auch Shido ging in Kampfstellung, bereit seinen Gegner abzublocken und nieder zu machen. "Hey! Macht das draußen! Hier drinnen muss ich eure zerfetzten Leichen wegräumen!" Paul deutete mit einer lässigen Handbewegung Richtung Tür. Shido ließ sich seufzend auf einen der Stühle fallen, nachdem er diesen Ban gegenüber geschoben hatte. "Was hast du denn heute wieder, Äffchen?" "Nichts weiter, ich versuche nur mich abzureagieren." Der Braunhaarige hauchte dem King seinen gräulichen Rauch entgegen und grinste herausfordernd. "Was ist? Kommst du wieder nicht zum Zuge?" Ban und Shido kamen sich immer näher, man konnte die Funken um sie herum fast sehen; wie sie sich anblitzten und eine Spannung aufbauten, bis sich fast ihre Köpfe berührten und die kalten Augen Shidos auf eisblaue trafen. "Erzähl schon, Junkie!" "Gerne, Brillenschlange." Beide seufzten tief und gelangweilt. Der Beastmaster erhob sich und platzierte sich jetzt genau neben dem, doch angeblich so Gehassten. "Was würdest du machen, wenn du wüsstest, dass Ginji nicht mehr länger als ein Jahr zu leben hätte; vielleicht sogar weniger?" Ban nahm noch einen tiefen Zug des aufgebrauchten Luftverschmutzers, schaute in die Luft und überlegte, nachdem er die teure Zigarette gedankenverloren ausdrückte. "Solch eine Frage von dir? Hm... was würde ich tun?" Der Blauäugige blickte an die kahle Decke, als könne sie ihm helfen. "Ich weiß nicht recht. Ich würde wahrscheinlich versuchen, ihm die Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten. Wie das aussehen würde, kann ich mir jetzt schlecht vorstellen, aber ich würde auf alle Fälle bei ihm bleiben." Ban nickte, stolz über seine Antwort und schenkte nun wieder dem Besucher seine Aufmerksamkeit. "Was ist los? Du fragst so etwas doch nicht ohne Grund." Als Ban sah, dass der Schwarzhaarige es ihm nicht erzählen wollte, stupste er ihn leicht an. "Sag schon. Du wärst ja sonst schließlich nicht her gekommen. Ich kann versuchen, dir zu helfen... - so unter Kollegen versteht sich.", fügte er schnell noch an. Nicht, dass es so aussah, als könne er ihn gut leiden. "Kazuki... er ist krank." Shido schaute seinen Kollegen unsicher an, doch dieser verzog keine Miene, nahm nur eine weitere Zigarette. Nachdem diese halb aufgeraucht war, fragte sich der Größere, ob Ban überhaupt zugehört hatte. "Ein Jahr sagst du?" "Ein Jahr...wenn überhaupt." "Sicher?" "Darmkrebs." "So, so..." Die beiden, sonst eher aufbrausenden Einzelgänger schauten aneinander vorbei an die Tür und sagten erst einmal gar nichts. "Paul?" Der Beastmaster zeigte äußerlich keine Regung und hielt seine Augen weiterhin starr auf die Türklinke gerichtet. "Machst du bitte drei Pizzen? Vegetarisch, Maximum und die Beste, die du hast." Ban wandte den Kopf zu seinem...naja...fast Freund. "Wieso denn gleich...?" "Emishi." "Aha." Dann schwiegen sie wieder. Nur Paul störte die Ruhe ab und an, wenn er den Ofen öffnete, um nach den langsam warm werdenden, runden Teigflächen zu sehen. Als diese nun endlich fertig waren und die zwei anderen Anwesenden immer noch kein weiteres Wort miteinander gewechselt hatten, stellte der Cafebesitzer das bestellte Mittag vor sie und runzelte die Stirn. "Wenn dein durchgedrehter Freund nicht kommt und ich meine Pizza schon gegessen hab, darf ich dann seine essen?" Ban hatte Hunger und machte keinen Hehl daraus. "Ich stopf dir gleich deine zu groß geratene Klappe!" "Ich zittere." Bevor Shido noch ein weiteres Wort sagen konnte, steckte Ban ihm ein Stück der noch viel zu heißen Pizza in den gerade geöffneten Mund, wodurch Shido sich heftig die Zunge verbrannte und mit den Armen fuchtelte. Ja, sogar Tränen hatte er in den Augen. Paul schmunzelte in sich hinein, ging aber lieber schnell aus der Reichweite des Beastmasters und Ban tat so, als würde es ihn alles nichts angehen und nahm das erste Stück seiner gutriechenden Lieblingspizza. Noch bevor Ban sein kostenloses Mittagessen zum Mund geführt hatte, hatte sich Shido auf ihn gestürzt und zu Boden geworfen. Ban, völlig überrumpelt, hatte nun den heißen Käse, welcher sich mit dem flüssigen Ketchup vermischt hatte, über die gesamte obere Hälfte seines Shirts verteilt. Shido saß auf ihm. "Das war mein letztes, sauberes Shirt! Dafür bring ich dich um!" Schon im selben Moment kämpften die zwei Idioten sich durch das kleine, sonst so ruhige Honky Tonk. Ban sprang hinter die Theke, unter der sich gerade Paul in Sicherheit gebracht hatte. Shido hingegen blieb an dem Tisch, wo sie zuvor gesessen hatten und nahm eines der heißen, gut riechenden Stücken, wartete bis Ban über sein Versteck schaute und warf ihm das Stück genau ins Gesicht. Ban war kurz vorm Ausrasten, nahm die beschmierte Brille ab und steckte sie in die schon klebrige Brusttasche des verschmierten Oberteils. Das schrie geradezu nach Rache! Er nahm den offenen Mehlsack, der seinen Platz normalerweise neben dem Ofen hatte und schleuderte ihn in Richtung Shido, welcher zwar auswich, doch trotzdem noch genügend von dem weißen Puder abbekam. Bis der braune Sack gelandet war, zog er eine weiße, feine und gut verfolgbare Spur durch das Café. Nachdem abwechselnd Pizzastücken, Ketchupflaschen, Wurstscheiben, Käsestücke und auch noch Reste vom Teig hin und her flogen und Shido die Waffen ausgingen, sprang er mit einem Satz auf seinen Gegner drauf, der sich gerade wieder zum Werfen aufgerichtet hatte und deswegen auf der Theke stand, um besser zu treffen. Schon fielen die zwei Deppen nach hinten um; Ban auf den Rücken und Shido auf dessen Taille, natürlich bösartig und siegessicher grinsend. "Na? Wer ist besser?", fragte der Tierfreund, das letzte Stück vegetarische Pizza in den Händen halten und drohend, es ihm ins Gesicht zu drücken. Ban öffnete gerade den Mund, um seinem "Seme" zu widersprechen, doch da flog erneut die Tür, zu dem, mittlerweile miserabel aussehenden, kleinen Café, auf und ein weiterer Gast trat ein, sah sich in dem Chaos vorsichtig um, bis er die beiden Streithähne auf der Theke entdeckte. Ban, (sein T-Shirt war inzwischen etwas zerfetzt) immer noch unter dem Beastmaster liegend und somit in einer eindeutig zweideutigen Pose mit offenem Mund drein starrend und Shido, (fast schneeweiß von der hinterhältigen Mehlattacke) immer noch das wehrlose Pizzastück in der rechten Hand bedrohlich haltend, sagten erst einmal nichts und schauten den Besucher neugierig an. "Ihr tut DAS ja schon wieder! Aber diesmal hier! Du hast gesagt, du hättest keine Affären!" Joker war fassungslos über das, was er da sah. Erst mit Kazuki und nun mit Ban? Ausgerechnet mit Ban?!?!? Und dieses Mal war Shido sogar oben? "Bist du deswegen vorhin abgehauen? Wegen ihm?" Emishi wusste gar nicht, was er dazu sagen sollte. Ihm blieb fast das Herz stehen. Er wollte Shido doch für sich haben. Und nun? Nun saß er da, auf diesem Weltenzerstörer! Mit einem Stück Pizza! "Geh runter von mir!" Ban, scheinbar wieder bei normalem Bewusstsein, stieß den nicht mehr ganz so Schwarzhaarigen von sich runter und klopfte sich erst mal seine heißgeliebten Sachen ab, für die eh jede Hilfe zu spät kam. "Ich weiß nicht, was du hast." Shido konnte wohl dem Gedankengang des Langhaarigen nicht ganz folgen und verstand nicht, weshalb er nun schon wieder so entsetzt drein schaute. "Du bist echt das Letzte! Wenn du mich nicht leiden kannst, dann kannst du mir das auch ins Gesicht sagen und brauchst dich nicht hinterrücks mit anderen amüsieren." Schon war Emishi wieder aus der Tür verschwunden und ließ sowohl Shido, als auch Ban verwirrt stehen. "Als ob ich mich mit dir einlassen würde. Also wirklich!" Ban stupste den irritierten King an und zündete sich seine letzte Zigarette an, nachdem er sich auf einen, noch relativ sauberen, Platz gesetzt hatte und wieder wie ein Fremder tat, der die Unschuld in Person war. Joker rannte die lange Straße entlang, drängelte sich durch enge Gassen, die schneller zum Mugenjou zurück führten und hielt dann in einer scheinbaren Sackgasse inne, wischte sich die Tränen weg. Was hatte er da schon wieder gemacht? Er war in letzter Zeit immer so durcheinander, wenn er bei seinem langjährigen Freund war. Er war immer sofort eifersüchtig, sobald Shido mit anderen zusammen war, obwohl er wusste, dass da nichts passierte. Nun hatte er sich sicher noch unbeliebter gemacht. Kein Wunder, dass der Schwarzhaarige seine Nähe mied. Er wusste doch gar nicht, was zwischen Ban und ihm schon wieder vorgefallen war. Noch immer vor der Wand stehend, die ihm den weiteren Weg versperrte, sah er, wie sich ein Schatten vor ihm ausstreckte. Seine Nackenhaare stellten sich auf. Im Mugenjou bedeutete dies Gefahr. Jeder Schatten konnte den Tod bedeuten und er war ganz in der Nähe dieses Towers. Seine Hand an der Peitsche, die er gerade ziehen wollte, drehte er sich blitzschnell, bereit zum Kampf, um. Doch so schnell wie der andere, vermochte er nicht, zu reagieren. Er war einfach zu unvorsichtig und zu langsam gewesen. Bevor Emishi seine lange, aus Haaren gefertigte Waffe ziehen konnte, wurde er von einer, mehr als schattenartigen Gestalt, an die kalte Wand gedrückt, an der rechten Schulter bzw. an der Kehle festgehalten und somit bewegungsunfähig gemacht. Joker schluckte hart. So bloßgestellt, hatte ihn noch nie jemand. Sollte er also so sterben? Hier, in irgendeiner Gosse, wo seine Leiche sicher niemand finden würde? Noch immer hatte er die Augen geschlossen, die er unter seiner alten Brille versteckte, wagte nicht, sie zu öffnen und seinem Feind so ins Gesicht zusehen. Wenn er sterben sollte, dann schnell und schmerzlos. Dabei hatte er immer gedacht, er könne dem Tod lachend ins Auge sehen, doch nun schien er nicht mal in der Lage, die eigenen zu öffnen... "Trottel!" Die Hand und sogleich der Druck um seinen Hals verschwanden und auch seine Schulter wurde losgelassen. /Trottel?/ "Seit wann hast du Angst vor mir?" Diese Stimme...diese tiefe, vertraute Stimme... "Shido...?" "Wer sonst? Hier wagt es sich doch keiner, dich anzugreifen." Joker senkte wie zuvor den Kopf. "Du hasst mich, stimmt' s? "Schon seit du bei den Volts bist." Emishis Brust zog sich schmerzhaft zusammen. Er hatte das Gefühl zu ersticken. Zum ersten Mal in seinem Leben machte er keinen Witz, lachte nicht. Seine Welt schien zu zerbrechen; wie ein Spiegel, der von einem Moment in den nächsten plötzlich in tausend Teile zerspringt und achtlos in den Müll geworfen wird, wo ihn niemand mehr beachtete. "Ich hasse dich immer noch dafür. Du hast dich mir angeschlossen, um mich zum Lachen zu bringen. Das hast du doch gesagt, das waren doch deine Worte, nicht? Du bist so ein verdammter Trottel!" Jedes Wort, welches aus dem Mund des anderen kam, schien Emishi wie ein Pfeil, der ihn schmerzhaft durchbohrte. Dieser Spott, dieser Hohn... War er wirklich so schrecklich gewesen? Emishi nickte abwesend. Ihm war nicht zum Heulen, nein, ihm war nach sterben. Er hatte das Gefühl, dass sein Herz aufhörte, zu schlagen. Doch aus diesen Suizidgedanken rissen ihn zwei Finger, die sein Kinn berührten und seinen Kopf so nach oben drückten. Bevor Emishi auch nur irgendetwas weiteres verstehen konnte, drückte Shido ihn erneut gegen die raue Wand, hielt ihn mit der anderen Hand fest und küsste ihn verlangend. Emishis Augen weiteten sich. Er wusste gar nichts mehr. Es geschah einfach, ohne, dass er es wirklich registrierte. Er stand einfach nur geschockt da, wehrte sich nicht, aber spannte sich immer weiter an. Luft holte er keine. Dann, als Shido bemerkte, dass Emishi wohl jetzt alles mit sich machen ließ, nahm er ihn fest in die Arme und drückte ihn an sich, löste den Kuss. Emishi schaute ihn nur unverwandt an, unsicher, was dies alles miteinander zu tun hatte. "Wehe, wenn du verschwindest! Du hast es all die Jahre mit mir ausgehalten, du musst es weiterhin mit mir aushalten. Ich hab dir viel Zeit gegeben, aber anscheinend wolltest du ja nicht zu deiner Familie zurück, sondern bei mir bleiben. Es ist mir zwar unbegreiflich, wie du dich so entscheiden konntest, aber es ist deine Schuld! Jetzt musst du es mit mir aushalten! Und du weißt, was ich für ein Sturkopf sein kann. Was ich mir in den Kopf gesetzt habe, wird gemacht! Du bleibst bei mir und wehe du läufst noch einmal weg!" Shido wuschelte dem Kleineren durch das lange, mittlerweile offene Haar. "Du hast mir versprochen, mich zum Lachen zu bringen. Eher gehst du nicht." Joker, langsam wieder in der Realität, blähte die Wangen auf, schien zu schmollen, doch den Glanz in seinen Augen konnte er nicht verstecken. "Das ist ein Ding der Unmöglichkeit! Du hast keinen Humor!" Shido grinste zufrieden. "Vielleicht will ich ja auch gar nicht lachen, damit du nicht gehst?" Emishis Gesicht verfärbte sich feuerrot. Er zwinkerte ein paar Mal. "Wer sind Sie und was haben Sie aus meinem Beastmaster gemacht?" Ein leichter Kniff in die Seite signalisierte ihm, dass es anscheinend wirklich sein Anführer war. "Ich geh doch nicht, nur weil du mal lächelst! Dann würde ich dir ja nicht mehr auf die Nerven fallen!" "Ah ja? Du hast es aber bisher immer noch nicht geschafft." Shido ließ seinen Freund los, der scheinbar überhaupt nichts gegen die, bisher doch sehr unterdrückten, Gefühle seines Chefs hatte. "Okay, okay! Wie wär's hiermit:", versuchte Emishi, anscheinend wieder völlig in seinem Element, einen seiner, Shidos Meinung nach, sehr schlechten Witze, " >Der Arzt diktiert seiner Sprechstundehilfe auf lateinisch das Ergebnis der Untersuchung. "Ist es eine sehr seltene Krankheit, an der ich leide?", fragt beunruhigt der Patient. "I wo, überhaupt nicht. Alle Friedhöfe liegen voll davon." Na? Wie war der?" Shido gähnte lustlos und schaute den Komiker danach alles sagend an. "Nun gut, gib mir noch 'ne Chance. Du musst aber mit machen. Pass auf: Klopf, klopf!" Der Beastmaster schlug sich innerlich vor den Kopf, als er mit seinem kindischen Freund die Straße entlang zum Krankenhaus schlenderte. "Wer ist da?", gab er schließlich uninteressiert als Antwort. "Feuer!" "Feuer wer?" "Wo brennt's denn?" Emishi fing an, zu kichern, freute sich über diese beschränkten Witze wesentlich mehr, als jeder Zuhörer es je könnte. Shido hingegen zuckte nur mit der rechten Augenbraue. Was hatte er sich da nur wieder an Land gezogen? Vielleicht sollte er doch noch eine Nacht über seine Entscheidung schlafen und es dann alles dem Alkohol in die Schuhe schieben? Seufzend beobachtete der Tierfreund den selbsternannten Komiker. Wie dieser kindische Depp sich doch über diese albernen Witze freute, war echt süß. Shido lächelte unbewusst. "Na?!" Joker hüpfte vor ihn. "Du hast gelächelt! Du fandest ihn komisch!" "Nani?" Er wusste nicht wirklich, was dieser Peitschenheini vor ihm von ihm wollte. "Ich hab dich zum Lachen gebracht! Du hast über einen meiner Witze gelacht!" "Was?! Was unterstellst du mir da?! Ich hab nicht gelacht!" "Na Shido? Leugnen gilt nicht!" Damit hüpfte der junge Mann überglücklich in die Menschenmasse. Heute war wohl sein Glückstag. "Ich hab nicht mal geschmunzelt! Der war einfach nur flach! Hey! Warte gefälligst! Wenn du mir nicht glaubst, kämpfen wir darum!" Und auch Shido drängte sich durch die vielen Menschen, die ihm schon wieder den Weg versperrten, versuchte, Joker einzuholen und diesen die Leviten zu lesen. Kazuki lag inzwischen schon wieder in seinem Bett und der behandelnde Arzt hielt Jûbei eine langweilige und wahrscheinlich nie endende Predigt über die Gefahren eines solchen Ausflugs, wie Kazuki und er ihn unternommen hatten. Dabei hätte Jûbei es als Arzt doch selbst wissen müssen... Dieser saß auf dem Stuhl, in dem schon Shido geschlafen hatte und lehnte sich gemütlich auf den Fenstersims. Die Augen hatte er geschlossen, was man allerdings durch die dunkle Sonnenbrille und den bescheidenen Lichteinfall nicht sah. Kazuki war wieder in den Schläuchen gefangen. Er fühlte sich schwach und hilflos, wollte nicht, dass sein Freund wegen ihm Ärger bekam. Seine Augen schauten matt und nur halbgeöffnet zu ihm herüber. Der Arzt versuchte, Kazuki verzweifelt zu vermitteln, dass dieser doch in seiner Lage mehr essen sollte, doch der Angesprochene hörte nur mit halben Ohr hin. Seine Gedanken kreisten immer noch um den Kuss vorhin. Kazuki lächelte kaum merklich. Er sah völlig bleich aus. Jûbei glaubte zu bemerken, dass er dünner geworden war und diese Abmagerung ihn noch weiblicher aussehen ließen. Trotz dieser Andeutung eines schwachen Lächelns sah der Fadenmeister krank und zerbrechlich aus, dem Tode so nahe. Der Blinde schüttelte leicht den Kopf. An den Tod wollte er nicht denken, wenn er seinen Freund ansah. Ob er es nun wahr haben wollte oder nicht; Kazuki war blass, sehr sogar. Dazu kam noch, dass Jûbei wusste, dass Kazuki unter Anämie, also Blutarmut, litt. "Sagen Sie, Herr Doktor, wann darf ich das Krankenhaus wieder verlassen?" Kazuki wusste, dass es in seinem Zustand und dieser Prognose ein Ding der Unmöglichkeit für ihn war, hier jemals wieder raus zu kommen. "Ich bevorzuge es, nicht in ferne Zukunft zu sehen. Es tut mir Leid." "Schon okay. Danke, für die Antwort." Der Langhaarige lächelte noch immer, wie man es von ihm kannte. So, wie er es von seiner Mutter gelernt hatte: nie Schmerzen zeigen, immer lächeln. Egal was passiert: locker bleiben. Fremde nicht in die Gefühle einsehen lassen und wenn du Schmerzen hast, dann lächle vor Schmerzen. Nur wenn du alleine bist, dann darfst du schwach sein. Also lächelte der junge King, der sich seines Schicksal so sicher war, wie dem >Amen< in der Kirche. Jûbei verwies den Arzt nach draußen. "Wie fühlst du dich?" Der Ältere lehnte sich etwas vor, um den großen Abstand zwischen ihnen zu überwinden und etwas vertrauter zu Kazuki sprechen zu können. So, wie er es auch immer im Mugenjou getan hatte, um sicher zu sein, dass niemand zuhörte und sie belauschen konnte. "Es ging mir schon mal besser." Jûbei nickte. Das verhieß nichts Gutes. Kazuki sagte nie, wenn es ihm schlecht ging. "Können wir nicht von hier verschwinden? Bitte, Jûbei! Ich möchte nicht hier sterben. Ich will vorher zu meinen Freunden." "Ich verspreche dir bei meinem Leben, dass du bei deinen Bekannten zu Hause bist, wenn es soweit sein sollte, aber noch ist es nicht so weit. Wir...Du musst leider noch etwas hier bleiben, bis du wenigstens wieder etwas bei Kräften bist, okay?" Der Braunhaarige kraulte seinen geschwächten Freund liebevoll und versuchte, ihn zu beruhigen, vielleicht sogar zum Schlafen anzuregen. "Jûbei?" Kazuki setzte extra ein leidendes Gesicht auf, obwohl er wusste, dass Jûbei das wohl nicht wirklich zur Kenntnis nehmen konnte. "Hm?" "Küss mich, sonst sterb' ich!" "Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig." Der Ältere lehnte sich zu seinem Schützling vor, half ihm mit einer Hand, sich leicht aufzurichten, hielt ihn sanft fest und küsste ihn innig. Kazuki schloss die Augen, sein Gesicht bedeckte eine leichte Röte und er schnurrte dem anderen entgegen. Kazuki wollte nur ihm gehören und wenn er irgendwann sterben sollte, dann in seinen Armen. Nachdem der Stringmaster den Kuss gelöst hatte, kuschelte er sich zufrieden und verträumt an den Größeren und ließ sich von diesem festhalten. "Ich liebe dich, Jûbei." Der Braunhaarige nickte bestätigend, sagte dazu aber nichts mehr, hielt den Kleineren nur weiterhin fest an sich gedrückt. Ein paar kurze Minuten strichen ins Land und der angenehm frische Wind wehte durch das weiße Zimmer hindurch. Die Sonne schaffte es nur ab und an durch den bewölkten Himmel und die dünnen Gardinen, die leicht hin und her wehten. Der Blinde ließ Kazuki sanft zurück in das weiche Bett gleiten und setzte eine, wie Kazuki fand, doch eher besorgte Miene auf. "Was hast du?", fragte der geschwächte King missmutig, als er diesen Ausdruck sah. "Ich muss bald wieder zum Mugenjou zurück. Du weißt, dass Macubex dort jeden braucht. Ich würde natürlich gern bei dir bleiben..." "Ich versteh schon.", winkte Kazuki lächelnd ab, "Ich bringe alles durcheinander. Geh schon. Sie warten bestimmt schon auf dich." "Bist du sicher? Ich will dich nicht allein lassen." "Es geht schon. Ihr musstet doch schon auf Shido verzichten, als er zur Versammlung berufen wurde. Noch einen können die Volts sicher nicht entbehren, vor allem nicht einen talentierten Kämpfer wie dich, der jeden Winkel im Tower kennt. Macubex verlässt sich auf dich. Kämpf für mich mit, ja? Und pass auf dich auf!" In diesem Moment hüpfte der nervige Komiker zur Tür herein und kniete neben dem Bett, Kazus Hand haltend, nieder. "Wie geht es dir, Kazuki-han? Die Ärzte haben gesagt, dass du erneut einen Schwächeanfall hattest." "Ist schon gut, ich brauche nur etwas Ruhe." Jûbei nickte und baute sich vor dem aufbrausenden Kämpfer auf. "Wehe, wenn er die wegen dir nicht bekommt!", fuchtelte er drohend mit dem Zeigefinger. "Jûbei!" Kazuki piekste seinem Beschützer einmal gezielt in die Seite, sodass dieser einen Satz zurück machte und schwieg. "Ist schon okay. Wenn er sich nicht daran hält, werden die Ärzte ihn sowieso rausschmeißen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er nichts anstellen wird." Joker nickte eilig und bedankte sich gewohnt theatralisch für Kazukis Vertrauen in ihn. "Kazuki? Nicht, dass ich deine Entscheidungen in Frage stellen würde, aber willst du sie in diesem Fall", Jûbei deutete auf Emishi, "nicht noch einmal überdenken?" "Ich hab doch jemanden hier, der auf ihn aufpasst, nicht Shido?" Der Beastmaster seufzte tief und sah auch schon wieder mehr als nur genervt aus. Kazuki war sich ziemlich sicher, dass Emishi ihn schon wieder versucht hatte, zum Lachen zu bringen. "Und? Wie waren die Witze?" Joker unterbrach Shido, als dieser nur Luft holte, um dem Langhaarigen zu antworten: "Ich hab's geschafft: Er hat tatsächlich gelacht!", freute sich der Dompteur, doch Jûbei wusste es besser: "Ich weiß warum: Du hast gesagt, dass du gehst, falls du es schaffen solltest, ihn zum Lachen zubringen. Deswegen hat er gelacht: Damit du gehst!" "Shido-han?" Emishi wandte sich zu seinem Leader um. Als deformiertes Chibi, mit pausenlos fließenden Tränen in den Augen, blinzelte er seinen überforderten Freund an. "Hast du mich gar nicht lieb?" Shido rollte genervt die Augen. Was war das denn schon wieder für eine Frage? "Wenn das so wäre, hätte ich dich doch schon längst erschlagen." Schon hing Emishi Shido wieder am Hals und bedankte sich für dessen unglaubliche Großzügigkeit ihm gegenüber. "Wann wirst du wieder kommen?" Jûbei stand missmutig auf und zog sich sein rechtes Armband fester. "Ich weiß nicht, sobald wie möglich. Wenn etwas dazwischen kommt, sag ich Shidos Freunden bescheid." Damit umarmte er den Kleineren noch einmal herzlich zum Abschied - man wusste ja nie, ob er wiederkommen würde - und ging hinaus. Kazuki hielt den Kopf unverwandt auf die Tür zu seinem Zimmer gerichtet, dort, wo Jûbei gerade verschwunden war. Ihm war, als würde er ihn nie wieder sehen. Besorgt und traurig schien er wieder völlig in seine eigene, sorgenvolle Welt verschwinden zu wollen, doch das wusste Emishi zu verhindern. Er schob sich einen zweiten Stuhl an Kazus Bett, nachdem Shido sich auf Jûbeis gesetzt hatte und die Vögel im Park vor dem Krankenhaus zufrieden beobachtete. "Kazuki-han! Soll ich dir einen Witz erzählen?" Kazuki kam nicht wirklich zum Antworten. Emishi fing einfach an, ob es der krebskranke King nun hören wollte oder nicht. "Also pass auf: Ein Ehepaar betritt gemeinsam das Sprechzimmer des Zahnarztes. "Wie teuer ist es, wenn man sich einen Zahn ziehen lässt?", fragt der Mann. "Neunzig Euro mit Betäubung, fünfzig ohne!" "Dann ohne Betäubung!" "Bravo!", lobt der Zahnarzt. "Sie sind wenigstens ein mutiger Mann, ein ganzer Kerl!" "Naja", winkt der Mann ab, wendet sich an seine Frau und fordert diese auf: "Nimm doch schon mal Platz, Liebling."" Emishi schaute Kazuki erwartungsvoll an, doch dieser schaute nur ebenso erwartungsvoll zurück. "Du hast ihn nicht verstanden, stimmt' s?" "Doch, Emishi. Klar und deutlich." "Dann lachst du nicht? Okay. Noch ein Versuch: Frage: Wie findet man den Nabel einer Frau?" Kazuki zuckte neugierig mit den Schultern und forderte den Komiker auf, die Antwort preiszugeben. "Antwort: Man fährt mit dem Zeigefinger den Rücken herunter und ist am Nabel angekommen, wenn der Finger das dritte Mal eingerastet ist." In Kazukis Gesicht stieg die Röte und er schaute Shidos Gefährten schockiert an. "Auch nicht? Na gut. Ich geb' dir noch eine Chance. Schließlich sind alle guten Dinge ja drei: "Herr Doktor, kommen Sie bitte schnell", fleht eine weibliche Stimme am Telefon, "Unser vierjähriger Sohn hat ein Präservativ verschluckt." "Um Gottes Willen!", entsetzt sich der Arzt, "Ich komme sofort." Er packt seine Tasche und will gerade zur Tür hinaus - in dem Moment klingelt das Telefon erneut. Pflichtbewusst nimmt er den Hörer ab. "Herr Doktor", hört er die weibliche Stimme von vorher sagen, "Sie brauchen nicht mehr zu kommen, wir haben ein anderes gefunden."" Kazuki lächelte verlegen und peinlich berührt, während Emishi voll und ganz in seinen schlechten Witzen aufging und Shido es bevorzugte, so zu tun, als wäre er nicht anwesend und kenne den Komiker nicht. Er unterhielt sich lieber mit einem majestätisch aussehenden und vom Aussterben bedrohten Weißkopfseeadler, der sich gerade auf der Durchreise befand und hier eine kleine Pause einlegte, um sich mit dem Beastmaster unterhalten zu können. Er faltete gerade seine weiten, braunschimmernden Flügel zusammen, machte es sich auf dem Fenstersims gemütlich, auf dem Shido lehnte und erzählte die Neuigkeiten aus seiner Heimat. Kazuki beobachtete die Zwei nebenbei fasziniert. Ab und an beneidete er Shido wegen seiner Fähigkeiten. Er würde sich auch so gern einmal mit solchen Tieren unterhalten können und ihnen eventuell Befehle geben. Er sah dem Beastmaster öfters zu, als dieser es annahm, bewunderte den leichten Umgang mit dessen sogenannten, friedlichen Freunden. Shido schien so glücklich und unbeschwert. Ob er auch so viele Sorgen hatte, wie der Fadenmeister? "Der hat's gut!", flüsterte Emishi, während Kazu zustimmend nickte. "Ich bewundere ihn dafür. Für ihn ist das alles so normal und alltäglich..." "Das ist das Einzige, was ihm noch von früheren Zeiten geblieben ist." Der Braunäugige wandte seinen Kopf kurz zu dem Komiker, bevor er dem Adler wieder fasziniert seine Beachtung schenkte. "Was meinst du damit?" "Shido ist doch ein Waldmensch. Um genau zu sein, der letzte Waldmensch. Sein Stammbaum reicht über Jahrtausende zurück. Seine Familie lebte mit Tieren und verständigte sich mit ihnen. Für sie waren Tiere gleichwertig mit Menschen, vielleicht sogar besser als diese. Meist teilt Shido diese Ansichten noch heute. Ich weiß nicht, was passierte, aber seine Familie starb, als er noch ganz jung war. Die Waldmenschen wurden regelrecht ausgerottet. Darüber spricht er mit mir nicht. Die Tiere sind das Einzige, was ihm geblieben ist." Auch Joker schaute Shido nachdenklich an. "Ich frage mich immer, über was er mit den scheinbar fremden Tieren spricht und woran diese ihn erkennen. Dieser Adler zum Beispiel... . Wieso hat er auf einmal einen Umweg zu ihm gemacht?" "Gute Frage..." Emishi und Kazuki hockten dicht beieinander und flüsterten geheimnisvoll, damit der Beastmaster es nicht hörte. "Er muss doch ein ungeheures Allgemeinwissen haben, was Tiere angeht, oder?" Joker bestätigte nur leise, bevor der Schwarzhaarige sich umdrehte und die zwei Tuschelnden ins Visier nahm. "Über was redet ihr da?" Die Angesprochenen fühlten sich peinlich ertappt und taten nur auffälliger denn je, so, als wäre nichts. "Dann ist ja gut. Ich hab gehört Jûbei will zum Mugenjou?" "Ja, darüber haben wir vorhin gesprochen. Ist besser wegen den Volts und so." "Emishi? Würdest du mir einen riesigen Gefallen tun?" "Aber immer!" "Würdest du ihn begleiten? Allein dorthin zu gehen, scheint mir zu gefährlich." "Weshalb? Wir sind doch in der letzten Zeit ständig einzeln aus und ein gegangen!" "Sei vorsichtig und hol ihn vorher ein. Ich komme nach, sobald es Kazuki wieder besser geht." Emishi leuchtete das alles überhaupt nicht ein, aber der Unterton in der Stimme seines Leaders und dessen ernster Gesichtsausdruck ließen ihn nur stumm nicken. Er erhob sich zögernd von dem langsam angewärmten Stuhl und zog sich seine grüne Jacke an, die er zuvor auf einen der braunen, spitzen Haken im Zimmer gehangen hatte. "Halt Jûbei auf, bevor er da ist und mach noch einen Umweg, um dir bequemere Sachen anzuziehen, kampfbequeme Sachen!" Der Langhaarige wusste nicht, was Shido auf einmal hatte, aber es verhieß nichts Gutes. "Und Emishi!" Der Gerufene wandte sich noch ein letztes Mal um, als er gerade zur Tür hinaus gehen wollte und schon die flache Klinke hinunter gedrückt hatte, seinen King erwartungsvoll und nervös anschauend. "Sei bitte vorsichtig. Halte dich im Hintergrund, bis wir da sind." Er nickte nur stumm und verschwand dann verwirrt nach draußen. Nach nicht mal zwei Minuten war der junge Kämpfer vom obersten Stockwerk in den Park hinunter gerannt. Jûbeis Spur verfolgend, suchte er sich seinen Weg aus dem grünen, ruhigen Gelände. Der Tierfreund und sein Adler beobachteten ihn nur schweigend, Shido sogar sichtlich besorgt. "Pass auf ihn auf.", flüsterte er seinem geflügelten Freund zu, bevor dieser seine weiten Schwingen ausbreitete und sich in die unendlich erscheinenden Lüfte erhob, Emishi den Weg wies. Der Beastmaster schaute aus dem Fenster, bis weder Emishi, noch der Vogel mehr zu sehen waren. Dann seufzte er tief und unzufrieden. "Was hast du denn?" Sein Freund schüttelte nur langsam den Kopf, antwortete nicht auf die Frage, starrte nur weiterhin in den leeren, bewölkten Himmel. "Werd schnell wieder gesund, Kazuki...Werd schnell wieder gesund." Der Fadenmeister wusste nicht, was der Adler Shido berichtet hatte, er wusste nur, dass es schlechte Nachrichten waren. Aus irgendeinem Grund zog sich sein Magen schmerzhaft zusammen und schnürte ihm die Luft ab. War es eine Vorahnung oder fühlte er nur das, was sein Freund eben fühlte? "Sag, werden sie wieder kommen?" Es war nicht mehr als ein gehauchtes Flüstern. Wollte er die Antwort wissen? Konnte er überhaupt helfen? Auch diesmal antwortete der Schwarzhaarige nicht, sondern nahm nur sein schwarzes, nicht mehr ganz so neues Handy aus der Hosentasche, welches das Zeichen der alten Volts auf der, in der Sonne glänzenden, Schutzhülle hatte. Immer noch Schweigend klappte er es auf und drückte auf die Wahlwiederholungstaste, als hätte er die Situation schon vorher geahnt. Kazuki beobachtete ihn neugierig, aber unsicher. Shido ließ sich nicht beirren, schaute weiterhin aus dem geöffneten Fenster und ließ es klingeln. Waren es Minuten oder Stunden? Sowohl dem String-, als auch dem Beastmaster schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Waren Jûbei und Emishi nicht schon vor Ewigkeiten gegangen? "Ja? Liegst du auf deinen Ohren oder was? Warum gehst du erst jetzt ran? Ach komm! Red dich nicht schon wieder raus! Klappe, hör einfach zu! Ist er schon da? Gleich? Wie lange noch? Okay, das ist kein Problem." Kazuki hielt seine Augen unverwandt auf den Anwesenden gerichtet und versuchte, darauf zu lauschen, was der andere am Ende sagte, doch vergebens. Shido stand zu weit weg und der Angerufene sprach zu leise. Kurze Zeit herrschte Ruhe, Shido hörte dem anderen zu und ließ den Blick über Tokio schweifen, schien nach etwas oder jemandem Ausschau zu halten. Er nickte ein paar Mal oder bestätigte das Gespräch mit einem einfachen "Hm". Die Neugierde, die in Kazuki tobte, schien schier unerträglich zu werden. Was war denn nur los? Was hatte sein Freund? Mit wem telefonierte er? Und was war mit Jûbei und Emishi? Was waren denn diese Neuigkeiten? "Okay. Treffen wir uns dort. Bring auf keinen Fall überflüssige Leute mit. Du weißt schon. ...Ja genau! Alles was du kriegen kannst..... Hm....Das klären wir dann später, versprochen. Frag auch die Transporteure. Ja, sicher! Und du? Ist erledigt? ... wie? Na ziemlich stark! Frag nicht! Bereite dich einfach darauf vor! Kazuki?" Der Fadenmeister wusste nicht wirklich, was nun hier los war. Er fragte sich gerade, ob er einen Filmriss hatte oder unter Hypnose stand, vielleicht sogar unter Schizophrenie litt? Irgendwie fehlte ihm ein Stück. Shido wandte sich kurz zu ihm um und musterte ihn mit prüfendem Blick, dann sah er wieder aus dem Fenster in Richtung Mugenjou, hinter welchem gerade die Sonne unter dicken, dunkelblauen Wolken verschwand. "Ich würde nein sagen. Er ist noch nicht so weit. Plan ihn nicht unbedingt mit ein. Wir müssen eben sehen wie es wird und eventuell auf ihn verzichten. Ja natürlich! Meine ich auch...okay. Noch was? Dann sehen wir uns heute Nacht. Ich würde sagen, gegen halb elf. Bis dann." Ein piepender Knopfdruck signalisierte dem zweiten anwesenden und sehr verwirrten King, dass Shido aufgelegt hatte. "Wer war das und was ist hier los?" "Ein Freund. Wir haben ein Date.", antwortete der Angesprochene trocken, ohne sich auch nur zu dem Krebskranken umzudrehen. Shido pfiff einmal kurz und ein weiterer Vogel, diesmal ein stolzer Falke, landete sanft auf der Bettstange an Kazukis Füssen. "Ich muss weg. Er wird dir Gesellschaft leisten. Wenn du mich erreichen willst, dann durch ihn. Zettel und Stift dürftest du hier haben. Sein Name ist Fyon. Sei nett zu ihm - immerhin ist er für kurze Zeit dein "Haustier"." Der Beastmaster kraulte den großen Vogel noch einmal kurz am Hals und flüsterte ihm etwas zu, nachdem er sich bereits von seinem kranken Freund verabschiedet hatte. "Wir sehen uns!" /Oder auch nicht./, fügte der Langhaarige in Gedanken an, bevor Shido aus der Tür verschwunden war und ihn mit dem stolzen Vogel zurück ließ. Kazuki war nicht wohl dabei. Sein Freund hatte ihm noch nie eines seiner heißgeliebten Tierchen zur Verfügung gestellt und auch sein Blick, bevor er ging, war sehr untypisch. Er erinnerte ihn an längst vergangene Zeiten im Tower... So kühl und abweisend, bereit, jeden Feind auf der Stelle umzubringen. Als wäre der Beastmaster auf dem Weg zum Mugenjou, um dort wieder seinen alten, rechtmäßigen Platz einzunehmen. Sollte dies alles für immer sein? Ein Abschied ohne Wiedersehen? Ohne Happy End? Ein Abschied, bei dem nur er allein zurückblieb? Ein bebendes Donnergrollen holte Kazuki wieder in die kalte Realität. Die Wolken um die Festung ohne Grenzen waren dunkel geworden und sammelten sich zu einer scheinbaren Wand, die jeden Eindringling zurückschrecken wollte. Bis auf den Mugenjou war der Himmel wolkenlos und klar. Aber bei dem ehemaligen zu Hause Kazukis schien es sogar zu regnen. Die Gürtelzone war bereits vollständig von dem grauen Wasserdampf verhüllt und ließ keine Beobachtungen zu. Es blitzte stark. Was war denn hier los? Warum wusste Kazuki von nichts? Er stand auf; noch etwas wacklig auf den Beinen, aber er stand. Nun packte er den halbgefüllten Tropf und schlich lautlos zum Fenster, um sich einen besseren Überblick machen zu können. Unten sah er Shido die Straße entlang rennen, die auch Kazuki nahm, wenn er zum Tower wollte. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sah er Emishi stehen, der Jûbei scheinbar eingeholt hatte, da dieser neben ihm stand. Die Beiden hatten die gewohnte Kleidung aus dem Mugenjou an und warteten wahrscheinlich auf den nun eintreffenden King. Sie besprachen kurz etwas und schienen sich schnell einig. Kazuki sah, wie Jûbei kurz zum Tower hinauf deutete und sie dann gemächlich los liefen. In Kazuki stieg wieder das Gefühl der Gefahr auf. Etwas lag in der Luft. Für ihn war es noch unerklärlich, aber er wusste, dass er es hier nicht mehr lange aushalten würde. Als die drei Freunde unten um die Ecke bogen, sah Jûbei noch einmal zu dem Fadenmeister auf. Kazuki wusste, dass der Blinde ihn nicht sehen konnte, doch erschien es ihm, als würde dieser genau wissen, dass er da stand. Es war eine Warnung, kein Zweifel. Aber gleichzeitig war es auch ein `Lebe wohl´. Eben dies würde Kazuki nicht akzeptieren, nicht zu lassen. Er würde Jûbei nicht in sein Verderben laufen lassen, nicht nach alldem, was er für ihn getan hatte. Den einzigen Anhaltspunkt, den der Fadenmeister hatte, war, dass er vorhin bei dem Telefonat mitbekommen hatte, dass Shido sich mit irgendeinem Freund um halb elf vermutlich in der Nähe vom Mugenjou treffen wollte. Mehr wusste er nicht. Irgendwie musste er hier raus. Alles weitere konnte er sich unterwegs überlegen. Ein prüfender Blick auf Shidos treuen Vogel genügte ihm, um sich einen Plan auszudenken. Voll in seinem Element und sich dem Erfolg so sicher, zückte er einen Kuli aus dem Schieber des Nachtschranks, welchen er vorher von einer der Schwestern bekommen hatte. Dann nahm er einen kleinen, weißen Notizzettel und schrieb schnell und geheimnisvoll etwas auf diesen, bevor er ihn zu einem kleinen Papierknäuel zusammen knüllte und dieses wieder in seine Hosentasche steckte. Nun war alles eine Frage der Zeit. Mit einem Satz war er wieder in seinem kleinen Bett unter die dünne Decke geschlüpft und hatte den Tropf wieder an vorhergesehene Stelle gerückt. Geduldig blickte er immer wieder auf die große, runde Uhr und deren lange Zeiger. Dann endlich war es soweit: Die Visite kam gemütlich ins Zimmer geschlendert und beäugte den Patienten, der so müde tat, wie es nur ging, die Uhr aber nicht aus den Augen lies. Ein kurzes Gespräch folgte, dann der Vergleich der Werte mit den Normalen und eine lange Ausführung der Sachen, die morgen noch so anstehen würden. Dann verschwanden sie wieder hinaus und schlossen leise die Tür, damit der angeblich doch so müde Krebskranke genug Ruhe bekam. Die Medikamente bekam er vorher natürlich noch. Noch ein Blick auf Uhr. Sie waren 3 Minuten im Zimmer gewesen. Nach Kazukis befanden sich noch drei weitere auf der Etage, die sie noch besuchen mussten - Mit insgesamt sechs Patienten. Kazuki schätzte für jeden Einzelnen ca. 4 Minuten, dann hatte er freie Bahn. Immer wieder verfolgte er die vollen Runden des längsten Zeigers ungeduldig und aufgeregt zugleich. Ihm war sogar ganz flau im Magen, da er so nervös und hibbelig war. Dann war es endlich soweit: Die Visite musste bereits fertig auf dieser Etage sein, da war er sich sicher. Der Fadenmeister wartete noch eine weitere viertel Stunde, damit er sich sicher sein konnte, dass die Tabletten bereits anschlugen und die Doktoren sich nicht doch noch mit bekannten Leuten unterhielten. Jetzt holte er noch einmal tief Luft und schlug die Bettdecke zur Seite, entfernte die Kabel wie schon einmal mit einem Ruck und schlüpfte in die Wechselsachen, die der Beastmaster für den Fall der Fälle am ersten Tag da gelassen hatte; lange, schwarze Hosen mit silbernen, überschüssigen Nieten an der Seite, die in lange, quer hängende Gürtel übergingen und so wenigstens etwas die großen Taschen bedeckten, die wiederum von Reisverschlüssen verziert waren und schwarze Fäden hinunter baumeln ließen, welche aus ihnen ragten. -Und ein ebenfalls schwarzes, weites Shirt, welches zwei Reisverschlüsse jeweils auf einem Schulterblatt hatte und sich dort auch bequem öffnen ließ und somit zum Achselshirt werden könnte. Kazuki drehte sich einmal um sich selbst. Was hatte ihm Shido da nur wieder mit gebracht? Sollte das ein Witz sein? So schlecht wie der war, hätte er von Emishi stammen können. Er konnte sich sein schäbig grinsendes Gesicht und das höhnische Lachen schon vorstellen, wenn er ihm so gegenüber stehen würde. Kazuki, peinlich berührt, stieg die Röte ins Gesicht. Konnte er sich in diesen doch sehr gothicähnlichen Sachen eigentlich auf die Straßen wagen? Er musste wohl... Nun setzte er sich noch die protzige Sonnenbrille auf, die er eben in einer der Taschen gefunden hatte und band sich die langen Haare wieder zum Zopf, bevor er die nervig klimpernden Glöckchen anbrachte. Fertig! Auffälliger ging's kaum mehr! Selbst der Falke machte einen Flügelschlag zurück, als er das grausige Ergebnis sah. "Shido hat gesagt du musst auf mich hören.", tadelte der doch sehr schwarze Fadenmeister den Vogel, während er sich nebenbei den Zettel in die eben angezogene Hose steckte. "Komm mit, Fyon! Bitte!" Dieser tat wie ihm geheißen, flog aber aus dem Fenster und setzte sich auf einen Baum gleich am Ausgang, um dort auf den Krebskranken zu warten. "Na toll....hast du's gut!" Er schob sich die schwarze, undurchsichtige Brille weiter hoch, welche wenigstens etwas die Röte bedeckte und versuchte so unauffällig wie möglich das Krankenhaus zu verlassen. Egal wie sehr er sich auch versuchte zu tarnen, er wurde ausnahmslos von jeder Person angestarrt. Er fiel auf, aber niemand erkannte den, durch die Hosen gar nicht mehr so schmächtig wirkenden, jungen Mann. Die Schwestern gingen ihm sogar aus dem Weg und wagten nicht, ihn anzusprechen. Er schaffte es tatsächlich "unerkannt" aus dem Hospital. Triumphierend und wieder guter Dinge, da sich die Anspannung etwas gelöst hatte, schlenderte er quietschvergnügt durch den Park nach draußen. Fyon stieß sich von dem massiven Ast ab und verfolgte seinen neuen, vorrübergehenden Meister treu, welcher sich langsam den Weg zum Tower suchte. Auf dem Weg dorthin gab es keine besonderen Vorfälle mehr. Die Medikamente schienen gut anzuschlagen. Der etwas menschenfremd erscheinende King ging ohne zu zögern durch den ersten Bereich des regnerischen Gebiets im Mugenjou. Klitschnass kam er am Südtor an. Die Sonne vermochte nicht, sich ihm zu zeigen. Kazuki spürte, wie ihn seine gewohnte Kraft wieder durchströmte, wenn er sich hier befand. Seine Krankheit schien vergessen. Er ließ sich in eine dunkle Ecke am Eingang fallen und verschmolz durch seine neuen, ungewohnten Sachen fast gänzlich mit der vermüllten und ebenfalls dunklen Umgebung. Hier würde er warten, bis sich seine Freunde näherten und egal was sie versuchten, er würde nicht gehen. Fyon landete sanft auf der linken Schulter des Kings und breitete seine weiten Flügel zum Schutz vor dem Regen über den King aus. "An dich könnte ich mich glatt gewöhnen.", lächelte der Langhaarige und lehnte sich etwas an den großen Vogel an, der ebenfalls näher rückte. So verharrten die neuen Freunde. Kazuki, glücklich darüber, dass er doch einmal in seinem Leben mit einem seiner Lieblingstiere da sitzen durfte und es so nah bei sich haben konnte, schien schon wieder etwas träge, vielleicht auch müde, aber nicht schwach. Der Falke rührte sich nicht und verharrte weiterhin treu bei seinem Meister, wie Shido es ihm befohlen hatte, schützte diesen vor dem nassen Niederschlag. Kazuki gähnte herzhaft, lehnte sich an die, halb von einem zerstörten Dach, bedeckte Wand und beobachtete das Geschehen mit halbgeöffneten Augen aufmerksam weiter. Er fiel überhaupt nicht auf. Erst wenn man genauer hinschaute, erkannte man, dass dort jemand war. Aber lebendig schaute dieser Jemand auch nicht aus. Er verschmolz mit den anderen Menschen, die hier in letzter Zeit ihr Leben lassen mussten und schien sogar ganz froh darüber. So verging die lange Zeit, die ihm noch blieb. Der Regen peitschte weiter auf die engen Gassen und bildete schon große Pfützen, die pechschwarz erschienen, da keine Sonne zu sehen war. Kazuki blieb nur eine kleine Taschenuhr, um sich an der wirklichen Zeit zu orientieren, auf die er öfters ewig schaute und vor Langeweile die Sekunden zählte oder testete, wie lang er doch noch die Luft anhalten konnte. Dann endlich war es soweit: Halb elf. Der junge King lauschte angespannt ins Dunkel. Seine Augen konnten keine Besucher erkennen, obwohl sie sich längst an die Umgebung und Lichtverhältnisse gewöhnt hatten. War es denn gar nicht so, wie er gedacht hatte? Wollten sie gar nicht hier her? Machte er sich unnötig Sorgen? Suchten seine Freunde vielleicht schon nach ihm? "Fyon?" Der Vogel hob und senkte den Kopf immer wieder nervös und angespannt. Seine Augen schienen etwas zu sehen, denn diese fixierten scheinbar einen bestimmten Punkt. Kazuki schwieg, versuchte der Richtung seines Vogels zu folgen, doch auch diesmal erkannte er nichts. Irrte sich das Tier vielleicht? War er einfach nur vorsichtig, hatte Hunger und hörte eine kleine Maus fiepen? Oder etwas anderes, was er nur zu gerne hätte verspeisen wollen, weil er die ganze Zeit über nichts gegessen hatte? Andererseits könnte es auch gut Shido sein, denn dieser schlich sich auch immer geräuschlos an und nur seine Tiere erkannten ihn. Kazuki hielt angestrengt die Luft an, wie er es eben schon zum Spaß getan hatte. Und tatsächlich: Irgendjemand näherte sich ihnen. Da der Fadenmeister nicht ganz so gute Instinkte und ausgeprägte Sinne wie der Falke hatte, brauchte er nur etwas länger, um den Unbekannten wahr zunehmen. Aber da kam nicht nur einer, es waren mehrere. "Okay", flüsterte das ehemalige Mitglied der Volts dem stolzen Greifvogel zu, "Bring dies zu deinem Meister!" Er gab Fyon den kleinen, zerknüllten Notizzettel von vorhin und dieser packte ihn mit der rechten Kralle, nahm Schwung und stieß sich von Kazuki mit einem lauten, typischen Kreischen ab, flog knapp über den Boden hinweg. Jetzt kam der Moment, auf den Ito no Kazuki die ganze Zeit gewartet hatte. Waren es seine Freunde, oder nicht? "Wuah!", quietschte einer von ihnen laut auf und stieß irgendetwas um, was scheppernd zu Bruch ging. "Ein Angriff! Nimm das Viech weg!" "Pst!", ermahnte ihn ein Anderer leise. "Eben! Halt die Klappe! Oder willst du gleich entdeckt werden? Du Idiot! Also echt! Das ist doch nur ein Vogel!" "Ja, aber ein verdammt großer Vogel!" "Für dich vielleicht, dummer Affe!" Danach war erst einmal Ruhe. Kazuki war sich ziemlich sicher, seine Freunde in diesem amüsanten Haufen wieder erkannt zu haben, doch ein letzter Rest Zweifel blieb vorerst und er wagte nicht, sich zu erkennen zu geben. Mittlerweile atmete er wieder flach, war wie zu einer Salzsäule erstarrt. Ein Spion, welcher ganz in seinem Element war. "Ist das nicht dein Falke, Shido?" "Es ist seltsam, aber..." Wieder war Ruhe. Dann sah Kazuki den Vogel in die Lüfte aufsteigen und direkten Kurs auf ihn nehmen, bis er schließlich mit einem letzte Flügelschlag auf ihm landete und wieder kreischte, was die nicht mehr ganz so Unbekannten zielsicher auf ihn zugehen ließ. Der Langhaarige schluckte. Er hätte Shidos Freund eben nicht gegen ihn verwenden sollen. Ihm hätte ja gleich klar sein müssen, dass das nie gut gehen würde. Der Beastmaster lief voran und hatte noch einen Vogel auf der linken Schulter sitzen, wessen Augen trotz der schwachen Lichteinfälle golden glänzten und abschreckend wirkten. Hinter ihm liefen Jûbei, Emishi und Ginji, dichtgefolgt von Ban und Himiko. "Fyon?", suchte der Beastmaster nach seinem treuen Freund, der ihn oft begleitete. Fyon, verlässlich wie er war, wollte auch gerade wieder kreischend Antwort geben, bekam aber diesmal schnell von Kazuki den Schnabel zugehalten, was nur ein ersticktes und abgewürgt klingendes Krächzen zur Folge hatte. Es klang, wie Shido fand, nach dem sterbenden Schwan. "Alles in Ordnung?", fragte er ins Ungewisse, während die anderen Inne hielten und hinter dem Beastmaster blieben. Da Shidos Tiere ihm hier garantiert immer antworteten, es sei denn es droht Gefahr, bevorzugten sie es im sicheren Schatten zu bleiben, um eventuell hervor schnellen zu können und den Feind zu überraschen. "Fyon?" Doch auch diesmal konnte der wehrlose Vogel nur schwach krächzen und mit den großen Flügeln nach ihm schlagen. "Wer ist da?", fragte der Schwarzhaarige nun wesentlich gefasster und streng. "Nur ich.", antwortete Kazuki unsicher und erhob sich langsam aus der Dunkelheit, deutete gleich von weiten an, dass er keine Waffen besäße, da er die Hände offen zeigte. Dennoch gingen die Freunde in Kampfstellung, da sie den Fadenmeister nicht erkannten, wegen seiner, für ihn doch sehr seltsamen, Klamotten. Der Falke schlug noch einmal mit den Flügeln und schüttelte sich leicht, blieb aber doch auf den Schultern des jetzt missmutigen Kings sitzen, um Shido an einem unüberlegten Angriff zu hindern. "Antworte mir.", wiederholte der Größere gereizt seine Augen auf den Falken gerichtet. "Nur ich, Kazuki Fuchôin." Eine kurze Zeit war nur der Regen zu hören, der plätschernd in den Pfützen niederging und diese so immer wieder erschüttern ließ. Jûbei trat vor Shido, der immer noch nicht glauben konnte, dass diese Gestalt vor ihm sein langjähriger Freund war, obwohl er selbst ihm diese Sachen besorgt hatte. Kazuki musterte Jûbei verstört und stupste die Zeigefinger immer wieder aneinander. "Jûbei, ich kann das..." "Erklären? Da bin ich aber mal gespannt." Der Kleinere senkte denn Kopf. Eigentlich, wenn er ehrlich war, konnte er gar nichts erklären. Er war einfach nur seinen Instinkten gefolgt, wie er es nie tun durfte. Jetzt brachten diese ihn in Schwierigkeiten. "Ich...nun...also...ich wollte...vielleicht...wegen dir...und den anderen..." Er dachte an so vieles und wollte ihm alles erzählen, aber es kam ihm einfach nichts über die Lippen. Jedenfalls nichts, was er jetzt gebrauchen konnte. "Was wolltest du wegen wem?", nahm der Blinde die Wortfetzen auf. Fyon schlug ermutigend mit den Flügeln und stupste den unsicheren Zwanzigjährigen mit seinem Kopf an, was Shido mit einer erhobenen Augenbraue zur Kenntnis nahm und die Arme verschränkte. "Es ist wegen dir. Ich will nicht, dass du stirbst. Ich weiß nicht, was hier los ist oder was ihr mir verheimlicht, aber ich bitte dich, Jûbei! Geh da nicht rein. Bitte! Mir zu Liebe." Bevor der Braunhaarige wieder wegen seines Meisters schwach werden konnte, fasste ihm Ban auf die Schulter und trat vor ihn. Er wirkte lässig wie immer und hatte auch schon wieder eine seiner Kippen im Mund. Jûbei wollte ihm gerade ins Wort fallen und seinen Freund in Schutz nehmen, da deutete ihm der Jüngere an, die Klappe zu halten. "Das ist leichtsinnig und behindert uns nur.", sagte Ban kühl und abweisend, blickte dabei auf Kazuki herab, "Geh zurück ins Krankenhaus und lass dich behandeln. Dein Freund kommt schon zurück." Damit schob er den Krebskranken zur Seite und ließ ihn sprichwörtlich im Regen stehen, bevor er sich noch ein letztes Mal umdrehte: "Du bist uns im Weg! Verschwinde." Die anderen folgten ihm schweigend, als sie an Kazuki vorbei gingen und ihn weder anschauten, noch anderweitig zur Kenntnis nahmen, einfach nur ignorierten. Dann verschwanden sie durch das, von Ban geöffnete, Südtor in den Mugenjou und ließen den Exkönig mit sich allein. Nur Fyon blieb bei dem im Stich gelassenen Ausgestoßenen und leistete ihm stumm Gesellschaft. Das Einzige, was Kazuki nun noch durch den Kopf ging, waren Bans letzte Worte an ihn, bevor er in der Dunkelheit des Südtors verschwunden war: //Du bist uns im Weg! Verschwinde.// Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)