Such dich in mir... von Stiffy ================================================================================ Kapitel 5: Die ganze Wahrheit ----------------------------- „Verdammt, jetzt mach schon die verdammte Tür auf!“ Zum dritten Mal drücke ich fluchend die Klingel. Als die Tür dann endlich geöffnet wird, starre ich in ein fremdes Gesicht. Sam? Max? Wer auch immer! Ich will an ihm vorbei in die Wohnung drängen, doch er hält mich fest. „Moment mal Süßer... zu wem willst du?“ „Julian... ist er da?“, frage ich genervt. Wieso diese verdammten Förmlichkeiten? „Ähm... naja...“ Ein Blick in Richtung einer Tür, was mir bestens zeigt, wo ich hin muss. „Julie ist schon da, aber...“ Ich tauche unter seinem Arm hindurch. „...ich würde da jetzt nicht reing-!“ Zu spät. Als ich die Tür aufreiße, ist das Erste, was ich sehe, ein blanker Hintern. Wie angewurzelt bleibe ich stehen, mit offenem Mund, und dem Gefühl, mein Herz hätte aufgehört zu schlagen. Das ist nicht wahr! „Ich hab doch gesagt, du sollst da nicht reingehen!“ Das Kichern hinter mir. Am liebsten hätte ich mich umgedreht und ihm mitten ins Gesicht geschlagen, doch ich bin wie erstarrt von der Szene, die sich mir bietet. „Alex... du...!“ Julians Stimme reißt mich in die Wirklichkeit zurück. Sofort fahre ich herum, stürzte an dem Kerl vorbei zur Wohnungstür. „Verdammt!“ Wieder Julian, einige andere Geräusche, dann schnelle Schritte. Mit tränen in den Augen reiße ich die Wohnungstür auf, knalle sie hinter mir zu. Weg hier, einfach nur weg! Die Treppe falle ich fast herunter, kann mich nur mit Not festhalten. Wieder dieser Klang von bloßen Füßen hinter mir... An der Haustür holen sie mich ein. Julians Hand klammert sich wie ein Schraubstock um mein Handgelenk. Blind vor Wut drehe ich mich um, viel zu schnell als dass er meiner Faust hätte ausweichen können. Er stolpert zurück und nur der weiterhin feste Griff um meinen Arm hält ihn auf den Füßen. Ich versuche mich loszureißen, schaffe es nicht. „Lass mich los!“, fauche ich wie eine hilflose Katze, doch er lässt mich nicht los. Ich gebe auf, als ich Tränen über meine Wangen laufen spüre. Beschämt wische ich sie weg, starre zur Seite. In den Augenwinkeln erkenne ich seine nackten Hüften. Ich will das jetzt nicht sehen, presse die Augenlider hinunter. „Verdammt Alex!“ Noch immer hält er mich fest, lockert seinen Griff nur ein klein wenig. „Komm mit rauf, okay?“ Seine Stimme ist zärtlich... „Wozu?“ Blanker Schmerz spricht aus meinen Worten, Hass. „Lass uns reden... Bitte!“ Fast könnte man denken, er wolle es wirklich, fast könnte man denken, es täte ihm wirklich leid... aber nur fast! Ich schüttle den Kopf, gebe ihm sonst keine Reaktion preis. Immer größer wird die Wut in mir, immer größer dieser brennende Schmerz. Ich versuche das Bild aus meinem Kopf zu verscheuchen, versuche nicht daran zu denken, doch es ist wie eingebrannt. „Alex! Du verstehst das vollkommen falsch!“ Ich muss lachen und es klingt höhnisch. Die größte Ausrede der Menschheit! Ich hätte nicht gedacht, dass ich schon so bald damit konfrontiert werde! „Was gibt es da falsch zu verstehen?!“ Ich starre ihn wuterfüllt an, spucke ihm die Worte förmlich ins Gesicht. „Du hast diesem Kerl den Schwanz gelutscht wie eine dreckige Schwuchtel!“ Diesmal ist es mein Kopf, der zur Seite geschleudert wird, wenn auch mit weitaus weniger Wucht. Meine Wange beginnt zu brennen, ich starre ihn aus geweiteten Augen erschrocken an. „Vielleicht bin ich ja auch eine dreckige Schwuchtel!“ Seine Augen sind zu Schlitzen verzogen, als er mir diese Worte entgegenzischt. „Vielleicht bin ich das wirklich, aber diese Schwuchtel versucht dir gerade etwas zu erklären! Aber okay, wenn es dich nicht interessiert und du dich nicht mit mir abgeben willst, dann verschwinde! Dann will ich dich nie wieder sehen!“ Er lässt seine Arme sinken, lässt mich frei. „Gut!“ Mein Mund ist trocken. „Gut!“ Ich drehe mich um, greife nach der Klinke der Haustür und ziehe diese auf. Das soll es also gewesen sein? Ich will nicht, dass es so endet, bevor es nicht mal begonnen hat... Mitten auf der Steintreppe bleibe ich stehen. Ich schließe die Augen und versuche mein Zittern unter Kontrolle zu bekommen. War es das jetzt wirklich? „Kommst du jetzt wieder mit rauf?“, höre ich seine Stimme hinter mir. Sie klingt so zärtlich. Langsam drehe ich mich um, sehe ihn an, wie er dort im Treppenhaus steht, vollkommen nackt, leicht von der Kälte zitternd. Er ist überhaupt nicht dreckig oder ekelhaft, nicht mehr als ich. Ich bleibe mit meinen Blicken an seinem Gesicht hängen, auf dem ein liebevolles Lächeln liegt. Es überredet mich, ihm diese Chance zu geben. Ich will sie ihm geben! Ich gehe wieder in das Haus hinein, schließe die Tür hinter mir. Er nickt, lächelt noch etwas mehr. Zusammen gehen wir wieder nach oben. Als wir an der Küche vorbeikommen, erkenne ich den Mann, der mir die Tür geöffnet hat, und diesen anderen... Julian bleibt stehen, wendet sich an ihn: „Felix, ich glaub du solltest jetzt gehen.“ Der junge Mann steht auf und geht dicht an mir vorbei aus der Küche. Nur kurz treffen sich unsere Blicke, dann sieht er sofort weg. Er weiß nicht, wer ich bin, ich weiß nicht, wer er ist, aber wir haben wohl mehr über den jeweils anderen erfahren, als wir wissen wollten. Auch ich senke meinen Blick, trotte hinter Julian her in sein Zimmer. An der Wand neben der Tür bleibe ich stehe, beobachte diesen Felix aus den Augenwinkeln, wie er Pullover und Hose zusammenkramt. „Sieht man sich mal?“ Er steht ganz dicht vor Julian, sieht ihn bittend an. „Ich denke nicht“, ist die unterkühlte Antwort. Gesenkten Blickes geht Felix an mir vorbei und gleich darauf hört man die Wohnungstür ins Schloss fallen... Und genau in dem Moment komme ich mir mit einem Mal unglaublich schlecht vor. Wieso führe ich mich überhaupt so auf? Eigentlich darf Julian doch machen, was er will! „Setz dich bitte...“, sagt Julian leise, als er sich eine Boxershorts angezogen hat, und auf die Bettdecke neben sich klopft. Noch immer habe ich dieses Bild vor Augen, das ich hier gerade gesehen habe. Zögernd setze ich mich, den Blick weiterhin auf den Boden gerichtet. „Es tut mir leid, dass du das gesehen hast...“, spricht Julian nach einigen Sekunden des Schweigens. Sofort zieht sich in mir alles wieder zusammen. Zögernd nicke ich. Eigentlich hatte ich überhaupt kein Recht dazu, irgendwie über ihn zu urteilen! „Wieso... hast du das getan?“, stelle ich die Frage, die in meinem Kopf herumschwirrt, dennoch... komme mir aber augenblicklich noch blöder vor. Als dürfte ich ihn so etwas fragen, als dürfte ich überhaupt eine Antwort verlangen! Ich habe noch nicht mal das Recht, ihm überhaupt das Gefühl zu geben, etwas falsch gemacht zu haben! „Na ja, ich habe Felix vorhin in einer Bar kennengelernt und mich sehr gut mit ihm verstanden... und da er mir halt irgendwie gefallen hat, hab ich ihn mitgenommen... und wenn man es mal so sieht, eigentlich bin ich doch frei, oder nicht?“ Ich spüre, wie er mich ansieht, wage nicht meinen Blick zu heben. Etwas beschäftigt mich noch mehr, als seine Frage. „Und was ist... mit mir?“, fragte ich flüsternd. „Habe ich dir nicht gefallen... oder-“ „Warte Alex!“, unterbricht er mich mit sanfter Stimme. Er legt seine Finger unter mein Kinn, sodass ich ihn ansehen muss. Seine Augen strahlen etwas liebevolles aus. „Versteh mich richtig... Wenn mir jemand gefällt und ich nicht gebunden bin, gehe ich mit ihm ins Bett, aber bei dir ist es anders. Dich mag ich, Alex... und daher wollte ich dich nicht einfach nur verführen... verstehst du was ich meine?“ Er sieht mir tief in die Augen, doch ich wage nicht, auch nur zu versuchen, irgendwelche Schlüsse daraus zu ziehen. Darum schüttle ich langsam den Kopf. „Das heißt, dass ich dich sehr gerne habe... viel lieber, als irgendeine Bettgeschichte...“ Er kommt mir näher. Will er mich küssen? „Ich glaube sogar, dass da noch viel mehr ist...“ Ich weiche zurück. „Wieso hast du dann mit Felix-“ Er unterbricht mich abermals. „Alex... wie soll es denn für mich aussehen, wenn du dich so lange nicht meldest, und ich dann erfahre, dass du immer noch mit meiner Schwester ausgehst? Das heißt doch so gut wie, dass du nicht an mir interessiert bist, findest du nicht?“ „Ich war... verwirrt...“, gebe ich leise zu, wage kaum noch, seinem Blick standzuhalten. Wieso macht er mich so schwach? „Und jetzt hast du eine Antwort?“, fragt er mit einem fast neugierigen Unterton. Noch immer ist sein Gesicht dem meinem so nahe... Ich zucke verlegen mit den Schultern. „Na ja, ich hab Anne gesagt, dass ich mich in jemand anders verliebt habe...“ Ich sehe seine Augen sich verändern, noch weicher werden. „...in einen Mann...“ Mein Herz schlägt wie verrückt in meiner Brust, als er mir noch ein bisschen näher kommt. „Und was hat sie gesagt?“, fragt er, nur unweit von meinen Lippen entfernt. „Erst mal gar nichts... und dann hat sie geweint und gesagt, ich hätte es ihr früh-“ Lippen auf den meinen hindern mich am Weitersprechen und bevor noch irgendetwas anderes geschehen kann, gehe ich schon auf den Kuss ein, schlinge meine Arme um seinen nackten Oberkörper, als habe ich nur darauf gewartet. Ehrlich gesagt habe ich das auch. Er fühlt sich unglaublich weich und warm an, fühlt sich in dieser Umarmung so an, als hätte ich nie etwas anderes tun sollen. Es ist ganz anders als bei Anne. Wenn ich sie umarme, habe ich das Gefühl, ich tue es aus Höflichkeit, doch ihn will ich am liebsten gar nicht mehr loslassen. Kann es also auch so sein? Später, nach unendlich vielen Küssen, nach zärtlichen und wunderschönen Berührungen, bei denen mein Pullover und meine Hose irgendwo in seiner Unordnung verschwanden, liegen wir nur noch in Boxershorts bekleidet auf seinem Bett. Er hat seinen Kopf auf meine Brust gelegt und ich spiele gedankenverloren mit seinen Haaren. Es ist still, nur seinen Atem höre ich, und ab und zu ein Auto, das sich in diese Seitenstraße verirrt hat. Diese Scheinwerfer sind mittlerweile neben dem dünnen Licht der Laternen auch das einzige, das sein kleines Zimmer dann und wann erhellt. Ich starre schon seit geraumer Zeit gegen die dunkle Decke und versuche an gar nichts zu denken, nur an diesen Augenblick. „Willst du heute Nacht hier bleiben?“, unterbricht Julian irgendwann flüsternd die angenehme Stille. „Das würde ich gerne...“, antworte ich ebenso leise. Er drückt mir einen Kuss auf die Brust und befreit sich aus meiner Umarmung, geht aus dem Zimmer. Nachdem ich irgendwo aus dem Haus die Klospülung wahrgenommen habe, kommt er zurück, beruhigt so das Gefühl in mir, irgendetwas falsch gemacht zu haben. Er zieht die Vorhänge vor dem kleinen Fenster zu, kommt wieder zurück zum Bett... Zögernd erhebe ich mich ein Stück, als er die Bettdecke unter mir hervorzieht. Ich will etwas sagen, doch ich weiß nicht was. Irgendwie bin plötzlich unglaublich nervös. Julian legt sich zu mir und zieht die Decke über uns. Seine Schulter berührt die meine... Seine Haut ist ganz warm und angenehm. Einen Moment lang liegen wir still so da, starr, fast ängstlich, uns zu bewegen. Gerade war es nicht schwer, einander festzuhalten, nun scheint es jedoch fast unmöglich, diesen Kontakt wieder herzustellen. Doch nach einer Weile spüre ich endlich seine Finger an meinem Arm und sofort greife ich danach, halte sie fest. „Weiß Anne, dass ich es bin?“, fragt er in die Dunkelheit hinein, sein Atem kitzelt meine Schulter. „Nein...“ „Wieso nicht?“ „Ich wollte nicht, dass sie sauer auf dich ist... Schließlich wusste ich ja auch nicht, wie du darüber denkst...“ Ein bisschen kommt auch jetzt wieder Angst in mir auf. „Ich denke...“ Er macht eine Pause. Sein Daumen streicht leicht über meinen Handrücken. Man hört, dass er lächelt, als er weiterspricht. „Ich denke, dass sie lernen muss, damit umzugehen, denn ich habe keine Lust ihr zu verheimlichen, dass ich nun so einen wundervollen Freund habe...“ Sofort, als diese Worte gesprochen sind, spüre ich, wie nicht nur ich mich verkrampfe. Freund!, hallt es in meinem Kopf wieder und ich verstärke den Druck um seine Hand ein wenig. „Du... du bist doch jetzt mein Freund, oder?“, kommt es schließlich ganz leise und so unsicher, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. „Das wäre ich sehr gerne...“ „Gut.“ Ein erleichtertes Seufzen und auch seine Griff festigt sich ein wenig, während er noch etwas näher zu mir heran rutscht, soweit das überhaupt möglich ist. „Aber...“, zögernd drehe ich meinen Kopf ein Stück, selbst wenn ich weiß, dass ich ihn so immer noch nicht sehen kann. Wieso spüre ich immer noch diese Unruhe in mir? „Ja?“ Noch viel unsicherer. Kurz zögere ich. „Bitte lass mir Zeit...“, spreche ich dann ganz leise, unglaublich schüchtern, komme mir mit einem Mal wie ein verklemmtes Mädchen vor. „Ich habe noch nie mit einem Mann-“ „Soviel du brauchst!“, unterbricht er mich und tatsächlich lässt das unruhige Gefühl in mir ein wenig nach. „Danke!“ Ich hebe seine Hand an meine Lippen, küsse sie. Ich glaube, ich liebe dich! Doch diese Worte spreche ich nur in meinen Gedanken... Ich habe Angst davor, wie sie klingen könnten. Außerdem ist es wohl noch viel zu früh für dieses Gefühl, nicht wahr? Und dennoch weiß ich, dass sie nicht falsch wären. ~ * ~ Als ich am nächsten Morgen aufwache, liege ich in Julians Armen. Einen Moment lang ist es schwer, die Orientierung zu bekommen, das Zimmer zu erkennen und sich darüber klar zu werden, was eigentlich geschehen ist... dann, im nächsten Moment, bin ich unglaublich glücklich. Ich schließe meine Augen wieder, streichle mit meinen Fingern über die Hand auf meiner Brust. Ich glaub’s nicht, ich bin tatsächlich hier, hier in seinen Armen! Ein paar Minuten lang schaffe ich es, still liegen zu bleiben, doch dann kann ich nicht anders als mich ein bisschen zu bewegen, mich in eine bessere Lage zu bringen... doch sogleich spüre ich etwas gegen meinen Oberschenkel drücken. Alles hält an, für einen Moment. Ich ziehe erschrocken die Luft ein, als mir klar wird, was ich da gerade spüre... und doch verleitet es mich schließlich zu einem Lächeln. Es ist ein komisches Gefühl, die morgendliche Erektion eines anderen Mannes so dicht am eigenen Körper zu spüren... und doch kann ich mir gerade nicht erotischeres vorstellen. Und erst da, in dem Moment bemerke ich, dass auch ich erregt bin. Kaum merklich versteift sich mein Körper erneut. Wie peinlich! Sekunden später nehme ich plötzlich ein leichtes Streicheln auf meiner Brust wahr. Sofort zieht sich eine riesige, aber angenehme Gänsehaut über mich, in meinem Bauch beginnt es zu kribbeln. Seit wann er wohl wach ist? Das Nächste, was ich spüre, sind zwei zärtliche Küsse, die Julian auf meinen Schulterblättern absetzt. Ob ich etwas sagen soll... oder tun? Als ich spüre, wie seine Hand zögerlich tiefer wandert, entscheide ich mich sofort dagegen. Angespannt warte ich darauf, was er nun wohl tun wird. Traut er sich das, was ich mir plötzlich so sehr wünsche, oder muss ich ihm ein Zeichen geben? Aber das kann ich doch nicht, das wäre so... Noch nie zuvor hatte ich solche Angst, dabei ist es doch nicht so, als sei ich gänzlich unerfahren, zumindest nicht, was diese Sachen angeht... Er streicht zärtlich meinen Bauch hinab, bis hin zum Bund meiner Boxershorts. Immer größer wird die Erregung in mir, immer sehnlicher wünsche ich mir, dass er mich dort berührt. Der Gedanke fühlt sich auf einmal so richtig und normal an als hätte ich mich nie nach etwas anderem gesehnt, nie etwas anderes getan. Und dann wagt er tatsächlich auch den letzten Schritt. Ich halte die Luft an, spüre sein ehrliches Zögern, als er einen Finger unter den Bund schiebt. Und dann berührt er mich. Ich stöhne auf, kneife die Augen zusammen. Oh Gott, wie peinlich! Seine Lippen legen sich auf meine Schulter, streichen sacht hinüber, weiter in meinen Nacken, wo er vorsichtig zu saugen beginnt, während sein Körper sich fester gegen mich schmiegt, sich ganz leicht zu bewegen beginnt. Auch Julians Atem wird schneller, auch er beginnt und stöhnen, während seine Hand bei mir etwas vollführt, das ich mir nicht mal im Traum so wundervoll vorgestellt habe, und ja verdammt, ich habe von Julian geträumt! Doch dies hier ist so viel besser, als all die Male, die ich mir nach solch Träumen mit schuldbewussten Gefühlen selbst einen runtergeholt habe! Als ich schließlich fast gleichzeitig mit ihm zum Höhepunkt komme, scheint für ein paar kurze Augenblicke die Welt stehenzubleiben. Mein erster Gedanke: Dass es wirklich so toll mit jemand anderem sein kann! Mein zweiter: Und jetzt? Ich spüre meine eigene klebrige Flüssigkeit an meiner Haut, spüre, wie er seine Hand aus meiner Shorts zurückzieht... er streckt sich ein wenig hinter mir, greift über mich hinweg nach einem Taschentuch auf seinem Nachtschränkchen, säubert seine Hand und wie ich leicht spüre auch eine andere Gegend hinter mir... Ich schließe meine Augen für diesen kurzen Moment, versuche noch, meine Gedanken zu ordnen. Wenn ich ehrlich sein sollte, erschreckt mich am meisten, dass ich überhaupt kein Problem damit habe, so etwas mit einem Mann getan zu haben. Stattdessen ist es, als wäre es vollkommen normal... „Guten Morgen“, flüstert er zärtlich in mein Ohr, als er sich wieder richtig hinlegt, den Arm wieder um meine Brust schlingt. Und erst jetzt, da diese ersten Worte gefallen sind, finde ich den Mut, mich etwas zu ihm zu drehen. Nach so etwas den richtigen Anfang finden ist wohl doch das Schwierigste... „Guten Morgen“, erwidere ich... und es ist nicht schwer, ihm in die Augen zu sehen, selbst wenn ich weiß, dass ich knallrot bin. Ein Lächeln trifft mich, dass ich nur zu gerne verdecken will... also drehe ich mich ganz herum, raube ihm einen Kuss, lasse mich darin fallen. Es ist fast als wäre es nie anders gewesen, als hätte es alle Gedanken, die je gegen so etwas sprachen, nie gegeben. Julian sieht mich zärtlich an, als wir den Kuss beendet haben, streicht mir dann ein paar Mal leicht durch die Haare. „Ich habe die letzten Wochen jeden Tag darauf gewartet, dass du vorbei kommst...“, flüstert er und sein Atem streift über meine Wange. „Ich hab mich nach dir gesehnt...“ Ich greife nach der Hand in meinen Haaren, führe sie zu meinem Mund und küsse jeden seinen Finger. „Manchmal war ich kurz davor, einfach hier aufzutauchen, aber dann hatte ich doch nicht den Mut dazu...“ „Ich bin froh, dass du den Mut doch noch gefunden hast...“ „Ich auch.“ Julian lächelt und beugt sich mir entgegen. Seine Lippen sind warm. Ich erwidere den Kuss, lasse seine Hand los und ziehe ihn stattdessen an der Schulter näher an mich heran. Es ist ein wunderschönes Gefühl bei ihm zu sein. „Danke, dass du auf mich gewartet hast.“ Ein plötzliches Klopfen an der Tür hindert ihn vor jeglicher Antwort. Es folgt ein leises Knarren und als ich mich umdrehe, erkenne ich den Kerl von gestern, von dem ich noch immer nicht weiß, wer er ist. „Sorry der Störung!“ Er grinst uns breit an, verlässt den Raum allerdings nicht, sondern kommt stattdessen ganz rein und schließt die Tür hinter sich. „Mhm...“, macht Julian etwas mürrisch und setzt sich etwas auf. „Ist irgendwas?“ „Deine Sis ist da und-“ „Was?“ Sofort sitzt Julian senkrecht im Bett. „Oh Gott! Versuch sie abzuwimmeln, irgendwie!“ Er klingt panisch, fuchtelt mit den Händen herum. „Ich glaube das geht nicht, sorry...“ „Was will sie denn?“ Mit vollkommen überforderten Blick greift er sich in die Haare während sich in mir alles zusammenzieht. „Na ja, sie heult sich die Augen aus... Ich konnte sie wenigstens erst mal in die Küche locken, wusste ja nicht, ob du noch schläfst...“ „Oh mein Gott!“ Julian schlägt die Hände vors Gesicht. „Danke Max, du weißt gar nicht, wie gut das war! Einer von uns würde sonst sicher nicht mehr leben...“ Er streift sich fest durch die Haare, taucht wieder hinter seinen Händen hervor, deutet auf mich. „Er ist ihr Ex...“ Augenblicklich habe ich das Bedürfnis mich unter der Decke zu verkriechen. Verlegen starre ich auf Julians nackte Brust. Was der Kerl jetzt wohl von mir denkt... „Soll ich ihr sagen, dass es nicht geht?“, kommt es plötzlich richtig nachdenklich... doch zu meinem Schreck schüttelt Julian den Kopf. „Früher oder später muss sie es eh erfahren...“ Er seufzt und steht auf. „Sag ihr, ich komme gleich...“ Max nickt und verlässt dann das Zimmer. Sekundelang starre ich nun die geschlossene Tür an, während ich im Augenwinkel wahrnehme, wie Julian sich anzieht. „Du hast doch nicht vor, ihr die Wahrheit zu sagen, oder?“, frage ich fast ängstlich, sehe ihn an. Als er sich zu mir umdreht, grinst er, auch wenn man genau sieht, dass ihm eigentlich gar nicht danach zu Mute ist. „Hast du eine bessere Erklärung warum du hier bist?“ Er kommt auf mich zu, setzt sich, nun angezogen, wieder aufs Bett. „Natürlich kannst du auch drei Stunden hier warten bis sie sich ausgeheult hat und dann endlich verschwindet...“ Ich seufze, senke den Kopf. „Scheiße...“ „Na ja...“ Seine Stimme klingt wieder etwas ernster. „Wie ich schon gesagt habe... früher oder später muss sie es eh erfahren... komm, zieh dich an, da müssen wir jetzt durch.“ Als ich langsam aufstehe, um mich anzuziehen, fällt mein Blick auf die Digitaluhr auf seinem Schreibtisch. „Erst halb Acht?!“ „Tja, so ist sie... und mich missbraucht sie nun mal manchmal gerne als Kummerkasten, hatte genug Zeit mich daran zu gewöhnen... Komisch eigentlich, dass sie nicht schon gestern aufgetaucht ist...“ Seine Arme schlingen sich um meinen Körper. „Ein Glück dass nicht!“ Ich schließe den Reisverschluss meiner Jeans, lasse dann meine Arme sinken. „Ja.“ Ein Kuss in meinen Nacken folgt. „Naja, diesmal werd ich ihr wohl kaum helfen können...“ Ich seufze und nicke, drehe mich dann zu ihm herum. „Danke...“, flüstere ich, auch wenn ich in diesem Moment eigentlich gerne etwas anderes gesagt hätte. Aber Gott, dafür ist es wirklich noch reichlich früh! „Bedank dich erst, wenn du gleich noch lebst!“ Ein Zwinkern. „Und außerdem mache ich das vor allem für mich, denn ich bin es nicht gewohnt, mich zu verstecken... Eigentlich sollte ich eher dich fragen, ob es okay für dich ist, immerhin arbeitest du mit ihr...“ Ein vorsichtig prüfender Blick trifft mich. „Sie hasst mich eh schon“, seufze ich. „Leider nicht, mein Lieber, dafür liebt sie dich wohl zu sehr... aber vielleicht lässt das ja gleich nach, wenn sie hört, dass sie da nicht die einzige ist...“ Ein gequälter Blick, dann ein Kuss. „So, und nun aber auf in die Höhle des Löwen...“ Ich bleibe stehen, als er mich loslässt, ziehe zögernd mein Hemd an, als er es mir reicht. Ob das jetzt wirklich richtig ist? Aber sie ist seine Schwester, er muss selbst wissen, was er tut... An der Tür halte ich ihn dennoch auf. „Hältst du es wirklich für richt-“ „Hör auf dir so viele Gedanken zu machen!“ Er greift nach meiner Hand und zieht mich mit sich. Jeden Schritt den wir der Küche näher kommen, sackt mein Herz weiter in meine Hose. Am liebsten würde ich flüchten. Sie wird uns hassen, sie wird uns umbringen, sie... Zunächst sitzt sie mit dem Rücken zu uns. Max bemerkt uns als erstes, wirft Julian einen aufmunternden Blick zu und steht dann auf, um die Küche zu verlassen. Da erst scheint auch Anne uns zu bemerken. Im ersten Moment, als sie sich umdreht, sehe ich nur ihr tränenüberströmtes Gesicht, dann, als sie mich zu erkennen scheint, verändert sich ihre Miene von traurig zu schockiert. Ein unverständlicher Laut kommt über ihre Lippen, als sie von ihrem Stuhl aufspringt und dieser klappernd zu Boden fällt. Sie weicht einen Schritt zurück, steht mit aufgerissenen Augen vor uns... und starrt auf unsere Hände. „Ich fass es nicht!“ Schockiert presst sie sich die Hände vor den Mund. Ich will mich jetzt augenblicklich in Luft auflösen, bitte! „Anne, das-“ Julian tritt einen Schritt auf sie zu, streckt eine Hand nach ihr aus. Ich sehe seine Finger zittern. „FASS mich nicht an!“, zischt sie, tritt noch weiter zurück, wobei sie gegen den Tisch stößt. Klirrend fällt eine Tasse zu Boden. „Was soll der Mist?“ Ich bin es, den sie anspricht, den sie mit diesem Killerblick ansieht. Kaum kann ich dem standhalten. Mein Griff um Julians Hand wird fester. „Ich-“ „Er ist mein Freund“, fällt Julian mir ins Wort und irgendwie bin ich froh darüber, selbst wenn ich seine Worte zu hart finde. Aber ist gerade nicht eigentlich alles zu hart, was man sagen könnte? Ihre Augen zittern zwischen uns hin und her. Sie scheint nicht zu wissen, was sie tun soll. „Ach echt?!“, flüstert sie... und dann, als hätte sie erst testen müssen, wie diese Worte klingen, spuckt sie sie uns förmlich ins Gesicht. „Verdammte Scheiße, denkst du, das sehe ich nicht?!“ Sie krallt sich am Tisch fest, als suche sie einen Halt. Einen Moment habe ich das gemeine Bedürfnis, sie zu umarmen. „Seit wann geht das schon so?“, schreit sie mich an. Ihre Stimme ist brüchig und dünn. „Seit wann fickst du meinen Bruder?“ „Das...“ „Erst seit gestern...“, ist es wieder Julian, der antwortet, während ich kaum wage, sie weiterhin anzusehen... doch ich spüre, dass gerade das jetzt sehr wichtig ist. Ihre Augen werden zu Schlitzen, als sie nun wieder ihren Bruder ansieht. „Du!“ Sie faucht wie eine Katze, die ihm am liebsten die Augen auskratzen will. „Du verfluchte Schwuchtel spannst mir einfach so den Freund aus! Dass du so tief sinken kannst!“ Sie tritt einen Schritt vor, sieht ihn verächtlich an. „Du bist so widerwärtig!“ Ein kurzer klatschender Laut, dann stürmt sie an mir vorbei aus der Küche. Die Wohnungstür fällt ins Schloss, kurz darauf die Haustür. Keiner von uns macht Anstalten ihr zu folgen. Julian steht vor mir, mit gesenktem Kopf und glühender linken Wange. Er zittert am ganzen Körper. Vorsichtig löse ich meine Hand aus seiner und schließe meine Arme um ihn, nicht sicher, ob das jetzt richtig oder falsch ist. Zu meiner Erleichterung lehnt er sich gegen mich, lässt sich halten... und als er seinen Kopf in meiner Halsbeuge vergräbt, spüre ich etwas nasses auf meiner Haut. Wut kommt in mir auf, Wut auf sie... doch vor allem auf mich. Wie bloß konnte ich es so weit kommen lassen? Wie konnte ich sie bloß so weit an mich binden, dass sie ihn sogar zum weinen bringt? Aber ich wusste nicht, dass sie mich wirklich so sehr liebt... Hat sie tatsächlich so sehr an mir gehangen? „Es tut mir leid...“, flüstere ich in Julians Ohr, doch er reagiert nicht darauf. Eine ganze Weile stehen wir schweigend in der Küche, bis Julian sich langsam von mir löst. Seine Augen sind gerötet als er mich ansieht, ein Lächeln versucht, das misslingt. „Ich will duschen“, meint er und geht an mir vorbei, bleibt allerdings direkt hinter der Tür stehen. „Komm mit...“, flüstert er seine leise Bitte Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. „Gern.“ Als wir kurz darauf unter der Dusche stehen und das heiße Wasser über unsere nackten Körper fließt, habe ich das Gefühl, es würde alles von uns abwaschen und nur uns selbst und unsere Gefühle zurücklassen. Wir küssen uns die ganze Zeit, halten uns aneinander fest oder streicheln uns am ganzen Körper. Alle Bewegungen sind langsam und zärtlich, wirken unglaublich vertraut, als kennen wir uns schon ewig. Selbst als er vorsichtig mein Glied berührt, mich leise stöhnend zum Höhepunkt bringt, kann ich ihm dabei noch immer in die Augen sehen, als sei das alles das normalste der Welt, als sei das mit Anne nie passiert. Und ihm gelingt ein Lächeln, das fast seinem üblichen gleich kommt, als sein Körper in meinen Armen unter meinen Berührungen erzittert. „Ich bin froh, dass du bei mir bist...“, flüstert er danach, als wir uns einfach nur aneinander festhalten. „Ich bin froh, dass du mich bei dir sein lässt...“, antworte ich genauso leise, spreche damit meine Ängste aus. „Hör auf, dir Vorwürfe zu machen...“ Er sieht mich zärtlich an. „Ich habe mir dich ausgesucht, ich bin selbst schuld daran... und ich bin froh, dass ich so gewählt habe.“ Sein Kuss ist mehr als nur ein Versprechen, und ich antworte genauso darauf. ENDE Kapitel 5 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)